Titel: | EINSCHRAUBEN-MOTOR-FRACHTSCHIFF „ROLANDSECK“ FÜR DIE DEUTSCHE DAMPFSCHIFFAHRTS-GESELLSCHAFT „HANSA“. |
Autor: | C. Kielhorn |
Fundstelle: | Band 327, Jahrgang 1912, S. 772 |
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EINSCHRAUBEN-MOTOR-FRACHTSCHIFF
„ROLANDSECK“ FÜR DIE DEUTSCHE DAMPFSCHIFFAHRTS-GESELLSCHAFT
„HANSA“.
Von Konstruktions-Ingenieur C. Kielhorn
in Zehlendorf.
KIELHORN: Einschrauben-Motor-Frachtschiff „Rolandseck“
usw.
Inhaltsübersicht.
Einführung des Motorbaues auf der Werft von Joh. C. Tecklenborg. Erstes Motorschiff ist
„Rolandseck“. Hauptabmessungen und Schiffstyp. Verhältnis von
Tonnengehalt zur Ladefähigkeit. Raumeinteilung. Anordnung der Oelbunker.
Ladeeinrichtungen und Lukenanordnung. Aufbauten für Passagiere und Besatzung,
Hilfsmaschinen, Rettungsboote, elektrische Beleuchtung, drahtlose Telegraphie,
Decksbelag. Beschreibung der Motorenanlage, der Hilfsmotoren, des Hilfskessels und
der Oelzufuhr. Wirtschaftliche Leistung der Motorenanlage. Probefahrtsergebnisse.
Leitung der Werft und ihr heutiger Beschäftigungsstand.
––––––––––
Das lebhafte Interesse, welches die Schiffahrtsgesellschaften dem Antrieb der Schiffe
durch Diesel-Motoren entgegenbrachten, veranlaßte die
Schiffswerft und Maschinenfabrik von Joh. C. Tecklenborg A.-G. Bremerhaven-Geestemünde im Jahre 1910
den Bau von Diesel-Maschinen aufzunehmen. Die ersten von
der Werft erbauten Diesel-Motoren, ein Zweizylindermotor
von 80 PSe und ein Sechszylinder umsteuerbarer
Schiffsmotor von 250 PSe haben zur Unterstützung der
Dampfanlage sowie für Versuchszwecke in der Kraftzentrale der Werft selbst
Aufstellung gefunden und sich seit ihrer Inbetriebsetzung in jeder Weise gut
bewährt.
Da der Werft vor allen Dingen daran gelegen war, zum Großmotorenbau überzugehen,
traf sie mit der Firma Carels-Frères, Gent, ein Abkommen,
wonach gegenseitige Erfahrungen und Patente ausgetauscht werden sollten. Es fand
sich bald die gewünschte Gelegenheit, den Tecklenborg-Carels-Typ zur Anwendung zu bringen, als gegen Mitte des
vorigen Jahres die Deutsche Dampfschiffahrts-Gesellschaft
„Hansa“ in Bremen der Werft den Auftrag auf das
Einschrauben-Motorschiff „Rolandseck“ von etwa 2700 t engl. Tragfähigkeit
erteilte (Fig. 1).
Das große Vertrauen, das sowohl Erbauer als auch Besteller dem zur Verwendung
gelangten Motor entgegenbrachten, gab Veranlassung, das Schiff als
Einschraubenschiff zur Ausführung zu bringen. Es sei hervorgehoben, daß der
eingebaute Motor der größte bisher in Betrieb gesetzte Schiffsmotor ist.
Der Schiffskörper.
Das Schiff ist ein Shelterdeckschiff mit einer Back und einem Mittschiffsdeckaufbau,
entgegen dem gewöhnlichen Hansadampfertyp mit Poop, Brücke und Back. Die Abmessungen
des Schiffes sind:
Textabbildung Bd. 327, S. 773
Fig. 1. Dieselmotor-Frachtschiff „Rolandseck“ erbaut von Joh. C.
Tecklenborg A.-G. für die Deutsche Dampfschiffahrts-Gesellschaft „Hansa“,
Bremen
Länge zwischen den P.P.
