DER LOKOMOTIVBAU AUF DER INTERNATIONALEN
INDUSTRIE- UND GEWERBE-AUSSTELLUNG IN TURIN.Von Schwickart,
Ingenieur in Cöln-Kalk.(Schluß von S. 773 d. Bd.)Schwickart: Der Lokomotivbau auf d. Internat. Industrie- u.
Gewerbe-Ausstellung Turin.Die Lokomotivfabriken Henschel & Sohn in Cassel
und A. Borsig, Berlin-Tegel, haben je eine Tramlokomotive, die in Tab. 18 (S. 771) unter Nr. 18 und
19 angeführt und in Fig. 21 und 22 wiedergegeben sind, ausgestellt. Beide Lokomotiven
sind für die Tramvic Vicentine, Vicenza, ausgeführt.
Erstere Lokomotive ist mit Schmidt schem
Rauchröhrenüberhitzer ausgerüstet. Es ist mir leider unmöglich, z. Z. schon
Leistungsangaben zu machen, ich hoffe aber, solche am Ende des Artikels zu bringen.
Sie sind für die Praxis sehr wertvoll, da nach den heutigen Erfahrungen eine
Ueberhitzug von 300–350° C erst auf etwa 2 km erreicht wird, die in den Stationen
auf 250° C sinkt, womit der Vorteil des Heißdampfes erschöpft ist.
[Textabbildung Bd. 326, S. 787]
Fig. 21.0–C–0 Tramlokomotive von Henschel & Sohn. (Lokomotive Nr.
18.)Die Figuren zeigen die charakteristische vollständige Überdachung mit
ringsumreichender Galerie sowie die Verblendung des ganzen Triebwerks. Die Kessel
sind normaler Bauart, mit der Abweichung, daß das Feuerloch seitlich (links)
angebracht ist. Der Stand des Personals ist bei diesen Lokomotiven nicht hinter
dem Kessel, sondern seitlich desselben, eine nicht zu unterschätzende Bequemlichkeit
für das Fahrpersonal hier wie im allgemeinen mit Rücksicht auf gute
Streckenübersicht. Ich möchte an dieser Stelle wieder darauf hinweisen, daß die hier
im kleinen geübte Vorsicht bei unseren schweren Vollbahnmaschinen mit großem
Kesseldurchmesser oder, besser gesagt, Rauchkammerdurchmesser im großen noch
vielmehr angebracht wäre. Bei beiden Maschinen wird die letzte Achse angetrieben.
Die Bauart der Zylinder entspricht der üblichen bei Naßdampf- bezw.
Heißdampflokomotiven. Die Umsteuerung erfolgt durch Hand. Das Wasser wird in einer
zwischen die Rahmen, zugleich als deren Versteifung, eingebaute Zysterne mitgeführt.
Außer der normalen Kupplung ist eine Zentralkupplung Bauart Grondona vorgesehen. Die beiden hinteren Achsen der 0–C–0 Lokomotive Nr.
18 sind durch Balanciers verbunden. Beide Maschinen sind mit Westinghouse- und Handbremse ausgerüstet. Es seien ferner bei Lokomotive Nr.
18, die Heißwasserdampfstrahlpumpen Bauart Strube und die
Friedmann sche Schmierpumpe, bei Lokomotive Nr. 19
(Fig. 22) der Ventilregler Bauart Servo erwähnt.
[Textabbildung Bd. 326, S. 788]
Fig. 22.0–B–0 Tramlokomotive von Borsig. (Lokomotive Nr. 19.)Die 0–C–0 Nebenbahn-Tenderlokomotive Nr. 13 und Fig. 23 der Firma A. Borsig, Berlin, für normale Spurweite ist für die Firma Francesko Cinzano & Co., Turin, bestimmt. Um Kurven
von 40 m Radius durchlaufen zu können, ist der Radstand sehr kurz gehalten und sind
die Spurkränze der Räder der mittleren Achse abgedreht. Eine weitere Beschreibung
erübrigt sich, da alles Wesentliche aus der Darstellung ersichtlich ist. Die
Maschine hat Dampfbremse und Lüftungsaufsatz Patent Reiß.
[Textabbildung Bd. 326, S. 788]
Fig. 23.0–C–0 Nebenbahn-Tenderlokomotive von Borsig. (Lokomotive Nr.
