Titel: | [Kleinere Mittheilungen.] |
Fundstelle: | Band 261, Jahrgang 1886, Miszellen, S. 351 |
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[Kleinere Mittheilungen.]
Kleinere Mittheilungen.
F. Wegmann's Treibriemen in doppelter Lage.
Das Gleiten der Treibriemen auf den Scheiben soll nach dem Vorschlage von F. Wegmann in Zürich (* D. R. P. Kl. 47 Nr. 35059 vom
24. Juli 1885) durch eine doppelte, auf einander liegende Riemenumschlingung der
Scheiben vermieden werden. Es werden dabei die beiden Riemenenden durch die eine
Lage des Riemens, also genau in der Hälfte desselben, durch Vernähen, Verschrauben,
Schnallen oder sonstwie verbunden. Die äuſsere Riemenlage hat also für das Laufen
auf der Scheibe einen um die doppelte Riemenstärke vergröſserten Durchmesser und
dadurch wird der Riemen stets straff erhalten. Solche sogen.
Textabbildung Bd. 261, S. 351
Compoundriemen sollen bloſs halb
so breit als ein gewöhnlicher Riemen, allerdings bei doppelter Länge des letzteren,
genommen werden; doch können dieselben nur für beständige Bewegungsübertragung,
nicht aber für zur Maschinenausrückung verschiebbare Leitungen vortheilhaft
verwendet werden. Die Ausführung der doppelt liegenden Treibriemen, welche sehr
einfach zu machen ist, gestattet die Compoundriemen-Compagnie Sellnick und Comp. in Leipzig.
Sicherheitsvorrichtung an Holzhobelmaschinen.
Der Druckbalken für die Werkstücke an Holzhobelmaschinen wird von der Chemnitzer Werkzeugmaschinenfabrik vormals H.
Zimmermann in Chemnitz (* D. R. P. Kl. 38 Nr. 35143 vom 13. September 1885)
in der nebenstehend dargestellten Weise als Sicherheitsvorrichtung ausgebildet,
namentlich auch für den Fall eintretender Brüche. Vor und hinter der Messerwelle ist
der aus den beiden Theilen b und c bestehende Druckbalken angeordnet. Die Theile b und c liegen nicht dicht
an einander, sondern die oberen Enden derselben bilden einen Schlitz e. Mit den Lagern der Messerwelle ist der Balken c fest verbunden, während der Balken b derart angeordnet ist, daſs derselbe nach Lösung des
Bolzens f mittels eines Gelenkes leicht zur Seite
gedreht werden kann.
Textabbildung Bd. 261, S. 351
Diese Einrichtung ermöglicht eine rasche Freilegung der
Messerwelle, so daſs diese leicht nachgesehen, ausgewechselt oder neue Messer an
derselben angebracht werden können. Wird nun der Balken b geschlossen, so bildet derselbe mit c
zusammen ein Schutzmittel gegen Verletzung des Arbeiters während des Betriebes. Der
zwischen beiden Balken liegende Schlitz e ermöglicht
mittels des durch den schnellen Umlauf der Messerwelle erzeugten Luftstromes in der
angedeuteten Pfeilrichtung ungehinderten Abzug für die Späne, so daſs diese sich
nicht zwischen Balken und Welle festsetzen und Störungen im Betriebe herbeiführen
können.
Neill's Verfahren zur Bildung von Musterketten für
Weberei.
Um ein entworfenes Webmuster in verschiedenen Farben herzustellen, muſste bisher auf
den Musterwebstühlen immer eine Kette in der gewünschten Farbe angeknüpft werden,
wodurch für das Weben ein ziemlicher Zeitverlust entstand. R. G. Neill in Galashiels hat deshalb nach dem Textile Manufacturer, 1886 S. 96 in Vorschlag gebracht, auf dem
Musterstuhle gleich eine längere Kette aufzubäumen, welche die verschiedenen Farben
auf einander folgend enthält. Hierzu werden die kurzen, verschieden farbigen Ketten
je am Anfange und am
Ende mit Fadenkreuz oder Gelese geschert und durch dieselben Ruthen gesteckt, welche
unter einander mit Schnüren verbunden werden. Diese zusammenhängende Kette wird nun
auf einen Baum gewunden und von letzterem ab auf den Kettenbaum des Musterwebstuhles
gewickelt, bei welchem Vorgange das Anknüpfen oder Andrehen der Fäden erfolgt. Beim
Weben muſs dann, um ein Aufdrehen und Lösen der einzelnen Kettenfäden zu vermeiden,
die Kette sehr kurz hinter dem Geschirr zwischen zwei mit Gummi belegten Stäben
gehalten werden. Die Anknüpfstellen der einzelnen Kettenstücke werden natürlich
unverwebt durch das Geschirr gezogen.
