Titel: | NEUE AMERIKANISCHE HEISSDAMPF-GÜTERZUGLOKOMOTIVE. |
Autor: | A. Ricker |
Fundstelle: | Band 327, Jahrgang 1912, S. 665 |
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NEUE AMERIKANISCHE
HEISSDAMPF-GÜTERZUGLOKOMOTIVE.
Von A. Ricker,
Charlottenburg.
RICKER: Neue amerikanische
Heißdampf-Güterzuglokomotive.
Bereits seit der Eröffnung der Virginischen Eisenbahn in den Vereinigten Staaten
von Amerika gelangten dort als Güterzugmaschinen für den Kohlentransport
ausschließlich die sogen. Mikado-Lokomotiven der Baldwin
Locomotive Company in Philadelphia zur Verwendung. Seit 1909 wurden 42
Lokomotiven dieses Typs für die dortige Strecke geliefert, die die besten Ergebnisse
ihrer Leistungsfähigkeit aufzuweisen hatten. Dieselbe Firma baute kürzlich zehn
weitere Lokomotiven der Mikadoklasse für die Virginische Eisenbahn, die aber soweit
verbessert wurden, daß sie die älteren Maschinen in bedeutendem Maße an
Leistungsfähigkeit übertreffen.
So ist beispielsweise die Zugkraft der neuen mit Schmidtschem Dampfüberhitzer ausgerüsteten Mikado-Lokomotive, die unsere
Abbildungen (Fig. 1 und 2) veranschaulichen, 21 v. H. höher und die Gesamtheizfläche um 28 v. H.
größer, als die der alten. Die Zunahme des Gesamtgewichtes beträgt dabei 17 v. H.
Der Kessel liefert 292 Quadratfuß gleichwertige Heizungsfläche für den Kubikfuß
Zylindervolumen, und das Verhältnis der Heizfläche (in Quadratfuß) zur Zugkraft (in
engl. Pfund) ist wie 1 : 10,6. Diese Verhältnisse lassen auf eine ansehnliche
Leistungsfähigkeit des Kessels für den Güterverkehr schließen. Als Feuerung dient
gute Weichkohle.
Die Dampfzylinder sind aus Vanadiumeisen konstruiert und ohne den Sattel für
sich gegossen. Der vordere Rahmenteil ist abgeplattet, 637 mm tief und 76 mm breit.
Die Zylinder- und Sattelstücke greifen mit einem Rand über die Oberkante des Rahmens
und die Flanschen an beiden Gußstücken reichen etwa 620 mm über den Rahmen hinaus,
so daß die ganze Höhe des Zylinderflansches 1217 mm beträgt. Jeder Zylinder ist
mittels fünfzig 31½ mm-Schraubenbolzen an dem Sattel festgeschraubt, von denen 29
durch den Rahmen hindurchfassen. Außerdem erstrecken sich noch drei 63
mm-Spannriegel, die noch heiß umgelegt wurden, quer über die Maschine in gleicher
Höhe mit der Oberkante des Rahmens, so daß sie Zylinderrahmen und Sattel
zusammenhalten. Vorne wurden die einzelnen Teile mittels senkrechter Keilnuten
zusammengenutet, die paarweise angeordnet und in passende Keillöcher eingetrieben
wurden. Ein derartiges Paar Keilnuten sitzt an jeder Seite des Rahmens, so daß eines
an den Zylinder, das andere an den Sattel stößt Diese Anordnung und Befestigung der
einzelnen Teile darf wegen der großen Lagerflächen derselben nicht unerwähnt
bleiben. Ebenso verdient die Spleißung zwischen Haupt- und Vorderrahmenteilen unsere
Beachtung. Hier ist ein plattes Aneinanderpassen vorgesehen, wobei 24 wagerechte
Schraubenbolzen von je 31¾ mm ∅ und ein einfacher Keil von 76 × 63 mm Querschnitt am
breiten Ende verwendet wurden. Dieser Keil ist in Einschnitte hineingetrieben
worden, die an beiden Rahmenteilen vorgesehen wurden. Jeder Rahmenteil ist nämlich
mit einem Knacken versehen, der sich in den korrespondierenden Einschnitt des
gegenüberliegenden Rahmenteils einfügt, und zwischen diesen beiden Knacken ist der
erwähnte Keil eingetrieben. Auf diese Weise wirkt der Keil gleichzeitig auf beide
Rahmenteile in gleichmäßiger Länge auf die volle Breite des Rahmens. Die Haupt-,
Vorder- und Hinterrahmenteile sind aus Vanadiumgußstahl konstruiert.
Textabbildung Bd. 327, S. 666
Fig. 1.
Die Dampfverteilung regulieren Kolbenventile, die sich nach innen öffnen, sowie
Außendampf röhren. Diese Anordnung ist da, wo Zylinder und Sattel getrennt gegossen
sind, von Vorteil, da hierdurch vermieden wird, den Dampf unter Kesseldruck vom
Sattel nach den Zylindern zu schaffen. Der Abdampft strömt von den Zylindern
durch zwei Oeffnungen aus, die sich oberhalb des Rahmens befinden, unmittelbar
gegenüber gleichen Oeffnungen im Sattel. Hierdurch ist dem Abdampf ein ganz direkter
Weg geschaffen, und kaum eine Gelegenheit zu eventuellem Leckwerden an
Verbindungsstellen in den Dampf- bzw. Abdampfleitungen geboten.
