Titel: | KONSTRUKTIONSPRINZIPIEN DER MOTOREN FÜR LUFTFAHRZEUGE. |
Autor: | Ansbert Vorreiter |
Fundstelle: | Band 327, Jahrgang 1912, S. 818 |
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KONSTRUKTIONSPRINZIPIEN DER MOTOREN FÜR
LUFTFAHRZEUGE.
Von Ing. Ansbert Vorreiter in
Berlin.
(Schluß von S. 809 d. Bd.)
VORREITER: Konstruktionsprinzipien der Motoren für
Luftfahrzeuge.
Zunächst glaubten die Konstrukteure durch reichliche Anwendung von Aluminium an
den Flugmotoren das Gewicht herabzusetzen. Man ging sogar so weit, daß man die
Zylinderdeckel mit den Ventilkammern aus Aluminium herstellte, es sei hierfür der
ältere Antoinette-Motor als Beispiel erwähnt. Diese
Konstruktion hat natürlich viele Mängel im Betriebe: einmal ist eine Dichtung
zwischen Zylinder und Explosionskammer notwendig, dann müssen Ventilsitze aus einem
härteren Material (Stahl) in das Aluminiumgußstück eingepreßt werden. Durch die
verschiedene Wärmeausdehnung beider Metalle können sich aber die Ventilsitze
lockern, und funktionierte einmal die Kühlung nicht, so waren Störungen
unvermeidlich, da Aluminium höheren Temperaturen nicht standhält. Diese Bauart ist
außerdem sehr teuer. Das gleiche gilt von einer anderen Bauart, wobei die Zylinder
mit den Explosionskammern und Wassermänteln aus Aluminium gegossen und als
Laufflächen für den Kolben dünne Buchsen aus Stahl eingepreßt waren. Bei dieser
Konstruktion zeigten sich die gleichen Fehler. Dabei war die Gewichtsersparnis gar
nicht so erheblich, als es zuerst erscheinen mag, denn da das Aluminiumgußstück den
Explosionsdruck aushalten mußte, war eine weit größere Wandstärke erforderlich als
bei Gußeisen oder Stahl. Hierzu kamen noch das Gewicht der Ventilsitze und Führungen
aus Stahl und Gußeisen, die Verschraubungen und Dichtungen und bei der zweiten
Konstruktion das Gewicht der Stahlbüchsen für die Kolben. Die Fig. 15 zeigt Schnitte durch einen solchen Motor.
Nicht im Aluminium liegt das Heil des geringen Gewichtes, sondern in der Verwendung
von bestem Stahl.
Textabbildung Bd. 327, S. 817
Fig. 15. Aluminiummotor der Süddeutschen Automobilfabrik mit über den
Zylindern angeordneter Steuerwelle.
Ventilstößel und -Stangen kann man ebenfalls hohl resp. aus Stahlrohr herstellen;
auch die Ventilhebel können quer durchbohrt werden, und ebenso werden dieselben
sehr leicht, wenn man sie im Querschnitt ∪-förmig aus
Stahlblech herstellt. Bei großem Durchmesser der Steuerwelle, wie sie sich bei
Kugellagerungen ergibt, kann man auch diese zwecks Gewichtsersparnis ausbohren. Bei
den E. N. V.- und Rumpler-Motoren wird in die Bohrung der
Steuerwelle das Schmieröl gepreßt, von wo es durch radiale Löcher nach den
Lagerstellen und Nocken gelangt und diese schmiert.
Am Kolben selbst läßt sich dadurch etwas Gewicht ersparen, daß man denselben nicht
nur außen, sondern auch innen an den Zylinderflächen bearbeitet. Schwierigkeiten
macht hierbei der Zapfen für die Schubstange, weshalb vielfach das Lager für den
Zapfen in den Kolbenboden eingeschraubt wird, wie z.B. beim Motor von Esnault-Pelterie (Fig.
16). Die innere Seite des Kolbenbodens ist nicht zu bearbeiten, da sonst die
dichte Gußhaut verloren geht. Als falsch muß man es dagegen bezeichnen, eine
Gewichtsersparnis am Kolben dadurch zu erreichen, daß man denselben sehr kurz macht.
Bei der Schrägstellung der Schubstangen wird dann der Flächendruck zwischen Kolben
und Zylinder bedeutend höher, und dementsprechend ist dann auch die Abnutzung
größer. Bei des achsialer Anordnung der Zylinder ist der einseitige Druck durch die
Schubstange nicht so hoch, und man kann daher Kolben und Schubstange etwas
verkürzen. Um möglichst leichte Kolben zu erhalten, hat man solche aus Aluminium
hergestellt, z.B. beim Clerget-Motor. Etrich, der solche Motoren früher benutzte, hat dem
Verfasser mitgeteilt, daß diese Kolben zu Störungen mehrfach Anlaß gaben, jetzt
verwendet Clerget die Kolben von Baase & Selve.
