Titel: | Neuere Arbeiten zur Abwässerfrage. |
Autor: | Bruno Simmersbach |
Fundstelle: | Band 338, Jahrgang 1923, S. 131 |
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Neuere Arbeiten zur Abwässerfrage.
Von Bruno Simmersbach, Hütteningenieur,
Wiesbaden.
SIMMERSBACH, Neuere Arbeiten zur Abwässerfrage.
III. Teil.
Behandlung des Schlammes.
Die Klärrückstände bieten hinsichtlich ihrer weiteren Behandlung, Beseitigung und
etwaigen Verwertung noch mancherlei Probleme; insbesondere ist die Frage der
Schlammbehandlung und Schlammbeseitigung oftmals schwieriger zu lösen als die Frage
der Abwässerreinigung selbst. Deshalb hat man dieser Sonderfrage schon vor der
Errichtung der Abwasserreinigungsanlagen die sorgfältigste Aufmerksamkeit zu widmen.
Zwar ist der bei der Abwasserreinigung gewonnene Schlamm unbedingt als ein
wertvolles Bodenmeliorationsmittel anzusehen, zumal er auch noch gewisse Mengen
recht wichtiger Pflanzennährstoffe enthält, aber diese Art restloser Beseitigung des
nicht weiter verarbeiteten Schlammes kommt eigentlich nur für Rieselfelder in
Betracht. Unter gewissen Umständen kann er auch für biologische Anlagen mit
Faulräumen in Betracht kommen, denn in den meisten anderen Fällen stehen einer
derartigen Beseitigung des Abwasserschlammes vielfach örtliche und auch
wirtschaftliche Hindernisse im Wege. Wo der frische Schlamm also nicht auf
weitausgedehnten Rieselfeldern beseitigt werden kann, muß man sich auf andere Weise
zu helfen suchen.
So hat man vorgeschlagen, den Schlamm zu pressen, doch ist dies vielfach nicht ohne
Zusatz von Kalk möglich, der aber dann wiederum die nachherige Verbrennung desselben
auf starke Schwierigkeiten stoßen läßt. – Vor einigen Jahren ist es nun
Schafer-ter-Meer gelungen, den Schlamm durch Ausschleudern soweit zu entwässern, daß
sein Wassergehalt bis auf 72,5 % herabgedrückt wurde. Solcher Schlamm läßt sich dann
verfeuern und zu Harburg a. d. Elbe befindet sich eine derartige
Verwertungseinrichtung des Systems Schafer-ter-Meer im Betriebe. Auch der
entwässerte Schlamm wird am zweckmäßigsten als Düngemittel benutzt, doch erhält man
wohl kaum eine Bezahlung dafür. Am günstigsten gestaltet sich die Beseitigung des
Klärschlammes jedenfalls, wenn er nach dem Absetzen und Trocknen an der Luft ohne
jede weitere Behandlung als Dünger verkauft oder auch kostenlos abgegeben werden
kann. Ist nun diese Art der Verwertung nicht möglich, so kommt in erster Linie die
künstliche Trocknung des Schlammes bei gleichzeitiger Verfeuerung des
Trockengutes in Frage und in zweiter Linie die Trocknung des Schlammes und dessen
Verkauf als Dungstoff. Die Vergasung des getrockneten Schlammes dagegen gewährt
keinerlei wirtschaftliche Vorteile, wie Trautmann in der Zeitschrift des V. d. Ing.
(Bd. 64, 107) dies ausführt, da auch der Ertrag aus dem nebenbei gewinnbaren
Ammoniak zu geringfügig ist. Unter allen Umständen ist daher die einwandfreie
Beseitigung des Klärschlammes stets mit Kosten verbunden. So ist dem Sewage
Syndicate Ltd ein Verfahren zum Entwässern von Kanalisationsschlamm patentiert (D.
