Titel: | Die weibliche Hilfskraft im Fabrikbetriebe. |
Autor: | Karl Beneke |
Fundstelle: | Band 334, Jahrgang 1919, S. 5 |
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Die weibliche Hilfskraft im
Fabrikbetriebe.
Von Karl Beneke,
Goepenick.
BENEKE: Die weibliche Hilfskraft im Fabrikbetriebe.
In allen Zweigen der Industrie hat sich infolge Mangels an gelernten männlichen
Arbeitern die Frau rasch große Gebiete erobert und behauptet.
Es werden heute durch weibliche Hilfskräfte Arbeiten ausgeführt, deren Erledigung vor
dem Kriege durch andere Kräfte als gelernte Facharbeiter undenkbar gewesen wäre.
Allerdings zwang die Einführung der Frauenarbeit zu anderen Einrichtungen und
Fabrikationsmethoden. Es darf aber behauptet werden, daß hierdurch befruchtend auf
die fabrikmäßige Herstellung in der deutschen Industrie eingewirkt wurde.
Weniger bauen, mehr fabrizieren! das war das Schlagwort, das führende Männer bereits
vor dem Kriege prägten. Zweifellos wäre diese Entwicklung auch ohne den Krieg
gekommen; keinesfalls aber in dem, durch den Krieg hervorgerufenen raschen
Tempo.
Der wachsende Mangel an gelernten Facharbeitern zwang zunächst, sich mit ungelernten
Arbeitern zu behelfen. Der Schritt vom angeierten Arbeiter, man kann ihn auch als
Hilfsschlosser bezeichnen, zur weiblichen Hilfskraft, lag nahe. Außerdem drängte
auch bald der Mangel an ungelernten Arbeitern und das wachsende Angebot der
Frauenkräfte für die Fabrikarbeit auf diesen Weg. Nicht zuletzt dürfte die
Verminderung der Löhne die rationell denkende Betriebsleitung bewogen haben,
die nicht leicht vorzunehmende Umschaltung auf Frauenarbeit durchzuführen.
In allen Fabriken mit Massen- oder Serienherstellung bot die Einstellung von Frauen
nicht so große Schwierigkeiten. Insbesondere in den Maschinenabteilungen, an
Automaten, Bohrmaschinen und in einzelnen Fällen auch an Fräsmaschinen hat sich die
weibliche Hilfskraft besonders gut bewährt. Die weitgehende Arbeitsteilung, die in
allen Fabriken mit Massenfabrikation angewandt wurde, erleichterte in hohem Maße die
Einführung der Frauenarbeit.
Im Maschinensaal wurden die gleichartigen Werkzeugmaschinen zu Gruppen zusammen
gefaßt von Frauen bedient, und von einem oder mehreren Einrichtern kontrolliert.
Die Erfahrung hat gezeigt, daß die Frau sich dem schematischen Arbeiten viel leichter
anpaßt als der Mann, unter sonst gleichen Bedingungen. Ein Mann ermüdet sehr rasch,
wenn er tagaus, tagein dieselbe Arbeit – Operation, dieselben Handgriffe vornehmen
soll. Wenn er auch anfangs alle Handgriffe exakt und prompt ausführt und auch im
Laufe der Zeit in der Arbeit nicht nachläßt, Akkordarbeiten vorausgesetzt, so läßt
erfahrungsgemäß die Güte der Arbeit mit der Zeit nach, wenn nicht durch eine gute
Kontrolle dieses Nachlassen verhindert wird. Dies gilt insbesondere von jüngeren Arbeitern.
Bei älteren Leuten tritt diese Erscheinung weniger scharf hervor. Dagegen beeinflußt
die Ausführung ein und derselben Operation die Qualität der Frauenarbeit
weniger.
Im allgemeinen kann man sagen, daß die Frauenarbeit im Fabrikbetriebe in den
mechanischen Werkstätten günstig zu beurteilen ist, und daß man bei weitgehender
Unterteilung der Arbeitsoperation und unter Leitung geschickter Einrichter, die
gleichzeitig als Lehrer (Anlerner) der Frauen dienen, sicher die gleichen Leistungen
erzielen kann, wie bei Männerarbeit. Die Erfolge der Werkstätten für
Munitionsherstellung, bei denen allerdings weitgehende Unterteilung möglich ist,
bestätigen dies. In den führenden Automobilfabriken Belgiens hatte sich bereits vor
dem Kriege die Frau ihren Platz auf diesem Gebiete erobert und mit Erfolg
behauptet.
Etwas anders liegen die Verhältnisse in allen Montagewerkstätten, sowie in der
Teilschlosserei. Hier ist es schon wesentlich schwieriger, einwandfreie Leistungen
mit Hilfe der Frauenarbeit zu ei zielen, schon aus dem einfachen Grunde, weil in den
Montagen vielfach Arbeiten ausgeführt werden müssen, die nicht ohne Aufwand
erheblicher Körperkräfte zu erledigen sind.
