Titel: | Ueber die Antriebsdampfmaschinen von Reversier-Walzwerken. |
Autor: | Hermann Wilda |
Fundstelle: | Band 331, Jahrgang 1916, S. 134 |
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Ueber die Antriebsdampfmaschinen von
Reversier-Walzwerken.
Von Professor Hermann
Wilda, Bremen.
WILDA: Ueber die Antriebsdampfmaschinen von
Reversier-Walzwerken.
Dampfmaschinen für den Antrieb schwerer Walzwerke unterliegen wohl den denkbar
größten Beanspruchungen von allen Antriebsmaschinen. Die erforderliche hohe
Geschwindigkeit der Walzen, um große Walzlängen in einer Hitze durchzuwalzen, macht
die höchst mögliche Kolbengeschwindigkeit zur Notwendigkeit, und um diese möglichst
schnell zu erreichen, muß die Kurbelwelle sogleich nach dem Anlassen eine hohe
Arbeitsreserve schnell aufspeichern können, was eine über doppelt so hohe
Verdrehungsbeanspruchung bedingt, als wenn die Bewegung auf eine der vollen
Leistung, von z.B. 10000 PS, entsprechende beschleunigt würde.
Dabei muß die Regulierung im höchsten Maße empfindlich sein, so daß, wenn die Walzen
das Arbeitstück erfassen, die Maschine ganz langsam läuft, daß sie sofort steht,
wenn das Arbeitstück die Walzen verläßt und sofort umsteuert, um das Walzstück
zurückzuführen. Die höchste Geschwindigkeit muß sich so schnell erreichen lassen,
daß während der letzten wenigen Durchgänge, wenn der Walzquerschnitt so dünn
geworden ist, daß er sich rasch abkühlt, das Arbeitstück trotzdem durch die Walzen
gehen kann, ehe die Wärmeverluste sich in dem Maße steigern, daß die Walzen selbst
nicht durch das erhärtete Arbeitstück beschädigt werden.
Um die erforderliche Schnelligkeit beim Anlassen, Stillsetzen und Umsteuern zu
gewährleisten, müssen die rotierenden Massen verhältnismäßig klein, der
Betriebsdruck aber hoch sein, es müssen auch, um gefahrbringende Stoßwirkungen zu
vermeiden, die hin- und hergehenden Massen gering gehalten werden. Durchschnittlich
besitzen derartige Maschinen Zylinderdurchmesser von etwa 1200 mm bei 1520 mm Hub
und machen minutlich ungefähr 120 Umdrehungen.
Die hin- und hergehenden Massen, Kolben, Kreuzkopf und Lenkstange bilden wegen der
Trägheit zu Beginn jedes Hubes einen großen Bewegungswiderstand, so daß der
Dampfdruck genügende Größe haben muß, um in ~ ⅛ Sek. ihnen eine Geschwindigkeit von
10 bis 11 m zu erteilen, wozu beim freien Fall aus etwa 5 m Höhe eine Sekunde
nötig wäre. Um dies Ergebnis zu erzielen, muß der Anfangsdruck etwa 8 bis 9 at
betragen. Das auftretende Drehmoment muß dann vernichtet und die hin- und
hergehenden Teile müssen wiederum in ⅛ Sek. zum Stillstand gebracht werden, wenn
nicht durch starke Stöße, die sich vom Kurbelzapfen auf die Kurbelwellenlager
übertragen, ein bedeutender Arbeitsverlust durch die Stoßarbeit auftreten soll.
Die Verlangsamung der Bewegung wird zweckmäßig durch frühen Abschluß der
Ausströmungsöffnungen erreicht, so daß zwischen dem sich rasch bewegenden Kolben und
dem Zylinderdeckel eine möglichst große, vom vorhergehenden Hube herrührende Menge
Auspuffdampf verbleibt, die in den Dampfkanälen und den schädlichen Räumen
komprimiert, ein gleiches, sonst aus den Kesseln zu entnehmendes Gewicht von
Frischdampf, ersetzt. Auf diese Weise vermag der Kolben noch Energie abzugeben, die
für die Ueberwindung des Walzenwiderstandes nicht ausgenutzt war und so für den
Ruckgang noch zur Ausnutzung kommt. Der Stoß auf den Kurbelzapfen wird durch das
Dampfkissen abgefangen, wenn die Kurbel durch den Totpunkt geht und wenn die
Kompression so weit getrieben werden kann, daß der Kesseldruck erreicht wird, ist
der Gesamtbetrag der Ueberschußenergie wieder gewonnen.
