Titel: | ELEKTRISCH BETRIEBENE WALZENSTRASSEN. |
Autor: | Ernst Blau |
Fundstelle: | Band 327, Jahrgang 1912, S. 114 |
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ELEKTRISCH BETRIEBENE WALZENSTRASSEN.
Von Ing. Ernst Blau, Lehrer an der
k. k. Staatsgewerbeschule in
Bielitz.
BLAU: Elektrisch betriebene Walzenstraßen.
Inhaltsübersicht.
Es werden die elektrischen Einrichtungen und die
Betriebsverhältnisse von Walzenstraßen mit wechselnder und mit dauernd gleicher
Umlaufrichtung unter Bezugnahme auf Ausführungen der Siemens-Schuckertwerke in Berlin behandelt.
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Durch die Einführung des elektrischen Antriebs von Walzenstraßen sind in
betriebstechnischer und wirtschaftlicher Hinsicht große Erfolge erzielt worden.
Je nachdem derartige Einrichtungen dauernd in demselben Sinn umlaufen oder nach jedem
Stich umgesteuert werden, ergeben sich verschiedene Anforderungen an den
elektrischen Antriebmotor.
Zu letzteren Walzenstraßen, den Umkehrstraßen, die in der Regel als Doppel-Duostraßen
ausgebildet sind, gehören die Blockstraßen, die Blöcke von 1500–5000 kg vorwalzen,
die schweren Trägerstraßen, auf denen Träger von beträchtlichem Gewicht ausgewalzt
werden, die schweren Grobblechstraßen, die zur Herstellung von Blechen mit großer
Dicke dienen, und die Panzerplattenwalzwerke, die die aus flüssigem, nickelhaltigem
Stahl vorgegossenen, häufig unter dem Hammer oder der Wasserdruckpresse
vorbearbeiteten und oft 20000 kg Gewicht und darüber besitzenden Panzerplatten der
nachherigen mechanischen Behandlung zuführen. Die Walzarbeit bei jedem Stich ist
abhängig von der Querschnittänderung, der chemischen Zusammensetzung und der
Temperatur des Walzguts. Außer derselben kommen noch die Reibungsarbeit und die
Beschleunigungsarbeit der Walzen und sämtlicher bewegten Teile, einschließlich
derjenigen der Antriebmaschine bei der Ermittlung des Energiebedarfs in
Betracht.
Um nun eine wirtschaftliche Arbeitsweise zu ermöglichen, muß die
Beschleunigungsarbeit möglichst klein und gleichzeitig die Beschleunigungsperiode
eine sehr kurze sein. Die umlaufenden Teile der Antriebmotoren müssen daher geringe
Schwungmassen besitzen, was bei den großen Leistungen, die sie haben sollen, in der
Art erreicht wird, daß sie geteilte, besonders gekühlte Anker von verhältnismäßig
kleinen Durchmessern erhalten.
Für die Steuerung der Walzmotoren bedient man sich der bekannten, auch bei elektrisch
betriebenen Kranen, Hochofenaufzügen und Fördermaschinen verwendeten
Leonard-Schaltung, die im nachstehenden kurz unter Zuhilfenahme von Fig. 1 erklärt werden möge.
Textabbildung Bd. 327, S. 113
Fig. 1. Schaltungsschema für eine elektrisch betriebene
Duo-Walzenstraße.
