KRAFTBEDARF BEIM LOCHEN, SCHEREN UND
BIEGEN.Von Georg Lindner, Professor in
Karlsruhe.(Schluß von S. 420 d. Bd.)LINDNER: Kraftbedarf beim Lochen, Scheren und Biegen.Berechnung der unelastischen
Biegung.Solange ein Blech (Fig. 7) von der Stärke a und Breite b nur so
schwach gebogen wird, daß die Biegespannung σ unterhalb
der Streckgrenze S bleibt, ist die Spannung
proportional der Dehnung ϑ im konstanten Verhältnis E, nämlich σ = Eϑ. Im Abstand y von der
neutralen Schicht bei dem Krümmungsradius ρ gilt
also
.
[Textabbildung Bd. 327, S. 436]
Fig. 7. Biegespannungen.Im Grenzfall ist σ = S in den
äußeren Fasern: mit wird
oder
, somit
.Wenn aber infolge stärkerer Biegung die StreckgrenzeSüberschritten wird, steigt die Spannung mit der Dehnung
in geringerem Grade, dessen Maß nicht bekannt ist. Die Diagramme der
Zugversuche geben darüber nicht Auskunft, weil bei der Biegung wahrscheinlich die
von innen nach außen benachbarten Fasern sich gegenseitig beeinflussen, und weil
hier auch die Druckspannungen mitwirken, bei denen, falls eine ausgesprochene
Quetschgrenze im Material vorhanden ist, das Gesetz der Aenderungen nicht gerade mit
dem der Zugversuche übereinstimmt. Der Berechnung muß, solange keine Erfahrungen
hierzu vorliegen, eine wahrscheinliche Annahme zugrunde gelegt werden, in einfacher
Form. Als solche möge vorläufig eine lineare Aenderung mit geringerem Verhältniswert
cE eingeführt werden, wobei c ein kleiner Bruch ist (Fig. 7).Die Biegespannungeroberhalb der Streckgrenze wird nach dieser Annahme dem
Ausdruck entsprechenσ = S + cE (ϑ – ϑ1).Mit und
folgt;In einem Querschnitt des Blechs herrscht hierbei nahe der neutralen Schicht noch
elastische Beanspruchung bis zu einer Entfernung ± y1, darüber hinaus unelastische bis
. In der Grenze bei y1 wirkt die Spannung
; demnach ist.Das Verhältnis k der Stärke des elastischen Kerns zur
vollen Blechstärke istDas Moment der Spannungen im Querschnitt beträgtDem innern Moment entspricht das äußere Moment, bestimmt durch eine biegende Kraft
P und den senkrecht zu ihrer Richtung liegenden
Hebelarm x. Die Gleichung gilt jedoch nur, wenn das
äußere Moment Px größer als das für elastische Biegung
ist, dessen größter Wert bei x1 erreicht wird, mitIm Verhältnis hierzu findet sich
[Textabbildung Bd. 327, S. 437]
Fig. 8.Es handelt sich nun weiter um die Berechnung der „elastischen Linie“ oder Krümmungslinie nach der vereinfachten Formel
.Wollte man aus der vorstehend entwickelten Gleichung 3. Grades für
die Wurzel entnehmen, so stößt man auf
Schwierigkeiten, die sich durch eine Annäherung zweckdienlich umgehen lassen.Die Beziehung zwischen und
findet man z.B. für c = 0,01 als Kurve
darstellbar (Fig. 8), indem man verschiedene Werte
für einstellt; man erkennt dabei, daß für
bis etwa 1,5 das erste Glied der Gleichung
ausschlaggebend ist, darüber hinaus das zweite. Danach läßt sich die Rechnung
teilen und für jede Zone eine Näherungsgleichung ausmitteln, wie folgende:
fürmögegelten„„„
In der Grenzlage bei ist jedesmal
. Man hat nun eine 1.
elastische Zone von mit der
AusgangsgleichungWählt man den Angriffspunkt der Kraft P als Nullpunkt
für x und z, so findet sich zunächst die Neigung von
0 bis bei x1;ferner die Ordinate von 0 bis
In der II. Zone von ist weiter:, von
bis , von
bis
.
