Titel: POLYTECHNISCHE RUNDSCHAU.
Fundstelle: Band 327, Jahrgang 1912, S. 574
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POLYTECHNISCHE RUNDSCHAU. Polytechnische Rundschau. Laufdrehkrane in Eisengießereien. Bei der Benutzung von Laufkranen in Gießereien, die aus mehreren parallel zueinander liegenden Längshallen bestehen, macht sich der Umstand unangenehm bemerkbar, daß ein auf der Grenze der beiden Hallen unter den Kranbahnträgern verlaufender Streifen von immerhin beträchtlicher Breite mit dem Kranhaken nicht bestrichen werden kann. Dieser Nachteil wird dadurch bedingt, daß nicht nur Mitte Laufschiene nicht mit der Mitte der Stützsäulen der Halle zusammenfallen kann, die Kranschiene vielmehr um einen gewissen Betrag nach der Mitte der Halle hinausrückt, sondern auch Mitte Lasthaken in einiger Entfernung, entsprechend dem erforderlichen Anfahrmaß, angeordnet werden muß. Daß hierdurch besonders dann, wenn zwei von Laufkranen bestrichene Hallen nebeneinander liegen, ein wesentlicher Raum der Gießerei sich der Bedienung durch die Laufkrane entzieht, liegt auf der Hand. Es hat daher nicht an Versuchen und ausgeführten Einrichtungen gefehlt, diesem Uebelstande abzuhelfen. Zumeist wurde jedoch das Ziel in der Weise zu erreichen gesucht, daß der von den Kranhaken nicht erreichbare Raum von besonderen, eigens zu diesem Zweck vorgesehenen Hebe- und Transportzungen bestrichen wurde. Hierdurch wurde aber einerseits die maschinelle Ausrüstung der Gießerei teurer und der Betrieb auch weniger übersichtlich, als auch anderseits eine Vermehrung der Betriebsausgaben eintrat, da natürlich für die Bedienung dieser Hebezeuge weitere Arbeitskräfte erforderlich waren, ganz abgesehen davon, daß schon aus naheliegenden Gründen eine Vermehrung der Arbeitskräfte nach Möglichkeit vermieden werden muß. Hier hat sich nun in neuerer Zeit der Laufkran mit schwenkbarem Ausleger als sehr brauchbar erwiesen, der bekanntlich in der Weise ausgebildet ist, daß der Ausleger unter dem Kranbahnträger hinweg ausgeschwenkt werden kann. Bei der Verwendung des Laufdrehkrans ist man zudem nicht nur in der Lage, den früher nicht bestreichbaren Raum unterhalb der Kranlaufbahnen zu beherrschen, sondern man vermag auch mit dem Lasthaken in Nebenhallen überzugreifen und hier Lasten aufzunehmen, so daß diese mittels des Auslegers aus der einen Halle in die andere geschafft werden können. Da nun in den letzten Jahren der Laufdrehkran in mehreren modern eingerichteten Gießereibetrieben zur Ausführung gelangt ist, und sich hier in vollstem Maße bewährt hat, so möge nachstehend eine von der Deutschen Maschinenfabrik A.-G. in Duisburg für die Gießerei Tyssen & Co. in Mülheim a. d. Ruhr ausgeführte Drehlaufkrananlage, bestehend aus vier Drehlaufkranen von 30 t Tragkraft kurz beschrieben werden (Fig. 1). Textabbildung Bd. 327, S. 574 Fig. 1. Drehlaufkran der D. M. A.-G., Duisburg. Die hier in Betracht kommende neue große Haupthalle der Gießerei Tyssen & Co., die teils von oben her, teils durch Glaswände reichlich belichtet wird, ist durch ein an der Dachkonstruktion aufgehängtes Kranschienengleis in zwei Kranfelder eingeteilt. Durch diese Bauart der Halle erzielte man eine große, freie, durch keine Gebäudesäulen unterbrochene Halle, die also voll und ganz ausgenutzt werden kann, und die das Ausschwenken der Ausleger in keiner Weise behindert. Unter Benutzung zweier Lasthaken ist man in der Lage, Stücke bis zu 60 t Gewicht zu heben. Da die Motorstärken und Arbeitsgeschwindigkeiten für je zwei Krane gleich gewählt sind, so steht einem Zusammenarbeiten