Bei Auspuffmaschinen hat der im Zylinder verbleibende Dampf etwa noch 1,14 at abs.,
der auf ~ 1/4 seines Volumens komprimiert bis auf 4,56 at abs. wächst, während
dieser Druck bei Kondensationsmaschinen kaum auf 1,4 at steigt, ein Druck, der für
den Stillstand des Kolbens sehr gering ist. Mit Rücksicht hierauf ist also der
Vorteil bei Anwendung eines Kondensators nicht groß. Die Dampftemperatur bei einem
Kesseldruck von ~ 9 at abs. beträgt 194,4° C, bei 4,56 at 148° C und bei 1,14 at
102° C. Bei einer Auspuffmaschine findet der eintretende Dampf den Zylinder mit
Dampf von ~ 148° C gefüllt und nirgend eine Temperatur unter etwa 105° C. Bei
Kondensationsmaschinen dagegen sind die entsprechenden Temperaturen ~ 102° und ~ 73°
C. Die Anfangskondensation wird also im letzten Falle erheblich größer sein und
zur Auffüllung der schädlichen Räume ein höherer Betrag von Kesseldampf nötig
werden. Wenn daher die Anordnung eines Kondensators auch die Leistung der Maschine
steigert, so geschieht dasselbe mit dem Dampfverbrauch, so daß sich der Verbrauch
für 1 PS nicht wesentlich vermindert, Abnutzung usw. sogar erheblich gesteigert
wird.
Zur Verminderung der erwähnten starken Temperaturunterschiede ist in manchen
Ausführungen Verbundwirkung angeordnet worden. Ordnet man vor den vorhandenen
Zylindern von 1200 mm ∅ noch solche von ~ 750 mm Durchmesser an, in die der
Kesseldampf zunächst eintritt, so ist im Augenblick des Umsteuerns dem Dampfdruck
eine Kolbenfläche von 4570 cm2 ausgesetzt, während
ihre Größe bei der Einfach-Expansionsmaschine 11650 cm2 beträgt, so daß im ersteren Falle der für schnelles Umsteuern
erforderliche Druck nicht vorhanden ist, man müßte, um dieselbe Wirkung wie bei der
Einfach-Expansionsmaschine zu erzielen, zu Zylinderdurchmessern entsprechend ~ 2580
und 4130 cm2 greifen, was Beschaffungs- und
Betriebskosten der Maschine bedeutend erhöhen würde.
Der Einbau von Zwischenbehältern zwischen Hoch- und Niederdruckzylinder, die die
erforderliche Dampf menge zum Zwecke des Umsteuerns aufspeichern, hat sich nicht als
erfolgreich erwiesen. Die Wirtschaftlichkeit der Verbundwirkung gegenüber der
Einfach-Expansionsmaschine ist nicht wesentlich höher und kann nur darin gesehen
werden, daß bei jedesmaliger Umsteuerung eine Zylinderfüllung verloren ist. Bei
Verbundmaschinen ist zunächst die Füllung des Niederdruckzylinders verloren, während
bei Einfach-Expansionsmaschinen der Dampf gehalten und während der Arbeitsleistung
des niedrig gespannten Dampfes im Zylinder ausgenutzt wird.
Während es also nicht wirtschaftlich erscheint, eine umsteuerbare Maschine mit
Kondensation arbeiten zu lassen, liegen die Verhältnisse anders, wenn der mit etwa 1
at auspuffende Dampf von einer Turbine weiterverarbeitet wird und dann in einen
Kondensator strömt, wobei die Turbine fast dieselbe Arbeit zu leisten vermag wie die
mit Kesseldampf arbeitende Kolbenmaschine. Die Ursache liegt in dem Wärmeinhalt des
Dampfes begründet und der Möglichkeit, mechanische Arbeit zu leisten, deren Betrag
proportional dem Temperaturgefälle ist, das bei der Ausdehnung des Dampfes auftritt,
sei es in einer Kolbenmaschine oder einer Turbine.