Man muß auch möglichst alle hoch beanspruchten Wellen und Teile als Hohlkörper ausführen. Der hohle
Querschnitt hat gegenüber dem vollen den wichtigen Vorzug, daß sein
Widerstandsmoment in der Funktion des Durchmessers um eine volle Potenz größer ist,
d.h. der Röhrenquerschnitt ist bei gleichem Material und Gewicht ganz bedeutend
widerstandsfähiger bzw. er kann bei gleicher Widerstandsfähigkeit entsprechend
leichter gehalten werden als der volle. Man darf aber kein Rohr verwenden, sondern
muß die Teile ausbohren. Allerdings erhalten dann die Wellen einen größeren
Durchmesser, und wird demnach auch der Reibungsdurchmesser der Lagerstellen größer.
Bezüglich Lagerung der Kurbelwelle sei erwähnt, daß die Motoren mit
gegenüberliegenden Zylindern Stern- und Fächermotoren nur zwei Lager benötigen. Der
Bau wird dadurch nicht nur einfacher und billiger, sondern es wird auch hierbei an
Gewicht gespart. Bei Visavis- und Fächermotoren wird die Kurbelwelle so gekröpft,
daß die Achsen der Zylinder möglichst in einer Ebene liegen (Fig. 17). Auch für Motoren mit vier Zylindern in
einer Reihe dürften zwei Lager genügen, wenn die Zylinder entsprechend nahe
zusammengerückt werden, und die Welle danach konstruiert wird, d.h., sie muß einen
großen Durchmesser erhalten. Es ergeben sich dann natürlich auch größere Lager. Für
die Wellenlager kann man Kugellager empfehlen (Fig. 18). Es ist
klar, daß die Folgen dieser allerdings kostspieligen Ausführung – zumal nur bester
Chromnickelstahl verwendet wird – sich auf günstige Weise in der
Betriebswirtschaftlichkeit geltend machen, was den Mehraufwand an Materialkosten und
Arbeit im Interesse des Betriebes rechtfertigt. Bezüglich der Anwendung von
Kugellagern auf den Kurbelzapfen sei bemerkt, daß hierüber die Ansichten noch sehr
geteilt sind. Sicherer sind jedenfalls Gleitlager.
Textabbildung Bd. 327, S. 818
Fig. 16. Kolben mit eingesetztem Lager.
B = Kolbenboden; L = Ring mit Lager
für den Zapfen Z; M = Gegenmutter; O = Oellöcher; R1-R4 = Kolbenringe.
Textabbildung Bd. 327, S. 818
Fig. 17. Kurbelwelle für Motoren mit gegenüber angeordneten Zylindern
(Visavis-Motoren).
Textabbildung Bd. 327, S. 818
Fig. 18a und 18b. Kurbelwelle mit Kugellagern, nur zweimal gelagert.a =
Welle; c = Kurbelzapfen; d = Kugellager für die Pleuelstangen n; k = Flansch für
den Propeller; l = Wellenlager; m = Antrieb der Steuerwelle.
Als Befestigung für die Uebertragungsorgane auf Wellen und Naben ist Konus mit Keil
oder der gefräste Sechskant zu empfehlen, mit Sicherung durch Nabenanschlag und
Gewindemutter. Es ist dies für hoch beanspruchte Teile sicher die beste
Befestigungsart, welche den technischen Anforderungen in jeder Hinsicht genügt. Die
Sechskante müssen nach festen Normalien mit ausreichender Toleranz gearbeitet werden
und gestatten bei genauer Ausführung die Montage und Demontege von Hand. Für
bestimmte Fälle ist der Einkant resp. Keil vorteilhafter, nämlich um jeden Irrtum
bei dem Wiederzusammensetzen der von Nichtfachleuten auseinandergenommenen Maschine
auszuschließen, z.B. für den Steuerwellenantrieb.
Chromnickelstahl und anderer hochwertiger Stahl ist bei Flugmaschinen nicht nur für
die hauptsächlichen Teile zu verwenden, sondern auch für Schrauben, Bolzen, Stifte
usw., um am Gewicht zu sparen.
Zur Zündung finden wir natürlich nur elektrische Zündapparate in Verwendung, und zwar
meist Magnetzündung. Hier läßt sich eine wesentliche Gewichtsersparnis gegenüber den
im Automobilbau verwendeten Apparaten nicht erzielen, alle Versuche haben vielmehr
ergeben, daß eine nennenswerte Gewichtsersparnis am Zündapparat gleichbedeutend mit
einer Verminderung der Betriebssicherheit ist. Im Interesse letzterer ist
Doppelzündung zu empfehlen (Fig. 19).
Eine andere wichtige Frage ist die der Achsenverschiebung.