Die Kolbensteuerung hat 357 mm ∅. Der Ventilhals besteht aus einem Stück 205 mm
starken Kesselrohres, dessen offene Enden mit Gußstücken aus Vanadiumeisen, die über
den Hals gebördelt sind, verschlossen wurden. Die Packungsringe sind ⌊-förmig. Die
Kolbenköpfe sind aus Vanadiumgußstahl und mit Lagerringen aus Vanadiumeisen
konstruiert. Diese Ringe sind 153 mm weit, ausgenommen unten, wo sie sich bis zu
210½ mm erweitern. Jeder Kolben hat drei Packungsringe. Vanadiumstahl fand ebenfalls
für die Kreuzköpfe Verwendung, wie für die Federn, Radkränze, Haupttriebachsen und
Hauptkurbelzapfen.
Textabbildung Bd. 327, S. 666
Fig. 2.
Die Steuerung ist nach System Walschaerts eingerichtet und
wird durch ein selbsttätiges Ragonnetgetriebe reguliert. Die Ventile sind auf ein
Maximalkolbenspiel von 153 mm und ein Voreilen von 6⅓ mm eingestellt. Umlaufventile,
System Sheedy, sind den Zylindern zugeteilt. Zulassung
von Frischdampf zu jeder Dampfkammer ist mittels eines 19 mm Rohres vorgesehen und
wird durch ein Hebelventil reguliert.
Die querlaufende Rahmenversteifung ist so berechnet, daß sie der starken
Beanspruchung, wie sie eine Maschine dieser Größe mit sich bringt, vollen Widerstand
leistet. Vor den Zylindern sind die Rahmen an einer Fußplatte aus Gußstahl
verschraubt, an welcher wiederum der ebenfalls aus Gußstahl konstruierte Puffer
verankert ist. Oberhalb der vorderen Treibachsen befindet sich ein breites,
stählernes Gußstück von 105 mm Länge, welches zur Versteifung der Treibbremszylinder
dient. Zwischen jedem Paar Treibachsen liegen kräftige Stützschienen, die sowohl den
oberen wie den unteren Rahmenbändern angeschraubt sind. Diese Stützschienen, von
denen drei vorhanden sind, sind alle nach demselben Muster gegossen. Vordere
Radachse und Steuerungslager dienen ebenfalls als Rahmenversteifung. Der Vorderteil
der Feuerkammer ruht auf einem stählernen Gußstück, welches die Rahmenteile
unmittelbar vor der Spleißung zwischen Haupt- und hinterem Rahmenteil versteift und
auch den Stift der Lenkstange für die hinteren Laufachsen stützt. Die hinteren
Rahmenteile sind nach hinten an einer Fußplatte aus Gußstahl festgeschraubt und in
mittlerer Länge der Feuerkammer durch eine Querschiene versteift, welche das Lager
des Feuerrostes trägt.
Der Kessel hat an seinem vorderen Ende 2193 mm ∅, dagegen am Domring 2380⅜ mm ∅. Die
Tiefe des Halses von der Unterkante des Langkessels bis zum Boden des
Schlammringes beträgt 619¾ mm. Dadurch ergibt sich hinlänglich Raum für den
gemauerten Gewölbebogen, der in einzelne Abschnitte eingeteilt ist und auf
Wasserröhren ruht. Haupt- und Nebendom sind beide auf dem dritten Ring des
Langkessels angeordnet. Die Verbindungsnaht liegt auf der Oberkante des Kessels in
der Mitte und ist der ganzen Länge nach geschweißt, während ein großes, 17 mm
starkes Innenfutter die Verbindungsstelle verstärkt. Das Mannloch im Hauptdom hat
714 mm ∅, während die Oeffnung im Nebendom 408 mm weit ist. Der Hauptdom ist aus
Stahl gepreßt er ist 459 mm hoch und hat 841 mm ∅.
Die Elemente des Ueberhitzers setzen sich aus 40 Dampfröhren zusammen, die 139 mm ∅
haben und zu vier senkrechten und zehn wagerechten Reihen gruppiert sind. Die
Ueberhitzerröhren haben einen Außendurchmesser von 37½ mm und die
Ueberhitzungsfläche, die auf der Innenfläche der Röhren basiert, beläuft sich auf
910 Quadratfuß. Es ist dies einer der größten Ueberhitzer, mit denen bisher
Lokomotiven ausgestattet wurden, und die Wasserverdampffläche dieser Kessel ist fast
so groß, wie diejenige der älteren Mikadolokomotiven, die nicht mit Ueberhitzern
gebaut wurden.
Diese Lokomotiven haben enorm große, achträderige Tender, denn die Tankkapazität
beträgt 12000 Gallonen. Die Tender haben aber im Verhältnis zu ihrer Größe ein sehr
leichtes Gewicht, denn dies beläuft sich mit voller Belastung auf nur 17 Pfund f. d.
Gallon Wasserkapazität.