Titel: | POLYTECHNISCHE RUNDSCHAU. |
Fundstelle: | Band 327, Jahrgang 1912, S. 62 |
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POLYTECHNISCHE RUNDSCHAU.
Polytechnische Rundschau.
Ueber das Siemens-Schuckert-Luftschiff und seine
Halle veröffentlicht O. Krell einen
interessanten Aufsatz in der Zeitschrift „Elektrische Kraftbetriebe und
Bahnen“, dem wir folgendes entnehmen: Der Ballon, welcher am 23. Januar 1911
seine erste Probefahrt erledigte und seitdem 28 gelungene Aufstiege ausführte,
ist nach dem unstarren System gebaut. Er besitzt Torpedoform mit einem
Streckungsverhältnis von etwa 1 : 9. Seine Gesamtlänge beträgt 118 m bei einem
Durchmesser von 13,2 m und einem Fassungsvermögen von 13000 cbm.
Drei durchgehende Querschotte teilen den Gasraum in vier Kammern ab, von denen die
drei vorderen mit Luftballonets ausgerüstet sind. Durch wechselweises Einpumpen von Luft in die
Ballonets wird bewirkt, daß sich der Kopf des Ballons hebt oder senkt. An einer an
der Bauchseite des Ballons entlanglaufenden Stoffbahn hängen die drei Gondeln. Die
vordere und hintere Gondel enthalten die Antriebsmaschinen, nämlich je zwei Daimler-Motoren von 125 PS. Die letzteren treiben je eine
vier-flügelige Luftschraube für 125 PS mit 750 minutl. Umdr. und je zwei
zweiflügelige Schrauben für 60 PS mit 700 minutl. Umdr.
Die mittlere Gondel enthält zwei 24 PS Gaggenau-Motoren
zum Antrieb von Ventilatoren und eines Kompressors. Die Ventilatoren dienen zum
Aufblasen der Ballonette, der Kompressor zur Erzeugung der Druckluft für die
Fernsteuerung sämtlicher Ballonventile und Klappen.
Außerdem befindet sich in der mittleren Gondel der Kommandoraum, von welchem aus die
Befehlsübertragung mittels elektrischer Maschinentelegraphen mit Quittungsgebern
erfolgt. Für den Notfall sind hierfür auch Typenferndruckapparate vorhanden.
Was die Wahl des Standortes für die Luftschiffhalle anbelangt, so wurde dieselbe mit
Rücksicht auf die in der Berliner Gegend vorherrschende west-östliche Windrichtung
getroffen. Die Halle wurde auf einem Gelände im Osten Berlins bei Biesdorf
errichtet, so daß das Luftschiff, wenn es einmal havariert zur Halle zurückkehren
sollte, aller Voraussicht nach nicht nach dichtbewohnten Gegenden abgetrieben werden
kann. Um das Ein- und Ausbringen des Ballons bei allen Windrichtungen ohne
Schwierigkeit zu gestatten, wurde die Halle drehbar ausgeführt. Die
Drehgeschwindigkeit beträgt 360° i. d. Std., was sich als genügend herausgestellt
hat.
Die Halle, von 136 m Länge und 25 m l. Weite, besitzt an den unteren Längskanten zwei
durchlaufende Raumträger, deren versteifende Wirkung noch durch die Wand- und
Dachkonstruktion erhöht wird.
Zur Unterstützung und zum Drehen des Bauwerks sind acht kräftige Wagen vorgesehen.
Davon laufen vier Stück auf einem äußeren Schienenkranz und vier Stück auf einem
inneren. Die äußeren Wagen besitzen vier Laufräder, die zu je zwei Drehgestellen
vereinigt sind, während die inneren Wagen mit nur je zwei Rädern ausgestattet
sind.