Bei einem gewöhnlichen Motor findet infolge der Bewegung des Pleuels ein Massendruck
zwischen Kolben und den Zylinderwänden statt. Für eine bestimmte Neigung der
Kurbelstange ist der Wert dieses seitlichen Stoßes proportional dem auf den Kolben
ausgeübten Druck. Kann man diesen Wert während der Arbeitsperiode durch irgend ein
Mittel verringern, so kommt wenig in Betracht, ob dadurch der Druck während der
Kompressionsperiode vergrößert wird, weil der Druck, den der Kolben während der
Arbeitsperiode erleidet, wesentlich größer ist als der Kompressionsdruck. Dieses
Mittel besteht einfach in der Achsenverschiebung des Zylinders im Sinne der
Rotation; dadurch wird die Pleuelstange bei abgehendem Kolben eine weniger schräge
Stellung einnehmen als bei aufsteigendem Kolben. Ist die Achsenverschiebung zu groß,
so wird der Zweck nicht erreicht; ein achtel Hub gibt den günstigsten Wert, also
z.B. 15 mm bei 120 mm Hub. Auch die Abnutzung von Kolben und Zylinder wird durch die
Desachsierung wesentlich vermindert. Der Wirkungsgrad eines solchen Motors wächst
gegenüber dem eines gewöhnlichen Motors etwa 2 v. H. Bezüglich der Erschütterungen und der
Ausbalancierung ändert sich nichts. Dagegen kann man am Gewicht der Kolben und
Pleuelstangen durch Verkürzung derselben etwas ersparen. Wenn nun auch die
Achsenverschiebung keine bedeutende Vervollkommnung darstellt, so ist sie doch immer
eine Verbesserung. Da die Herstellungskosten die gleichen sind wie bei einem
gewöhnlichen Motor, so kann man nur empfehlen, daß sie für Luftfahrzeugmotoren mehr
Verbreitung findet. Die N. A. G. baut ihre Motoren auf diese Weise (Fig. 20). Auch einige Motoren mit rotierenden
Zylindern haben versetzte Welle.
Textabbildung Bd. 327, S. 819
Fig. 19. Motor mit Doppelzündung.
P = Wasserpumpe; Z, Z =
Zündapparate.
Textabbildung Bd. 327, S. 819
Fig. 20. Motor mit Achsenverschiebung. (desachsial).
a-b = Achsen Verschiebung; d =
Seitendruck des Kolbens.
Zusammenfassung.
1. Guter volumetrischer Wirkungsgrad, also geringe Saug- und Auspuffwiderstände
(große Ventildurchmesser oder mehrere Ventile) nicht drosselnder Auspufftopf.
2. Vollkommene Verbrennung, also gute Brennstoffmischung, hohe Kompression und
günstiger Verbrennungsraum (Halbkugelform), lange, gut dichtende Kolben, Ventile,
die sich durch Wärme nicht verziehen und nicht verbrennen (Kühlung der
Ventile), bestes Material. Sicher wirkende Zündung.
3. Hohe Kolbengeschwindigkeit, also leichte Ausführung der hin- und herbewegten
Massen, namentlich Kolben und Pleuel, jedoch ohne dieselben wesentlich zu verkürzen,
guter Massenausgleich und geringes Gewicht der bewegten Massen, also Verwendung
bester Materialien. Richtiges Verhältnis von Hub zur Bohrung.
4. Richtige Steuerung, also rechtzeitige Oeffnung und Schließung der Ventile im
Verhältnis zur Geschwindigkeit. Diese Forderung läßt sich bei Motoren für
Luftfahrzeuge leichter erreichen als bei Automobilmotoren, da Leistung und
Tourenzahl wenig variieren. Voröffnung des Auspuffventils, um geringen Gegendruck
beim Rückgang des Kolbens zu haben, Oeffnung des Saugventils mit beginnendem
Unterdruck im Zylinder und Schließen desselben bei gleicher Strömungsgeschwindigkeit
zwischen einströmenden Gasen und den durch den aufsteigenden Kolben zurückgedrängten
Gasen. Z.B. für einen Motor von 130 mm Hub bei 1400 Touren. Oeffnen der
Auslaßventile. 30° bis 35° vor unteren Totpunkte, Schließen 5 bis 10° nach oberem
Totpunkt. Oeffnen des Einlaßventils 10° nach oberem Totpunkt, Schließen 30° nach
unterem Totpunkt.
5. Ausnutzung des Verbrennungsdruckes, also langer Hub. (Diese Forderung unterstützt
die Bedingungen 2, 3 und 4, steht aber im Widerspruch mit der Forderung des geringen
Gewichts; es muß also ein Kompromiß zwischen geringem Motorgewicht für die PS und
geringem Brennstoffverbrauch geschlossen werden. Je länger ohne Ladung bzw.
Brennstoffaufnahme das Luftfahrzeug im Betrieb sein soll, je wichtiger ist ein
geringer Brennstoffverbrauch, demnach für Luftschiffmotoren im allgemeinen wichtiger
als für Flugmotoren.)
6. Sicher wirkende Zündung, um kein Aussetzen zu haben. Für sehr schnell laufende
Motoren ist die Anwendung von zwei Zündungen zu empfehlen; aus Gründen der
Betriebssicherheit empfiehlt sich dies für alle Luftschiffmotoren und großen
Flugmotoren überhaupt.
7. Geringere innere Reibung. Richtig bemessene Lager aus bestgeeignetem Lagermetall,
oder Kugellager, sicher wirkende selbsttätige Schmierung, Rücksichtnahme auf die
Beschleunigungskräfte, geringer Seitendruck der Kolben, verhältnismäßig lange
Pleuel, lange Kolben und desachsiale Versetzung der Zylinder (Fig. 20).