[Textabbildung Bd. 327, S. 437]
Fig. 9.In der III. Zone gilt endlichWill man als Durchbiegung h die Pfeilhöhe des gebogenen
Blechs oder den Abstand des Angriffspunktes der Kraft von der Tangente der Kurve
angeben, so hat man nach Fig. 6 (S. 419) zu
setzen:h = x tg α – z cos α mit
.Setzt man z cos α = z und ρ1 = 500 a, so wird für die III. ZoneIm allgemeinen wird x = 0,5 d ∾ 0,6 d und sein,
daher , im Mittel h =
7 [...].Zur näheren Bestimmung des Wirkungsbereichs sind die Spannungen nachzurechnen und
anzugeben. Infolge der Zerlegung der zuerst angenommenen Funktion ändert sich die
Spannung oberhalb der Streckgrenze nicht mehr linear, sondern paßt sich dem Verlauf
nach Fig. 9 an. Aus der Gleichung für
findet sich mit
,und zwar mit dem Wert von für
die II. Zone zuund für die III. ZoneDamit ergibt sich weiter die Spannung für und
lt. Tab. 5.Als Streckgrenze sei für Flußeisenblech gesetzt:hierbei wird
bei x1, und die Dehnung der äußeren Faser
.Die Neigung der Kraft P ist bestimmt durchFür x = 0,56 d als Mittelwert und als
Näherungswert ergibt sich der Horizontalabstand i der
Anlagestelle vom Scheitel der unteren Walze (Fig. 6)
mit d1 = 0,84 d zu
laut Tab. 5.Aus der Zahlenübersicht ist zu entnehmen, daß, wenn man die Biegespannung σ = 3000 kg/qcm nicht überschreiten will, das
Verhältnis k nicht viel kleiner als 1/30 zu benutzen
ist, anderseits nicht größer als 1/10 mit σ = 2370, weil
sonst die Wirkung zu schwach wäre. Nach den gewöhnlichen Formeln hätte man also mit
einer unwirklichen Spannung zwischen 3000 ∾
4000 zu rechnen, wie anfänglich eingeführt worden ist. Die Durchbiegung h ist dazu für das stärkste an der Maschine zulässige
Blech beim ersten Durchgang auf 3 ∾ 12 mm einzustellen (Fig. 8). Der Krümmungsradius ρ unterhalb der
Oberwalze kommt dabei auf ρ = k ρ1 = k 500 a = 50 a ∾ 17 a. Im letzten
Fall erreicht er den Walzenradius, wenn die Walze über 30 cm stark ist. Das Blech
behält aber diese Krümmung nicht, sondern federt zurück.Tabelle 5.
1½¼1/101/201/301/401/5011,401,501,591,741,892,062,19σ =21502240223023702680300033303650kg/qcm21503010323034103740407044404700„ mal1,341,924,117,3611,815,8im Mittel h =0,20,30,61,21,92,5cmim Mittel
0,20,30,511,52 „
Die Rückfederung (Fig. 10)
erfolgt rein elastisch, wie bei Zugproben mit Entlastung nach der Ausstreckung, mit
dem Verhältnis E zwischen σ und ϑ. Dabei ändern sich die Spannungen σ in σ0, die Dehnungen ϑ in
ϑ0 und ρ in ρ0. Es ist
.
[Textabbildung Bd. 327, S. 438]
Fig. 10. Rückfederung.Die Formänderung geht so weit, bis sich in jedem Blechquerschnitt das Moment der
Spannungen ausgleicht; es werden im Abstand y1 von der neutralen Schicht nach außen Zugspannungen
σ01 bleiben, bei
dagegen Druckspannungen – σ02 entstehen, nach
innen zu umgekehrt (Fig. 10). In die
Bedingungsgleichungist σ0 aus der vorigen Gleichung einzusetzen:Das erste Glied ist bekannt als
Das zweite Glied beträgt für die Grenzen y = 0 bis a/2Man erhält hiernachund
gegenüber ρ = k ρ1 mit ρ1 = 500 a.Ueberträgt man den Wert von ρ0 in die Gleichung für σ – σ0, so findet man
und zwar für
in der äußeren Faser σ02= σ – s und für an
der Grenze des elastisch gebogenen Kernes
.
Biegearbeit.Wenn ein elastischer Körper durch eine von Null bis P
anwachsende Kraft auf Zug, Biegung oder andere Weise so deformiert wird, daß sich
der Angriffspunkt der Kraft um die Länge λ in der
Kraftrichtung verschiebt, so ist die vom Material aufgenommene Arbeitnämlich gleich dem Produkt aus der durchschnittlichen Kraft
zwischen 0 und P mit dem Wege λ.Insbesondere hat man bei elastischer Biegung, z.B. innerhalb des elastisch gebogenen
Kerns im Blech in der I. Zone, für eine einzelne Faser vom Querschnitt bdy, die sich bis zur Spannung σ = E ϑ von der ursprünglichen Länge l um λ = lϑ streckt oder
staucht, die TeilarbeitFür den Kern von der Stärke 2 y1 = 2 ka ist mit
die GesamtarbeitBei rein elastischer Biegung mit k = 1 und
giltZu demselben Ergebnis gelangt man, von den äußeren Kräften ausgehend, bei der
Betrachtung der Aufwicklung eines elastischen Bandes auf eine darübergehende Rolle
vom Radius ρ (Fig. 11).