Ueber die Lüftung und Heizung von Schulen.
Im amtlichen Auftrage hat Prof. H. Rietschel die
Lüftungs- und Heizungsanlagen verschiedener höherer Lehranstalten Berlins einer
Prüfung unterzogen und deren Ergebnisse in einer SchriftH. Rietschel: Lüftung und Heizung von Schulen.
(Berlin 1886. J. Springer.)
veröffentlicht.
Die Untersuchungen ergaben, daſs jede Anlage als verbesserungsbedürftig bezeichnet
werden muſste. Die im Allgemeinen richtig angelegten Schöpfstellen für frische Luft
waren häufig nicht gehörig gegen das Eindringen von Regen, Schnee, Blättern u.s.w.
geschützt; die Heizkammern zeigten meist nicht den nothwendigen Rauminhalt und die
erforderliche bequeme Zugänglichkeit. Bei Verwendung von Kachelöfen gaben dieselben meist in den ersten Stunden nicht die genügende
Wärmemenge ab, während die letzten Vormittagsstunden eine äuſserst hohe Erwärmung
zeigten. Die eisernen Lüftungsöfen haben sich nur zum
Theile bewährt; häufig wird über ihre mangelhafte oder ungleichmäſsige Erwärmung
sowie über zu groſse Wärmestrahlung geklagt. Ein Vortheil dieser Oefen ist, daſs bei
richtiger Anlage derselben eine gute Lüftung erzielt werden kann. Die Heizapparate
der vorgefundenen Luftheizungen entsprachen sämmtlich
nicht allen Forderungen, welche an solche Oefen gestellt werden müssen. Recht häufig
war allerdings die Mangelhaftigkeit der Leistung der Luftheizung einer nicht
sachgemäſsen Bedienung zuzuschreiben, welche auf Ueberbürdung des Heizers, der
zugleich auch Kastellan, Hausdiener o. dgl. ist, zurückzuführen war. Bei den
Messungen der Luftbewegung in den Abluft- und Zuluftkanälen zeigte sich, daſs das
Schlieſsen der Abluftkanalklappen von geringerem Einflüsse auf die Bewegung der Luft
im Raume ist als das Schlieſsen der Zuluftkanalklappen. Bezüglich der
Wärmevertheilung in den besetzten Klassenzimmern gestaltete sich der
Temperaturunterschied zwischen Fuſsboden und Kopfhöhe günstiger als in unbesetzten
Räumen, was wohl in der Wärmeabgabe der menschlichen Körper seinen Grund hat. Prof.
Rietschel empfiehlt, auf eine gute Lüftungsanlage
besonderen Werth zu legen und bei beschränkten Mitteln zuerst für eine solche zu
sorgen und alsdann das System der Beheizung zu wählen.
Die Rietschel'sche Schrift gibt in ihrem ersten Theile
ein durch zahlreiche Tabellen und graphische Darstellungen belegtes Bild der
ausgedehnten Beobachtungen, welche sich auf Kohlensäure-Ermittelungen, sowie
Messungen der Geschwindigkeit der Luft in den Kanälen und Schulräumen, der
Temperatur und Feuchtigkeit erstrecken; hieran schlieſst sich eine Darlegung der.
bei der Besichtigung der Anlagen gewonnenen Ergebnisse. Der zweite Theil enthält
eingehende Mittheilungen über den erforderlichen stündlichen Luftwechsel und
Wärmebedarf in den Schulräumen. Im dritten Theile legt der Verfasser seine Ansichten
über die Wahl, Anordnung und Ausführung von Lüftungs- und Heizungsanlagen für
Schulen dar; eine werthvolle Vervollständigung dieses letzten Abschnittes bilden
Vorschläge für die Ausschreibung solcher Anlagen, ferner Bedingungen für den Entwurf
und die Ausführung derselben.
