Titel: | POLYTECHNISCHE RUNDSCHAU. |
Fundstelle: | Band 327, Jahrgang 1912, S. 334 |
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POLYTECHNISCHE RUNDSCHAU.
Polytechnische Rundschau.
Eine Kabelverlegung durch die Trave bei Lübeck. Zu
den schwierigsten Arbeiten, die bei der Verlegung von Kabelnetzen für elektrische
Stark- und Schwachstromanlagen zu bewältigen sind, gehört die Durchquerung von
Flüssen oder Seen mit den Kabeln. Die Schwierigkeit beginnt schon mit der
Projektierung der Anlage, bei der Aufstellung des Kostenanschlages, weil die Kosten
wesentlich beeinflußt werden durch die örtlichen Verhältnisse, die Boden- und
Tiefenverhältnisse des Flußbettes, die Strömungsgeschwindigkeit des Wassers,
Eigentümlichkeiten, die, selbst wenn eine genaue Prüfung vorgenommen wurde, sich bis
zum Zeitpunkt der Verlegung ändern können, und die auch verschieden sind je nach der
Jahreszeit, in welcher schließlich die Arbeiten ausgeführt werden müssen.
Erfahrungszahlen über die Kosten derartiger Verlegungen liegen reichlich vor, doch
lassen sie bei der Aufstellung eines Voranschlages oft im Stich, weil eben in jedem
einzelnen Falle besondere Verhältnisse mitsprechen.
Textabbildung Bd. 327, S. 334
Fig. 1. Schnitt durch das Hochspannungskabel.
Die Schwierigkeit der Verlegungsarbeiten selbst liegt in dem Erfordernis, jede
Beschädigung der Kabel bei dem Versenken in den Fluß zu vermeiden und ihre glatte
Lage in angemessenem Abstand voneinander auf dem Boden zu erzielen.
Textabbildung Bd. 327, S. 334
Fig. 2. Schnitt durch das Fernsprechkabel.
Bei dem Bau der Ueberlandzentrale in Lübeck, welchen die Siemens-Schuckertwerke im Auftrage der Firma „Siemens“ Elektrische Betriebe ausführen, mußte die Trave bei
Lübeck mit einer Anzahl von Kabeln durchquert werden, und zwar waren zu
verlegen:
Zwei Hochspannungskabel von 3 × 50 qmm für 6000 Volt und 160 m
Länge;
zwei Niederspannungskabel von 3 × 35 qmm für 700 Volt und 130 m
Länge;
ein zehnadriges Telegraphenkabel von 130 m Länge;
ein vierpaariges Fernsprechkabel von 160 m Länge.
Die Kabel waren mit einer schweren Drahtarmatur umkleidet, um sie genügend
widerstandsfähig gegen die Beanspruchung auf Zug zu machen und sie gegen äußere
Verletzungen zu schützen.
Textabbildung Bd. 327, S. 334
Fig. 3.
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Fig. 4.
Fig. 1 zeigt einen Schnitt durch das
Hochspannungskabel, Fig. 2 einen solchen durch das
Fernsprechkabel.
Textabbildung Bd. 327, S. 335
Fig. 5.
Textabbildung Bd. 327, S. 335
Fig. 6.
Textabbildung Bd. 327, S. 335
Fig. 7.
Textabbildung Bd. 327, S. 335
Fig. 8.
Die beiden Hochspannungskabel, das Telegraphenkabel sowie das Telephonkabel waren
jedes für sich auf je eine Trommel aufgewickelt, während die beiden
Niederspannungskabel zusammen von einer Trommel getragen werden. Die Gewichte der
Kabel nebst Trommel betrugen:
Hochspannungskabel
2373 kg
Niederspannungskabel
2163 „
Telegraphenkabel
980 „
Telephonkabel
972 „
Die Breite des Wasserspiegels der Trave an der Stelle, durch welche die Kabel
hindurchgelegt werden mußten, beträgt 80 m bei einer größten Tiefe des Flusses von
12 m. Für die Kabel war eine Rinne von 2 m Tiefe und 10 m Breite gebaggert worden.
Die große Breite der Rinne war bedingt durch die ungünstigen Bodenverhältnisse der
Flußsohle. In Fig. 3 sieht man die beiden
Niederspannungskabel auf einer Trommel. Die beiden Kabel sind durch Rundhölzer
geführt und gleiten über schräg gelegte Rundhölzer in das Wasser. In der Mitte
laufen die beiden Hochspannungskabel sowie das Telephonkabel über die große Rolle in den Fluß. Das
Telegraphenkabel ist wie die Niederspannungskabel durch Rundhölzer geführt. Für die
Verankerung der Kabel im Graben am Ufer der Trave wurden rechts und links vom Graben
Anker ausgeworfen, die durch eine Kette verbunden waren. Jedes Kabel wurde durch
Umwickeln von Tauen (s. Fig. 3) an der Kette
befestigt. Das Abrollen der Kabel erfolgte nun in der Weise, daß. der Prahm durch
zwei am gegenüberliegenden Ufer aufgestellte Winden (Fig.
4 und 5) langsam herübergezogen wurde,
wobei natürlich die am Ankerseil befestigten Kabel in den Graben abrollen
mußten.
Um ein Forttreiben oder eine Schrägstellung des Prahms zu vermeiden, waren auf beiden
Ufern etwa 30 m von jeder Seite des Grabens Anker ausgeworfen, mit denen der Prahm
in diesem Falle durch Trossen pendelartig verbunden war. In der Mitte des Prahms war
eine Stange mit Flagge angebracht. Vom Lande aus wurde darauf geachtet, daß die
Flaggenstange sich immer in Mitte Kabelgraben befand und die Lage des Prahms durch
Anziehen oder Nachlassen der obenerwähnten seitlichen Trossen (Fig. 4) immer richtig erhalten blieb. Die Befestigung
der seitlichen Pendeltrossen wird von Fall zu Fall den örtlichen Verhältnissen
entsprechend ausgeführt werden müssen, so z.B., wie hier, an etwa vorhandenen
Eisbrechern oder an einem im Flußbett verankerten Kahn oder dergl.
Das Herüberziehen des Prahms von einem Ufer zum andern dauerte zwei Stunden. Während
der ganzen Zeit wurde durch stärkeres oder schwächeres Bremsen der einzelnen
Kabeltrommeln darauf hingearbeitet, daß von jeder Trommel das Kabel gleichmäßig
abrollte und der Abstand der einzelnen Kabel voneinander der gewünschte blieb.
Nachdem der Prahm das andere Ufer erreicht hatte, wurden, wie Fig. 6 zeigt, die Kabelenden von den Trommeln
abgezogen und ans Land getragen. Darauf wurden die aus dem Wasser herausreichenden
Teile der Kabel durch zwei nebeneinandergekuppelte Beiboote gestützt (Fig. 7) und dann der Prahm unter den Kabeln
fortgezogen.
Durch Anziehen jedes einzelnen Kabels vom Land aus und Hinablassen vom Beiboot ins
Wasser wurde erreicht, daß auch an diesem Ufer die Kabel in der Baggerrinne die
richtige Lage einnahmen. Ein Taucher (Fig. 8) hat
nach der Verlegung die Lage der Kabel unter Wasser verfolgt, um zu untersuchen, ob
nicht eine Kreuzung der Hochspannungskabel mit den Fernsprech- oder den
Niederspannungskabeln stattgefunden hatte. Der Taucher konnte feststellen, daß die
Lage der Kabel unter Wasser vollständig einwandfrei war, worauf schließlich das
Zuschütten der Baggerrinne mit Sand erfolgte.