Titel: DIE KNICKSICHERHEIT VON KOLBENSTANGEN.
Autor: Otto Mies
Fundstelle: Band 327, Jahrgang 1912, S. 327
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DIE KNICKSICHERHEIT VON KOLBENSTANGEN. Von Otto Mies, Charlottenburg. (Schluß von S. 314 d. Bd.) MIES: Die Knicksicherheit der Kolbenstangen. 10. Es soll nun noch an einem Beispiel gezeigt werden, wie man durch schematische Anwendung des früher erläuterten Verfahrens3), die Knickbedingung, und aus ihr die Knicksicherheit für Kolbenstangenkonstruktionen erhalten kann, die hier nicht behandelt sind. Der Berechnung sei die in Fig. 5 (S. 274) dargestellte Dampfmaschine mit 410 mm ∅ des Hochdruckzylinders, 810 mm ∅ des Niederdruckzylinders und 850 mm Hub zugrunde gelegt. Die Bezeichnungen sind Fig. 15 zu entnehmen. Die Berechnung werde für Mittelstellung unter Annahme von 50 v. H. Füllung vorgenommen. Es ist
a = 1970 mm b = 1435 mm c = 1555 mm d = 1150 mm da = 120 mm db = 120 mm = dc dd=80 mm Ja = 1018 cm4 Jb = 1018 cm4 = Jc Jd = 201,1 cm4 fa = 113,1 cm2 fb = 113,1 cm2 = fc fd = 50,3 cm2
Bei 12 at Eintrittsdruck am Hochdruckzylinder wird P1 = 16,2 t P2 = 11,6 t P = 27,8 t. In Fig. 15 ist die elastische Linie der Kolbenstange und ihre Belastung dargestellt. Mit A, B, C sind die Auflagerkräfte an den Führungen bezeichnet. Die elastische Linie setzt sich aus vier Aesten zusammen von den Längen a, b, c, d, deren Differentialgleichungen lauten EJad2yadxa2=Pya+Axa EJbd2ybdxb2=P2yb+A(l1xb)P1tgφ1(bxb) EJcd2ycdxc2=P2ycC(l2xc)P2tgφ2(cxc) EJdd2yddxd2=Cxd woraus durch Integration folgt ya=\frakfamilyAasinmxa+\frakfamilyBacosmxa+APxa yb=\frakfamilyAbsinnxb+\frakfamilyBbcosnxb+AP2(l1xb)P1P2tgφ1(bxb) yc=\frakfamilyAcsinnxc+\frakfamilyBccosnxcCP2(l2xc)tgφ2(cxc) yd=CEJdxd36+\frakfamilyAdxd+\frakfamilyBd, wo die Größen \frakfamilyA und \frakfamilyB Integrationskonstanten bedeuten und m=PEJa Extra close brace or missing open brace. $$\left|asncossna0                    0                    P2aP1b                      P2l1P1bP2P0                0                    bsncossnb0                    bsnsinsnbPP1P2l1P1bba0                sinsna        sinsnb           0                    cossn               P1P          0                0                    0                    sinsnc        cossnc+dc       0        (l2+cc+sP2d2EJd3)0                    0                    csncossnccsnsinsnc     0        cd               0                    bsn            bsn              l2c                      1        bc               \right|=0$$ 23) Durch Einführung der Grenzbedingungen ergeben sich hieraus die Gleichungen \frakfamilyAamcosmaAPtgφ1=0 \frakfamilyAbncosnb\frakfamilyBbnsinnbAP2+PP2tgφ1=0 \frakfamilyAasinma\frakfamilyAbsinnb\frakfamilyBbcosnbP1APP2a=0 \frakfamilyAcsinnc+\frakfamilyBccosnc\frakfamilyAddC(dP2d36.EJd)=0 \frakfamilyAcncosnc\frakfamilyBcnsinnc+CP2=0 \frakfamilyAbn\frakfamilyAcnaAP2CP2+P1P2tgφ1tgφ2=0 \frakfamilyBb+AP2l1P1P2tgφ1b=0 \frakfamilyBcCP2l2tgφ2c=0 \frakfamilyAdCEJdd22+tgφ2=0, wozu noch die Gleichgewichtsbedingung hinzukommt A l1 – C l2 – P1 tg φ1 b – P2 tg φ2 c = 0
[Textabbildung Bd. 327, S. 328]
Fig. 15.