Da das Gewicht der ganzen Halle etwa 1200 t beträgt, so treffen auf jedes der 25
Laufräder ungefähr 50 t Raddruck, was als ganz außergewöhnlich hoch bezeichnet
werden muß. Es ist klar, daß die stark belasteten Wagen nicht auch noch die
seitlichen Windkräfte aufnehmen konnten. Es wurde daher zum Abfangen dieser Kräfte
ein starker Mittelzapfen aus Eisenbeton angeordnet, dessen ungewöhnlich große
Dimensionen auch bei starkem seitlichen Wind eine sichere Aufnahme des Winddruckes
gewährleisten.
Die Wände der Halle bestehen teils aus ¼ Stein starkem Ziegelmauerwerd, teils aus
Glas; das Dach dagegen besteht nur aus Holz und Dachpappe.
Der oben erwähnte Längsträger enthält in seinem Innern den Maschinenraum, die
Werkstätten und Wohnräume. Die Kraftstation besteht aus zwei 42 PS Benzinmotoren,
welche zum Antrieb je einer 24 KW, 150-0-150 Voltgleichstromdynamomaschine von 1000
minutl. Umdr. und einer 8 KW, 110 Volt-Erregermaschine von gleicher Umdrehungszahl
dienen.
Die Erregermaschine kann auf Batterie geschaltet und so als Anlaßmotor für die
Benzinmotoren verwendet werden. Jeder der beiden Maschinensätze kann erstens während
des Drehens der Halle als Primärmaschine arbeiten, deren Spannung sich durch eine
Ward Leonard-Steuerung in weiten Grenzen regeln läßt; zweitens die Ladung der 60
zelligen Akkumulatorenbatterie von 481 Amperestunden Einstundenleistung, 875
Amperestunden Zweistundenleistung besorgen; drittens als Reserve für letztere zum
Betriebe der Winden-, des Werkstatts-, der Ventilatormotoren und der Beleuchtung
verwendet werden.
Die Leistung einer Dynamo ist zum Drehen der Halle ausreichend. Beim Anfahren wird
mittels eines Umkehrreglers der Erregerstrom erhöht, so daß die Primärmaschine so
viel Strom abgibt, daß jeder der sechs Drehmotoren (von 10 PS, n = 560 Minute) das 2½ fache des normalen Drehmoments
entwickelt. Die Uebersetzung zwischen Triebmotoren und Laufrädern beträgt ungefähr 1
: 370.
Neben der Kraftstation befindet sich der Akkumulatorenraum mit einer 60 zelligen
Batterie, deren Kapazität zu einem zweistündigen ununterbrochenen Drehen der Halle
ausreicht.
Ein kleiner Elektro-Luftkompressor und zwei Elektroventilatoren (zum Aufblasen des
Ballons zwecks Revision) ergänzen die Ausstattung des Kraftwerks.
Die Werkstatt ist nur für eilige Reparaturen eingerichtet.
Da der Fußboden der Halle etwa 2,2 m über dem Erdboden liegt, so mußte die Halle am
unteren Ende mit einem konzentrischen Rampenkreis ausgestattet werden. Der Raum
unter dieser Rampe dient als Lagerkeller für die zum Füllen des Ballons
erforderlichen Wasserstoff-Stahlflaschen. Die Flaschen werden mit Hilfe einer
Schmalspurbahn in diesen Raum hineingefahren, dort in Stapeln zu 43 Stück gelagert
und an das Füllrohrsystem angeschlossen.
Die Sammelleitung der 3000 Flaschen läuft unterirdisch bis zu dem hohlen Mittelzapfen
der Halle, von wo aus die Füllung der Ballons erfolgt.
Zur Beleuchtung der Halle dienen 72 Tantallampen von 32 bezw. 50 NK. Zum Zwecke der
Beobachtung und Signalgebung ist auf dem Dach der Halle eine Plattform errichtet,
die ein elektrisches Blinkfeuer trägt.
An der Halleneinfahrt sind, um auch bei Nacht die genaue Lage der Einfahrt erkennen
zu lassen, eine rote und eine grüne Positionslaterne angebracht.
Ein kleiner Fesselballon von 200 cbm Inhalt zur Erforschung der Windrichtung und
Windstärke vervollständigt die Ausrüstung der Halle.