R. P. 320567), welches ohne Zusatz von Fällungsmitteln arbeitet, durch ein dem
Naßverkohlen von Torf ähnliches Erhitzen auf eine oberhalb des Siedepunktes der
wässrigen Flüssigkeit gelegene Temperatur. Dann wird der erhitzte Schlamm auf eine
verhältnismäßig niedrige Temperatur, etwa auf 30° Cels., abgekühlt, worauf man ihn
absitzen läßt, und die Entwässerung durch darauffolgendes Pressen erleichtert und
beschleunigt. Ob dieses Verfahren in der Praxis nicht zu hohe Kosten verursachen
würde, erscheint uns zweifelhaft, jedenfalls kann es nicht rentabel sein. – Zur
Behandlung von Abwässern jeglicher Art empfiehlt Rohland sein
Kolloidreinigungsverfahren, das er mit den biologischen Reinigungsverfahren auf eine
Stufe stellt, und „bei dem die Rentabilität gesichert“ sein soll (Zeitschr.
f. öffentl. Chemie 20,1). – Ueber die Nutzbarmachung der Fäulniserscheinungen bei
der Behandlung des Abwasserschlammes schrieb F. R. O'Shaughnessy (im Journal of the
Society of Chemical Industry, London 33,3). Der Berichterstatter bemerkt zunächst
einleitend, daß auf großen Kläranlagen bekanntlich die Behandlung und Beseitigung
des anfallenden Schlammes nicht geringere Schwierigkeiten macht als die des
Abwassers selbst. Ein anschauliches Beispiel hierfür bietet Birmingham, worüber
O'Shaughnessy nun ausführlich berichtet: Im Jahre 1900 wurde das Abwasser
Birminghams mit Kalk behandelt und der ausgefällte Schlamm auf Sandflächen
untergebracht. Es entwickelten sich hieraus aber unhaltbare Zustände, besonders eine
unerträgliche Geruchsbelästigung, die auch durch das „Beerdigen“ des
Schlammes nicht gänzlich behoben werden konnte. Im Jahre 1901 ging man deshalb zur
Faulkammerbehandlung über, die besonders wegen der damit verbundenen
Schlammzersetzung anfangs allgemein Anklang fand. Doch auch hier stellte sich bald
heraus, daß die „Schlammverzehrung“ ihre Grenzen hat, sie schwankte nach
Messungen auf englischen Kläranlagen zwischen 10 und 30 %. Des ferneren ergab sich
noch als Nachteil weiter eine starke Geruchsbelästigung durch die den biologischen
Körpern zugeführten Faulkammerzuflüsse und ihr hoher Gehalt an ungelösten
Bestandteilen. Nachdem man deshalb schon im Jahre 1909 mit Versuchen begonnen hatte,
den Schlamm von Abwasser getrennt der Ausfaulung zu unterwerfen, schritt man,
besonders infolge der ganz außerordentlichen Unzuträglichkeiten während des heißen
Sommers 1911, in Birmingham zu folgendem neuen Verfahren. Nachdem das Wasser in
Absitzbecken mit etwa 4–5 stündiger Durchflußzeit von der Hauptmenge der ungelösten
Stoffe befreit ist, gelangt es in einem zweiten Absitzraum und von hier auf die
biologischen Körper. Aus den erstgenannten Becken wird der Schlamm, nachdem das
überstehende Wasser abgelassen ist, in Zeitabständen von zwei bis drei Wochen in
kleinere Zersetzungsräume gepumpt. In diese kleineren Becken wird gleichzeitig
bereits durchgefaulter Schlamm überführt, um so eine möglichst schnelle Reifung
herbeizuführen. Als günstigstes Mischungsverhältnis hat sich ein Teil durchgefaulter
auf vier Teile frischen Schlamm ergeben. Nach zwei Wochen wird der Schlamm dann
weiter in sekundäre Zersetzungsräume übergepumpt. Durch die hierdurch herbeigeführte
gründliche Bewegung und Durchmischung läßt sich die Reifungszeit ganz wesentlich
abkürzen. Man kann auf diese Weise eine „Schlammverzehrung“ bis zu etwa 30 %
schon in 6–8 Wochen erreichen. Der Schlamm ist aber dann immer noch von kolloidaler
Beschaffenheit und nur schwer drainierbar, weshalb man die Faulzeit doch besser auf
drei Monate ausdehnt. Mit dem „Waschen“ des Schlammes, wodurch eine schnelle
Beseitigung der Zersetzungsprodukte bewirkt werden soll, hat man zu Birmingham
sowohl im Laboratorium wie auch draußen auf der Anlage Versuche ausgeführt, die zwar
ergaben, daß hierdurch eine beschleunigte Zersetzung herbeigeführt wird, daß dieser
Vorteil aber die Nachteile der Methode, die Entstehung stark fauliger Abflüsse und
die Verdünnung des Schlammes nicht aufwiegt. So erhält man denn in Birmingham nach
dem schließlich dort geübten Verfahren einen Schlamm von etwa 87 % Wassergehalt, der
je nach dem Wetter in drei Wochen bis mehreren Monaten trocknet und dann eine
inoffensive, feste Masse bildet, die sich bequem abfahren läßt. Andere Versuche
ergaben, daß auch die Verbrennung des Schlammes bei guter Zugluft im Ofen wohl
möglich ist, wegen des hohen Wasser- und Aschegehaltes des Schlamms aber nicht
zweckmäßig war. Der in den sekundären Absitzbecken, die alle 2–3 Monate gereinigt
werden, anfallende Schlamm, bildet ebenfalls eine inoffensive, dabei teerartig
riechende Masse, die einen Wassergehalt von 89,7 % zeigt.