Der Antriebmotor der Walzenstraße ist ein konstant erregter
Gleichstrom-Nebenschlußmotor. Den Strom erhält er von einer mit annähernd konstanter
Umdrehungszahl umlaufenden Gleichstrom-Nebenschlußdynamo, der sogenannte Anlaß- oder
Steuerdynamo, mit einer zwischen Null und einem positiven und negativen Maximum
veränderlichen Spannung. Die Umlaufzahl dieses Antriebmotors ist nun ausschließlich
von seiner Ankerklemmenspannung abhängig. Diese wird von der Steuerdynamo dadurch
hervorgebracht, daß ihre Magnetfeldstärke geändert wird. In deren Stromkreis ist zu
diesem Zweck ein Nebenschluß-Regulator angeordnet, der durch einen Handhebel
betätigt wird. Indem der Maschinist letzteren nach der einen oder anderen Seite
auslegt, wird eine Aenderung der Erregerstromstärke der Steuerdynamo bewirkt, somit eine
Aenderung der Spannung des dem Antriebmotor zugeführten Stromes. Ein Zurückziehen
des Steuerhebels in die Nullstellung bedingt ein sofortiges Bremsen der
Walzenstraße, weil der noch mit erheblicher Geschwindigkeit umlaufende Walzmotor
Strom in die in ihrer Spannung schon herunterregulierte Steuerdynamo zurückgibt.
Textabbildung Bd. 327, S. 114
Fig. 2. Doppelmotor für eine schwere Blockstraße.
Von großer Wichtigkeit für ein leichtes und schnelles Steuern beim Walzbetrieb ist
es, die Wirkung der Selbstinduktion in dem Erregerstromkreis der Steuerdynamo
aufzuheben und letztere durch besondere Maßnahmen für Schnellerregung einzurichten.
Bei normalen Maschinen würde die Selbstinduktion in genanntem Erregerstromkreise
einer raschen Steuerung der Blockstraße widerstreben, da die beim Ein- und
Ausschalten des Erregerstroms erzeugte Gegenspannung die beabsichtigte
Erregerstromstärke nicht unmittelbar nach dem Einstellen des Regulierwiderstands
auftreten läßt. In anderen Betrieben ist diese Wirkung der Selbstinduktion
belanglos und wohl sogar erwünscht, weil sie eine selbsttätige Sicherung gegen
allzugroße Strombelastung der stromerzeugenden Dynamo und des Antriebmotors bildet.
Durch eine den Siemens-Schuckertwerken geschützte
Schnellerregung der Steuerdynamo folgt die Erregerstromstärke derselben
augenblicklich der Einstellung des Steuerapparates und deren Spannung kann in
beliebiger Zeit verändert und auf die notwendige Größe gebracht werden. Im Mittel
sind bei normalem Walzbetrieb 10 Umsteuerungen i. d. Min. erforderlich.
Textabbildung Bd. 327, S. 114
Fig. 3. Schwungrad-Steuermaschine.
Die Steuerdynamo wird von einem Elektromotor angetrieben, mit dem sie zusammen einen
Motorgenerator, die sogenannte Anlaß- oder Steuermaschine, bildet. Da erstere rasch
umlaufen kann, braucht sie nicht groß zu werden. Indem nur die etwa 1½ v. H. von der
gesamten benötigten Energie betragende Erregerenergie durch den Steuerapparat zu beherrschen ist,
fällt derselbe ebenfalls klein aus.
Durch die Leonard-Schaltung ist eine größtmögliche
Manövrierfähigkeit und Einfachheit der Bedienung herbeigeführt. Außerdem ist diese
Schaltung eine wirtschaftliche, da jede Geschwindigkeit verlustlos eingestellt
werden kann. Die beim Anfang eines jeden Stiches der Walzenstraße mitgeteilte
Beschleunigungsenergie wird, soweit sie nicht unmittelbar für die Walzarbeit zur
Ausnutzung gelangt, beim Ende des Stiches durch Stromrückgabe in die Steuerdynamo
zurückgewonnen. Infolgedessen kann jede beliebig starke Beschleunigungsleistung, die
die elektrischen Maschinen überhaupt herzugeben vermögen, unbeschadet der
Wirtschaftlichkeit des Betriebs zugelassen werden.
Textabbildung Bd. 327, S. 115
Fig. 4. Stabfederkupplung.
Textabbildung Bd. 327, S. 115
Fig. 5. Stabfederkupplung.
Zum Ausgleich der Energieschwankungen der Walzenstraße wird die Steuermaschine nach
System Ilgner mit einem großen Schwungrad versehen.