Wenn der Kesseldampf mit 9 at abs. und 194,4° C eintritt und mit einer den
Atmosphärendruck um ein Geringes übersteigenden Spannung und 110°C die Maschine
verläßt, so ist ein Temperaturgefälle von 84,4° in Arbeit umgesetzt. Bei der
Durchströmung der Turbine sinkt die Dampftemperatur weiter auf die des Kondensators
von etwa 55° C, so daß in ihr ein Temperaturgefälle von wiederum 55° C ausgenutzt
wird, das sonst verloren sein würde, da keine Kolbenmaschine die Dampfexpansion auf
weiter als etwa 0,83 at treiben kann, ohne wegen der erforderlichen Abmessungen zu
teuer auszufallen, abgesehen davon, daß die großen, damit verbundenen
Abkühlungsflächen jeden theoretisch erzielbaren Gewinn bei so weit getriebener
Dampfausdehnung aufheben würden. In der Turbine, bei der die Dampfströmung nur in
einer Richtung erfolgt und die Verluste durch Reibung nur gering sind, treten die
erwähnten Verluste nicht auf, schädliche Räume sind nicht vorhanden, ebensowenig
hin- und hergehende Massen, die Massenkräfte hervorrufen. Bei hohen Dampfdrücken ist
sogar die Wirtschaftlichkeit der Turbinen derjenigen von Kolbenmaschinen unterlegen,
da die Spielräume zwischen den Schaufelenden und dem Gehäuse auf der Hochdruckseite
Anlaß zu Arbeitsverlusten im überströmenden Dampf geben, wenn diese auf der
Niederdruckseite, wo die Schaufeln lang, der Dampfdruck aber geringer ist, auch
kleiner ausfallen.
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Abb. 1.
Ist so der Wirkungsgrad der Kolbenmaschine bei der Verarbeitung hoch gespannten
Dampfes günstiger, so trifft dasselbe für die Turbine zu, die Dampf unter dem
Atmosphärendruck ausnutzt, so daß die Verbindung beider Arten von Motoren eine
wirtschaftlich günstigere Lösung darstellt. Die Abdampfturbine vermag demnach den
einzigen stichhaltigen Einwand gegen die umsteuerbare Einfach-Expansionsmaschine zu
beheben, den hohen Dampf verbrauch, steht ihr aber in der Einfachheit, den
geringeren Beschaffungskosten und der Möglichkeit der schnellen Steigerung der
Umlaufgeschwindigkeit nach.
Textabbildung Bd. 331, S. 134
Abb. 2.
In den Abb. 1 und 2
sind die Indikatordiagramme einer mit 10 v. H. schädlichem Raum arbeitenden
Einfach-Expansionsmaschine bei den Füllungsgraden ¾, ½, ⅙ dargestellt, die mit ~ 8,5
at Ueberdruck arbeitet und eine Kolbengeschwindigkeit von 6,1 m besitzt. Die
Gewichte der hin- und hergehenden Teile betragen 4500 kg für jeden Zylinder. Die
Abb. 1 bezieht sich auf die mit Auspuff, Abb. 2 auf die mit Kondensation arbeitende
Maschine.
Die Berücksichtigung der Massenkräfte der hin- und hergehenden Teile in den
Kurven ab entspricht einer Schubstangenlänge vom
fünffachen Kurbelradius.
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Abb. 3.
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Abb. 4.
Der Unterschied der auf beiden Kolbenseiten herrschenden Dampfdrucke vermindert bzw.
vermehrt um die durch die Beschleunigungskurven ab
dargestellten Drucke, für ihre Werte über oder unterhalb der atmosphärischen Linie
ergibt, die in den Abb. 3 und 4 dargestellten Diagramme. Durch Multiplikation der
einem beliebigen Kolbenhub entsprechenden Ordinaten dieser Diagramme mit den diesen
Stellungen entsprechenden Hebellängen der Kurbel ergeben sich die Drehkraftdiagramme
für die verschiedenen Kurbelstellungen. Diese allgemein bekannte graphische
Darstellung zeigt deutlich, wie sehr die Verminderung des Druckes des Auspuffdampfes
bei Anordnung von Kondensation die günstige Wirkung des Dampfkissens, das Erreichen
der Ruhelage des Kolbens und der mit ihm verbundenen hin- und hergehenden Teile
beeinträchtigt. In der Abb. 5a und b sind die Diagramme aa1 bzw. bb1 der Abbildung 3, 4 für ein Sechstel
Füllung für die mit Auspuff und Kondensation arbeitende Maschine übereinander
gelegt, die Unterschiede der Flächen sind schraffiert. Anstatt daß der Druck auf den
Kurbelzapfen abnimmt, nimmt er vielmehr gegen das Hubende zu, besonders beim
Rückgang, weil hier wegen der Neigung der Schubstange die Kolbengeschwindigkeit im
vierten Quadranten größer ist als im dritten des Kurbelweges.