zweier Krane beim Heben eines Stückes keinerlei Hindernis entgegen. Der Träger der 30 t-Drehlaufkrane ist als vollwandiger Blechträger mit parallelen Gurtungen konstruiert und durch steife Laufbühnen, deren eine das Kranfahrwerk trägt, gegen Seitenschwankungen gesichert. Der Bühnenträger ist als Gitterträger ausgebildet. Auf dem Kranträger läuft die den Dreharm tragende Laufkatze, die vom Motor durch Stirnrädergetriebe ihre Bewegung erhält und nach unten hin mit einem starren Gerüst aus Eisenkonstruktion versehen ist. Der doppelarmig ausgeführte Ausleger hängt an einem Mittelzapfen aus Schmiedestahl, der auf einem gut zugänglich angebrachten Kugelspurlager auf der Katze gelagert ist. Der Ausleger trägt an der vorderen Spitze die Seilrollen mit dem Lasthaken, während das hintere Ende als Gegengewichtsarm ausgebildet ist, auf dem sowohl das Triebwerk für den Lastenhub, als auch außerdem noch ein Gegengewicht aus Eisenbeton untergebracht ist. Die Drehbewegung des Auslegers wird in der Weise bewirkt, daß der Antriebsmotor unter Vermittlung eines eingekapselten Schneckenvorgeleges auf einem Ritzel mit senkrechter Achse arbeitet, das sich seinerseits auf einem mit dem Laufkatzengerüst fest verbundenen Triebstockzahnrad abwälzt und so die Schwenkung des an der Katze drehbar aufgehängten Auslegers herbeiführt. Dem Antriebsmotor für das Drehwerk gegenüber befindet sich auf der anderen Seite der Drehsäule der Stand für den Kranführer und, für diesen bequem erreichbar angeordnet, die Steuerapparate. Der Stand für den Steuermann ist etwas seitlich vom vorderen Auslegerarm derart angeordnet, daß er die Arbeitsweise des Lasthakens und das ganze Arbeitsfeld bequem übersehen kann. Das durch sein Eigengewicht gleichzeitig zur Ausbalancierung der Last beitragende Hubwerk besteht aus dem Antriebsmotor, zwei Stirnrädervorgelegen, von denen das erste in einem geschlossenen Oelkasten läuft, und der Seiltrommel zur Aufwicklung des über die an der vorderen Spitze des Auslegers vorgesehene Rolle geleiteten Lastseiles. Die Abbremsung der überflüssigen lebendigen Kraft erfolgt durch eine elektromagnetisch betätigte Haltebremse. Das Kippmoment des Auslegers bezw. der Laufkatze wird außer durch das obere Halslager noch von vier Rollen aufgenommen, die an dem von der Katze herabhängenden Gerüst befestigt sind und sich gegen den Untergurt des Kranträgers abstützen. Es dürfte sich erübrigen, auf die Konstruktion dieser Krane noch näher einzugehen. Es soll hier lediglich an einem ausgeführten Beispiel gezeigt werden, wie durch Verwendung von Laufkranen mit schwenkbarem Ausleger die ganze Bodenfläche der Gießerei ausgenutzt und Werkstücke aus der einen Halle in die andere hinübergeschafft werden können. Es möge jedoch noch bemerkt werden, daß diese Krane, obschon sie dauernd hochbelastet betrieben werden, seither zur vollen Zufriedenheit gearbeitet haben. –––––––––– Ueber die Ausnutzung der Kraft von Ebbe und Flut veröffentlicht Dipl.-Ing. A. Springe, Neumünster, eine interessante Kritik in der Zeitschrift des gesamten Turbinenwesens. Er stellt darin das neuerdings von Sieber vorgeschlagene Projekt eines Flutkraftwerkes mit zusammenarbeitenden Becken gegenüber den früheren Projekten mit getrenntarbeitenden Becken. Die Arbeitsweise eines Flutkraftwerkes mit zusammenarbeitenden Becken ist kurz folgende: Es sind zwei Becken vorhanden, ein Hoch- und ein Niederbecken. Die Turbinenanlage ist auf dem die beiden Becken trennenden Deich errichtet. Jedes Becken besitzt ein Wehr. Das Besondere der Anordnung beruht darin, daß das Wasser stets im