F. Schmidt's Bogenlampe.
Um bei Bogenlampen mit kegelförmigen Eisenstäben in Solenoiden (vgl. Krizik und Piette 1882 243 428. 1884 251 * 68) die
Anziehungskraft des Solenoids auf den Stab gleichförmiger zu machen, versieht Franz Schmidt in Prag (* D. R. P. Kl. 21 Nr. 36115 vom
30. Mai 1885) die an den beiden Enden einer über eine feste Rolle gelegten Schnur
hängenden, die Kohlenstäbe tragenden kegelförmigen Eisenstäbe an ihrem nach oben
gerichteten dickeren Ende mit einer Drahtspule und läſst das untere, dünnere
Kernende in eine zweite Drahtspule hineinragen, welche von demselben Strome und in
derselben Richtung wie die Windungen der ersten Spule durchflössen wird. Das eine
Paar zusammengehöriger Spulen ist mit vielen Windungen schwachen Drahtes, das andere
Paar mit wenigen Windungen starken Drahtes bewickelt. Jedes Paar kann als eine Spule von veränderlicher Länge angesehen
werden.
Cassagnes' Steno-Telegraph.
Alfr. Cassagnes in Paris, Direktor der Zeitschrift Annales industrielles, hat einen Steno-Telegraphen
angegeben, mit welchem in der Zeit vom 28. Oktober bis 7. November 1885 und 11. bis
20. Januar 1886 auf französischen Telegraphenlinien zwei Versuchsreihen durchgeführt
worden sind und günstigen Erfolg geliefert haben sollen. Dieser Telegraph schlieſst
sich an den mechanischen Stenographen von Michela und
de Petro in Turin (vgl. * D. R. P. Kl. 15 Nr. 9240
vom 24. September 1878) an, welcher seit 1880 im italienischen Senat angewendet
wird. Michela zerlegt die Wörter in ihre phonetischen
Theile, die graphisch mittels einer kleinen Zahl von entsprechend gruppirten Zeichen
wiedergegeben werden; Michela's Stenograph enthält eine
Klaviatur mit 20 Tasten und 20 zugehörige Typen zum Drucken; das Papier wird um die
Breite eines Schriftzeichens fortgerückt, sobald man die gleichzeitig zum Drucken
einer Silbe niedergedrückten Tasten löslaſst. Das Lesen der Schriftzeichen soll in
14 Tagen gelernt werden können, das Arbeiten auf der Klaviatur dagegen eine längere
Zeit erfordern, da man in 4 bis 5 Monaten erst 150 Wörter in der Minute, 200 Wörter
aber erst in 8 Monaten stenographiren lernt. Cassagnes
stellt nun nach den Annales industrielles, 1886 Bd. 1 *
S. 420 in den beiden Telegraphenstationen synchron laufende VertheilerEin anderer Vertheiler für elektromagnetische Empfangstelegraphen, für welche
im Geber ebenfalls eine Klaviatur Michela's zur
Verwendung kommt, ist von Cassagnes (* D. R. P.
Kl. 21 Nr. 33205 vom 25. Februar 1885) angegeben. mit phonischem
Rad und der von Delany angewendeten
Regelungseinrichtung (vgl. 1885 255 * 328) auf und weist
der einen eine Klaviatur mit 20 neben einander liegenden Tasten zu, deren jede beim
Niederdrücken in regelmäſsiger Abwechselung von zwei mit dem einen Pole am Ende
gelegten Batterien entweder einen positiven, oder einen negativen Strom nach der
anderen Station entsendet, woselbst der Strom durch das zugehörige der 20
polarisirten Relais geht und einen Lokalstrom durch den zugehörigen der 20
Elektromagnete des Empfängers schickt. Die 20 Elektromagnete des Empfängers liegen
wagerecht in je 3 Reihen über einander zu beiden Seiten des Mittelrahmens und über
den obersten beiden Reihen wird der breite Papierstreifen hingeführt; unter dem
Papierstreifen liegt ein ebenso breites Band, das mit Druckfarbe getränkt ist, aber
merklich langsamer als der Papierstreifen bewegt wird. Die Anker der Elektromagnete
liegen unter den Spulen und sind so angeordnet, daſs jeder seinen Druckstempel nach
oben bewegt und mittels des Farbebandes auf der Unterseite des Papierstreifens
abdruckt. In den Lokalstromkreis ist noch ein 21. Elektromagnet mit eingeschaltet,
dessen Anker, wenn die Anker aller Relais in ihre Ruhelage zurückgebracht sind, beim
Abfallen ein Schaltrad um einen Zahn dreht und dadurch den Papierstreifen um die
Breite eines Schriftzeichens und durch Räderübertragung auch das Farbeband
fortbewegt. Wenn man den Vertheilern 3 Gruppen von je 20 Contactplatten gibt und die
Contactarme in der Secunde 3 Umläufe machen läſst, kann man in einer 400 bis 500km langen Leitung rund 400 Wörter in der Minute
oder 24000 in der Stunde stenotelegraphiren. An Stelle der Sender mit den 20 Tasten
hat Cassagnes auch eine selbstthätige Stromgebung
mittels gelochter Streifen ins Auge gefaſst.