Textabbildung Bd. 331, S. 135
Abb. 5a.
Textabbildung Bd. 331, S. 135
Abb. 5b.
Bei kleinerer Füllung nimmt der Dampfverbrauch allerdings ab, andererseits aber
müssen, wenn die Maschine zum Stillstand kommt, verschiedene Stellungen
vorhanden sein, bei denen der im Schieberkasten vorhandene Dampf dann nicht
mehr in den Zylinder eintreten kann, oder wenn das der Fall ist, kein genügendes
Drehmoment vorhanden ist. In Abb. 6 sind die
Diagramme einer Maschine mit unter 90° versetzten Kurbeln dargestellt. Abb. 6 a zeigt hierin die Druckverteilung des Dampfes
auf den Kurbelzapfen, um bei drei Viertel Füllung die Maschine aus der Ruhelage in
irgend eine Kurbelstellung zu bringen. Unter den oben zugrunde gelegten Zahlenwerten
steht auch für die ungünstigste Kurbelstellung ein Andrehmoment entsprechend 26277
mkg zur Verfügung.
Textabbildung Bd. 331, S. 135
Abb. 6.
Textabbildung Bd. 331, S. 135
Abb. 7.
Bei einer Dreizylindermaschine (Abb. 7) mit unter 120°
versetzten Kurbeln kann eine Füllung von ein Halb erreicht werden, wobei ebenfalls
26277 mkg als kleinster Wert für das Anspringen zur Verfügung stehen. Bei der halben
Füllung findet gegenüber derjenigen von drei Viertel eine Dampfersparnis von ~ 30 v.
H. statt. Während des Betriebes verhält sich das Drehmoment der
Dreifach-Expansionsmaschine günstiger. Bei den höchsten Geschwindigkeiten, bei denen
Stoßwirkungen am gefährlichsten sind, verhalten sich in Zweizylindermaschinen die
Größtwerte der Drehmomente zu den kleinsten wie 2,2 : 1, während dies
Verhältnis bei der Dreizylindermaschine nur 1,5 : 1 ist. Auch bei geringeren
Umlaufzahlen stellen sich die Verhältnisse günstiger, weil sich die Kurbelgewichte
in jeder Stellung fast ausgleichen und die ungünstigen Erscheinungen bei
Zweizylindermaschinen wenn sich die Kolben dem Hubende nähern, in Fortfall kommen.
Bei diesen liegt der Schwerpunkt der Kurbeln und der Lenkstangen ziemlich weit von
der Kurbelachse entfernt und bei höheren Geschwindigkeiten treten unausgeglichene
Kräfte auf, die das Bestreben haben, die Maschine als Ganzes auf dem Fundament zu
verschieben, so daß dieses, um Vibrationen zu vermeiden, schwer ausgeführt werden
muß. Wenn diesen Uebelständen auch durch die Anbringung von Gegengewichten
entgegengewirkt werden kann, so wird durch die unvermeidliche Vergrößerung der
umlaufenden Massen doch ein langsameres Angehen und ein verzögerter Stillstand die
Folge sein.
Textabbildung Bd. 331, S. 136
Abb. 8.
Alle diese Vorzüge haben auch die allgemeine Einführung der Dreizylindermaschine zur
Folge gehabt.
Umsteuerbare Maschinen, die nicht zu groß sind, um rasch anzugehen, besitzen bei
normaler Drehzahl einen so beträchtlichen Kraftüberschuß, daß sie selbst bei
eingelegter Umsteuerung „davonlaufen“, wenn man den Kesseldampf nicht unter
beträchtlichen Verlusten stark drosselt.
Diese Uebelstände lassen sich beheben, wenn man durch Vergrößerung der Anzahl der
Zylinder und gleichzeitiger Verminderung der Zylinderinhalte das Andrehmoment erhöht
und eine bessere Ausnutzung des Dampfdrucks mit einer Dampfersparnis beim An- und
Auslaufen der Maschine verbindet.
In Abb. 8 sind die Verhältnisse für eine
Fünfzylindermaschine zur Darstellung gebracht, deren Zylinder 915 mm ∅ und 915 mm
Hub besitzen, so daß gegenüber der Dreizylindermaschine von 1220 mm ∅ und 1525 mm
Hub, ein um 44 v. H. kleineres Gesamtzylindervolumen, gegenüber der
Zweizylindermaschine ein solches von 15 v. H. vorhanden ist. Trotzdem ergibt sich
ein um 42 v. H. bzw. 37 v. H. größere Andrehkraft.