83,435 m =
273' 8⅞''
Breite auf Spanten
12,192 m =
40' 0''
Seitenhöhe bis Oberdeck
5,791 m =
19' 0''
Seitenhöhe bis Shelterdeck
8,382 m =
27' 6''
Maximaltiefgang
5,604 m =
18' 4⅝''
Aus der letzteren Angabe geht hervor, daß es sich bei der „Rolandseck“ um ein
Volldeckschiff mit beschränktem Tiefgang handelt. Die Tragfähigkeit beträgt etwa
2700 t engl. = 2743 t, der Laderauminhalt 175000 cbf engl. = 4955 cbm. Hieraus
ergibt sich für homogene Ladung ein spezifisches Gewicht von 0,553. Das Schiff ist
für die Fahrt Hamburg–Portugal bestimmt und muß daher besonders für leichte Ladung
wie Korkholz und dergleichen geeignet sein.
Da das ganze Zwischendeck von der amtlichen Vermessung ausgeschlossen ist, weil das
Schiff eine sogenannte Vermessungsluke im Shelterdeck und Oeffnungen in den
Zwischendeckschotten hat, andererseits aber auch für den Motorenraum der größte
zulässige Abzug bei der Vermessung erzielt wurde, so ergab sich ein
Netto-Tonnengehalt von nur 756 Registertons. Da die Abgaben für das Schiff nach dem
Netto-Tonnengehalt bezahlt werden, der Nutzen des Schiffes aber in seiner
Ladefähigkeit ausgedrückt ist, so pflegt man – abgesehen von den Betriebskosten des
Motors – die Rentabilität des Schiffes durch das Verhältnis von Tragfähigkeit zum
Netto-Tonnengehalt darzustellen. Dieses Verhältnis ist bei der „Rolandseck“
\frac{2700}{456}=\,\sim\,3,57, eine Zahl, wie sie auch nur
ähnlich günstig bislang noch nicht erreicht worden ist. Beträgt doch bei den
normalen Hansadampfern von etwa 8000 t Tragfähigkeit das Verhältnis von
Tragfähigkeit zum Nettoraumgehalt höchstens 2,2.
Das Schiff hat zwei vollständig durchlaufende stählerne Decks und sechs wasserdichte
Schotte. Durch letztere wird das Schiff, abgesehen von Vor- und Hinterpiek, in fünf
wasserdichte Abteilungen geteilt. Die Zahl der Laderäume beträgt vier, zwei im
Vorschiff und zwei im Hinterschiff. Motor- und Hilfskesselraum nebst den Oelbunkern
sind in der Mitte der Schiffslänge angeordnet. Dadurch wird eine richtige Trimmlage
des Schiffes sowohl in Ballast als auch mit voller Ladung erzielt.
Der Doppelboden dient hier nicht wie bei früheren Motorschiffen zur Aufnahme des
Treiböles, sondern lediglich als Wasserballastraum und unter dem Motorraum als
Speisewassertank. Motor und Hilfskessel nehmen ungefähr denselben Raum ein wie eine
gleichwertige Dampfmaschine und Kesselanlage, so daß, falls man später aus
irgendwelchen Gründen eine Dampfmaschinenanlage vorziehen sollte, diese eingebaut
werden kann, ohne daß eine Veränderung der Laderäume erforderlich wäre. Durch den
Fortfall der Kohlenbunker im Zwischendeck ist gegenüber der gewöhnlichen
Dampfmaschinenanordnung ein wertvoller Raum für Ladungszwecke gewonnen.
Während bei den bisher gebauten Motorschiffen der Hilfskessel zumeist auf dem
Oberdeck oder dem Poopdeck aufgestellt war, ist er bei der Rolandseck im Raum direkt
vor dem Motorenraum aufgestellt.
Auch die Anordnung der Oelbunker, welche zu beiden Seiten des Hilfskessels
liegen, zeigen einen großen Vorzug gegenüber den bisherigen Motorschiffen. Die
Seitenbunker liegen nämlich direkt an der Außenhaut, wie man dies im Tankdampferbau
schon längst als das Sicherste erkannt hat. Unbegreiflicherweise fordern die
Klassifikationsgesellschaften bei den Tanks der Motorschiffe eine Sicherheitswand,
welche den Bunker von der Außenhaut abgrenzt. Der hierdurch gebildete schwer
zugängliche Sicherheitsraum ist aber gerade gefährlich, weil sich hier am ehesten
explosible Gase bilden können, was unmöglich ist, wenn, wie bei der
„Rolandseck“, das Oel direkt an der Außenhaut steht. Hier sind die
Oelbunkerwände lediglich gegen den Laderaum durch einen schmalen nach dem Kesselraum
zu offenen Sicherheitsraum getrennt.