Herstellung von Broschen, Knöpfen, Albumdeckel u. dgl. aus
Kartoffelfaser.
Als Ergänzung des bereits beschriebenen Verfahrens (vgl. 1884 251 432. 254 138) schlägt P. Fließbach in Kurow, Pommern (D. R. P. Kl. 39 Nr.
36569 vom 30. Januar 1886) zur Verhütung des Haftenbleibens der Pülpe auf den heiſsen Walzenflächen
vor, der Fasermasse zunächst Kalkhydrat, dann saure Salze (z.B. Alaun) zuzusetzen
und die Walzen auf 132 bis 150° zu erhitzen.
Anwendung des Celluloids zum Schütze von Schiffsböden.
Zur Verhütung von Ablagerungen an der Schiffshaut wurde von Ferd. Capitaine in Berlin und Jul. Bernard in
Paris Celluloid mit Erfolg versucht. Vor etwa 5 Jahren wurde auf die untere Fläche
eines kleinen Schraubendampfers, welcher die Verbindung der Insel Re mit dem
Festlande vermittelt, eine Celluloidplatte von 1mm,5 Stärke und 1qm Fläche befestigt. Das
benutzte Celluloid war fast durchsichtig und hatte keinerlei Zusatz von
Mineraltheilen bezieh. Farben erhalten. Eine von Jahr zu Jahr sich wiederholende
Untersuchung ergab, daſs die Celluloidplatte auch nicht den geringsten Ansatz von
Pflanzen oder Muscheln zeigte, während der übrige Schiffsboden davon stets so
überzogen war, daſs eine jedesmalige Entfernung derselben nöthig wurde. An der
Celluloidplatte war übrigens auch nach Verlauf von 4½ Jahren nicht die geringste
Veränderung zu bemerken, weder in ihrer Stärke noch in der Elasticität und
Beschaffenheit des Materials. Versuche mit Celluloidfirniſs wurden nicht angestellt;
derselbe hat übrigens den Uebelstand, daſs er, um haltbar zu sein, auf eine vorher
auf etwa 35° erwärmte Oberfläche aufgetragen werden muſs.
Der mitgetheilte und befriedigende Versuch verdient Beachtung, da der Preis des
Celluloids gegenwärtig auf etwa 6 M. für 1k
gesunken ist. Es ist übrigens wahrscheinlich, daſs zu dem angegebenen Zwecke das
Celluloid nicht durch Hartgummi ersetzt werden kann. (Vor einigen Jahren – vgl. 1877
224 225 – wurde auf die angeblich erfolgreiche
Verwendung von Papier hingewiesen, welches freilich
viel billiger wäre wie Celluloid. Red.)
Ueber die Behandlung der Abwasser von Städten.
Die Menge des Abfluſswassers von den Straſsen ist je nach dem Zustande derselben und
nach dem Verkehre sehr verschieden. Als Durchschnitt vieler Versuche auf verschieden
gebauten Straſsen fand C. M. Tidy nach dem Journal of the Society of Chemical Industry, 1886 S.
344 4g Bestandtheile in 1l Abfluſswasser, davon waren 1g,7 gelöst. Auf Holzpflaster fand er während eines
heftigen Sturmes 0g,7 Trockensubstanz in 1l Wasser; davon waren 0g,56 in Lösung. Natürlich übt das Wetter
bedeutenden Einfluſs auf die Menge und Zusammensetzung des Abwassers aus. Die Menge
des verunreinigten Wassers, welches von Fabriken herrührt, lälst sich gewöhnlich gar
nicht bestimmen.