Ein Verfahren zur raschen Zersetzung von Abwasserschlamm, das in Faulbecken
angesammelt und dabei wasserarm ist, wurde von O. Stock ausgearbeitet (D. R. P.
301076). Nach diesem Verfahren wird dem in dem Faulbecken abgelagerten wasserarmen
und angefaulten Schlamm durch Einpressen von Luft Sauerstoff zugeführt, so daß der
im Faulbecken abgelagerte, zum Teil ausgefaulte Schlamm aufgelockert und mit dem
darüber liegenden Frischschlamm zwecks rascherer Durchfaulung vermengt wird, ohne
daß dem in dem Faulbecken abgelagerten Schlamm Wasser, Frischschlamm oder
andere Zusätze von außen her zugeführt und dadurch die zu verarbeitende Schlammmenge
vermehrt wird. Bei der Ausführung einer solchen Anlage nach dem System O. Stock ist
das Absitzbecken räumlich getrennt von dem Faulbecken. In dieses letztere sind
Röhren in beliebiger Anzahl eingeführt, die bis in den im Faulraum angesammelten
Schlamm hineinreichen. Von Zeit zu Zeit wird durch diese Röhren Luft eingeblasen,
welche dem Schlamm den zur raschen Zersetzung erforderlichen Sauerstoff zuführt.
Dabei wird der Schlamm gleichzeitig aufgelockert und durch Anhaften der Luftbläschen
an den einzelnen Schlammteilchen wird schon rein mechanisch bewirkt, daß der Schlamm
hochsteigt, wodurch dann wiederum eine innige Durchmischung des angefaulten
Schlammes mit dem bereits abgesetzten oder im Sinken begriffenen Frischschlamm
bewirkt wird. Diese Durchmischung schafft dann ebenfalls die günstigsten
Lebensbedingungen für die im Frischschlamm enthaltenen und zur Verzehrung der
Faulstoffe erforderlichen Lebewesen. Der Schlamm in den vom Faulbecken getrennten
Absitzbecken wird in bestimmten Zwischenräumen in das Faulbecken abgezogen und hier
der oben angegebenen Weiterbehandlung mit Luft unterzogen. Das Faulbecken legt man
darum vorteilhaft zentral, also gibt ihm rechts und links ein Absitzbecken zur
Seite. Ist der Faulprozeß beendet, so wird der Schlamm entfernt und getrocknet. Ein
anderes Verfahren zur Behandlung von Abwasserklärschlamm wurde im Jahre 1919 G.
Förster patentiert (D. R. P. 306601). Getrennt von der Absetzanlage, hat Förster die
Schlammbehandlungsanlage gebaut, welch letztere in Unterräume eingeteilt ist, von
denen jeder Einzelraum Schlamm verschiedenen Alters enthält. 'Man arbeitet beim
Försterschen Verfahren nun derart, daß in einem derjenigen Unterräume, deren Schlamm
die dazu geeignetste Beschaffenheit aufweist, der Frischschlamm mit dem bereits in
dem Raum befindlichen, sich zersetzendem Schlamm gemengt und mit dem Gemenge die
älteren und neueren Schlamm enthaltenden Räume aufgefüllt werden, sowie auch ferner
neu in Betrieb genommene Räume beschickt werden. Ein Verfahren G. Försterscher
Ausführung zur Bekeimung von Frischschlamm durch Vermischung mit älterem Schlamm
verläuft derart, daß in den mit dem älteren Schlamm gefüllten Raum der Frischschlamm
von unten eingeleitet und das Gemenge von älterem mit frischem Schlamm von oben
entnommen wird. Eine andere Ausführungsform ist folgende: Das Schlammgemenge tritt
