Titel: | Zur Messung der Beschleunigung auf Förderanlagen. |
Autor: | E. Jahnke, G. Keinath |
Fundstelle: | Band 335, Jahrgang 1920, S. 119 |
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Zur Messung der Beschleunigung auf
Förderanlagen.
Von Geh. Bergrat Prof. Dr. E. Jahnke, Berlin, und Oberingenieur Dr.-Ing. G. Keinath, Berlin-Siemensstadt.
JAHNKE-KEINATH: Zur Messung der Beschleunigung auf
Förderanlagen.
Wer die Maschinenhalle einer modernen Förderanlage betritt, dem fällt unter den
wenigen Meßapparaten, die dort anzutreffen sind, der Karlikmesser auf. Dieser hat
den Zweck, die Geschwindigkeit des Förderkorbes zu messen und auf einem
Papierstreifen aufzuzeichnen. Das geschieht nicht unmittelbar am Korbe, es wird die
Drehgeschwindigkeit der Antriebswelle gemessen. Im allgemeinen entspricht die
Geschwindigkeit auf der ganzen Seillänge der Umfangsgeschwindigkeit der Trommel oder
Koepescheibe. Zurzeit ist diese Geschwindigkeitsmessung aus Sicherheitsgründen
vorgeschrieben. Höchstgeschwindigkeiten sind allerdings nur für Seilfahrt
behördlicherseits festgesetzt, während für die Revisionsfahrt und die
Produktenförderung von der betreffenden Grube Höchstwerte festgelegt werden. Durch
die Ueberwachung und Registrierung der Geschwindigkeit sollen Schäden an Menschen
und Material vermieden werden.
Nun zeigt aber eine einfache Ueberlegung, daß die langsam eintretende Ueberschreitung
der zugelassenen Geschwindigkeit für die Sicherheit viel weniger gefahrbringend ist
als eine plötzliche Geschwindigkeitsänderung, mit andern Worten, als eine hohe
Beschleunigung, die auch bei niedriger Seilgeschwindigkeit verhängnisvolle Folgen
zeitigen kann, weil bei diesen unstetigen Geschwindigkeitsänderungen ganz
ungewöhnliche Zugkräfte im Förderseil auftreten. Die Karlikdiagramme haben
vorwiegend verwaltungstechnische Bedeutung. Sie zeigen dem Revierbeamten an, wie
viele Fahrten, insbesondere wie viel Produkten- und Seilfahrten in einer Schicht
gemacht worden sind, ob längere Pausen gewesen sind und dergleichen. Dagegen kommen
Störungen im Förderbetrieb, die mit der Massenbeschleunigung zusammenhängen, z.B.
das Durchgehen des Korbes, nur unvollkommen zum Ausdruck.
Abb. 1 zeigt für eine normale Fahrt mit
nachfolgendem, dreimaligem Umsetzen den Verlauf von Geschwindigkeit und
Beschleunigung in einem schematischen Bild. Während der Anfahr- und Bremsperiode
einer solchen idealen Fahrt ist Beschleunigung und Verzögerung annähernd konstant,
sie sind in der Abbildung gleich groß gezeichnet. Das Umsetzen erfolgt bei ganz
geringer Seilgeschwindigkeit, der Ausschlag am Karlikmesser ist dementsprechend
gering und beim Vorhandensein geringer, Reibungskräfte oft gar nicht sichtbar, die
Beschleunigung erhält aber auch beim Umsetzen recht sichtbare Werte.
Textabbildung Bd. 335, S. 119
Abb. 1. Geschwindigkeits- und Beschleunigungsdiagramm für ideale Fahrt mit
dreimaligem Umsetzen.
Abb. 2 zeigt an einem anormalen Diagramm, das aber
praktisch sehr oft vorkommt, den Verlauf von Geschwindigkeit und Beschleunigung. Der
Anstieg der Geschwindigkeit
erfolgt zuerst langsam, dann aber schnell unter hoher Anfahrbeschleunigung.
Beim Bremsen ist zunächst die Verzögerung zu gering; sie wird dann auf ein
unzulässig hohes Maß gebracht, um die vorgeschriebene Auslaufstrecke nicht zu
überschreiten. Bei dem dreimaligen Umsetzen sind die Höchstgeschwindigkeiten zwar
gering, trotzdem treten z. T. hohe Beschleunigungen auf. Diese Anomalien sind im
Geschwindigkeitsdiagramm kaum sichtbar, im Beschleunigungsdiagramm treten sie aber
deutlich hervor.