Außer der erzielten Dampfersparnis der Fünfzylindermaschine gestattet der kleinere
Hub Drehzahlen bis zu 200 in der Minute zu verwenden, ohne die Kolbengeschwindigkeit
der nur mit 120 Umläufen arbeitenden Maschinen zu überschreiten, was gleichbedeutend
mit einer Erhöhung der Leistungsfähigkeit des Walzwerkes ist.
Das Drehmoment wird, wie Abb. 8b und 8c zeigen, dabei so gleichförmig, daß die größte
Beanspruchung auf die Kurbelwelle, die Zapfen, Spindeln und Walzen um 25 v. H.
abnimmt gegenüber der Maschine mit zwei, und um 29 v. H. gegenüber der mit drei
Zylindern. Der Ausgleich der Kurbelgewichte steht dabei für irgend eine Stellung der
letzteren nicht nach, so daß auch Verschiebung der Maschine auf dem Fundament nicht
zu befürchten ist und auch die noch unausgeglichenen Kraftwirkungen wesentlich
verkleinert werden.
Werden dabei zwei nebeneinander liegende Kurbeln nicht unter 144°, sondern unter 72°
versetzt, so bewegen sich die in den Kurbelzapfen vereinigt gedachten Gewichte auf
einem großen Teile des Kurbelweges in derselben Richtung, wobei die störenden
Momente in einem Abstand von 141 mm von der Achse der Kurbelwelle angreifen, während
dieser Abstand bei der Dreizylindermaschine 361 mm beträgt. Da die Fliehkräfte mit
dem Quadrat der Geschwindigkeit wachsen, so beläuft sich außerdem das Verhältnis der
störenden Kräfte bei beiden Maschinentypen wie 31 : 225, ist also bei der
Dreizylindermaschine fast siebenmal so groß unter Voraussetzung gleicher Drehzahlen
und der Annahme, daß die Gewichte beider Maschinen gleich groß sind, wenngleich die
Lenkstangen der Fünfzylindermaschinen wesentlich leichter ausfallen. Auch die Kosten
würden sich für die letztere Maschine auf nur etwa 75 v. H. gegenüber der
Dreizylindermaschine stellen. Nicht unwesentlich ist die Frage nach den notwendig
werdenden Reserveteilen für den Fall eines Bruches. Sie würden sich auf nur etwa die
Hälfte belaufen, und wenn alle fünf Kurbeln völlig gleich ausgeführt werden, so
würde nur ein Fünftel einer Kurbelwelle in Reserve vorhanden sein müssen, abgesehen
davon, daß das Arbeiten mit vier Zylindern sich anstandslos längere Zeit ermöglichen
läßt.
Textabbildung Bd. 331, S. 136
Abb. 9.
Bei Anlagen, die alle Walzarbeiten einschließlich des Fertigproduktes herstellen,
gestalten sich die Verhältnisse am günstigsten, denn wenn die Teile einer
vollständigen Maschine, einschließlich Zylinder und Grundplatte in Reserve gehalten
werden, so wird nur ein Fünftel des Gesamtbetrages bei drei vorhandenen
Maschinensätzen für Reserve nötig, und der Ersatz einer beschädigten Maschine ließe
sich, wenn alle Teile auswechselbar sind, in wenigen Tagen bewerkstelligen.
Es erübrigen sich noch einige Bemerkungen in bezug auf die Höhe des Betriebsdruckes;
je größer der Gegendruck ist, gegen den die Maschine auspufft, desto wirksamer kommt
das Dampfkissen zur Geltung, und es liegt kein Grund vor, besonders bei Verwendung von modernen
Wasserrohrkesseln, den Dampfdruck auch für derartige umsteuerbare Maschinen auf ~ 18
bis 20 at und 80° bis 85° Ueberhitzung zu steigern.
In Abb. 9 ist das theoretische Diagramm für eine
derartige umsteuerbare Maschine für 20 kg/cm2
Druck und einem schädlichen Raum von 15 v. H. dargestellt, die gegen einen Druck von
~ 5 at arbeitet. Rechnet man mit 15 v. H. Verlust, so zeigt die Abbildung die
Arbeitsweise in einer Maschine mit 10 v. H. schädlichem Raum, was sich in Maschinen
ohne Umsteuerung leicht ermöglichen läßt, so daß eine etwa 3,5-fache Gesamtexpansion
vorhanden ist und der Austrittsdruck 1,2 kg/cm2
abs. beträgt, wobei die Ueberströmung in eine Abdampfturbine erfolgen kann.