aus dem Mischraum in die, älteren und jüngeren Schlamm enthaltenden Räume und hier
von einem in den anderen dieser Räume durch abschließbare Oeffnungen über. Diese
Oeffnungen, welche sich schließen lassen, haben in ihrer Unterkante dieselbe Höhe,
bis zu welcher die Schlammräume mit Sinkschlamm gefüllt werden sollen. Noch eine
weitere Ausführungsform gibt Förster bekannt, daß nämlich in sämtlichen
Schlammbehandlungsunterräumen feste Leitungen eingebaut sind, die in deren unteren
Teil ausmünden und zur Einbringung von Frischschlamm dienen. Nach dem Zusatz
(Förster: D. R. P. 309612) ist ein Verfahren zur Behandlung von Abwässerklärschlamm
nach dem ersten D. R. P. 306601, wobei der Frischschlamm in einem mit älterem
Schlamm gefülltem Raum von unten eingeleitet und dann das Schlammgemenge von oben
entnommen wird, noch besonders dadurch gekennzeichnet, daß zur Bekeimung des
Schlammes ständig ein und derselbe Raum als Keimraum benutzt wird. Ein solches
Verfahren zur Behandlung von Abwässerklärschlamm, wobei zur Bekeimung des
Frischschlammes ständig ein und derselbe Unterraum benutzt wird, oder aber
Unterräume, deren Schlamm hierzu besonders geeignet ist, abwechselnd benutzt werden,
erfolgt nach Förster derart, daß zur Einbringung des Frischschlammes in den
Mischraum oder in die Mischräume diejenige Leitung mitbenutzt wird oder die
Leitungen mitbenutzt werden, welche zur Ableitung des Schlammes aus den
Schlammräumen zu den Schlammtrockenbeeten dient, bzw. dienen. Weiter noch werden bei
diesem Verfahren für die Zuführung von Abwasser dieselben Leitungen verwandt, die
auch zur Zuführung von Frischschlamm dienen. Eine andere Anlage nach dem Prinzip
Förster (ad D. R. P. 309612) arbeitet derart, daß die Ableitungen, durch die der
Schlamm aus den Schlammräumen zu den Schlammtrockenbeeten geleitet wird, in an sich
bekannter Weise durch eine Abschlußvorrichtung derart mit der Schlammzuleitung
verbunden sind, daß sowohl die Schlammzuleitung wie auch die Ableitungen – eine oder
beide – jede für sich oder alle zusammen abgeschlossen werden können. – H. Döring
hat neuerdings ein Verfahren beschrieben (D. R. P. 332052) zum Aufwühlen des
Schlammes von Abwässern in Sammelbehältern. Es wird von Döring vorgeschlagen, den
Flüssigkeitsstand in den einzelnen nebeneinander liegenden Kammern umschichtig zu
erhöhen und von der oder den Kammern mit jeweilig erhöhtem Spiegel ein
Unterspülstrom mit vielen Strahlen in die Kammern mit niedrigem Spiegel gespritzt.
Um die Wirkung des Aufwühlens des Schlammes noch weiter zu erhöhen, erhalten die
Strahlen des Unterspülstromes eine Drehung um ihre Achse. – Um den Schwimmschlamm
aus Abwasserreinigungsanlagen zu entfernen, hat W. Nax vorgeschlagen (D. R. P.
342041), daß die in der Höhe der Schwimmschlammschicht mündenden Saugstutzen der
Absaugleitung in oben offene Gerinne eintauchen. Diese Gerinne sind entsprechend der
Höhe der Schwimmdecke einstellbar, so daß beim Absaugen der Schwimmschlamm über den
Oberrand des Gerinnes zufließen muß.