Daraus folgt, daß es zweckmäßig wäre, an Stelle der Geschwindigkeit die
Beschleunigung zu messen und aufzuzeichnen, weil in den Beschleunigungsdiagrammen
anormale Betriebszustände, z.dB. ein eingetretener Seilrutsch, in auffallender Weise
durch große Ausschläge zu Tage treten, während sie im Geschwindigkeitsdiagramm
günstigenfalls nur an dem steileren Ansteigen oder Abfallen der Kurve zu erkennen
sind.
Textabbildung Bd. 335, S. 120
Abb. 2. Geschwindigkeits- und Beschleunigungsdiagramm für Betriebsfahrt mit
dreimaligem Umsetzen.
Technische Ausführungen von Apparaten zur Messung der Beschleunigung des Förderkorbes
sind bisher nicht bekannt geworden.Wie uns erst jetzt, durch eine freundliche Mitteilung des Geheimen Bergrats
Professor Dr. Treptow, bekannt wird, soll in der
Sammlung für Maschinenlehre an der Bergakademie Freiberg ein seinerzeit von
Undeutsch gebauter Beschleunigungsmesser für
Schachtförderung vorhanden sein. Es sind dazu zwei Arten von
Apparaten verwendbar, ein Vertikalbeschleunigungsmesser, der, im Korbe aufgehängt,
unmittelbar die Beschleunigung des Korbes registriert, und ferner ein
Drehbeschleunigungsmesser, der, an der Motorwelle angebracht, die Beschleunigung der
Förderschale unter Ausschaltung des Seileinflusses anzeigt und registriert.
In der Literatur sind Vertikalbeschleunigungsmesser nur in der Ausführung als
„Erdbeben-Wellenmesser“ beschrieben (Mainka,
Z. f. Feinmechanik 1915), wohl aber Ausführungen zur Messung der Horizontal- und
Drehbeschleunigung. Der erste Beschleunigungsmesser für Fahrzeuge ist von Lanchester im Jahre 1889 verwendet worden und im Phil.
Mag. Bd. 10, 1906 beschrieben. Auf demselben Prinzip beruht der
Beschleunigungsmesser von Hess (E. T. Z. 1911, S. 248).
Auch die Firma Amsler hat einen
Pendelbeschleunigungsmesser für Fahrzeuge gebaut, der für den Meßwagen der
Preußischen Eisenbahn-Direktion geliefert wurde.
Textabbildung Bd. 335, S. 120
Abb. 3.Apparat in Nullstellung; Apparat in beliebiger Stellung.
Nach eingehenden Besprechungen mit den Herren Dr. Köpsel
und Boas wurde bei Siemens
& Halske ein registrierender Beschleunigungsmesser
gebaut, dessen Einrichtung in Abb. 3 schematisch
dargestellt ist und mit dem eine Anzahl von Versuchen ausgeführt worden sind. Der
Apparat besteht aus einer Masse, die durch einen Arm mit der Drehachse des
Meßsystems verbunden ist. Die Masse wird durch eine Spiralfeder im Gleichgewicht
gehalten. Wird nun der Apparat vertikalen Stößen ausgesetzt, so gerät die Masse in
Schwingungen, welche durch einen Ellipsenlenker in eine geradlinige Bewegung
übergeführt werden. Auf der Achse sitzt eine Oeldämpfung, bestehend aus einem
Kolben, der sich in einer halbkreisförmig gekrümmten Glasröhre bewegt, die mit zähem
Oel gefüllt ist.
Textabbildung Bd. 335, S. 120
Abb. 4. Fahrt aufwärts ohne Anhalten vom ersten bis fünften Stock.
Die Größe der Masse und der Federkraft wurden so abgestimmt, daß der Endausschlag des
Zeigers bei etwa + 3 m/sek2 erfolgte. Der
Nullpunkt befand sich in der Mitte der Skala.
Es war nun notwendig, diesen Apparat zu eichen. Es wäre dazu wünschenswert, eine
Einrichtung zu besitzen, mit der Beschleunigungen von 0 bis 3 m/sek2 über einige Sekunden konstant gehalten werden
können, damit der Zeiger des Apparats sich auf seinen Endwert einstellt. Als
Notbehelf wurde ein Kurbelgetriebe gebaut, durch welches der Apparat in seiner
Führung um etwa 50 cm Höhe vertikal auf und ab bewegt wurde. Aus der Drehzahl des
Motors sowie aus dem Verhältnis des Kurbelradius zur Schubstangenlänge kann der
Verlauf der Beschleunigung als Funktion des Weges rechnerisch ermittelt werden.
