Titel: | Vom Steinkohlenbergbau in Britisch-Indien. |
Autor: | Simmersbach |
Fundstelle: | Band 338, Jahrgang 1923, S. 67 |
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Vom Steinkohlenbergbau in
Britisch-Indien.
Von Simmersbach,
Wiesbaden.
SIMMERSBACH, Vom Steinkohlenbergbau in Britisch-Indien.
Wenn auch in Indien bisher – d.h. biw vor dem Kriege – die größte Aufmerksamkeit
dem Abbau und der Gewinnung solcher Mineralien geschenkt worden ist, die sich für
die Ausfuhr oder für den unmittelbaren Verbrauch ohne vorherige schwierige
Umarbeitung eignen, so hatte der indische Bergbau und in den letzten Vorkriegsjahren
auch die Verarbeitung gewisser Mineralien immerhin schon einen derartigen Umfang
angenommen, daß er nicht nur die größte Beachtung der deutschen Industrie für den
Umzug von Erzen gewisser Metalle, sondern auch der deutschen Maschinenindustrie für
den Absatz bergwerklicher Maschinen und Geräte verdient.
Der Gesamtwert der indischen bergbaulichen Förderung belief sich vor dem Kriege auf
9321486 £ für das Jahr 1912 und der einzelne Wert der geförderten wichtigeren
Mineralien stellte sich folgendermaßen:
Kohle
3310365
£
Bleierz und Blei
153069
£
Gold
2271806
„
Wolframerz
115200
„
Petroleum
975278
„
Rubine und Saphire
69574
„
Manganerz
884404
„
Ton
66187
„
Salz
509824
„
Eisenerz
47044
„
Glimmer
à 284290
„
Zinnerz und Zinn
50944
„
Baumaterialien
270980
„
Monazit
41419
„
Salpeter
217035
„
Kupfererz
13709
„
Des ferneren gewinnt Britisch-Indien noch stetig steigende Mengen besonderer Metalle
und Erden, so: Silber, Silbererz, Jadeit, Magnesit, Chromeisenerz, Alaun, Corund,
Steatit, Granat, Gyps, Bauxit, Diamanten, Platin, Bernstein, Ocker, Samarskit.
Die bedeutendsten Kohlenfelder von Britisch-Indien sind die von Ranigany und Jherria,
welche etwa 175–200 Kilometer nordwestlich von Calcutta liegen, in den Provinzen
Bihar, Orissa und Bengalen. Kleinere Steinkohlenzechen finden sich ferner noch in
der Provinz Assam, in den Centralprovinzen, in Centralindien und in dem Staate
Hyderabad.
Die Förderung der einzelnen Kohlendistrikte hatte sich in dem letzten Jahrzehnt vor
dem Weltkrieg schon mehr als verdoppelt, sie betrug für 1912:
Bihar und Orissa
9126385
t
Bengalen
4306129
„
Hyderabad
481652
„
Assam
297160
„
Centralprovinzen
233996
„
Centralindien
149921
„
Beludschistan
54386
„
Pandschab
38409
„
Radschputana (Bikaner)
18521
„
Nordwest-Provinzen
50
„
––––––––––––
Zusammen
14706339
t
Für das Jahr 1913 wurde die erste Angabe über die Gesamtförderung der
Steinkohlenzechen mit 15486318 t veröffentlicht, was also wiederum eine Zunahme
gegenüber dem Vorjahre darstellt. Die spätere, definitive und genaue Angabe über die
1913er Förderung lautete dann sogar auf 16207211 t.
Die bei weitem größten Verbraucher indischer Kohle sind die Eisenbahnen, sowie die
Baumwoll- und Juteindustrien, jedoch werden auch große Mengen Kohle von den Calcutta
anlaufenden regelmäßigen Dampferlinien als Bunkerkohle übernommen. Neben dieser
eigenen Förderung führte dann Indien immer noch in den Jahren vor dem Kriege
durchschnittlich etwa 600000 t fremde Kohle jährlich ein, vornehmlich Kohle aus
Japan und aus Südafrika. Dabei stellte sich zu Anfang 1913 der Durchschnittslohn auf
den Zechen Bengalens nur auf 4 Annas – etwa 34 Pfennig für die Schicht und Förderung
von ungefähr 585 kg Kohle.