Wo eine Unterbringung des gepreßten Klärschlammes für Düngezwecke nicht zu erreichen
ist, kommen manchmal Verbrennung oder Entgasung in Betracht. Der Gehalt an
Trockenmasse sollte dabei für Verbrennungszwecke etwa 40 % betragen, was jedoch
durch das Pressen selbst nicht immer zu erreichen ist. Man muß deshalb noch eine
Nachtrocknung des gepreßten Schlammes vornehmen, und zwar entweder an der Luft oder
aber in besonderen Trockenanlagen. Am leichtesten läßt sich natürlich der beim
Kohlebreiverfahren gewonnene Klärschlamm verbrennen. Neuerdings versucht man auch,
den Schlamm zu entgasen, obwohl dieses Verfahren nur in den seltensten Fällen sich
als rentabel erweisen wird, da, wie oben von Trautmann nachgewiesen ist, der
Ammoniakgehalt des erzeugten Gases meist so niedrig ist, daß er kaum die Extraktion
lohnt. Immerhin hat man in Brunn guten Erfolg mit der Verbrennung und Entgasung
erzielt. Dort wird der Schlamm zunächst durch Preßluft bis auf einen Trockengehalt
von etwa 29 % entwässert; hierauf unter Verwendung der Abhitze von Retortenöfen bis
auf 90–95 % Trockengehalt getrocknet. Dieses derart stark vorgetrocknete
Schlammaterial wird dann genau so wie Steinkohlen in Retorten bei 600 bis 700°
trocken destilliert, wobei man zu Brunn im Verlauf von 2 ½ Stunden aus 100 kg
Schlamm 23,8 cbm Gas erhalten soll. Die Zusammensetzung und auch der Heizwert dieses
Gases sind nahezu dieselben wie bei gewöhnlichem Steinkohlengas. Bei diesem
Verfahren gewinnt man in Brunn außerdem noch aus 100 kg Schlamm 0,96 kg Ammoniak –
das wäre allerdings ja drei- bis viermal so viel wie bei Kohle – und 63 kg
kleinstückigen Koks von einem Heizwert zu 2300 W.E. Da nun diese im Koks vorhandene
Wärmemenge zur Trocknung des Schlammes trotzdem nicht völlig ausreicht, so muß man
bei dem genannten Brünner Verfahren auf je 100 kg Schlamm doch immer noch wenigstens
2 kg Kohle zugeben. Wie jedoch Dr. Schwandt seinerzeit berichtete, soll immerhin der
durch Gas und Ammoniak erzielte Gewinn in Brunn so groß sein, daß die dortigen
städtischen Anlagen zur Abwässerreinigung fast völlig amortisiert werden, ganz
abgesehen davon, daß hier die sonst so lästige Frage der Beseitigung des Schlammes
in hygienisch einwandfreier Weise gelöst erscheint. (Dr. Schwandt, Leipzig, im
„Berliner Tageblatt“ Nr. 661. 29. 12. 1912.) Man entgast so in Brunn
täglich etwa 37 t Schlamm und gewinnt daraus 8190 cbm Gas, sowie 277 kg Ammoniak.
Bei der Beurteilung dieses Verfahrens darf man nun nicht außer acht lassen, daß die
Abwasser der Stadt Brunn sehr schlammreich sind, daß ferner dieser Schlamm sehr
stickstoffreich ist und zudem einen außergewöhnlich hohen Gehalt an verbrennlichen
Stoffen aufweist, da ihm sehr große Mengen Abwasser aus industriellen Betrieben,
insbesondere aus Textilfabriken, beigemengt sind. So mag also Verbrennung und
Entgasung des möglichst hoch vorgetrockneten Abwasserklärschlammes in einem solchen
Falle wohl gerechtfertigt, weil wirtschaftlich rentabel, sein; im allgemeinen aber
muß man doch sehr genau prüfen, ob irgendein anderer Abwasserschlamm sich auch auf
derartige Weise würde mit Erfolg verarbeiten lassen. – Schließlich möge hier noch
kurz ein ganz eigenartiges Verfahren zur Klärung von Abwässern erwähnt werden, wofür
Dr. A. Hölken Patentschutz (D. R. P. 277702) erhielt. Dr. A. Hölken verwendet
nämlich die aus dem verbrannten Abwasserschlamm durch Säuren wiedergewonnenen
Fällungsmittel. Zur Alkalisierung des Abwassers wird die aus der Schlammasche vor
ihrer Behandlung mit Säure durch Auslaugung gewonnene Pottasche verwendet, und zwar
wird sie allein, oder mit einer durch Auslaugen fremder Asche gewonnenen Pottasche
dem Abwasser vor Einführung neuer oder der aus dem Abwasserschlamm gewonnenen
Fällmittel zugesetzt. Der große Vorteil dieser Methode Hölken gegenüber anderen
Verfahren liegt darin, daß der Klärschlamm nicht wie früher nur unter Ausnutzung der
darin enthaltenen Kalorien vernichtet wird, sondern durch Gewinnung der ohne
weiteres löslichen Rohpottasche und der durch besondere Behandlung wiedergewinnbaren
Fällungsmittel den überhaupt billigsten Klärbetrieb ermöglicht und zwar unter
Vermeidung jeglichen Kalkzusatzes, wenn genügend Pottasche aus Abfuhrasche usw.
gewonnen werden kann.
Biologische Methode.