13.)Die Maschine soll im betriebsfähigen Zustand 100 t ohne Eigengewicht auf Steigung 35
v. T. mit 8 km befördern. Nach den anfangs erwähnten Formeln würde sich eine
Zugkraft vonW1 = 30(4,2 + 0,07 • 8 +
0,001 • 64 + 0 + 35) = ∾ 1200 kg,Ww = 100 (2,6 + 0,01 • 8 +
0,0005 • 64 + 0+35) = 3770 kg,W = 4970 kg ergeben.Die Leistung beträgt PS oder
2,225PS f. d. qm feuerbereitetste Heizfläche. Diese Leistungsziffer
ist sehr niedrig und könnten 3,5 PS mit Sicherheit angenommen werden. Die Leistung
aus den Zylindern gestattet aber ebenfalls nur eine Zugkraft vonwomit auch der Reibungskoeffizient 1 : 6 als normal erreicht
ist.
[Textabbildung Bd. 326, S. 789]
Fig. 24.Normalspurige 0–B–0 Lokomotive von Krauß & Cie. (Lokomotive Nr. 14.)
[Textabbildung Bd. 326, S. 789]
Fig. 25.0–B–0 40 PS-Tenderlokomotive für 600 mm Spur von Maffei.
(Lokomotive Nr. 21.)Krauß & Cie., Aktiengesellschaft, München, hat die in
Fig. 24 wiedergegebene, normalspurige 0–B–0
Lokomotive Nr. 14 ausgestellt, die als bekannt vorausgesetzt werden kann. Das
Speisewasser ist in beiden durch den Rahmen gebildeten Kästen untergebracht, die
Kohlenkästen liegen an beiden Seiten der Feuerbüchse. Die Kreuzköpfe werden in je
zwei Gleitbahnen, die oberhalb der Zylindermitte liegen, geführt. Die äußere
Steuerung nach Heusinger zeigt die seit 1883 durch die
Firma eingeführte Anordnung mit geradliniger Kulisse. Die Maschine kann mit
einer Höchstgeschwindigkeit von
km/Std. fahren.
Vergleichshalber sei die gleiche Geschwindigkeit = 8 km/Std. und Steigung = 35 v. T.
angenommen. Die aus den Zylindern errechnete Zugkraft beträgt
kg, woraus sich
ein Adhäsionsverhältnis von 1 : 5,05 ergeben würde. Bei 1 : 6 würde die Zugkraft
3000 kg betragen, entsprechend einer Leistung von
PS oder 2,4 PS f. d. qm Heizfläche.
Es würde dieser Geschwindigkeit eine Umdrehungszahl von 0,85 Sek. entsprechen und
damit n = 1,6 + 0,4 • 0,85 + 0,03 • 38 ∾ 3 PS/qm Heizfläche betragen. Die geförderte
Bruttolast ohne Eigengewicht ist in diesem Fall.Im wesentlichen die gleiche Bauweise zeigt die 100 PS normalspurige 0–B–0
Tender-Lokomotive der Hannoverschen Maschinenbau-Aktiengesellschaft, vorm. Egestorff, Hannover-Linden (Nr. 16), so daß auf eine Beschreibung
verzichtet werden kann.Die Maschine soll folgende Bruttolasten ohne Eigengewicht befördern (Tab. 21):Tabelle 21.
AufSteigung50 v. T.Zuggewicht30„„33„„55„„25„„75„„20„„90„„16,7„„110„„12,5„„145„„10„„165„„ 5„„257„„ 2„„375„„ 0„„525
Die aus den Zylindern errechnete Zugkraft von
kg entspricht
der geforderten Zugkraft für 55 t auf 33 v. T. ziemlich genau, wobei der
Reibungskoeffizient 1 : 6 beträgt.An Schmalspurlokomotiven sind außer der bereits erwähnten 0–D–0 Tenderlokomotive Nr.
20 drei 0–B–0 Baulokomotiven für 600 mm Spurweite zu finden (Nr. 21, 22, 23).Eine Beschreibung lohnt sich nicht, da die Ausführungen bekannt sein dürften, und
kann alles Wissenswerte an Hand der Figuren erkannt werden.Die in Fig. 25 dargestellte 40 PS-Lokomotive Nr. 21 ist von J. A.
Maffei, München, erbaut und dient zur Beförderung von Erdmassen, Lehm
usw.Die in Fig. 26 dargestellte 30 PS-Lokomotive Nr. 22 führt uns A.
Borsig, Berlin, vor einem aus verschiedenen Arten von Transportwagen ihres
Fabrikats bestehenden Zuge vor.Die kleinste Lokomotive ist die 20 PS (Fig. 27) der
Hannoverschen Maschinenbau-Aktiengesellschaft, Nr.