In der Provinz Bengalen wird als bedeutendstes Mineral die Kohle gewonnen, deren
Vorkommen sich hauptsächlich auf die Ranigany-Distrikte erstreckt, wo schon im Jahre
1911 über 3850000 t und 1912 über 4306000 t gefördert wurden. Gleichzeitig findet
man im gleichen Kohlengebiet auch einen vorzüglichen Ton, der auf einem groß
angelegten Werke zu Ranigany zu Röhren, Kacheln und sonstigen Tonwaren verarbeitet
wird.
Die Provinzen Bihar und Orissa stehen erst seit dem 1. April 1912 unter ihrer eigenen
Verwaltung, jedoch natürlich unter der Leitung eines Lieutenant-Governors. Sie sind
aus der Neuverteilung der Gebiete Bengalens hervorgegangen, welche während des
Krönungsdurbars zu Delhi im Dezember 1911 vom König von England proklamiert worden
war. Hier ist vor allem mineralreich das Gebirge Chota Nagpur, wo besonders Kohle
und Glimmer gewonnen werden. Die Kohlenproduktion betrug im Jahre 1911/12 allein
ungefähr 7 ½ Millionen t und im folgenden Jahre schon 9,13 Millionen t.
Die Centralprovinzen sind bergbaulich bedeutend wegen ihrer großen
Manganerzvorkommen, deren Abbau sich durchweg kapitalstarke Syndikate widmen.
Daneben treten dann an zweiter Stelle die Kohlenvorkommen auf; schon im Jahre 1913
förderten die Centralprovinzen an 234000 t Kohle.
In Baludschistan ist die Kohlengewinnung zwar noch gering, aber doch hat man im Lande
bereits seit 1910 genügend reiche Kohlenvorkommen und Chromeisensteinlager
erschlossen, um mit deren Abbau beginnen zu können. Etwas über 54000 t Kohle und an
3704 t
Chromeisenerz wurden im Jahre 1913 gefördert. Die bedeutendste Kohlenzeche in
Baludschistan ist die Khost-Mines, welche der North Western Railway gehört und auch
von ihr betrieben wird.
Ebenfalls am 1. April 1912 entstand bei der Neueinteilung der Provinz Bengalen durch
fernere Abtrennung von Ostbengalen die Provinz Assam,
welche in ihren neuen Grenzen etwa zweimal so groß ist wie Bayern. Von Mineralien,
die in der Provinz Assam vorkommen, sind vornehmlich Kohle und Petroleum anzuführen,
die beide in der äußersten Nordostecke des Landes am Dihingflusse gefunden werden.
Annähernd 300000 t Kohle und etwa 16 Millionen Liter Petroleum wurden im Jahre 1911
hier gefördert.
Ueber die Kohlevorkommen in den Nordwest-Provinzen ist noch wenig bekannt, auch ist
der Abbau noch sehr gering, 1913 erst 50 t.
Während die bislang genannten Gebiete als Residentschaften und als Provinzen unter
der unmittelbaren Leitung der britischen Regierung stehen (über 175), gibt es nun
aber noch eine sehr große Anzahl von mehr oder weniger selbständigen
Eingeborenenstaaten (über 670), als deren größere zu erwähnen wären Hyderabad,
Baroda, Mysore, Kaschmir, Centralindien und Radschputana.
In Hyderabad sind besonders zu erwähnen die Steinkohlenzechen Singareni Collieries,
deren Förderung für 1913 zu 482000 t angegeben wird. Daneben kommen in Hyderabad
noch andere Mineralien vor, so gewannen im gleichen Jahre 1913 die Hutti Gold Mines
für 64980 e Gold.