Vom chemischen Gesichtspunkte aus kann man die Abwässer in zwei große Hauptgruppen
einteilen, nämlich in Abwässer mit vorwiegend mineralischen Stoffen und in Abwässer
mit vorwiegend organischen stickstoffhaltigen Substanzen. Zur ersten Gruppe gehören
die Abwässer der Gasanstalten, Steinkohlenzechen, Kokereien, Salinen, Erzbergwerke,
Erzaufbereitungen, Sodafabriken, Kaliwerke, Messingwerke, Arsenhütten,
Schwefelkieswerke und ähnlicher Art. Die Abwässer all dieser Betriebe sind
ungeeignet, um auf Rieselfeldern aufgearbeitet zu werden, denn sie enthalten allesamt Stoffe,
die der Landwirtschaft schädlich sind oder dem Pflanzenwuchse irgendwie Nachteil
bringen. Man trennt diese Abwässer meist auf mechanischem Wege von ihren
Schwebestoffen, und entfernt gelöste Stoffe daraus in der Regel durch chemische
Zusätze, schließlich müssen noch vorhandene freie Säuren neutralisiert werden.
Wohl ungleich umfangreicher ist die Klasse der Abwasser mit vorwiegend organischen,
stickstoffhaltigen Substanzen, denn hierher zählen vor allem die städtischen
Kanalwässer, die Abwässer der Brauereien, Hefefabriken, Gerbereien, Brennereien,
Spiritusfabriken, Zucker- und Papierfabriken, Schlachthäuser, Leimkochereien,
Düngerfabriken, Superphosphatwerke, Wollwäschereien, Spinnereien, Molkereien. Alle
diese Fabrikabwässer sind darin gleich, daß sie größere Mengen an Gärungs- oder
Fäulnisprodukten enthalten, oder daß sie infolge ihres Gehaltes an organischen
Stoffen leicht in Fäulnis übergehen. Es finden sich in solchen Abwässern also
Mikroorganismen mancherlei Art und ebenso viele suspendierte Stoffe allermöglicher
Herkunft, andererseits aber auch fäulnisfähige, bereits gelöste Substanzen und
übelriechende Zersetzungsprodukte. Die Abwässer mit organischen Substanzen enthalten
eine ganze Reihe typischer Organismenarten, die unter dem Namen Abwasserorganismen
zusammengefaßt werden. Unter diesen sind hauptsächlich erwähnenswert: Sphaerotilus
natans, Cladothrix dichotoma, Beggiatoa alba, Zoogloea ramigera, Leptomitus lacteus,
Fusarium, Mucorarten, einige Haualgen aus der Gruppe der Oscillatorien, sowie das
Protozoon Carchesia Lachmanni. Besonders die fünf ersten treten häufig und oft auch
sehr reichlich in Abwässern auf. – Zu diesen Mikroorganismen kommen bei zwei der
Reinigungsverfahren, und zwar bei der Berieselung und bei der intermittierenden
Bodenfiltration, noch die zahlreichen in der Erde hausenden Mikroorganismen, in
größerer Menge nitrifizierende Bakterien, die Denitrifikanten, die
Desulfurationsbakterien u.a.m. In der Erde sind ebenso häufig wie im Wasser oft
große Ansammlungen von Mikroorganismen zu treffen, welche France als Edaphon bezeichnet und dem Plankton der Gewässer vergleicht. Zur Reinigung derartiger Abwasser
dienen: 1. die Berieselung, 2. die intermittierende Bodenfiltration, 3. das
Fällverfahren und 4. das Tropfverfahren. H. Zikes hat in großen Zügen diese
Verfahren beschrieben in seinem Aufsatze: „Ueber Abwasserpilze und die
biologische Abwasserreinigung mit Berücksichtigung ihrer Anwendung in der
Brauerei“ (Zeitschr. für Bierbrauerei und Malzfabr. Bd. 42, 135, 145, 157).