Um über die durchschnittliche Zusammensetzung des Abwassers einer Stadt Anhaltspunkte
zu erhalten, müssen während mindestens 24 Stunden jede Vo Stunde Proben genommen
werden, welche dann mit einander gemischt zur Untersuchung gelangen. Es ist
ebenfalls wichtig, daſs an möglichst vielen Stellen in den Abfluſskanälen Proben
geschöpft werden. Da Gewitter bedeutenden Einfluſs auf die Zusammensetzung der
Abwasser ausüben, müssen auch Proben, welche etwa 1 bis 1½ Stunden nach einem
Gewitterregen entnommen wurden, analysirt werden. Als Durchschnitt vieler Versuche
enthält nach Tidy das Abwasser der Stadt London nach
heftigem Regen 1g,3 Bestandtheile in 1l, davon 0g,9
gelöst. Von den organischen Bestandtheilen sind 0g,2 gelöst vorhanden (vgl. 1874 211 208).
Neben amorphen organischen Substanzen enthalten die Abwasser niedere Thierformen, so
Monaden und Vibrionen. Wenn längere Zeit der Luft ausgesetzt, bilden sich höher
organisirte Infusorien, so Vorticellen und Rotiferen. Wenn solches Wasser in
Zersetzung begriffen ist, entwickelt sich Schwefelwasserstoff und Methan und das
thierische Leben verschwindet in denselben. Wird aber solches sich zersetzendes
Abwasser mit gewöhnlichem Wasser vermischt und der Luft ausgesetzt, so treten wieder
Rotiferen und Vorticellen auf und der schlechte Geruch des Wassers verschwindet.
Daraus geht hervor, daſs bei der Analyse von mit Städteabwasser verunreinigtem
Fluſswasser je nach der Zeit und dem Orte der Probenahme verschiedene Ergebnisse
erhalten werden können. Wasser, welches in der Nähe der Ufer entnommen wird, enthält
gewöhnlich nur niedere Thierformen; solches aus der Mitte des Flusses, wo mehr Berührung mit der Luft
stattfindet, zeigt dagegen höhere Infusorien. Um ein Durchschnittsergebniſs zu
erhalten, müssen daher quer über dem Flusse möglichst zahlreiche Proben genommen
werden.
Im Niederschlage, welcher sich beim Stehen von Städteabwasser absetzt, finden sich
Reste unverdauter Nahrung, Muskelfasern, Hülsen und Haare von Weizen, Wollfasern und
Pflanzengewebe. Weiter finden sich Absonderungsproducte, wie gelbe Gallensubstanzen,
Krystalle von Harnsäure und Schutt aus den Straſsen. Zur Erkennung, ob ein Wasser
Städteabwasser beigemischt enthält, ist das Vorhandensein von Weizenhaaren und
pflanzlichen Spiralen ohne Membran von höchster Wichtigkeit. Wenn pflanzliche Gewebe
durch den menschlichen Körper gehen, werden nämlich nur die Membranen gelöst, die
Spiralen aber bleiben unverändert.
Der wirkliche Werth von Städteabwasser ist bedeutend geringer, als man es nach seiner
Zusammensetzung erwarten sollte. Die Benutzung von Städteabwasser zur unmittelbaren Düngung von Land ist mit sehr groſsen
Schwierigkeiten und Uebelständen verbunden. Das Abwasser wird täglich ohne irgend
welche Unterbrechung in ungefähr gleichen Mengen erzeugt. Es muſs daher bei allen
Jahreszeiten, bei Trockenheit wie auch bei Nässe, und ohne Rücksicht auf das
Wachsthum der Pflanzen auf die Felder gelassen weiden. Natürlich muſs durch diese
Behandlung ein reines Wasser erzeugt werden und zwar ohne daſs dabei die
Nachbarschaft belästigt wird. Es ist daher immer nöthig, daſs die Stadt selbst im
Besitze des Landes sei und die Reinigung überwache. Schon die Beschaffung eines
geeigneten Stück Landes ist aber in vielen Fällen mit groſsen Schwierigkeiten
verbunden. Der Boden muſs einen gewissen Grad von Durchlässigkeit haben, damit das
Wasser schnell filtrirt und dabei auch den höchst möglichen Grad von Reinheit
erreicht. Das Land muſs in der Nähe der Stadt liegen, um den Verkauf des erzeugten
italienischen Raygrases zu ermöglichen. Die Entfernung von der Stadt darf aber nicht
zu klein sein, da sonst Verunreinigung der Luft, wie auch des Trinkwassers zu
fürchten ist. Das Land muſs auf solcher Höhe liegen, daſs das Abwasser auf dasselbe
durch eigene Schwere aufflieſsen und das gereinigte Wasser wegsickern kann. (Vol.