Dasselbe wird in den Walzpausen durch den Steuermotor beschleunigt und gibt während
der einzelnen Stiche die über seine Durchschnittleistung überschüssige Energiemenge
an die Steuerdynamo ab. Die Regelung der konstanten Stromaufnahme durch den
Steuermotor erfolgt bei Ausführungen der Siemens-Schuckertwerke vermittels eines Stromrelais, das vom Strom des
Motors durchflössen wird. Aendert sich der Strom desselben durch irgend einen
Einfluß, so wird durch das Relais Widerstand in den Rotorstromkreis ein- oder
ausgeschaltet. Hierdurch wird ein entsprechendes Abfallen oder Ansteigen der
Geschwindigkeit des Steuermotors und ein wirksames Entladen oder Aufladen der
Schwungmassen erreicht. Steht für den Antriebmotor der Steuermaschine Gleichstrom
zur Verfügung, so wird er als Gleichstrom-Nebenschlußmotor ausgebildet und
seine Geschwindigkeitsänderung erfolgt in Abhängigkeit von der dem Netz entnommenen
Energie in ähnlicher Weise wie bei Drehstromantrieb durch ein Stromrelais, das einen
Nebenschluß-Regulierwiderstand betätigt.
Beim Entwurf des Antriebmotors für Umkehrstraßen müssen vor allem die starken
Beanspruchungen berücksichtigt werden, denen der Antrieb unterworfen ist. Es sind
deshalb das Blechpaket des Ankers, die Ankernabe auf der Welle und die Ankerwicklung
gegen die bei der häufig wechselnden Drehrichtung auftretenden starken Stöße durch
entsprechende Konstruktionen zu schützen und zu sichern. Desgleichen sind
Grundplatte, Lager, Gehäuse und Fundamentanker hinreichend stark zu bemessen.
Fig. 2 zeigt einen für schwere Blockstraßen
verwendeten Doppelmotor. Er wird mit der Walzenstraße unmittelbar gekuppelt, wobei
jedoch durch eine besondere Kupplung jeder achsiale Schub, der beim Brechen einer
Walze auftreten kann, von dem Motor fernzuhalten ist.
Fig. 3 veranschaulicht eine Schwungradsteuermaschine,
Fig. 4 und 5
stellen eine von den Siemens-Schuckertwerken ausgeführte
nachgiebige Kupplung dar, wie sie von Verbindung von Schwungrad und Dynamomaschine,
bezw. dem Motor dient. Dieselbe hat bei hohen Umlauf zahlen fortgesetzt stoßweise
wechselnde Belastungen bis 6000 PSe zu übertragen.
Sie besteht aus zwei Stahlgußscheiben, zwischen denen sich im Kreise angeordnete
konische Rundstäbe aus Spezialstahl befinden. Mit einem Ende sind dieselben in eine
Kupplungsscheibe eingepaßt, mit dem freien Ende greifen sie in entsprechende Lager
der andern. Die Durchfederung der Stahlstäbe infolge Beanspruchung durch Drehmoment,
Fliehkraft und Wellenexzentrizität läßt sich leicht berechnen, woraus dann der Rückdruck
auf die benachbarten Lager im voraus zu bestimmen ist und eine unzulässige Größe des
letzteren auf dieselben vermieden werden kann. Durch einfaches Herausschrauben der
federnden Stahlstäbe werden die beiden miteinander verbundenen Wellenenden ohne
weitere Demontage voneinander gelöst. Gegen unerwartete Ueberlastungen der Stäbe
schützen Anschläge, gegen die sie sich bei größeren Durchbiegungen anlegen.
Textabbildung Bd. 327, S. 116
Fig. 6. Gleichstrom-Walzenzugmotor.