gleichen Sinne durch die Turbinenanlage strömt, nämlich aus dem Hochdruckbecken nach dem Niederdruckbecken. Ist das Hochdruckbecken durch die Flut gefüllt worden, so wird das Wehr desselben geschlossen, ebenso das Wehr des Niederdruckbeckens. Nun beginnt die Arbeitsperiode. Das Wasser strömt vom Hochdruckbecken durch die Turbinenanlage nach dem Niederdruckbecken. Sobald dieses seinen höchsten Wasserstand (gleich dem des ebbenden Meeres) erreicht hat, ist die erste Arbeitsperiode beendigt. Nun beginnt eine zweite Arbeitsperiode. Das Wehr des Niederdruckbeckens wird geöffnet und das Wasser strömt aus dem Hochbecken durch die Turbinenanlage und durch das Niederdruckbecken direkt ins Meer, wobei sich gleichzeitig das Niederdruckbecken weiter entleert. Zur Zeit der Hohlebbe wird das Niederdruckbecken wieder vom Meer abgeschlossen. Es folgt nun die dritte Arbeitsperiode. Das Wasser strömt vom Hochbecken, das immer noch vom Meer abgeschlossen ist, durch die Turbinenanlage in das Niederbecken und füllt dieses. Diese dritte Arbeitsperiode wird solange fortgesetzt, bis die aufkommende Flut den Wasserstand des Hochbeckens erreicht hat. In diesem Moment wird das Wehr des Hochbeckens geöffnet, und es folgt die vierte Arbeitsperiode. Das Wasser strömt vom offenen Meer nach dem Hochbecken und von hier durch die Turbinenanlage in das abgeschlossene Niederbecken, bis die Flut ihren höchsten Stand erreicht hat. Dann wird das Wehr des Hochbeckens wieder geschlossen, und es beginnt wieder der erste Arbeitsvorgang. Ein in dieser Weise gebautes Flutwerk weist hinsichtlich der Gefällshöhe erheblich Vorteile gegenüber Flutwerken mit getrenntarbeitenden Becken auf. Die niedrigsten Gefällshöhen eines Flutwerkes mit zusammenarbeitenden Becken verhalten sich zu denen eines Flutwerkes mit getrenntarbeitenden Becken wie 4 : 3. Das Verhältnis des höchsten zum niedrigsten Gefälle beträgt im ersten Fall 2 : 1, im zweiten Fall 3 : 1. Die höheren Gefälle bei der Anlage mit zusammenarbeitenden Becken ergeben schnellere und kleinere Turbinen und damit Verbilligung der Anlage. Die geringeren Schwankungen in den Gefällshöhen bei der Anlage mit zusammenarbeitenden Becken gewährleisten einen besseren Nutzeffekt der Turbinenanlage. Daneben besitzt das Flutwerk mit zusammenarbeitenden Becken auch verschiedene Nachteile. Das ideelle Arbeitsvermögen ist um 33 v. H. geringer wie dasjenige eines Flutwerkes mit getrenntarbeitenden Becken. Ferner wirkt ungünstig der Umstand, daß das unmittelbar arbeitende Wasser und auch das zur Füllung des Hochbeckens und das aus dem sich entleerenden Niederdruckbecken ablaufende Wasser gleichzeitig die Wehre passieren muß. Das hat zur Folge, daß die Wehranlagen etwas größer gehalten werden müssen als bei getrenntarbeitenden Becken. Ein weiterer Nachteil muß darin erblickt werden, daß das Flutwerk mit zusammenarbeitenden Becken schon außer Betrieb gesetzt wird, wenn ein einziges der beiden Wehre beschädigt wird. Es kann also nicht ohne weiteres entschieden werden, welches der beiden Systeme den Vorzug verdient. Im ganzen läßt sich aber bei beiden Systemen eine gute Rentabilität herausrechnen. Die vom Konsum unabhängigen Selbstkosten eines Flutwerkes für 20 Millionen KW/Std. belaufen sich im Jahre auf ungefähr 500000 M, entsprechend 40 v. H. Ausnutzung der Flutzentrale. Die Selbstkosten des Stromes betragen dann 2,5 Pf. f. d. KW/Std. Vergleicht man damit beispielsweise die Stromselbstkosten beim Kölner Elektrizitätswerk, welche 4 Pf. f. d. KW/Std. betragen, so ergibt sich, daß das Flutwerk weit ökonomischer arbeitet.