1883 247 458.)
Neben dieser Art der Reinigung von Abwasser kommt namentlich die chemische Reinigung in Betracht. Die benutzten
Chemikalien müssen natürlich möglichst billig sein, ferner nicht nur die
Unreinigkeiten fällen, sondern zu gleicher Zeit auch den schlechten Geruch
entfernen. Es ist wichtig, daſs sich der Niederschlag schnell absetzt und leicht von
dem Wasser trennen läſst. Mit möglichst wenig Fällungsmittel soll gröſstmögliche
Reinigung erzielt werden. Das Fällungsmittel muſs je nach der Natur des Abwassers
verschieden gewählt und auch die Menge desselben durch Versuche im Kleinen
festgestellt werden. Eines der ersten Mittel, welches zur Fällung vorgeschlagen
wurde, ist Kalk (vgl. 1874 211 211). Tidy fand bei Versuchen mit dem Abwasser einer groſsen
Stadt, daſs mit 1g,3 Kalk für 1l Wasser alle aufgenommenen Bestandtheile und auch
25 Procent der gelösten organischen Stoffe entfernt wurden. In einer Stunde setzte
sich der Niederschlag von 1m,8 auf 65mm. Diese Verwendung von Kalk zur Fällung ist aber mit Nachtheilen verbunden. Man erhält eine
bedeutende Menge Niederschlag, welcher werthlos ist. Das gereinigte Wasser ist
alkalisch und geht gern in Zersetzung über. Da freier Kalk im Wasser den Fischen
schädlich ist, läſst sich dieses Fällungsmittel nicht überall anwenden. Mit Thonerde als Fällungsmittel hat Tidy ausgezeichnete Erfolge erzielt; die Fällung ist aber bedeutend
langsamer als mit Kalk. Auch Eisensalze lassen sich
verwenden, wobei sich schwarze Niederschläge bilden. Die Reinigung mit all diesen
Mitteln ist aber keine ganz vollkommene, so daſs das Wasser nicht als Trinkwasser
benutzt werden kann.
Die beste Reinigung findet nach Tidy statt, wenn man bis
zur alkalischen Reaction des Wassers Kalk und dann noch
etwas Thonerdesalz zusetzt. Ein Zusatz von
Phosphorsäure zur Erhöhung des Dungwerthes des Niederschlages ist zu verwerfen, da
Vorhandensein von Phosphorsäure in Wasser die Pilzbildung sehr befördert (vgl. 1874
211 214).
Das Abwasser wird am besten im frischen Zustande gereinigt. Es ist wichtig, daſs eine genügende
Menge des Fällungsmittels zugesetzt und daſs dasselbe mit dem Wasser durch langes
Rühren möglichst gemischt wird. Um vollständige Absetzung des Niederschlages zu
ermöglichen, ist eine genügende Anzahl groſser Absatzgefäſse nothwendig. Die ganze
Reinigung muſs genau überwacht werden.
Ueber die Bestandtheile der Kalmuswurzel.
Nach Versuchen von H. Thoms (Archiv der Pharmacie, 1886
Bd. 224 S. 465) enthält die Kalmuswurzel, Acorus
Calamus, neben ätherischem Oel ein Weichharz, Acoretin genannt, den
Bitterstoff Acorin und das Alkaloid Calamin.