Die Nennerdeterminante N ist in diesem Falle loten Grades. Da in ihr jedoch eine große Anzahl von Elementen gleich Null ist, weil eine einzelne Gleichung ja höchstens Größen zweier Aeste der elastischen Linie enthält, kann man sie leicht auf eine solche sechsten Grades zurückführen, so daß die Knickbedingung unter Berücksichtigung der Gleichungen 7 und 7a lautet. In dieser Determinante sind immer noch so viel Elemente = 0, daß sie sich zahlenmäßig für einige Werte von §, die in der Nähe des zu erwartenden angenommen werden, leicht berechnen läßt. Trägt man die so erhaltenen Werte der Determinante in Abhängigkeit von \frakfamilys auf, so liefert der Nullpunkt dieser Kurve den gesuchten Wert von \frakfamilys. Um einen Näherungswert von \frakfamilys zu erhalten, möge der Einfluß der Kräfte P1 tg φ1 und P2 tg φ2 vernachlässigt werden. Dann sind die vier Aeste der elastischen Linie durch die Gleichungen ya=\frakfamilyAasinmxa yb=\frakfamilyAbsinnxb yc=\frakfamilyAcsinnxc yd=\frakfamilyAdxd dargestellt, woraus sich mit Hilfe der Grenzbedingungen die Gleichungen finden \frakfamilyAasinma\frakfamilyAbsinnb=0 \frakfamilyAamcosma+\frakfamilyAbncosnb=0 \frakfamilyAbncosnc+\frakfamilyAd=0 und die Knickbedingung $$\left|sinsma      sinsnb      0smcossmasncossnb00                  sncossnc1\right|=0$$ oder $$\left|sinsma      sinsnb     smcossmasncossnb\right|=0$$ d.h. dieselbe Knickbedingung, die auch angenähert für die im Artikel 5 behandelten Tandemmaschinen gilt. Dann ist aber auch die im Artikel 7 abgeleitete Näherungsformel gültig, welche in unserem Falle zu schreiben ist Pk=π2EJal12. Aus dieser Formel findet sich mit den eingangs angegebenen Zahlenwerten Pk = 191 t, d.h. \frakfamilysO=6,9. Berechnet man nun mit einigen in der Nähe von 7 liegenden Werten von \frakfamilys die Determinante aus Gleichung 23, so findet man durch Aufzeichnung dieser Werte die wirkliche Knicksicherheit \frakfamilys=8,5. 11. Zum Schluß mögen die praktischen Ergebnisse der vorliegenden Untersuchungen kurz zusammengefaßt werden: An die Abmessungen von Kolbenstangen ist unter anderem der Anspruch zu stellen, daß sie genügende Sicherheit gegen Knickung gewährleisten. Diese Sicherheit pflegt man mit Hilfe der Eulerschen Formel Pk=π2EJl2 zu bestimmen, wo für l der Abstand von Kolbenmittelebene und Kreuzkopfzapfenachse eingesetzt wird. Bei der Nachrechnung ausgeführter Konstruktionen finden sich durchweg so hohe Werte der Knicksicherheit, daß man glauben könnte, die Knickgefahr sei nie für die Dimensionierung der Kolbenstangen bestimmend. Das wäre jedoch ein Trugschluß, da die berechneten Knicksicherheiten in Wirklichkeit nicht vorhanden sind, weil die zu ihrer Bestimmung benutzte Formel stets dann falsch angewendet ist, wenn nicht nur die Endpunkte der Kolbenstange belastet und geführt sind, d.h. also bei allen Kolbenstangen mit besonderen Führungskonstruktionen, besonders auch dann, wenn mehrere Kolbenkräfte auf eine Kolbenstange wirken. Früher3) wurde nun ein Verfahren abgeleitet, welches in allen Belastungs- und Lagerungsfällen zur Ermittlung der Knickbelastungen dienen kann. Dort wurden auch die Vorgänge erläutert, die sich bei der Knickung abspielen, woraus sich die Grenzen der Gültigkeit der abgeleiteten Beziehungen ergeben. Das entwickelte Verfahren ist hier auf die Berechnung einer Reihe von Kolbenstangenkonstruktionen angewendet, welche in dem Schema auf S. 275 zusammengestellt sind. Dabei mußte darauf Rücksicht genommen werden, daß die auf die Kolben wirkenden Drucke als Resultierende eine Kraft ergeben, welche stets parallel zur Tangente an die elastische Linie gerichtet ist (s. Fig. 7 S. 275). Für den Sicherheitsgrad gegen Knicken ergibt sich stets eine transzendente Gleichung in Form einer Determinante, welche graphisch zu lösen ist. Es zeigt sich, schließlich, daß man in allen behandelten Fällen die Knicksicherheit angenähert aus der Formel Pk=π2EJl2 bestimmen kann, wenn man für l die Entfernung der Führungen einsetzt. Diese Formel stimmt bis auf die Bedeutung von l mit der gewöhnlich verwendeten überein. Aus den praktisch vorkommenden mittleren Längenverhältnissen der Kolbenstangen schließt man, daß durch die übliche Berechnung die Knicksicherheit etwa um das Dreifache überschätzt wird. Das zeigt sich dann auch bei den Vergleichsrechnungen ausgeführter Konstruktionen. Aus diesen ergibt sich, daß bei vielen Kolbenstangenkonstruktionen die Knicksicherheit Werte besitzt, welche nicht über die sonst im Maschinenbau üblichen hinausgehen, so daß in der Tat die Knickgefahr im Gegensatz zu dem Schluß, den man aus der üblichen Berechnungsweise zu ziehen versucht ist, für die Dimensionierung der Kolbenstange bestimmend sein kann.