Auch hier muß man davon ausgehen, zunächst das geeignete Lehrpersonal heranzubilden.
Hierzu eignen sich in erster Linie ältere Vorarbeiter, in einzelnen Fällen aber auch
geschickte jüngere Schlosser oder Monteure. Den Leuten darf eine gewisse
pädagogische Begabung nicht fehlen. Es ist nicht immer leicht, den weiblichen
Hilfsarbeitern Zweck und Notwendigkeit der einzelnen Arbeiten auseinander zu setzen
und vor allen Dingen sehr oft zu wiederholen. Bei anfänglichen wiederholten
Mißerfolgen versagt eine Frau sehr leicht ganz.
Große Fabriken haben besondere Lehrwerkstätten zum Anlernen von Frauen eingerichtet.
In diesen Werkstätten werden die Frauen mit Arbeiten vertraut gemacht, die eine
höhere gewerbliche Geschicklichkeit verlangen. Die Ausbildungszeit ist je nach den
Fabrikationszweigen von verschiedener Dauer und erstreckt sich manchmal auf eine
Dauer von etwa 12 Wochen.
Besondere Beachtung ist der Einstellung und Auslese geeigneter Frauen zu schenken.
Nicht jede Frau, eignet sich für die handwerksmäßigen Arbeiten. Es gibt Frauen, die
mit einem gewissen Durchschnittslohn zufrieden sind, wenn sie kleine
Bequemlichkeiten, die in der Psychose der Frau begründet liegen, haben können. Ich
erwähne zum Beispiel die Erledigung einfacher Arbeiten, die nur mechanische
Handgriffe erfordern und eine Unterhaltung mit anderen weiblichen Personen
gestatten. Andererseits gibt es aber auch Frauen, die besonderen Eifer in der
Erlernung der vorgeschriebenen Handgriffe zeigen, um schnellstmöglich auf einen
höheren Verdienst zu kommen.
Bei richtiger Beobachtung und Einschätzung dürfte die Auslese der Frauen, die für die
Erledigung normaler Arbeiten und zur weiteren Ausbildung brauchbar sind, doch größer
sein als man sonst unter den normalen Verhältnissen annehmen kann. In bezug auf die
Auslese erscheint der von führenden Fabriken begangene Weg, die Einrichtung eines
Vorbereitungskursus, der beste. Während dieser Vorbereitungszeit kann jeder
weibliche Arbeiter auf. seine Leistungsfähigkeit, Ausdauer und Geschick beobachtet
werden und bei Eignung den einzelnen Werkstätten überwiesen werden.
In allen Betrieben läßt sich nun ein derartiger Vorbereitungskursus nicht einführen.
Man ist gezwungen, die Frauen auf gut Glück auf die verschiedenen Werkstätten zu
verteilen. Erfahrungsgemäß ist in diesem Falle der Prozentsatz der seßhaft werdenden
Frauen wesentlich niedriger, als wenn die Frauen den Vorbereitungskursus
durchmachen müssen und von diesem aus, je nach Leistung und Geschick verteilt
werden.
In diesem Falle muß die Ausbildung der Frau in der Werkstätte selbst erfolgen. Der
Erfolg ist immer von den Einrichtern bzw. den Monteuren, denen die Frauen zugewiesen
werden, abhängig.
Ein Hilfsmittel, um auch ohne Vorbereitung in einer besonderen Lehrwerkstatt die
Auslese nach Möglichkeit durchzuführen, besteht in der Schaffung gewisser
Lohnstufen. Nachstehende Ausführungen sollen eine derartige Lohnmethode für
Stundenlohn des Näheren erläutern.
Die Lohnstufen werden eingeteilt nach den auszuführenden Arbeiten. Die handwerksmäßig
höher stehenden Arbeiten fallen entsprechend auch in eine höhere Lohnstufe. Es soll
damit ein Anreiz gegeben werden, sich den Anstrengungen der Erlernung und Ausführung
besserer Arbeiten zu unterziehen.
In den höheren Lohn- oder Arbeitsstufen müssen Anlernezeiten vorgesehen werden.
Während dieser Zeit soll die Bezahlung bereits eine bessere sein als die der nächst
unteren Lohnstufe. Es muß der Frau außerdem die Möglichkeit gegeben werden, nach
Beendigung der Anlernezeit einen wesentlich höheren Entgelt für die geleistete
Arbeit erhalten zu können, sei es durch höheren Lohnsatz oder sei es durch Gewährung
von Arbeitszulagen oder Stücklöhnen. Die Anlernezeit wird je nach Veranlagung der
Frau verschieden lange dauern und muß vom Meister bestimmt werden. Mit nachstehendem
Schema sind gute Erfahrungen gemacht worden.
Stufe I. Allgemeine Arbeiten. Reinigen der Betriebsräume, Einholen von Getränken,
Putzen von Maschinenteilen, auch unter Verwendung von Drahtbürsten und
Schmirgelleinen.