Eine der größten Umkehrstraßen haben die Siemens-Schuckertwerke für die Rheinischen
Stahlwerke in Duisburg-Meiderich ausgeführt. Die Straße ist eine
Blockstraße mit einem Gerüst und ist für eine stündliche Leistung von 75 t bei
Herstellung von Blöcken im Gewicht von 2,5 bis 3,2 t bestimmt. Die letzteren haben
einen Anfangsquerschnitt von 485 × 485 und erfahren bei 15 Stichen eine etwa 13
fache Verlängerung. Die Walzen habend 1100 mm ∅ und ± 60 Uml./Min. Ihr en Antrieb
empfängt die Walzenstraße von zwei in Serie geschalteten Motoren mit einer
betriebsmäßigen Maximalleistung von 8400 PSe, die
eventl. um 30–50 v. H. erhöht werden kann, so daß die äußerste Leistungsfähigkeit
der Motoren etwa 12000 PS beträgt. Das größte im Betrieb vorkommende Drehmoment ist
150 m/t. Die Steuermaschine besitzt zwei in Serie geschaltete Steuerdynamos, die 450
Uml.-Min. machen. Der Steuermotor entwickelt normal 1600 PS. Das Schwungrad der
Steuermaschine wiegt 38 t und hat einen Durchmesser von 4,4 m.
Walzenstraßen, die dauernd in einer Richtung umlaufen, werden mit mehr oder weniger
großen Schwungrädern ausgerüstet und von Motoren angetrieben, deren Anker nach den
für die Konstruktion und den Preis günstigsten Verhältnissen, immerhin aber
reichlicher als bei Motoren für normale Transmissionsantriebe bemessen werden, da
der Walzwerkbetrieb hinsichtlich Ueberlastungsfähigkeit und mechanische
Beanspruchung an das elektrische Material besonders hohe Anforderungen stellt.
Textabbildung Bd. 327, S. 116
Fig. 7. Drehstrom-Walzenzugmotor.
Fig. 6 stellt einen Gleichstrom-Walzenzugmotor, Fig. 7 einen Drehstrom-Walzenzugmotor dar. Wie aus
den Figuren ersichtlich, ist jeder Motor als eine von der Walzenstraße unabhängige
und selbständige Maschine ausgebildet und mit ihr durch eine geeignete Kupplung
verbunden. Das Gehäuse und die niedrigen Lager sind auf einer gemeinsamen, starken
Grundplatte montiert. Die Ankerwelle ist beiderseits über die Lager hinaus
verlängert, um später eine Vergrößerung der Motorleistung durch Ankuppeln eines
Zusatzmotors zu ermöglichen. Drehstrom-Walzenzugmotoren werden mit einem größeren
Luftspalt zwischen Rotor und Stator ausgeführt. Die hiermit verbundene geringe
Verminderung des
Leistungsfaktors wird reichlich durch die sich ergebende größere Betriebsicherheit
aufgewogen.
Entsprechend dem Material, das zu verwalzen ist, schwankt der Energiebedarf auch bei
Walzenstraßen für eine Drehrichtung beträchtlich zwischen Leerlauf und hohen
Leistungen. Sollten die Antriebmaschinen für die maximal benötigten Leistungen
gebaut werden, so würden sich zu große Modelle ergeben und der mittlere
Durchschnittswert der Walzarbeit wäre dann nur ein Bruchteil der normalen
Dauerleistung. Es wurden deshalb zum Ausgleich der Belastungsschwankungen
Schwungmassen in die Walzwerke eingebaut, wodurch eine gleichmäßigere Beanspruchung
der Antriebmaschinen erreicht wird. Die Bemessung dieser Schwungmassen hängt ab von
dem System der Walzenstraße und dem Walzprogramm, das auf dieser Straße erledigt
werden soll. Ganz naturgemäß werden Walzenstraßen, auf denen Stiche von kurzer Dauer
mit großem Druck ausgeführt werden, z.B. Blocktrios, Blechwalzwerke und
Walzenstraßen für größere Profile, ein unregelmäßigeres Bild des Energieverbrauchs
zeigen als Walzen-Straßen, auf denen gleichzeitig mehrere Knüppel zu langen Stäben
oder Drähten ausgewalzt werden.
Textabbildung Bd. 327, S. 117
Fig. 8. Metallanlasser für Gleichstromantrieb.