Diese Eichung erwies sich als etwa nur auf + 10 v. H. genau, da es nicht möglich
war, hinreichend große Beschleunigungen auf genügend lange Zeit wirken zu lassen,
und da auch die Drehzahl des Motors innerhalb einer Hubperiode nicht konstant blieb.
Für bergmännische Zwecke ist dieser Genauigkeitsgrad indessen vorläufig
ausreichend.
Der Papierstreifen, mit einer nutzbaren Breite von 120 mm, wurde durch ein
eingebautes Spezialuhrwerk sekundlich um 120 mm vorwärtsbewegt.
Mit diesem Registrierapparat wurde eine Reihe von Vorversuchen vorgenommen, von denen
ein Originaldiagramm wiedergegeben ist (Abb. 4). Es
zeigt die Beschleunigung im Personenfahrstuhl des Wernerwerkes der Siemens &
Halske A.-G. bei einer Fahrt aufwärts vom ersten bis zum fünften Stock. Die maximale
Beschleunigung ist dabei etwa 2 m/sek2. Es waren
hier bereits deutlich Seilschwingungen in der Längsrichtung des Seiles zu bemerken,
wenn sich der Fahrstuhl dem Erdgeschoß näherte.
Nachdem die Vorversuche die Brauchbarkeit des Apparates erwiesen hatten, führten wir
im August 1918 auf einer großen Zahl von Gruben des Oberschlesischen
Kohlenreviers Versuchsmessungen aus zur Feststellung der maximal auftretenden
Beschleunigungen bei -verschiedenen Förderanlagen mit elektrischem und mit
Dampfantrieb, mit Flur- und mit Turmförderung, mit Trommel- und mit
Koepeförderung.
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Abb. 5. Carmer Hauptschacht, SSW, elektr., Fahrt aufwärts, Fahrtdauer 42 sek,
vmax ∞ 15 m/sek.
Textabbildung Bd. 335, S. 121
Abb. 6. Carmer Hauptschacht, SSW, elektr., Fahrt abwärts, Schwingbühne,
Retardierkurven Patent SSW.
Textabbildung Bd. 335, S. 121
Abb. 7. Carmer Nebenschacht, SSW, elektr., Fahrt abwärts, Fahrtdauer 45
sek.
Textabbildung Bd. 335, S. 121
Abb. 8. Carmer Nebenschacht, SSW, elektr., Fahrt abwärts, Aufsatzvorrichtung,
vmax ∞ 13 m/sek.
Der Apparat wurde stets samt dem Holzschutzkasten – der eine Länge von 60 cm hatte –
in die Förderschale eingehängt bzw. angeschraubt. Das Aufhängen mit S-förmigen Haken
ist in den meisten Fällen möglich, weil die Schalenwände fast immer aus gelochtem
Blech bestehen. Ein seitliches Schwingen muß
aber auch durchaus vermieden werden, weil sonst der Apparat beim Anschlagen an
die Schalenwand Schaden leiden würde.
Textabbildung Bd. 335, S. 122
Abb. 9. Dreimaliges Umsetzen auf Carmer Hauptschacht, Sohle. Die Sturzpausen
sind verkürzt wiedergegeben.
Es wurden Versuche vorgenommen an folgenden Förderanlagen:
1. Carmerschacht, Hauptschacht, Koepe mit elektr. Antrieb der
SSW, Teufe 290 m, dreimaliges Umsetzen, Schwingbühne, Retardierkurven Patent
SSW.
2. Carmerschacht, Nebenförderung, Koepe mit elektr. Antrieb der
SSW, Teufe 350 m, dreimaliges Umsetzen, Aufsatzvorrichtung.
3. Baptistschacht auf Brandenburggrube, alte Dampfförderung aus
dem Jahre 1889, Trommel, Aufsatzvorrichtung.
4. Deutschlandgrube in Schwientochlowitz, Turmkoepe mit elektr.
Antrieb der AEG, Teufe 240 m, einmaliges Umsetzen. Retardierkurven Patent
AEG.
5. Frankenbergschacht I, Dampf, Spiraltrommel, Teufe 456 m, kein
Umsetzen.
6. Frankenbergschacht II, Koepe mit elektr. Antrieb der B. B. C.,
Teufe 512 m, dreimaliges Umsetzen, Retardierkurven Patent Brown-Boveri.