Ohne Zweifel besitzt Indien noch mehr Kohlenvorkommen, doch sind viele Staaten
geologisch noch zu wenig untersucht, als daß man über ihre mineralischen
Bodenschätze heute schon Auskunft geben könnte. Vielfach sind die
Untersuchungsergebnisse der staatlichen Geologen oft nur der Regierung bekannt und
werden von dieser noch geheim gehalten. Jedenfalls bedarf Indien bei seiner ständig
zunehmenden industriellen Entwicklung, besonders auf dem Gebiete der Baumwolle- und
der Juteverarbeitung, reichlicher Zufuhr an fremdländischer
Kohle, die schon früher an 600000 t im Jahre erreichte. Besonders scheint
sich die japanische Kohle im Lande ein günstiges Absatzgebiet erobern zu wollen. So
wurde im Dezember 1921 bekannt, daß Britisch-Indien mit Japan neue
Lieferungsverträge abgeschlossen habe, welche die Einfuhr von 100000 t Kyushu-Kohlen
und 70000 t Fuschun-Kohlen bezwecken. Außerdem konnte am 1. Dezember 1921 der
Manchester Guardian Commercial noch berichten, daß noch Verhandlungen über die
weitere Lieferung von rund 300000 t japanischer Kohle nach Indien schwebten. Dadurch
würde sich Japan einen hervorragenden Platz in der Kohlenversorgung Indiens erobern.
Es scheint nämlich immer mehr offenkundig zu werden, daß Indiens Kohlenbergbau mit
der übrigen industriellen Entwicklung des Landes nicht gleichen Schritt gehalten
hat, so daß Indien sich heute längst im Zustande des Kohlenmangels befindet. Dabei
darf man jedoch nicht übersehen, daß die indische Kohlenförderung selbst während des
Krieges ständig zugenommen hatte und zwar von 1912 – 1919 um rund 8 Millionen t,
nämlich von 14,7 auf 22,6 Millionen t. Merkwürdigerweise aber hat in den letzten
Jahren die indische Kohlenförderung merklich abgenommen, derart, daß man in Bombay
schon für 1922 mit einem Fehlbetrag von 1 Million t rechnete. Darum auch wohl hat
man sich in verstärktem Maße Deckung in japanischer Kohle verschafft und hierin
große Abschlüsse getätigt. Der Rückgang des indischen Bergbaus geht auf
Arbeiterschwierigkeiten zurück, deren tiefere Ursache offenbar in politischen,
vielleicht auch selbst in religiösen Stimmungen des Volkes liegen mag. Da nun solche
Gründe imponderabiler Art sich nicht ohne weiteres aus dem Wege schaffen lassen, so
wird der indische Kohlenbergbau wohl noch längere Zeit mit Arbeiterschwierigkeiten
zu rechnen haben und es wird darum eine Produktionssteigerung für die nächste
Zukunft wohl kaum zu erwarten sein. So waren denn auch zu Anfang 1922 schon die
Preise am indischen Kohlenmarkte sehr fest; man zahlte in Bombay für bengalische
Kohlen je nach Güte 26–35, für englische 38 Rugien pro t. Während das Jahr 1921 noch
eine indische Kohlenförderung von 18,4 Millionen t erbracht hatte, rechnet man für
1922 mit einer Kohlenförderung von nur 14–15 Millionen t, also abermals einem bedeu-
Rückschlag, dessen Ursachen wohl größtenteils in religiösen Stimmungsgründen fußen
mögen.
Die Einzelgliederung der indischen Kohleneinfuhr nach Herkunftsländern läßt sich
vorläufig erst für die mit dem 31. März endigenden Rechnungsjahre 1920/21 und
1921/22 angeben, denn für die vollen zwei letzten Kalenderjahre liegen die
entsprechenden Zahlen noch nicht vor.
Kohleneinfuhr Britisch-Indiens in den Rechnungsjahren (bis 31.
März) 1920/21 und 1921/22 nach Herkunftsländern.
Lieferant
1920/21
1921/22
long tons
%
long tons
%
EnglandNatalPortug. OstafrikaAustralien und
NeuseelandAndere Länder
9209 6900184303367817776
10,71 8,02 21,43 39,16
20,67
705353 339631 268272 88375
87651
47,3622,8118,01 5,93 5,89
Zusammen long tons
85993
100–
1489282
100.–
Nach dieser Uebersicht hat demnach im letzten Jahre besonders England seine
Kohlenlieferungen nach Indien ganz bedeutend steigern können und zwar anteilsmäßig
von 10,71 auf 47,36 %, und der Menge nach von 9000 auf mehr als 705 000 t. Daneben
zeigen noch verstärkten Export Natal (plus 333000 t) und Porbug Ostafrika (plus
250000 t). Insgesamt bezog Indien statt 86000 t im Vorjahre, die gewaltige Menge von
anderthalb Million t Kohle im letzten Jahre.
