Titel: Druck- und Knickfestigkeit.
Autor: Fr. Natalis
Fundstelle: Band 334, Jahrgang 1919, S. 69
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Druck- und Knickfestigkeit. Von Fr. Natalis, Dr.-Ing., Berlin-Siemensstadt. NATALIS: Druck- und Knickfestigkeit. Uebersicht: Bei Berechnung eines Stabes auf Druck ist die Berücksichtigung der Stablänge in der Regel erforderlich. Nur bei sehr kurzen Stäben ist die zulässige Druckkraft gleich dem Stabquerschnitt mal zulässiger spezifischer Druckbeanspruchung (Würfelfestigkeit). Für lange Stäbe geben die Eulerschen Gleichungen einwandfreie Werte. Da in diesen Gleichungen die zulässige spezifische Druckbelastung nicht vorkommt, so sind sie nur zutreffend, wenn letztere nicht überschritten wird. Dieses ist bei Lagerung des Stabes zwischen zwei Spitzen der Fall, wenn der Quotient li=StablängeTrägheitshalbmesser größer als etwa 50 bei Holz und 60 bei Eisen ist. Man pflegt daher die Eulersche Formel nur bei li>100 zu benutzen. In der Praxis sind aber gerade die mittleren Stablängen am häufigsten, bei denen weder die Berechnung auf eine Druckfestigkeit noch diejenige auf feine Knickung zulässig ist. Für dieses Gebiet ist nun eine Reihe von Näherungsformeln aufgestellt, welche aber nicht den ganzen Bereich beherrschen und entweder für die Grenzfälle oder für mittlere Stablängen unzutreffende Werte ergeben. Es wird daher eine bessere Näherungsformel aufgestellt, die diesen Bedingungen genügt und auch mit umfangreichen Versuchen in Einklang steht. Zur Erleichterung der Rechnung sind für quadratische Voll- und Hohlquerschnitte in Holz und für dünnwandige Stahlrohre der Flugzeugnormen nach dieser Formel Tafeln für die Knickkraft beigefügt. Die Untersuchung über die elastische Linie auf Knickung beanspruchter Stäbe führt zur Ermittelung derjenigen Ausbiegung, bei welcher der Stab zu Bruch geht, und zur Behandlung exzentrisch belasteter Stäbe. Dabei dient nicht, wie bisher in der einschlägigen Literatur, als Voraussetzung ein geradliniger Stab, dessen rechnerische Behandlung zu komplizierten Formeln führt oder nur näherungsweise durchführbar ist, sondern ein Stab, dessen Achse ähnlich der elastischen Linie, d.h. nach einer Sinuslinie gekrümmt ist. Diese vereinfachende Annahme läßt eine vollständige rechnerische Lösung ohne irgend welche Vernachlässigungen zu und führt zur Berechnung der Ausbiegung und der zulässigen Belastung sowie zur Klärung des scheinbaren Widerspruchs zwischen Versuchsergebnissen und dem Resultat der Eulerschen Formel, nach welcher bei Belastungen unterhalb der Eulerschen Knicklast eine Ausbiegung nicht stattfinden dürfte. Die Richtigkeit dieser Schlußfolgerung wird schließlich durch einen Knickversuch erwiesen, bei dem durch verstellbare Druckvorrichtungen eine nahezu vollständige Beseitigung der scheinbaren Exzentrizität des Stabes – einschließlich Unsymmetrie und mangelnder Homogenität des Materials – erreicht wird. Knickformeln. Es bedeuten für einen zwischen Spitzen gelagerten auf Knickung beanspruchten Stab: Pk kg Belastung im Augenblick des Knickens, E kg/cm2 Elastizitätsmodul, F cm2 Stabquerschnitt, l cm Stablänge, J