Die Abwässer der Brauereien sind je nach der vorherrschenden lokalen Benutzung des
Wassers mit organischen Stoffen sehr verschiedenartig beladen. Es ist daher deren
gesondertes Auffangen sehr am Platze. Das reine Kühlwasser und die aus den
Abfüllräumen der Brauereien kommenden Wasser wird man nach Passierung eines
Sandfanges oder eines Sedimentationsbeckens wohl ohne Gefahr gleich in die
Flußgerinne oder in die Vorfluter ablassen dürfen. Die Weichwässer und die
hefehaltigen Abwasser der Brauereien sollten aber in einem Absitzbecken mittels
Eisen oder Tonverbindungen oder mittels Kalk behandelt, oder mittels Huminsubstanzen
oder Kollazit gereinigt werden. Nötigenfalls wären sie auch nach dem Degenerschen
Kohlebrei verfahren einer Fällung zu unterziehen. Von den oxydativen Verfahren wird
sich wohl die Berieselung oder die intermittierende Bodenfiltration für
Brauereiwässer am besten eignen, vorausgesetzt, daß sie kein schädliches, hinderndes
Desinfektionsmittel enthalten. – Wenn gewisse gewerbliche Abwässer seifige
fettige Abfallstoffe enthalten, so bietet ihre Reinigung oft mancherlei Eigenheiten,
je nach dem vorwiegenden Charakter dieser Abwasser. Ein neueres Verfahren zum
Entfernen von Fett und Seifen aus den Abwässern gewerblicher und industrieller
Betriebe, insbesondere von Tuchfabriken wurde unter D. R. P. 278370 dem Dipl.-Ing.
G. Spanner geschützt. Es wird die Flüssigkeit nach bekannter Methode zum Schäumen
gebracht und dann dieser so gebildete Schaum unter Zusatz geeigneter Chemikalien in
eine sich nicht wieder verteilende und sich schwimmend erhaltende Masse überführt.
Mit dieser Schaumschicht werden die im Wasser enthaltenen unverseifbaren Fettstoffe
sowie die Schwebestoffe in Berührung gebracht. Als solche Chemikalien verwendet
Spanner z.B. die Tonerdesilikate. – Einen biologischen Filterkörper mit Oxydation
zur Entfernung von Keimen und sonstigen fäulniserregenden Stoffen aus mechanisch
vorgereinigten städtischen und gewerblichen Abwässern und zur Oxydation von
Flüssigkeiten, z.B. von Säuren und Oelen, hat die Claros, G. m. b. H., konstruiert.
Dieser biologische Filterkörper wird aus einzelnen Körpern, die aus bearbeitetem
natürlichen oder aus künstlich hergestelltem wasserdichtem Material bestehen, in
regelmäßigem Verbände zusammengesetzt (D. R. P. 302642). Diese einzelnen Körper
zeigen in bekannter Weise im Querschnitt die Form eines liegenden Kreuzes, und sind
derart mit vorstehenden viereckigen Auflagerbinden versehen, daß ein zwangsfreier
und ungehinderter Luftdurchzug durch den ganzen Filterkörper nach allen Seiten für
Reinigungs- und Enteisenungszwecke dauernd gesichert ist, und eine tropfenförmige
Durchführung der in Frage kommenden Flüssigkeiten, Oele u.a. gewährleistet wird.
Dieser Claros Filterkörper unterscheidet sich von den bisher gebräuchlichen
biologischen Filtern dadurch, daß er aus geschlossenem Material besteht, welches in
einzelnen Stücken in regelrechtem Verbände versetzt wird. Sein technischer
Fortschritt besteht des Ferneren auch darin, daß dauernd ein ungehinderter
zwangsfreier Luftdurchzug vorhanden ist. Durch einfaches Umsetzen der einzelnen
Stücke kann der Filterkörper erneuert werden und deshalb ist er auch von
unbegrenzter Lebensdauer.
Ein Verfahren zur biologischen Reinigung von Abwässern der Zuckerfabriken, bei
welchen die Abwasser unter Benutzung der Abwärme der Gärung unterworfen werden,
erhielt H. Stentzel unter D. R. P. 342040 geschützt. Zunächst wird dabei ein der zur
Verfügung stehenden Abwärme entsprechender Teil bei derjenigen Temperatur der Gärung
unterworfen, welche für die Entwicklung der Gärungsorganismen am günstigsten ist.
