Titel: | STUDIE ÜBER DEN AMMONIAKSODAPROZESS. |
Autor: | K. Arndt |
Fundstelle: | Band 327, Jahrgang 1912, S. 268 |
Download: | XML |
STUDIE ÜBER DEN AMMONIAKSODAPROZESS.
(W. Hempel und H. Tedesco, Zeitschrift für angewandte
Chemie 24 (1911) S. 2459–2469.)
Von Professor Dr. K. Arndt,
Charlottenburg.
ARNDT: Studie über den Ammoniaksodaprozeß.
Inhaltsübersicht.
Im erfreulichen Gegensatz zu früheren Forschern haben W. Hempel und H. Tedesco das
Ammoniaksodaverfahren unter den Bedingungen der Praxis
eingehend studiert und den Einfluß von Konzentration und Temperatur auf die Ausbeute
in weiten Grenzen festgelegt. Aus ihren Ergebnissen lassen sich technisch wertvolle
Folgerungen ziehen.
––––––––––
Beim Ammoniaksodaprozeß wird bekanntlich aus starker Kochsalzlösung durch Einleiten von Ammoniak und
Kohlensäure (bei 30° und 1,8 at Ueberdruck) Natriumbikarbonat (NaHCO3) ausgefällt, das nach dem Abpressen durch Erhitzen in Natriumkarbonat (Na2CO3) übergeführt wird.
NaCl + NH3 + CO2 + H2O = NaHCO3 + NH4Cl
2 NaHCO3 =
Na2CO3 + H2O
Schon früher sind von Meyerhoffer (dem langjährigen
Mitarbeiter vant Hoffs) und von Fedotieff physikalisch-chemische Studien über diesen technisch so
wichtigen Prozeß angestellt worden; aber die Laboratoriumsversuche wurden nur bei
Zimmertemperatur und unter gewöhnlichem Druck, also nicht unter den Bedingungen
durchgeführt, welche der Praxis entsprechen. W. Hempel und H. Tedesco in Dresden haben diesen
Fehler vermieden.
Sie arbeiteten mit einer starkwandigen Porzellanbüchse von 1500 cm Inhalt, die durch
einen aufgeschliffenen Porzellandeckel gasdicht verschlossen und durch einen
Heizmantel auf 30° dauernd erwärmt wurde. Während der Versuchszeit (acht bis neun
Stunden) drehte sich die Trommel langsam; durch die hohle Drehachse wurde in die mit
Ammoniak mehr oder weniger gesättigte reine Chlornatriumlösung, welche in 1000 ccm
304 g NaCl (nebst 0,01 v. H. Chlorkalzium und 0,009 v. H. Chlormagnesium als
Verunreinigungen) enthielt, dauernd Kohlensäure unter konstantem Ueberdruck von 1,8
at eingeleitet. Weil beim Einleiten der Kohlensäure anfangs sich die Lösung erwärmt,
wurde die Büchse zu Beginn durch einen Luftstrom von außen gekühlt, so daß die
Temperatur höchstens ½° über die Normaltemperatur 30° anstieg. Nach drei Stunden war
die Umsetzung schon im wesentlichen beendet. Nach weiteren fünf bis sechs Stunden
wurde die Büchse geöffnet, der ausgeschiedene Bodenkörper von der Mutterlauge durch
Pressen und Saugen möglichst getrennt und dann dreimal mit abgemessenen Mengen bei
30° gesättigter Natriumbikarbonatlösung ausgewaschen („gedeckt“). In der
Ausgangslösung, der Mutterlauge, im Bodenkörper und in den Decklaugen wurde der
Gehalt an Chlor, Ammoniak, Kohlensäure und Natrium jeweilig bestimmt.