Stufe II. Transportarbeiten.
Stufe III. Waschen von
Maschinenteilen, Arbeiten in der Benzolwäscherei bzw. Abkocherei.
Stufe IV. Schraubstockarbeiten, die eine handwerksmäßige Uebung verlangen.
Die Arbeiten werden nach dem Grade der körperlichen Anstrengung unterteilt.
a) Leichte Arbeiten.
b) Schwere Arbeiten.
Arbeiten in der Teilschlosse-rei sowie Hilfsarbeiten bei
derMontage. Montage von Ein-zelteilen der Maschinen usw.
Einschaben von Lagern.Selbständige Ausführung
vonEinzeloperationen in derMontage. Arbeiten in
derKlempnerei, die den Ge-brauch von Lötmitteln
er-fordern.
In Lohnstufe IV a und IV b sind Anlernezeiten erforderlich, die zum Beispiel in IV a
mit vier Wochen, IV b mit sechs Wochen genügend bemessen erscheinen. Zeigt sich in
dieser Zeit, daß sich eine Frau für die betreffenden Arbeiten nicht eignet, so wird
sie versuchsweise in einer anderen Arbeitsgruppe beschäftigt und der zuständigen
Lohngruppe entsprechend gelöhnt.
Der besseren Uebersicht halber ist das beschriebene Lohnverfahren in Abb. 1 graphisch
dargestellt.
Als Grundlage diente, daß die Frauen mit zunehmendem Dienstalter auch steigende Löhne
haben, deren Steigerung in festgelegten Zeitabschnitten zur Auszahlung kommt. Die
Höhe der Zulage ist in den verschiedenen Lohnstufen der Art der Arbeit entsprechend
verschieden.
Es ist Wert darauf gelegt, daß die Zulagen in der ersten Zeit schneller steigen als
im weiteren Verlaufe der Diensttätigkeit. Die Erfahrung hat ergeben, daß die Frau im
Anfang leichter zum Wechseln geneigt ist und die unvermeidlichen Schwierigkeiten und Mißerfolge
der Anlernezeit leichter trägt, wenn sie Aussicht auf kurzfristige Lohnzulagen
hat.
Die ausgezogenen Linien stellen den jeweiligen Lohnsatz für das Dienstalter der Frau
dar. Die gestrichelten Linien bezeichnen die obere Grenze.
Textabbildung Bd. 334, S. 6
Abb. 1.Graphische Darstellung der Lohnsteigerung in den
Arbeitsklassen
Diagramm Abb. 2 läßt das Gebiet der erreichbaren
Endlöhne, die Steigerungen in den einzelnen Stufen und den Zusammenhang mit den
spezifischen Leistungen der einzelnen Stufen deutlich erkennen. Auffallend wird
erscheinen, daß der Einstellungslohn in den Stufen IVa und IVb, die doch
die handwerksmäßig hochwertigsten Arbeiten auszuführen haben, niedriger ist als in
Stufe II
und III. Dies ist dadurch begründet, daß in den Stufen II und III von
Anfang an schwere körperliche Arbeiten (Transportarbeiten) oder aber solche in der
Benzolwäscherei ausgeführt werden. Mit Rücksicht hierauf und weil von Anfang an die
volle Leistungsfähigkeit verlangt wird, ist der Einstellungslohn höher gewählt.
Textabbildung Bd. 334, S. 6
Abb. 2.
Es bleibt noch übrig, die außerordentlichen Lohnerhöhungen für besonders fleißige und
tüchtige Arbeiterinnen zu besprechen. In solchen Fällen kann der Meister außer den
normalen, in Vorstehendem gekennzeichneten Zulagen noch besondere Zulagen gewähren,
wobei aber festzuhalten ist, daß dieselben innerhalb der oberen Grenzen bleiben
müssen. Diagramm Abb. 3 erläutert diese Zulagen
genauer. Es bezieht sich auf Lohnstufe IV b und ist in größerem Maßstabe
herausgezeichnet. Der Meister kann zum Beispiel nach 4 ½-monatlicher Tätigkeit 2
Pfg. zulegen, so daß der Lohn 94 Pfg. anstatt 92 Pfg. beträgt.
Textabbildung Bd. 334, S. 6
Abb. 3.
Vorteilhafter als im Stundenlohn wird man naturgemäß im Stücklohn arbeiten können.
Doch können quantitativ und qualitativ entsprechende Leistungen erst nach einer
gewissen Zeit erreicht werden. Während dieser Vorbereitungszeit dürfte sich das
angegebene Lohnverfahren gut eignen.
Zu den Abbildungen ist noch zu bemerken, daß die darin angegebenen Zahlen willkürlich
gewählt sind und nur angegeben wurden, um den Unterschied in den einzelnen
Lohnstufen klar darstellen zu können.