7. Kaiser Wilhelmschacht I und
8. Kaiser Wilhelmschacht II, auf beiden Dampfförderung, Teufe 400
m, Schacht I umgebaut auf Koepe, Schacht II Trommel, zwei- bzw. dreimaliges
Umsetzen.
9. Albertschacht, kleiner Holzhängeschacht, Teufe 190 m, Antrieb
durch 37 PS Drehstrommotor, 2 Geschwindigkeiten, 2,5 und 4,5 m/sek. Koepedurchm.
1,80 m.
10. Huldaschacht, Dampfförderung, Maschinen genau wie bei Kaiser
Wilhelm II, jedoch mit Koepe statt Trommel, ohne Unterseil, Teufe 349 m.
Wir benutzen gern diese Gelegenheit, um den Direktionen der einzelnen Zechen auch an
dieser Stelle unsern verbindlichsten Dank für das große Entgegenkommen
auszusprechen, das wir bei unsern Versuchen in Oberschlesien gefunden haben, ganz
besonders dem Bergwerksdirektor Bergassessor a. D. Fischer auf Nickischschacht O. S.
Die von den Siemens-Schuckertwerken gelieferte
elektrische Einrichtung des Carmerhauptschachtes ergab sehr schöne Kurven (Abb. 5 Fahrt aufwärts, Abb.
6 Fahrt abwärts), namentlich für die Anfahrperioden, die gegenüber
sämtlichen andern als geradezu klassisch anzusehen sind. Während der ganzen
Anfahrzeit (etwa ein Drittel der gesamten Förderzeit) ist die Beschleunigung nahezu
konstant, durchschnittlich gleich 1 m/sek2,
abgesehen von kleinen Schwingungen, wie sie entweder durch die Stufen des Anlassers
oder durch Seilschwingungen verursacht sein können. Die Auslaufperiode ist nicht so
regelmäßig, die Verzögerung ist weniger konstant, nimmt auch, wie bei den andern
Anlagen, von vornherein größere Werte an. Auf Carmerschacht betrug sie etwa 1,5
m/sek2. Es ist wohl nie möglich, mit
konstanter Verzögerung bis zum Ende zu fahren, wenn man nicht Gefahr laufen will,
daß der Korb zu früh oder zu spät zum Stillstand kommt.
Beim Carmer-Nebenschacht (Abb. 7 Fahrt abwärts, Abb. 8 Fahrt abwärts) waren ziemlich starke
Schwankungen der Beschleunigung zu beobachten, die in der Hauptsache auf
Seilschwingungen (Längsschwingungen) zurückzuführen sind, welche namentlich am Ende
eines Zuges, besonders wenn die Schale am Füllort war, stark auftraten. Die
Beschleunigung bei der Nebenförderung schwankt zwischen 0 und 1,9 m/sek2, im Mittel ist sie etwas größer als bei der
Hauptförderung, etwa 1,3 m/sek2.
Textabbildung Bd. 335, S. 122
Abb. 10. Umsetzen auf Carmer Nebenschacht, Hängebank. Die Sturzpausen sind
verkürzt wiedergegeben.
Beim Bremsen der Nebenförderung auf Carmerschacht trat stets ein heftiger
Beschleunigungsstoß vondetwa 4 m/sek2, vielleicht
noch mehr, auf, der wohl in einem Fehler des Steuermechanismus begründet war. Dieser
Fehler im Steuermechanismus (Retardierkurven) trat auch auf der Anlage der AEG und
der BBC zutage. Immerhin dürfen auch auf der Nebenförderung die Resultate noch als
ganz gut bezeichnet werden.
Im Anschluß an die Verzögerungskurve sind stets heftige senkrechte Seilschwingungen
zu beobachten, wenn die Förderschale an dem etwa 400 m langen Seil an der Sohle des
Schachtes hängt. Hier wie bei andern Anlagen wurde festgestellt, daß diese
Seilschwingungen ganz beträchtliche Beanspruchungen des Seils hervorbringen. Am
heftigsten sind sie bei Dampfförderanlagen, wo sie noch durch die ungleichförmige
Antriebskraft in ihrer Ausbildung begünstigt werden. Abb.
9 zeigt die Beschleunigung und Verzögerung beim Umsetzer der Förderschale
an der Sohle in die verschiedenen Etagen. Obwohl die Geschwindigkeiten sehr gering
sind, betragen die Beschleunigungen doch etwa 1,2 m/sek2. Abb. 10 zeigt die Beschleunigung beim
Umsetzen der Förderschale auf der Hängebank. Auf Abb.