23. Sie befördert Züge von 16, 20, 40, 60, 90, 120 t auf Steigungen 25, 20, 10, 5,
2, 0 v. T.Für besondere Verwendungszwecke werden uns zwei Lokomotivabarten gezeigt, eine
feuerlose Lokomotive und eine Preßluftlokomotive.24. Die in Fig. 28 wiedergegebene 0–B–0 feuerlose Lokomotive von J. A. Maffei, München, hat
folgende Abmessungen (Tab. 22):Tabelle 22.
Dampfspannung12atZylinderdurchmesser460mmKolbenhub450„Treibraddurchmesser910„Leergewicht16,8tDienst- und Adhäsionsgewicht24,8„Fester Radstand2500mmGanzer „2500„Größte Länge der Lokomotive mit Buffer6816„ „ Breite „ „2680„ „ Höhe „ „3700„Wasservorrat im Kessel8000lDampfraum „ „1800„Spurweite1435mmKleinster Kurvenradius80m.
Die Maschine ruht auf zwei gekuppelten Achsen, die von den außenliegenden Zylindern
mittels Heusinger-Steuerung angetrieben werden. Die
Zylinder liegen wie üblich unter dem Führerhaus. Zwecks guter Ausnutzung des
Dampfes ist der Kessel vierfach, die Zylinder sind dreifach isoliert. Ebenso ist das
Einströmrohr durch das Wasser gelegt, wodurch der Dampf nachgetrocknet wird. Der
größte Druckabfall reicht von 12–0,5 at. Letztere Spannung genügt zur Fortbewegung
der Lokomotive allein.Bei einem Druckunterschied von 12 – 2 = 10 at beträgt der mittlere Druck
at Ueberdruck oder 8 at abs. Diesem
entspricht eine Verdampfungswärme von 486,6 WE = r.Die verbrauchte Wassermenge Q = Q1– Q2 errechnet sich
ausQ2 = 8000 • 0,84 = 6700 l.
[Textabbildung Bd. 326, S. 790]
Fig. 26.0–B–0 30 PS-Lokomotive Nr. 22 von Borsig.Es werden verdampft Q = 8000 – 6700 = 1300 l Wasser.
Diese Dampfmenge von 12 at muß dem Kessel bei jeder Ladung zugeführt werden. Der von
J. Kempf theoretisch ermittelte Dampf verbrauch beträgt 23 kg/PS-Stunden. Es ergibt
sich eine Gesamtleistung vonorder$$$$25. Aehnlich wie feuerlose Lokomotiven werden die Preßluftlokomotiven an
feuergefährlichen Stellen verwendet, besonders bei Betrieben unter Tage und bei
Tunnelbauten.Die von der Firma Borsig, Berlin-Tegel, ausgestellte und
in Fig. 29 wiedergegebene 0–C–0 Preßluftlokomotive hat folgende Abmessungen:
Spurweite1000mmHöchste Geschwindigkeit15km/Std.Raddurchmesser600mmRadstand1500„Luftdruck im Behälter135atLeergewicht9100kgDienstgewicht = Adhäsionsgewicht9500„Größte Breite1400mm „ „ über den Bufferbohlen1600„ „ Höhe „1700„Länge über den Buffern5500„
[Textabbildung Bd. 326, S. 791]
Fig. 27.0–B–0 20 PS-Tenderlokomotive für 600 mm Spur der Hannoverschen
Maschinenbau-A.-GDie geringen Höhen und Breitenabmessungen sind durch das Profil bedingt. Aus diesem
Grunde liegen die Differential-Verbundzylinder, bei denen dichtende Stopfbüchsen
in Fortfall gekommen sind, innen. Der Luftzutritt wird durch Kolbenschieber
geregelt. Angetrieben wird die erste Achse. Die Kuppelstangen liegen außen.
[Textabbildung Bd. 326, S. 791]
Fig. 28.0–B–0 feuerlose Lokomotive für Normalspur von Maffei. (Lokomotive
Nr. 24.)Der Rahmen besteht aus Blechplatten, während von anderer Seite geschmiedete Rahmen in
Anwendung kommen. Die Abfederung der zwei ersten Achsen erfolgt durch zwei seitliche
Federn, die der hinteren Achse durch je eine seitliche Feder.
[Textabbildung Bd. 326, S. 791]
Fig. 29.0–C–0 Preßluftlokomotive von Borsig.Die sechs Flaschen, in denen die Luft von 135 at mitgeführt wird, sind in einem
Flaschenkasten gelagert. Durch ein Reduzierventil wird die Luft auf den
Betriebsdruck gebracht. Die Maschine wird durch eine Exter-Wurfhebelbremse, die auf
alle Räder wirkt, abgebremst; sie kann außer ihrem Eigengewicht eine Zuglast von
etwa 55 t auf Steigung 13 v. T. befördern.