cm4 Trägheitsmoment, i=JF cm Trägheitshalbmesser; J = i2 F; k=PkF kg/cm2 mittlerer spezifischer Flächendruck beim Ausknicken oder Zerdrücken, k0 kg/cm2 spezifische Druckfestigkeit an der Bruchgrenze, m > 1 die Sicherheit, P kg die zulässige Belastung, Pk = m P. Nach der Eulerschen Formel ist: Pk=π2EJl2; k=π2E(il)2; kk0=π2Ek0(il)2 . . . . (1) Die Formel ist nur gültig für li>105. Es ist nun eine Reihe empirischer Formeln für li<105 aufgestellt. Diese beherrschen aber meist nur ein beschränktes Gebiet des Wertes li, zum Beispiel die Formeln von Tetmajerk=k0[1ali+b(li)2] für 10<li<105, Ostenfeldk=k0[1c(li)2] für li<125 und ergeben zu reichliche Abmessungen. Ferner die Formel von Schwarz-Rankinek=k01+a(li)2 . . . . (2) Wenn in dieser Formel a=k0π2E gesetzt wird, so daß k=k01+k0π2E(li)2 wird, so deckt sie zwar fortlaufend den ganzen Bereich von li von 0 bis ∞ und gibt für die Grenzfälle von li richtige Werte, denn es ist für li=0:k=k0 und für li=:k=π2E(il)2, das ist die Eulersche Formel, aber sie gibt für mittlere Werte von li zu große Sicherheit, zum Beispiel k1=12k0 für li=π2Ek0. Der vorgenannte Wert li=π2Ek0 hat für die nachfolgenden Berechnungen besondere Bedeutung, denn er ist die Ordinate für den Schnittpunkt der Geraden k = k0 und der Eulerschen Kurve k=π2E(il)2. Der Wert l1i=π2Ek0 bzw. l1ik0π2E . . . . (3) ist daher ein wichtiges Einheitsmaß für das Schlankheitsverhältnis unter Berücksichtigung der Eigenschaften k0 und E des Materials. Für obigen Wert l1i=1,0π2Ek0, für den die Schwarz-Rankinesche Formel k1 = 0,5 k0 ergibt, ist nach angestellten Versuchen sowohl für Holz wie für Stahl k1=23k0 zulässig. Nach der Schwarz-Rankineschen und Eulerschen Formel ergeben sich nachstehende Werte von kk0 (s. Tabelle 1). Nachfolgend soll nun eine Formel entwickelt werden, welche einer für den ganzen Bereich von li gültigen Kurve für den Wert kk0 entspricht, die sich im Anfang der Kurve kk0=1 und am Ende der Eulerschen Kurve kk0=π2E(ik)2, in ihrem übrigen Verlauf aber den Versuchswerten anschmiegt, die sich aus den Festigkeitsprüfungen von Stäben verschiedener Länge, aber gleichen Querschnitts ergeben haben. Da die Formel für positive und negative Werte von l dasselbe Resultat für kk0 geben muß, so darf li in ihr nur in geraden Potenzen vorkommen. Die Formel lautet: kk0=1+a(li)21+b(li)2+c(li)4 . . . . (4) Für sehr kleine Werte von li verschwindet das Glied c(li)4 gegenüber dem Glied b(li)2 im Nenner. Soll daher die Kurve im Anfang die Kurve kk0=1 berühren, so muß 1+a(li)21+b(li)=1 sein, woraus sich b = a ergibt. Soll andererseits für sehr große Werte von li die Kurve in die Eulersche übergehen, so muß, da dann die niedrigeren Potenzen von li fortfallen, a(li)2c(li)4=π2Ek0(li)2 sein, woraus sich c=ak0π2E ergibt. Die Formel lautet daher jetzt: kk0=1+a(li)21+a(li)2+ak0π2E(li)4 . . . . (5) Zur Bestimmung der allein noch übrig gebliebenen Konstante a werde angenommen, daß die neue Kurve die Eulersche bei der Ordinate li=nπ2Ek0 schneidet, worin n eine beliebige Zahl, etwa > 2 ist. Dann ist kk0=π2Ek0(il)2=π2Ek0k0n2π2E=1+an2π2Ek01+an2π2Ek0+an4k0π2E(π2Ek0)2 woraus sich ergibt a=k0π2En21n2. Tabelle 1.