Legt man z.B. einen Hochofen zugrunde, der stündlich 50 t Koks verbraucht und eine
Gasmenge von etwa 3960 m3 für jede Tonne Koks
erzeugt, so hätte man stündlich 198240 m3 Gas.
Rechnet man davon 45 v. H. für Heizzwecke, so bleiben noch 109032 m3 stündlich zur Krafterzeugung zur Verfügung. Wird
damit Dampf von 20 kg/cm2 Druck und 80°
Ueberhitzung erzeugt, in Kesseln, die mit einem Aufwand von 1 m3 Gas etwa 0,8 kg Wasser verdampfen, so könnte man
stündlich 87225 kg Dampf erzeugen, die bei einem Dampfverbrauch von 13,5 kg für eine
indizierte PS und einen Gegendruck von ~ 5 at eine Leistung von etwa 6400 PS
ermöglichten, wenn die umsteuerbare Antriebsmaschine mit dem Dampf unmittelbar
betrieben würde.
Nimmt man des weiteren an, daß der Auspuffdampf infolge der Kondensation 15 v. H. an
Gewicht verliert und ein Druckverlust von ~ 0,3 at stattfindet, so würden 74142 kg
Dampf mit 5,25 at Druck für die Erzeugung von Gebläsewind zur Verfügung stehen. Mit
diesem Dampf betriebene Maschinen, die zur Erzeugung einer indizierten PS etwa 14 kg
Dampf brauchen, würden, wenn sie etwas über dem Atmosphärendruck auspuffen für die
Windversorgung der Hochöfen ~ 5280 PS leisten.
Die nötige Windmenge würde annähernd 138060 m3
stündlich betragen, die auf 5,67 kg/cm2 Druck
gebracht, für je 10 m3 etwa 115 PS
benötigten, im Ganzen demnach 2640 PS.
Da man für Gebläsemaschinen einen mechanischen Wirkungsgrad von 85 v. H. und einen
volumetrischen von ~ 90 v. H. annehmen darf, so werden demnach ~ 3450 PS verbraucht
werden, so daß noch 1825 PS für unvorhergesehenen Bedarf zur Verfügung bleiben.
Unter Abzug von 5 v. H. sind etwa 70435 kg Auspuffdampf der Maschinen vorhanden, mit
denen sich in einer Abdampfturbine, die zur Erzeugung von 1 elektr. PS 13,5 kg
benötigt, noch ~ 5280 elektr. PS erzeugen lassen, die zur Stromerzeugung für andere
Zwecke zur Verfügung stehen.
Für die Walzwerksöfen, die Walzwerks- und die übrigen elektrische Kraft
erforderlichen Anlagen wird demnach nur eine Kessel- und eine Kondensationsanlage
nötig, und bei der Möglichkeit, die Maschinen nach demselben Modell zu bauen,
stellten sich die Anlage- und Betriebskosten niedrig.
Es hat ein Interesse, damit den Betrieb mit Großgasmaschinen zu vergleichen. Solche
Maschinen brauchen für 1 PS etwa 2,5 m3 Gas.
Gebläsemaschinen, die die oben erwähnte Leistung von 5280 PS nutzbar machen,
brauchen 13200 m3 Gas, und um elektrischen Strom
in der Höhe von 5170 PS zu erzeugen, sind ~ 7200 PS aufzuwenden, die zur Erzeugung
17730 m3 Gas brauchen. Bei einem
Gesamtwirkungsgrad einer Ilgner-Anlage von ~ 60 v. H. bei
voller Belastung oder 55 v. H. im Durchschnitt, würden zum Betriebe des Walzwerks
11640 PS erforderlich sein, für die 28728 m3 Gas
in Betracht kommen, so daß im Ganzen 59658 m3
nötig sind. Für andere Zwecke steht dann ein Betrag von 49574 m3 zur Verfügung. Demgegenüber sind dann noch die
Beträge für Verzinsung, Abschreibung, Abnutzung der Gas-, Reinigungs-, elektrischen
und Gasmaschinenanlage in Rechnung zu setzen, wie auch die Löhne höher ausfallen
werden.
Welche von beiden Betriebsarten im Einzelfalle zu wählen ist, wird hauptsächlich von
dem Geldwert abhängen, der sich durch die überschüssige Kraft erzielen läßt.