Der Bitterstoff der Kalmuswurzel, das Acorin, hat die Zusammensetzung C36H60O6 und spaltet beim Behandeln mit verdünnten Säuren
und Alkalien im Wasserstoffstrome, ferner mit Fermenten ätherisches Kalmusöl und
Zucker nach folgender Gleichung ab: C36H60O6 = 3C10H16 + C6H12O6. Das Acorin ist einer leichten Oxydation fähig und
geht unter Sauerstoffaufnahme und Wasserspaltung in ein indifferentes Harz, das Acoretin, von der Zusammensetzung C36H58O7 über: C36H60O6 + 2O = C36H58O7 + H2O. Das
Acoretin ist durch nascirenden Wasserstoff aus alkalischer Lösung reducirbar und
gibt als Endproducte ätherisches Oel und Zucker: C36H58O7 +
4H = C36H60O6 + H2O und C36H60O6 = 3C10H16 + C6H12O6.
Verfahren zur Darstellung von Tetrajodpyrrol.
Nach G. Ciamician und P.
Silber in Rom (D. R. P. Kl. 22 Nr. 35130 vom 9. Juni 1885) entsteht
Tetrajodpyrrol, auch Jodol genannt, wenn man 1 Th.
Pyrrol in 10 Th. Alkohol gelöst mit 12 Th. Jod in 240 Th. Alkohol mischt und einen
Tag lang stehen läſst. Die Reaction erfolgt nach der Gleichung: C4H4NH + 8J = C4J4NH + 4HJ.
Verdünnt man diese Lösung mit der 4 fachen Menge Wasser, so fällt das Jodol in
gelben Flocken aus. Das Jodol ist unlöslich in Wasser, wenig löslich in kaltem
Alkohol und Alkalien. Es zersetzt sich langsam am Lichte, rasch beim Erwärmen auf
150°.
Vortheilhafter ist es, die Bildung der freien Jodwasserstoffsäure zu verhüten, sei es
durch Bildung von Salzen, sei es durch Anwendung von Oxydationsmitteln, wie
Braunstein, Bleisuperoxyd, Chromate, Jodsäure u. dgl. Die Reaction findet dann nach
folgenden Gleichungen statt:
C4H4NH + 4J + 2O = C4J4NH+2H2O oder C4H4NH + 4HJ+4O =
C4J4NH+4H2O.
5C4H4NH + 16J + 4HJO3 = 5C4J4NH + 12H2O.
Man verwendet z.B. auf 1 Th. Pyrrol 150 bis 300 Th. Wasser und 3,3 Th. Kali- oder 2,4
Th. Natronhydrat oder die entsprechende Menge Kalkmilch. Zu diesem Gemische läſst
man nach und nach unter stetem Umrühren eine wässerige Lösung von Jod in irgend
einem Jodsalze, z.B. Jodkalium, Jodnatrium oder Jodcalcium, zuflieſsen. Obigen
Verhältnissen entsprechend, wendet man auf 1 Mol. Pyrrol 8 Mol. Jod, d.h. auf 1 Th.
Pyrrol 15 Th. Jod an. Der abgesaugte Niederschlag wird in heiſsem Alkohol gelöst,
die erhaltene gelbbraune Lösung mit Thierkohle gekocht und nach dem Abfiltriren
durch Zusatz von Wasser gefällt. Die Flüssigkeit wird zur Wiedergewinnung der
Jodsalze eingedampft. Eine Lösung von 1 Th. Pyrrol in der 300 fachen Menge Alkohol
wird mit etwa 10 Th. gefälltem Quecksilberoxyd versetzt; zu dieser Mischung läſst
man langsam und unter stetem Umrühren eine Lösung von 15 Th. Jod in der 20 fachen
Menge Alkohol hinzuflieſsen. Es wird dann abfiltrirt, die klare Lösung durch
Wasserzusatz gefällt, das abgeschiedene Tetrajodpyrrol, wie schon angegeben,
gereinigt. In derselben Weise verfährt man bei Anwendung von Zinkoxyd, Bleioxyd und
anderen Oxyden. – Oder es werden 1 Th. Pyrrol, 6 Th. jodsaures Kali und 7 Th.
Jodkalium in Wasser gelöst, zu der Lösung wird Alkohol hinzugegeben, bis eine
geringe Trübung erscheint. Man läſst dann zu der so erhaltenen Mischung langsam und
unter stetem Umrühren verdünnte Schwefelsäure hinzutröpfeln, wobei sich das
gebildete Tetrajodpyrrol nach einiger Zeit abscheidet.