Die Geschichte des indischen Kohlenbergbaus reicht bis ins 18. Jahrhundert zurück. Im
Jahre 1774 wurden – wie ein kurzer Bericht in der Zeitschrift für prakt. Geologie
(1922 I. 5.) ausführt – die ersten Kohlen hier gewonnen und um 1850 erreichte die
Gesamtförderung Britisch-Indiens erst an 250000 t; um 1870 dann ½ Million t. Nach
ständiger Zunahme erreichte sie dann 1919 ihren vorläufigen Höhepunkt mit 22,6
Millionen t; doch fiel sie 1920 dann wieder unter den Stand von 1915, auf rund 17
Millionen t und belief sich auch 1921 nur auf etwa 18,4 Millionen t.
Die beiden wichtigsten Steinkohlengebiete Britisch-Indiens, das Revier von Bihar –
Orissa und das bengalische, waren an der Förderung in den letzten Jahren
folgendermaßen beteiligt: (Mengen in 1000 t)
1917
1918
1919
192
Bihar-Orissa
11932
13676
15120
11973
Bengalen
4632
5302
5778
4208
Nun sind zwar, wie wir gezeigt haben, die indischen Steinkohlenvorkommen keineswegs
auf diese beiden Provinzen beschränkt, vielmehr finden sich auch noch an zahlreichen
anderen Orten, namentlich im Landesinnern und nach den Nordwestgrenzen zu
Kohlenvorkommen.
Der überwiegend größte Teil der indischen Kohlen gehört der Gondwana-Formation an,
deren kohlenreichste Abteilung als Damuda-Schichten bezeichnet wird. Flöze von 1
Vobis zu 15 m Mächtigkeit sind in Indien bekannt. – Braunkohlen sind ebenfalls
vorhanden, doch tritt ihre Bedeutung gegenüber den Steinkohlen völlig in den
Hintergrund, da die jährliche Braunkohlengewinnung bislang auf einige hunderttausend
Tonnen beschränkt ist.
Ueber die Gewinnung und den Außenhandel Britisch-Indiens in Kohle im Jahre 1921
liegen mehrfache Angaben in englischen Fachzeitschriften vor, aus denen
„Glückauf“ vom 20. I. 1923 (Seite 73) einen kurzen Auszug bringt. Danach
wurden im Jahre 1921 in Indien 18,36 Millionen t Kohle gefördert gegen 17,08
Millionen t im Jahre 1920. Diese Steigerung kommt, nach einem Bericht im
„Colliery Guardian“, einigermaßen überraschend, denn es sei in Indien
doch nicht gelungen, die auf die Förderung drückenden Verkehrsschwierigkeiten zu
beheben. Die Förderungszunahme in 1921 gegenüber 1920 stellt sich jedoch trotzdem
auf 1,28 Millionen t oder 7,47 %. Seit dem Jahre 1912 hat die Kohlenförderung
in Britisch-Indien folgende Entwicklung zu verzeichnen:
Kohlenförderung in long tons
1912
14706339
1917
18213811
1913
16207211
1918
20722493
1914
16465074
1919
22628037
1915
17104773
1920
17082711
1916
17255158
1921
18358934
Ein neues großes Kohlengebiet ist bei Talcher im nordöstlichen Vorderindien, unweit
des Golfes von Bengalen erschlossen. Die Bengal-Nagpur-Bahn erweitert ihr Netz jetzt
dorthin.
Die Kohlen einfuhr Indiens stieg von 40000 t im Jahre 1920
auf 1,30 Millionen t im Jahre 1921; die Ausfuhr erhöhte
sich gleichzeitig von 1,22 Millionen t auf 1,89 Millionen t, wobei zu bemerken ist,
daß es sich dabei fast ausschließlich um die Ausfuhr von Bunkerkohle handelt. Unter
Berücksichtigung dieser Einfuhr- und Ausfuhrmengen ergibt sich für das Jahr 1921 ein
Kohlenverbrauch Britisch-Indiens in Höhe von 17,77 Millionen t, gegenüber 15,90
Millionen t im Jahre 1920, somit ein Mehr von 1,87 Millionen t oder 11,78%.