Zwecks Ladens und Entladens der Schwungmassen muß eine Aenderung ihrer
Geschwindigkeit derart stattfinden, daß dieselbe bei Energieentnahme vermindert, bei
Energieaufspeicherung erhöht wird. Bei richtig bemessenen Elektromotoren vollzieht
sich diese Geschwindigkeitsänderung selbsttätig und in Abhängigkeit von der
Belastung des Motors.
Steht Gleichstrom zur Verfügung, so werden die Walzenzugmotoren als Verbundmotoren
ausgebildet, die einen bestimmten Abfall der Umlaufzahl zwischen Leerlauf und
Vollbelastung zulassen. Man hat es bei der Konstruktion des Motors in der Hand,
diesen Abfall beliebig groß zu machen, doch genügt in der Regel eine
Geschwindigkeitsänderung von 7–15 v. H., bezogen auf die normale mittlere
Geschwindigkeit. Hierbei ist die Regelung der Umlaufzahlen in weiten Grenzen eine
fast verlustlose. Die Gleichstrom-Walzenzugmotoren der Siemens-Schuckertwerke sind in ihren elektrischen Wicklungsverhältnissen
so bemessen, daß die geforderte Regelung der Umdrehungen ohne Aenderungen der
Bürstenstellung in beliebig vielen Stufen erreicht und dabei ein praktisch
funkenfreier Gang des Kommutators gewährleistet wird.
Bei Drehstrommotoren werden zwecks Herbeiführung einer Geschwindigkeitsänderung
Schlupfwiderstände vorgesehen, die dauernd in den Rotorstromkreisen eingeschaltet
bleiben, da die gewöhnlich zur Verwendung gelangenden Asynchrommotoren nur einen
geringen Abfall der Umlaufzahl, etwa 1½–2 v. H. zwischen Leerlauf und Vollbelastung
besitzen. Für spezielle Fälle kann eine den Siemens-Schuckertwerken durch Patent geschützte, selbsttätig wirkende
Vorrichtung für die Geschwindigkeitsregelung angeordnet werden, die in Abhängigkeit
von einer gleichmäßigen Motorbelastung ein weitgehendes Entladen der Schwungmassen
bewirkt.
Gewöhnlich wird aber, da mit Drehstrommotoren die Regelung der Geschwindigkeit nicht
mit so einfachen Mitteln erreicht werden kann wie bei Gleichstrommotoren, das
gesamte Walzprogramm zweckmäßigerweise so auf die einzelnen Walzenstraßen verteilt,
daß jede der selben in ihrer Umlaufzahl möglichst wenig geregelt zu werden braucht.
Läßt sich dasselbe in manchen Fällen nicht so weit regeln und müssen einzelne
Straßen unbedingt verschiedene Geschwindigkeiten haben, so kann man diese auch bei
Drehstromantrieb durch Verwendung von Doppelmotoren erzielen. Letztere sind für zwei
verschiedene Grundumlaufzahlen eingerichtet und bestehen aus zwei elektrisch
voneinander unabhängigen Motoren, die auf gemeinschaftlichen Grundplatten angeordnet
sind. Im Betrieb ist stets nur ein Motor an das Netz geschlossen, während der andere
leer mitläuft. Beide Motoren sind für verschiedene Polzahlen gewickelt, so daß sich
dementsprechend auch verschiedene Umlaufzahlen für sie ergeben.
Wie die Motoren, muß auch das Zubehör für sie stärker bemessen werden als für andere
Betriebe. Infolge der großen Schwungmassen, die in die Walzenstraße eingebaut sind,
dauert das Anlassen der letzteren drei bis fünf Minuten, wobei der Motor sein
normales Drehmoment entwickelt. Dieser langen Anlaßzeit und andererseits des öfteren
Anlassens der Motoren wegen müssen das Widerstandsmaterial der Anlaßapparate und die
Stufenschalter kräftig entworfen sein.