9 sind deutlich
Interferenzseilschwingungen zu beobachten (vgl. auch Abb. 13).
Der Unterschied in den einzelnen Förderanlagen trat besonders zutage an dem hierauf
untersuchten Baptistschacht der Brandenburggrube in Ruda. Es war dies eine nahezu 30
Jahre alte Dampfförderung, die nicht zur Seilfahrt konzessioniert war, wo der
Schacht von unten nach oben Weiten von 8 m, 6 m und 4 m hatte und dazu noch doppelt
gekrümmt war. Die Wände in der Schale waren glatt, der Schacht ein nasser, dazu noch
als ausziehender Wetterschacht benutzt, im ganzen ein sehr übler Betrieb, wenn auch
vielleicht noch lange nicht der schlimmste.
Textabbildung Bd. 335, S. 123
Abb. 11. Deutschlandgrube, Turmkoepe, AEG, elektr., Fahrt aufwärts, mit
Karlikdiagramm, Retardierkurven Patent AEG, Fahrtdauer 46 sek, vmax ∞ 15
m/sek.
Textabbildung Bd. 335, S. 123
Abb. 12. Deutschlandgrube, Turmkoepe, AEG, elektr., Fahrt abwärts, mit
Karlikdiagramm.
Schon das Anbringen des Beschleunigungsmessers machte Schwierigkeiten, weil die Wände
erst angebohrt werden mußten, die erste Befestigung hatte sich gelockert, so daß der
Apparat hin- und herschlug. Eine Besichtigung während der Fahrt wäre mit
Lebensgefahr verbunden gewesen.
Aber auch, bei ganz solider Befestigung auf einem eingesetzten Rahmen ließen sich nur
bei Seilfahrtgeschwindigkeit mit Sicherheit Diagramme aufzeichnen, bei voller
Geschwindigkeit wurde die Feder stark geschleudert, obwohl sie dynamisch
ausbalanziert war. Das Diagramm für Seilfahrt läßt deutlich erkennen, daß erhebliche
Seilschwingungen auftreten, wobei sich anscheinend mit den Kolbenstößen der
Dampfmaschine Intereferenzschwingungen ergeben, eine Erscheinung, die später noch
mehrfach beobachtet wurde. Bei voller Geschwindigkeit waren die Beschleunigungen
schätzungsweise etwa 3 m/sek2.
Viel bessere Erfahrungen wurden dann in Schwientochlowitz auf der Deutschlandgrube
gemacht. Es ist dies etwa eine zehn Jahre alte moderne Anlage, von der
Gutehoffnungshütte und der AEG ausgerüstet. Sie ist schon dadurch auffällig, daß der
gesamte Wagentransport auf der Hängebank vollkommen selbsttätig vor sich geht, so
daß nur zwei Mann an der Hängebank sind, der Anschläger und der Mann, der die
Maschine zur Wagenbewegung steuert. Nach. Angabe von Maschineninspektor Schulz hat sich diese Anlage vollkommen bewährt.
Die Fördermaschine ist hier wegen Platzmangels auf einem 33 m hohen Turm aufgestellt,
auch die Steuerung erfolgt oben. Bei der Steuerung der Maschine hat der Mann dauernd
fest gegen den Hebel zu drücken. Infolge allmählicher Ermüdung macht er dies aber
nicht, so daß sich eine ganz ungleichmäßige Beschleunigung ergibt, zuerst zwei
kleine Stöße, dann noch ein sehr heftiger Stoß von etwa 2 bzw. 3 m/sek2 (Abb. 11 Fahrt
aufwärts, Abb. 12 Fahrt abwärts). Diese
Unregelmäßigkeit ist schon an den Karlikdiagrammen deutlich zu sehen, die den Abb. 11 und 12
beigefügt sind.
Textabbildung Bd. 335, S. 123
Abb. 13. Umsetzen auf Frankenberg-West-Schacht, Hängebank.
Auch bei dieser Anlage treten ziemlich heftige Seilschwingungen auf, namentlich bei
der höchsten Beschleunigung. Wie schon beim Carmerschacht, ist zu bemerken, daß die
Frequenz dieser Schwingungen höher ist, wenn die Schale oben, als wenn sie unten
ist, entsprechend der geringeren Seillänge.
Weitere Versuche wurden vorgenommen auf den Förderanlagen des Frankenbergschachtes
der Kleofasgrube in Zalenze. Es sind hier eine elektrische Anlage
Textabbildung Bd. 335, S. 124
Abb. 14. Frankenberg-West, Brown-Boveri, elektr., Fahrt aufwärts, mit
Karlikdiagramm, Retardierkurven Patent Brown-Boveri, Fahrtdauer 60 sek, vmax ∞
10 m/sek.