Die Versuche bei verschiedenem Ammoniakgehalt ergaben, daß mit zunehmendem Ammoniak
zuerst die Chlormenge in der Mutterlauge sinkt, dann ziemlich konstant bleibt und,
wenn endlich der Ammoniakgehalt sehr groß wird, plötzlich schnell fällt. Dabei sinkt
die Menge des Chlornatriums ständig, während der Gehalt an Chlorammonium steigt, bis
er plötzlich abnimmt, indem sich Ammoniumbikarbonat bildet; dadurch wird gemäß der
Gleichung
NH3 + CO2 + H2O = NH4HCO3
Wasser gebunden und die Lösung immer konzentrierter, so daß
sich fast alles Chlorammonium fast völlig ausscheidet. Steigt der Gehalt an Ammoniak
über 80 v. H., so bildet sich viel kohlensaures Ammon, das in den Bodenkörper geht
und sich aus ihm in der Praxis schwer gewinnen läßt. Um diesen Verlust zu vermeiden,
darf also die Ammoniakkonzentration nicht zu hoch sein.
Der Bodenkörper enthält mit zunehmendem Ammoniakgehalt der
Lösung immer mehr Natriumbikarbonat, bis ein geringer
Ueberschuß von Ammoniak über den theoretischen Wert erreicht ist, dann wird die
Menge des Natriumbikarbonats wieder kleiner. Man erhält also bei der
Ammoniaksodafabrikation die größte Ausbeute an Natriumbikarbonat, wenn man einen kleinen Ueberschuß von Ammoniak anwendet.
Die Verunreinigung des Bodenkörpers an Natriumchlorid sinkt mit
wachsendem Ammoniakgehalt der Ausgangslösung bald auf einen zu vernachlässigenden
geringen Wert; aber die Verunreinigung durch Ammoniumbikarbonat wächst konstant mit dem Ammoniak und ist bei einem
großen Ueberschuß unzulässig groß.
In der Praxis werden die Fabriken, je nachdem ob sie Ammoniak oder Kochsalz billig
beziehen, mehr oder weniger Ammoniak in die Ausgangslösung einleiten. Steht
eine billige Salzsole zur Verfügung, so wird man zweckmäßig mit einem geringeren
Ammoniakgehalt arbeiten; wenn man dann auch das Kochsalz unvollkommener ausnutzt, so
spart man doch an Ammoniak und Kohlensäure, und vermeidet die Kosten, welche man
aufwenden müßte, um das Ammoniumbikarbonat aus dem Bodenkörper zu verjagen. Jedoch
darf man nicht übermäßig mit Ammoniak sparen, weil dann die Ausbeute an
Natriumbikarbonat viel zu klein würde. Mit Hilfe der von Hempel und Tedesco gegebenen Tabellen und
Kurven kann für jeden Betrieb unter Berücksichtigung der Kochsalz- und
Ammoniakpreise und der Kosten der zur Kalzination dienenden Feuerung ausgerechnet
werden, welche Konzentration der Ausgangslösung am besten lohnt.
Steigert man die Konzentration der (nahezu gesättigten)
Kochsalzlösung bis zur völligen
Sättigung, so erhält man noch etwas mehr
Natriumbikarbonat, das aber durch Chlornatrium mehr
verunreinigt ist (0,04 v. H. gegen 0,01 v. H.).
Einige Versuchsreihen wurden von den Verfassern auch bei 40° und 22° ausgeführt. Bei
40° wurden unter sonst gleichen Bedingungen aus 1000 ccm Ausgangslösung statt 271 g
NaHCO3 nur 228 g gewonnen; die Ausbeute ist also
bedeutend geringer, und zwar ist sie in bezug auf das angewandte Kochsalz um 11 v.
H. und für das Ammoniak um 14 v. H. gefallen. Es muß also in der Praxis genau darauf
geachtet werden, daß beim Einleiten der Kohlensäure (beim „Karbonisieren“ der
Lauge) die Temperatur nicht zu hoch steigt. Bei 22° fällt der Bodenkörper sehr fein
kristallinisch aus und verteilt sich milchig in der Flüssigkeit. Man kann ihn
deshalb nicht so gut absaugen; der fest ausgedrückte und abgesaugte Bodenkörper
enthielt noch 43 v. H. Wasser gegen sonst durchschnittlich 26 v. H. Dies ist für die
Praxis ein großer Nachteil, da das ganze Wasser beim Kalzinieren verdampft werden
muß. Dabei ist auch die Ausbeute an Natriumbikarbonat bei 22° um mehrere Prozent
kleiner, so daß also die Regel der Praxis, bei 30° zu arbeiten, ihren guten Grund
hat.