Ihr Mittelpunkt liegt, nach Maßgabe der elastischen Linie, stets mitten über der
freitragenden Strecke x für das biegende Moment
Die auf die Rolle drückende Kraft oberhalb P läßt
sich teilen in Q und eine Umfangskraft
. Bei der Rollung ist die
ArbeitWalther setzt die Biegearbeit
; das gilt für den von ihm behandelten
Fall der Biegung mit einer konstanten Spannung S als
Zug- oder Druckspannung je für den halben Blechquerschnitt, oberhalb der
Fließgrenze.
[Textabbildung Bd. 327, S. 439]
Fig. 11.Nach der vorstehenden Annahme einer Biegespannung, die von 0 bis y1 auf σ1 = Eϑ1 = S gleichmäßig
ansteigt und von y1 bis
y2 von S bis auf σ2 = S + cE ϑ2 in geringerem Grade gleichmäßig wächst, stellt
sich die Berechnung wie folgt. In dem Kern mit elastischer Biegung wird die Arbeit
A1 aufgenommen, die
soeben berechnet wurde.In dem übrigen plastisch gebogenen Querschnitt gilt für eine Faser d AII = bdy ∫ σ ld ϑ mit dem Verlauf der Spannung σ bei allmählicher Streckung gemäßσ = Eϑ von 0 bis ϑ1 und = S + c E ϑ von ϑ1 bis ϑ. Mit
erhält manMissing or unrecognized delimiter for \rightSetzt man nun und
, so findet man für die beiden
Querschnittshälften durch IntegrationHierin ist und
einzuführen und
zu setzen; ferner hat man
bei x1 und ,
daneben , alsoSchließlich ergibt sich die GesamtarbeitDen Wert von c kann man nach den Spannungen (Fig. 9) für die II. und III. Zone gemeinsam zu c =
1/80 rechnen.
Danach stellt sich die Biegearbeit
für k =¼⅙1/101/201/301/50auf A =0,60,70,800,850,840,80
Die Arbeit ist von den Unterwalzen durch die Reibungskraft 2 μP auf die Strecke l zu leisten, dazu auch
die
Zapfenreibung der Oberwalze. Die Zapfenstärke läßt sich zu 0,6 d ansetzen, die
Reibziffer zu 0,05; dabei erfordert die Zapfenreibung die ArbeitIm äußersten Fall darf μ = 0,24 gesetzt werden und die
Vorzahl bei A etwa 0,84. Die Maschine wird hiernach das
Blech noch durchziehen können, wenn die Arbeitsgleichung erfüllt ist:2 μ Pl =
A + Ar$$$$oderSetzt man hierin x = 0,555 d und ρ1 = 500 a mit
, z.B. für b = 225 cm, a = 0,1
(d – 11), so folgt als Mittelwertnämlich fürd = 14 ∾ 33 ∾ 50 cmk = 1/10 ∾ 1/30 ∾ 1/35;Das Ergebnis stimmt gerade mit den Verhältnissen überein, die oben bereits mit
Rücksicht auf die Spannung im Blech angenommen worden sind.Im Einzelfall wird man mit bestimmten Zahlen an Stelle der hier vielfach benutzten
Mittelwerte rechnen können. Nachdem aber der Rechnungsgang einmal aufgestellt und
durchgeführt ist, wird sich die plastische Biegung praktisch genauer bestimmen
lassen, als bisher möglich war. Noch bleibt allerdings eine Reihe von Fragen zur
eingehenden Untersuchung offen.Zunächst müßte die Spannungsverteilung bei der plastischen Biegung für das Material
experimentell näher erforscht werden. Weiter ist noch der Fall der weiter
fortgesetzten Biegungen beim zweiten und den folgenden Durchgängen des Blechs zu
behandeln unter Beachtung der „Biegung krummer Stäbe“. Auch die
unsymmetrische Anlage des Blechs an den Walzen infolge der stellenweisen Biegung der
unter der Oberwalze soeben durchgeführten Blechstrecke und die Wirkung der schrägen
Richtung des Unterwalzendruckes einschließlich ihrer Reibung harrt noch der
Aufklärung.