Titel: | ZUSCHRIFTEN AN DIE REDAKTION. |
Fundstelle: | Band 327, Jahrgang 1912, S. 127 |
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ZUSCHRIFTEN AN DIE REDAKTION.
(Ohne Verantwortlichkeit der
Redaktion.)
ZUSCHRIFTEN AN DIE REDAKTION.
In dem Bericht „Der Lokomotivbau auf der Internationalen Industrie- und
Gewerbe-Ausstellung in Turin“ findet sich im Anschluß an die Mitteilungen
der Ergebnisse der Vergleichsfahrten auf der Strecke Hanau-Elm die Folgerung:
„Die Tabelle läßt den geringen Wasserverbrauch der Lentz-Maschine gegenüber der Kolbenschiebermaschine
erkennen; der Kohlenverbrauch ist allerdings höher, was nur durch
Kesselsteinansatz hervorgerufen wurde. Bei neuen Maschinen würde letzterer mit
höchstens 20 kg zu erwarten sein. Es kann also ein tatsächlicher Vorteil der Lentz-Maschinen als erwiesen gelten.“
Hierzu ist folgendes zu bemerken:
Das ungünstige Verhalten der Lokomotive mit Lentz-Steuerung wird allein auf deren längere Betriebszeit zurückgeführt und
der ungleiche Zustand der Kessel – die Lokomotiven mit Lentz-Steuerung waren elf Monate länger im Betriebe – für den ungünstigen
Ausfall der Versuche verantwortlich gemacht. Diese Annahme bedarf wohl einer näheren
Begründung? Wenn sich in so kurzer Betriebszeit der Kesselwirkungsgrad so namhaft
verschlechtert, wie stellt sich dann der Kohlenverbrauch kurz vor der ersten inneren
Untersuchung der Lokomotive, also nach achtjähriger Betriebszeit? Eine so
mangelhafte Kesselreinigung, wie sie bei jenen Versuchen angenommen werden müßte, um
für den reinen Kessel den Kohlenverbrauch zu 20 kg statt 22,21 kg, wie festgestellt,
zu berechnen, dürfte selbst bei schlechtestem Speisewasser nicht vorkommen. Der in
der Tabelle angegebene Wasserverbrauch ist auch nicht mit solchen Meßeinrichtungen
festgestellt worden, daß er für die Beurteilung der Lokomotiven als maßgebend
angesehen werden kann.
Wenn die angeführten Versuche einwandfrei wären und die aufgestellte Behauptung, daß
neue Ventillokomotiven wirtschaftlicher arbeiteten als solche mit Kolbenschiebern,
zuträfe, dann würden sich die preußischen Staatseisenbahnen die günstigen Ergebnisse
doch sicher zu Nutze machen und heute sowohl Lokomotiven mit Lentz-Steuerung und in noch größerem Umfange solche mit
Gleichstrom-Ventilsteuerung beschaffen. Daß dies nicht
geschieht, ist der beste Beweis für die Haltlosigkeit jener
Schlußfolgerungen.
Das schlechte Verhalten der Lokomotiven mit Kolbenschiebern ist auf deren Bauart bei
jenen Versuchen zurückzuführen; sie besaßen noch die alte Schieberausführung mit
festen Schieberringen in geheizter Buchse, welche gegenüber der heutigen Bauart mit
schmalen, federnden Ringen so wesentliche Nachteile zeigt, daß ein Umbau der älteren Lokomotiven angeordnet wurde.
Wie Regierungsbaumeister Hammer in einem im Verein
Deutscher Maschinen-Ingenieure gehaltenen VortragDer Vortrag wird in „Glasers Annalen für Gewerbe und Bauwesen“
veröffentlicht. ausführte, hat sich sowohl die Lokomotive mit Lentz-Steuerung wie diejenige mit
Gleichstrom-Ventilsteuerung bei den neuesten Vergleichsversuchen, die mit genauen
Meßapparaten ausgeführt wurden, den gleichalterigen Lokomotiven mit Kolbenschiebern
wesentlich unterlegen gezeigt. Dasselbe Ergebnis
sollen Dauerbetriebsversuche haben, die unter gleichen Vorbedingungen mit je zwei
Lokomotiven mit Lentz-Steuerung, mit
Gleichstrom-Ventilsteuerung und mit Kolbenschiebersteuerung auf der Strecke
Berlin–Güsten vorgenommen werden. Es wäre wünschenswert, wenn diese Vergleichszahlen
seitens der Eisenbahnverwaltung baldigst der Oeffentlichkeit übergeben würden, damit
nicht weiterhin, wie bereits öfter geschehen, aus den Versuchen auf der Strecke
Hanau-Elm für die Ventilsteuerung Vorteile herausgerechnet werden, welche durch
Betriebsergebnisse bisher nicht bewiesen sind.
K. Heilmann, Dipl.-Ing.
––––––––––
Den Aeußerungen des Herrn Dipl.-Ing. Heilmann möchte ich
folgendes gegenüberstellen:
Bei den Vergleichsfahrten mit genauen MeßapparatenIm Vortrage des Regierungsbaumeisters Hammer. sind verschiedenartige
Maschinen in Verwendung gekommen. Die Maschinen mit Kolbenschieber waren nämlich von
neuester Bauart mit 220 mm Schieberdurchmesser,
während die Lokomotiven mit Lentz-Ventilsteuerung noch
Ventile der alten Bauart von nur 170 mm ∅ besaßen. Von einer wesentlichen
Unterlegenheit kann meines Erachtens keine Rede sein, da sich nur Unterschiede von
etwa 5 v. H. ergaben.
Wie mir von anderer Seite mitgeteilt wird, werden seit dem Frühjahr vergangenen
Jahres Dauerversuche mit acht Lokomotiven mit Lentz-Ventilsteuerung vorgenommen, bei denen an verschiedenen Stellen diese
Maschinen vorteilhafter gewesen sind. (Die Versuche sind noch nicht
abgeschlossen.)
Wenn ich also die Lentz-Lokomotive zwischen die
Kolbenschieber- und Stumpfmaschinen rangiert habe, so kann dies kein schwerer Fehler
sein, und werde ich diese Annahme so lange aufrechterhalten, bis mir einwandfreie
Gegenresultate vorgelegt werden. Hierbei muß der Nachweis erbracht werden, daß die
Kohle sämtlicher Versuchsmaschinen denselben Heizwert hatte, sowie eine genaue
Feststellung des Schlapperwassers, ob Wasser übergerissen wurde u.a. vorliegen.
Schwickart.