Textabbildung Bd. 335, S. 124
Abb. 15. Kaiser Wilhelm II Dampf-Koepe (neue Maschine). Fahrt aufwärts mit
einmaligem Umsetzen an den beiden Hängebänken, Fahrtdauer 45 sek.
Textabbildung Bd. 335, S. 124
Abb. 16. Kaiser Wilhelm II, Dampf-Koepe, Fahrt abwärts mit einmaligem Umsetzen
an Sohle, Fahrtdauer 45 sek.
von Brown-Boveri & Co., sowie eine ältere Dampfspiraltrommel nebeneinander aufgestellt.
Auf der elektrischen Anlage ergab sich eine sehr gute Beschleunigungskurve (Abb. 14). Auf der Dampfanlage traten aber wiederum
heftige Schwingungen auf, die anscheinend stets bei Dampfförderungen zutage kommen
infolge der alternierenden Antriebskraft. Abb. 13
zeigt die starken Stöße beim Umsetzen auf dem Frankenberg-Westschacht.
Mittlerweile hatten wir in Erfahrung gebracht, daß auf der Gileschegrube, mit
Ausnahme der Turmkoepe, nahezu alle Arten von Förderanlagen vertreten waren, und es
wurden deshalb, um Zeit zu gewinnen, die nächsten Versuche auf den nur wenig
auseinanderliegenden Schächten der Gileschegrube gemacht.
Auf Kaiser Wilhelmschacht arbeiten zwei Dampfförderungen, eine mit einer
Hochdruckmaschine, die andere mit einer Compoundmaschine. Beide Förderungen arbeiten
nach Augenschein schon sehr gut (Abb. 15 Fahrt
aufwärts, Abb. 16 Fahrt abwärts). Auf dem einen
Schacht wollten wir zuerst nicht daran gehen, den Beschleunigungsmesser einzubauen,
weil wir mit dem Karlikmesser eine durchschnittliche Anfahrbeschleunigung von
mindestens 2 m/sek2 errechnet hatten. Die Versuche
ergaben aber nur etwa den halben Wert. Die Ursache des Unterschiedes liegt
wahrscheinlich in einer großen Dehnung des in diesem Falle sehr langen
Antriebsriemens des Karlikmessers während der Anlaufperiode.
Auf Huldaschacht arbeitete die gleiche Hochdruckdampfmaschine wie auf dem einen
Kaiser Wilhelmschacht, nur mit dem Unterschied, daß di6 Trommel auf Hulda noch
nicht gegen Koepe ausgetauscht war. Wider Erwarten ergab sich aber kein,
nennenswerter Unterschied, obgleich auch die sonstigen Umstände, insbesondere die
Teufe, bei beiden Anlagen fast dieselben waren.
Der Albertschacht wurde noch geprüft als Vorversuch für spätere Arbeiten. Die
Beschleunigung ist gering, aber es treten, merkwürdigerweise bei der kleinen
Geschwindigkeit, ziemlich erhebliche Seilschwingungen auf, ein mehrfaches der
Anfahrbeschleunigung. Dabei sind sehr deutlich Interferenzpunkte zu bemerken. Wir
vermuten, daß dies in einem periodisch veränderlichen Reibungswiderstand begründet
ist, dadurch verursacht, daß die Schale in der Führung etwas eckt und sich immer in
gewissen Abständen losreißt.
Aus diesen Versuchen, die sich etwa über zwei Wochen erstreckten, wurde eine ganze
Anzahl wertvoller Anregungen gewonnen. Sie werden zu gegebener Zeit mit neuen
Apparaten fortgesetzt werden, welche hinsichtlich Genauigkeit und
Widerstandsfähigkeit gegen die ersten Versuchsausführungen wesentliche
Verbesserungen aufweisen. Die Verfasser möchten auch an dieser Stelle den Herren
Betriebsleitern, die allenthalben die Versuche unter beträchtlichen Schwierigkeiten
in entgegenkommendster Weise förderten, vor allem Herrn Maschineninspektor Diederichs auf Carmerschacht, Herrn Maschineninspektor
Kuhnert auf Cleofas, Herrn Maschineninspektor Schulz auf Deutschlandgrube und Herrn Direktor Dr. Lange auf der Brandenburggrube ihren herzlichsten Dank
aussprechen.