Für Gleichstromantrieb verwenden die Siemens-Schuckertwerke allgemein Metallanlasser mit Oelkühlung (Fig. 8). Flüssigkeitsanlasser kommen bei den großen
Leistungen wegen der möglichen Knallgasentwicklung, die eine Gefahr für das
Bedienungspersonal herbeiführen und infolge der elektrolytischen Zersetzungen zu
Störungen Veranlassung geben würde, nicht in Betracht. Obengenannte Metallanlasser
sind mit einer Vorrichtung für stufenweise Funkenentziehung versehen, wodurch eine
zu schnelle Abnutzung des Stufenschalters vermieden wird. Das Widerstandsmaterial
ist unterhalb des Stufenschalters in einem Oelgefäß untergebracht. Die Kühlung des
Oels erfolgt in einem Röhrenkühler, der mit dem Anlasser zusammengebaut ist. Den
Oelumlauf bewirkt eine kleine, von einem Elektromotor angetriebene Pumpe. Der
Stufenschalter ist durch eine Haube zum Schütze gegen Beschädigungen und
Verschmutzungen abgedeckt.
Textabbildung Bd. 327, S. 118
Fig. 9. Flüssigkeitsanlasser für Drehstromantrieb.
Für Drehstromantrieb verwenden die Siemens-Schuckertwerke
Flüssigkeitsanlasser (Fig. 9), da hier die Gefahr
der Knallgasentwicklung nicht besteht. Dieser Apparat eignet sich sowohl zum
Anlassen als auch zum Einstellen des Schlupfwiderstandes und der Regelung der
Umlaufzahlen der Motoren in gewissen Grenzen. Während des Betriebes erreicht die
Flüssigkeit annähernd Siedetemperatur, so daß das verdampfende Wasser, dessen Menge
allerdings gering ist, durch Frischwasser ersetzt werden muß. Der Anlasser
besteht aus zwei Eisenblechgefäßen. Im oberen sind in bestimmten Abständen Bleche
angeordnet, die mit den Stromzuführungsklemmen verbunden sind; der untere dient als
Wasserbehälter. Die Verbindung zwischen beiden Gefäßen wird durch ein Rohrsystem
hergestellt, in das eine elektrisch angetriebene Rotationspumpe eingeschaltet ist.
Durch letztere und ein Ueberlaufrohr, das sich im Innern des oberen Gefäßes
befindet, wird der Wasserspiegel in diesem geregelt und dadurch das Anlassen oder
Einstellen des Schlupfwiderstandes und die Aenderung der Umlaufzahl bewirkt. Ein
Stufenschalter ist dabei nicht erforderlich, da die Elektrodenbleche verschieden
lang ausgeführt sind, so daß bei gleichmäßig steigendem Wasserspiegel der
Anlaßwiderstand allmählich mehr und mehr kurz geschlossen wird.
Textabbildung Bd. 327, S. 118
Fig. 10. Schaltkasten.
Zur Aufnahme der Meßinstrumente, Schalter und sonstiger Schutzvorrichtungen bauen die
Siemens-Schuckertwerke für Walzenstraßenbetriebe
geschlossene Schaltkasten (Fig. 10), die die
Instrumente und Apparate vor Beschädigung und Verschmutzung schützen.
Zum Schluß sei noch darauf hingewiesen, daß manchmal dis Betriebsweise von
Spezialwalzwerken, wie z.B. von Radscheiben- und Bandagenwalzwerken, spezielle
Steuerapparate erfordert. In einzelnen Fällen wird nämlich zur Bedingung gemacht,
daß nach dem Auswalzen jeder Bandage oder Radscheibe der Antrieb stillzusetzen
ist.
Bei kleineren Motorleistungen wird Widerstandsschaltung verwendet werden können,
währen sich bei größeren Leistungen die Leonard-Schaltung
ähnlich wie bei den Umkehrstraßen vorzüglich eignet. Radscheiben- und
Bandagenwalzwerke, die nach dem Auswalzen des Walzgutes stillgesetzt werden
müssen, werden ohne besondere Schwungmassen ausgeführt.