lik0π2E= 0,25 0,50 0,75 1,0 1,25 1,50 1,75 2,00 2,25 2,50 2,75 3,0 Bemerkungen kk0=11+k0π2E(li)2 0,94 0,80 0,64 0,50 0,39 0,31 0,25 0,20 0,17 0,14 0,12 0,10 Schwarz-Rankine kk0=π2Ek0(il)2=   –   – (1,79) 1,00 0,64 0,44 0,33 0,25 0,20 0,16 0,13 0,11 Euler
Die Formel lautet daher nunmehr: kk0=1+n21n2k0π2E(li)21+n21n2k0π2E(li)2+n21n2(k0π2E)(li)4 (6) Es zeigt sich nun, daß man den Schnittpunkt der neuen Kurve mit der Eulerschen sehr weit hinausrücken, d.h. n sehr groß wählen kann, ohne die Formelwerte für kk0 im mittleren Bereich der Kurve wesentlich zu verkleinern, und daß die Formelwerte für n = ∞ am besten den Versuchswerten entsprechen. Dann ergibt sich für n = ∞ die einfache und praktisch besonders brauchbare Formel: kk0=1+k0π2E(li)21+k0π2E(li)2+(k0π2E)2(li)4=1+A1+A+A2 (7) worin A=k0π2E(li)2 ist. und Pk=kF=k0F1+A1+A+A2. Diese Formel zeichnet sich weiterhin dadurch aus, daß sie keinerlei empirische Beiwerte, sondern nur noch die Materialkonstanten k0 und E enthält. In Tab. 2 sind die Zahlenreihen zusammengestellt für 1. kk0 nach der Eulerschen Formel, 2. kk0 nach Gleichung (7) und für die verschiedenen Werte von li bzw.
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Abb. 1.
Tabelle 2.
lik0π2E= 0,25 0,50 0,75 1,00 1,25 1,50 1,75 2,00 2,25 2,50 2,75 3,00 kk0 nach Euler = (1,79) 1,00 0,64 0,44 0,33 0,25 0,20 0,16 0,13 0,11 kk0 nach Gl. 7 = 0,995 0,955 0,835 0,667 0,513 0,392 0,303 0,238 0,190 0,152 0,130 0,110
lik0π2E=k0π2E.Fl2J. In Abb. 1 sind die Kurven für kk0 nach der Eulerschen und Schwarz-Rankine'schen Formel sowie nach der Formel (7) eingetragen. Außerdem wurde zur Prüfung der neuen Formel eine Reihe von Versuchen vorgenommen. Unter anderen wurde eine Reihe von Holzstäben (Kiefernholz) von gleichem Querschnitt 4 × 4 cm und verschiedener Länge und möglichst gleichmäßigem Material auf Druck bzw. Knicken geprüft. Dabei wurden die nachstehenden Resultate, Vertikalreihe 1 und 2, erzielt. Diese sind auf die Bezugseinheiten der Formel (7) umgerechnet, nämlich lik0π2E als Ordinaten und kk0 als Abszissen, und die so erhaltenen Werte, Vertikalreihe 3 und 4 gleichfalls in Abb. 1 eingetragen. Tabelle 3.
li kkg/cm2 lik0π2E kk0 0 525   0,000 1,000   7,5 523   0,152 0,996    10,1 524   0,204 0,997 16 508   0,324 0,968 20 479   0,405 0,913 29 476   0,587 0,906 39 430   0,790 0,820 46 362   0,932 0,690   (49,4) (350) (1,00) (0,667)   54,5 309 1,10 0,589   63,5 244 1,29 0,465   71,5 218 1,45 0,416 (74) (206) (1,50) (0,392) 80 187 1,62 0,357   87,5 145 1,78 0,276   (98,5) (125) (2,00) (0,238)
In Tabelle 3 sind – eingeklammert – die errechneten Werte kk0 für lik0π2E=1 bzw. 1,5 und 2,0 aufgenommen. Den Messungen entspricht ferner der Wert k0 = 525 kg/cm2, und E = 130000 kg/cm2; F = 16 cm2; J = 21,3 cm4; i = 1,15 cm. Wie aus Abb. 1 zu ersehen ist, decken sich die Versuchsresultate recht gut mit der Kurve nach Gl. (7). Daß die Versuchswerte keinen ganz glatten Verlauf zeigen, ist nicht überraschend, da bei der jedesmaligen Bruchprobe eines Stabes geringe Materialunterschiede und Unsymmetrien einen erheblichen Einfluß ausüben.
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Abb. 2.