Dann leitet Stentzel dieses vergorene Abwasser mit all seinen Organismen in das
übrige kalte Abwasser und läßt dann die ganze Abwassermenge weitervergären. Die
Ausführung dieses Verfahrens kann bei Abwässern von Zuckerfabriken z.B. in folgender
Weise geschehen. Es sind eine Reihe von Gärkästen oder Gärbassins, und von
Absetzkästen oder Absetzbassins oder Teichen vorgesehen. Je nach der zur Verfügung
stehenden Abwärme beschickt man nun die mit Heizschlangen, Schnattern u. dergl.
versehenen Gärkästen oder Bassins mit dem Abwasser und leitet die Abwärme hinzu,
Steht eine große Menge von Abwärme zur Verfügung, so erwärmt man gleich mehrere
Gärkästen und leitet in diese auch größere Mengen von Abwasser, um gleichmäßige
Temperatur zu erzielen. Wenn sehr viel Abwärme zur Verfügung steht – also bei sehr
großen Betrieben –,
kann man auch die Absetzkästen beheizen und auch die nachfolgenden Klärteiche, indem
man die warmen Abgase oder dergl. direkt ins Wasser leitet Die biologischen
Reinigungsverfahren und deren apparative Ausgestaltung überwiegen stark in der
neueren Literatur, besonders in solchen Arbeiten, die sich mit der Reinigung
städtischer Abwässer befassen. Man hat z.B. auf Grund der Erfahrungen mit der
biologischen Reinigung sogenannter Oelwässer feststellen
können, daß gerade die Reinigungsprozesse hier nicht günstig wirken. Die Abwässer,
welche die Abgänge von Mineralölraffinerien enthielten, brachten die Flora und Fauna
der biologischen Reinigungskörper vollständig zum Absterben. – Andere Beobachtungen
über die Wirkung biologischer Verfahren bei anderen Abwässern lauten dagegen
wiederum günstig. So konnten dieselben Verfasser Kammann und Keim
(Gesundheitsingenieur München Bd. 43, 245, 229) in ihrer Abhandlung „über
Abwasserreinigung in Gewässern, insbesondere im Versuchsteich auf der Kläranlage
in Bergedorf bei Hamburg“ berichten (S. 229), die mitgeteilten Versuche auf
dieser Kläranlage hätten zweifellos ergeben, daß die biologisch gereinigten Abflüsse
aus Tropfkörpern Organismen und Stoffe enthalten, welche die Entwicklung der
Fischnahrung im Teich günstig beeinflussen. Es können
daher wie in der Bergedorfer Anlage, sowohl Karpfen wie auch Schleien in Teichen mit
Springlerreinwasser mit Erfolg gezüchtet werden. Es wird sogar als möglich
angenommen, daß gut angelegte und gut bewirtschaftete Teichanlagen dieser Art wegen
ihrer Ueberfülle an geeigneten Nährstoffen einen höheren Ertrag bringen als die
Hoferteiche oder auch gleich große Flächen Ackerlandes. Wenn bisher auf diesem
Gebiete noch so wenig geschehen ist, so liegt das wohl in erster Linie an den
mangelnden Erfahrungen, die es nicht zugelassen haben, daß neben den Kosten für die
teueren eigentlichen biologischen Reinigungsanlagen auch noch weitere Aufwendungen
gemacht wurden für Anlagen, deren Rentabilität zwar wohl angenommen, aber doch nicht
mit Sicherheit in Rechnung gestellt werden konnte. Nach den Bergedorfer Versuchen
wird diese Sicherheit nun wohl weitere Grundlagen gefunden haben. Man wird also in
geeigneten Fällen bei biologisch gereinigten Abwässern sicherlich eine rentable
Fischzucht aufrechterhalten können. Natürlich wird man solche Fischzuchtversuche
nicht anstellen dürfen bei den Abwässern von Mineralölraffinerien, da diese, wie wir
oben zeigten, die ganze Flora und Mikrofauna der Reinigungskörper schon bald
zerstören. – Dagegen hat man bei anderen Abwassern wieder sehr gute Ergebnisse
hinsichtlich der Fischzucht erzielt, nämlich bei der biologischen
Abwasserreinigungsanlage für die Eisenbahn-Hauptwerkstätten und Wohnungskolonie zu
Kaiserslautern. D. C. Delkeskamp berichtet darüber folgendes (Gesundheitsingenieur,
Bd. 43, S. 85): Die Kläranlage zu Kaiserslautern zeigt in ihrer Gesamtdisposition
ein den neuesten Fortschritten und Erfahrungen auf dem Gebiete der Klärtechnik
entsprechend durchgebildetes Musterbeispiel. Durch die Nachschaltung des
Fischweihers ist den weitestgehenden Anforderungen Rechnung getragen. Die hier in
Kaiserslautern gemachten Erfahrungen zeigen, daß man bei geschickter Durchbildung
der Anlage auch derart schwierige Abwässer, wie sie von Werkstätten anfallen, soweit
reinigen kann, daß Fischzucht mit Erfolg in einem nachgeschalteten Weiher betrieben
werden kann.