Laderäume und Luken sind in der bei der Reederei üblichen Weise angeordnet. Der
vorderste Laderaum ist durch eine vor dem Fockmast gelegene Luke zugänglich. Sie
wird durch einen 5 Tons-Baum an Vorkante Fockmast nebst Dampfladewinde bedient. Zur
Bearbeitung des Großraums dienen zwei Luken, eine an Hinterkante Fockmast und eine
zwischen den beiden Deckshäusern. An der vorderen Luke sind zwei Ladewinden und zwei
Stück 5 Tons-Bäume an Hinterkante Fockmast sowie ein 20 Tons-Baum für Schwergut
vorgesehen.
Die Ladebäume an der hinteren Luke des Großraums sind an den besonders zu diesem
Zwecke verstärkten Ventilatoren der Oelbunker angeordnet. Die hierzu gehörigen zwei
Ladewinden stehen auf dem Shelterdeck zwischen den beiden Deckshäusern.
Die Luken der beiden hinteren Laderäume sind vor bzw. hinter dem Großmast angeordnet.
Die Luke vor dem Großmast wird durch zwei Ladewinden und zwei Stück 5 Tons-Bäume
bedient, die Luke hinter demselben durch eine Winde und einen 5-Tons-Baum.
Hinter der hinteren Ladeluke befindet sich die Vermessungsluke von 1,20 m Länge und
der normalen Lukenbreite.
Um möglichst freie Laderäume zu erhalten, ist nur eine Reihe weitstehender Stützen
mit entsprechend starkem Unterzug angeordnet.
Da das Schiff außer seiner Besatzung noch zehn Passagiere fahren soll, so ist für
diese ein besonderes Haus auf dem Shelterdeck erbaut. Es enthält außer den Kammern
einen geräumigen Speisesalon und ein Bad. Die Räume für Offiziere und Maschinisten
sind in Deckshäusern zu beiden Seiten des Motorenschachts auf dem Shelterdeck
angeordnet. An der Vorkante des Hilfskesselschachts liegt die Küche, an der
Hinterkante des Motorenschachts die Rudermaschine, welche sowohl für den Betrieb mit
komprimierter Luft als auch mit Dampf eingerichtet ist. Neben den Deckshäusern
bleibt ein breiter von dem überragenden Bootsdeck völlig geschützter Gang, der vorn
und hinten durch kleinere Seitenhäuser abgeschlossen wird, in denen sich die WCS, das Bad für die Maschinisten und das
Schiffsbureau befinden.
Auf dem vorderen Bootsdeck ist ein Teakhaus, enthaltend Kapitänskammer und
Kartenhaus, aufgebaut. Ueber dem Kartenhaus befindet sich die von Bord zu Bord
reichende Kommandobrücke.
Auf dem hinteren Bootsdeck befindet sich das stählerne Haus für den Beamten der
drahtlosen Telegraphie und dessen Bureau.
Die Kammern sind in einfacher aber solider Art ausgebaut. Die Einrichtung ist aus
poliertem Hartholz, Wände und Decken weißlackiert, die des Salons in polierter
Täfelung.
Matrosen und Feuerleute sind unter der Back in sehr geräumigen Kammern untergebracht.
Obwohl die Gesamtzahl nicht mehr als zehn Mann beträgt, sind doch für Seeleute und
Feuerleute getrennte Waschhäuser und Klosets angelegt, so daß die sanitären
Einrichtungen als Muster gelten können.
An Hilfsmaschinen ist außer der bereits erwähnten, für Dampf und komprimierte Luft
eingerichteten Rudermaschine noch das Dampfankerspill für 45 mm Kette auf der
Back zu nennen.
Auf dem hinteren Bootsdeck stehen die Rettungsboote und ein Arbeitsboot. Von den
Rettungsbooten genügt jedes einzelne zur Aufnahme der gesamten Besatzung.
Elektrische Beleuchtung ist sowohl für die Positions- und Seitenlichter als auch für
die Kammern, Maschinen, Kessel- und Laderäume vorgesehen.
Die 27 m hohen Pfahlmasten sind für drahtlose Telegraphie eingerichtet.
Das Shelterdeck ist im Bereich der Aufbauten und über dem Proviantraum mit 3½zölligem
Pitchpineholz beplankt, ebenso die Back über den Logisräumen. In den Kammern und
Rohrgräben sowie unter den Winden ist als Decksbelag Litosilo (Steinholz)
verwendet.
(Schluß folgt.)