Eine weitere Versuchsreihe wurde mit einigen viereckigen Hohlstäben aus Kiefernholz mit nachstehenden Abmessungen (Abb. 2) ausgeführt (s. Tab. 4 und Abb. 3). Tabelle 4
li kkg/cm2 lik0π2E kk0   0 525 0,000 1,000 13 519 0,264 0,989 31 448 0,628 0,855   (49,4) (350) (1,000) (0,667)   52,2 407 1,057 0,775 (74) (206) (1,50) (0,392) 77 237 1,540 0,452
k0= 525 kg/cm2; E = 130000 kg/cm2; F = 7,94 cm2; J = 15,9 cm4; i = 1,41 cm. Eine dritte Versuchsreihe, welche mit nahtlos gezogenen Stahlrohren nach den Flugzeugnormen der Inspektion des Flugzeugwesens angestellt wurde, zeigt aber, daß die Formel (7) auch für andere Materialien gültig ist. Es wurden Rohre 30 × 1 mm von verschiedener Länge geprüft. Die Wandstärken der Rohre zeigten aber nicht unwesentliche Abweichungen und schwankten zwischen 0,79 und 1,18 mm. Ferner schwankte die Wandstärke desselben Rohres beispielsweise zwischen 1,02 und 1,18 mm. Hierauf sind die Unregelmäßigkeiten im Verlauf der Kurve (Abb. 4) zurückzuführen. Der Wert k0 ergibt sich als Mittelwert aus den Druckversuchen mit den beiden kürzesten Rohren zu k0 = 5200 kg/cm2. Zur Bestimmung des Elastizitätsmoduls E wurden zwei Rohre auf Biegung und zwei weitere Rohre auf Druck untersucht, wobei sich als Mittelwert E= 2000000 kg/cm2 ergab. Für das Rohr 30 × 1 mm ergibt sich fernerhin: F = 0,911 cm2; J = 0,959 cm4; i=JF=1,025 cm. Für li=61,70 ist lik0π2E=1. (s. Tab. 5). Bei den vorstehenden Berechnungen wurden außer k0 und E, F, J und l als bekannt angenommen und daraus k bezw. Pk = mP berechnet. Meistens werden jedoch außer k0 und E Pk = mP und l gegeben und F bzw. J zu berechnen sein. Zur Vereinfachung der Rechnung werden in solchen Fällen die Tabellen 6 bis 9 dienen für
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Abb. 3.
a) Quadratische volle Querschnitte in Kiefernholz, b) Quadratische hohle Querschnitte in Kiefernholz, c) Nahtlos gezogene Stahlrohre nach den Flugzeugnormen. Tabelle 5.
li kkg/cm2 lik0π2E kk0     11,20 5225 0,182 1,005     13,15 5192 0,213 0,998     15,10 4786 0,245 0,920     18,03 5203 0,292 1,001     20,96 4930 0,340 0,948     24,86 4720 0,403 0,908     27,79 4918 0,450 0,946     32,66 4984 0,530 0,957     37,54 4500 0,608 0,865     42,42 4841 0,687 0,930     51,80 4850 0,840 0,932     61,56 3541 0,998 0,682     (61,70) (3470) (1,000) (0,667)     71,32 3084 1,156 0,593     81,08 2698 1,314 0,519     90,83 2022 1,473 0,389     (92,55) (2022) (1,500) (0,389) 100,6 1655 1,630 0,318
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Abb. 4.
Tabelle 6.
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Tabelle 7.
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a) Quadratische volle Querschnitte in Kiefernholz. (Abb. 5.) F = h2 cm2; J=h412 cm4; JF=h212 cm2; i=h12=h3,47 cm k0 = 525 kg/cm2; E = 130000 kg/cm2 mP=k0F1+k0π2El2FJ1+k0π2El2FJ+[(k0π2E)l2FJ]2 mP=525F1+4,09FJ(l100)21+4,09FJ(l100)2+[4,09FJ(l100)2]2 b) Quadratische hohle Querschnitte in Kiefernholz. (Abb. 6.) F=H2h2; J=H4h412; JF=H2+h212; i=H2+h212 k0 = 525 kg/cm2; E= 130000 kg/cm2 mP=525F1+4,09FJ(l100)21+4,09FJ(l100)2+[4,09FJ(l100)2]2 c) Nahtlos gezogene Stahlrohre nach den Flugzeugnormen. (Abb. 7.) F=π4(D2d2)=πδ(Dδ) J=π64(D4d4); JF=D2+d216; i=14D2+d2 k0 = 5200 kg/cm2; E = 2000000 kg/cm2 mP=5200F1+2,63FJ(l100)21+2,63FJ(l100)2+[2,63FJ(l100)2]2
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Abb. 5.
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Abb. 6.
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Abb. 7.
In der nachstehenden Tabelle ist für jeden Rohrdurchmesser nur eine Wandstärke δ berücksichtigt. Da bei dünnwandigen Rohren F und J nahezu proportional der Wandstärke sind, so sind auch die Knickkräfte nahezu proportional der Wandstärke, also unschwer mit Hülfe der Tabellen werte zu schätzen. Tabelle 8.
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Tabelle 9.
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