Titel: TECHNIK UND INDUSTRIE AUF DER INTERNATIONALEN HYGIENE-AUSSTELLUNG IN DRESDEN.
Autor: A. Sander
Fundstelle: Band 326, Jahrgang 1911, S. 777
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TECHNIK UND INDUSTRIE AUF DER INTERNATIONALEN HYGIENE-AUSSTELLUNG IN DRESDEN. Von Dr.-Ing. A. Sander, Charlottenburg. (Fortsetzung von S. 761 d. Bd.) SANDER: Technik und Industrie auf Internationalen Hygiene-Ausstellung in Dresden. Bei der großen Bedeutung der Wasserversorgung in hygienischer Hinsicht ist es nicht zu verwundern, daß in dieser Gruppe ein besonders reichhaltiges Material zusammengetragen wurde. Neben Gesteins- und Bohrproben, Modellen von Quellfassungen, Widdern und Pumpwerken sowie Talsperren findet man hier vor allem eine sehr umfangreiche Sammlung von Plänen, Statistiken und Photographien städtischer Wasserversorgungen, in der auch einige ausländische Städte vertreten sind. Von den hygienischen Instituten mehrerer Städte werden die Apparate gezeigt, die zur Entnahme von Wasserproben und zu deren Untersuchung bei ihnen im Gebrauch sind. Die Stadt Berlin zeigt in 13 Profilen die Beschaffenheit ihres Untergrundes. Frankfurt a. M. führt seine Anlage zur Entsäuerung des Stadtwaldwassers vor, mit deren Hilfe es gelungen ist, die Korrosion der Leitungsrohre zu verhüten, ferner die interessante Versuchsanlage zur Erzeugung von künstlichem Grundwasser aus Flußwasser. Diese Versuche wurden vor 3½ Jahren begonnen, und zwar leitete man, weil durch die außerordentliche Steigerung des Wasserverbrauches ein zu tiefes Sinken des Grundwasserspiegels zu befürchten war, Mainwasser in langen Rohrleitungen bis in die Nähe des Pumpwerkes im Stadtwald und ließ es dort im Sande versickern. Trotzdem täglich eine ziemlich große Wassermenge (500 bis 700 cbm) zum Versickern gebracht wurde, zeigte es sich, daß das sehr schmutzige Flußwasser seine Zusammensetzung so änderte, daß es nach dem Versickern dem Grundwasser durchaus glich. Das Vordringen des Wassers im Boden erfolgt sehr langsam und wurde genau kontrolliert. So wurde festgestellt, daß schon auf eine Strecke von 100 m von der Versickerungsstelle, eine Strecke, die das Wasser in 190 Tagen durchfließt, das Mainwasser dem Grundwasser gleichwertig ist, denn es ist bakteriologisch einwandfrei, von gleicher Temperatur, geruch- und geschmacklos und auch nahezu farblos. Man hat es hier also mit einem bedeutsamen Fortschritt der Wasserversorgung zu tun, und zwar nicht nur in technischer, sondern auch in wirthschaftlicher Hinsicht, da die Aufsuchung und Erwerbung neuer Wassergebiete stets mit großen Kosten verknüpft ist. Weiter sind hier ausgestellt Einrichtungen zur Entfernung von Eisen und Mangan aus Trinkwasser, Hausfilter nach Berkefeld und auch solche für große Filtrationsanlagen. Die Sterilisation des Trinkwassers mittels Ozon wird von der Firma Siemens & Halske, A.-G., Berlin, die schon eine große Reihe derartiger Anlagen im In- und Ausland eingerichtet hat, an Hand einer Versuchsanlage sowie eines großen Modells für 2000 cbm stündlicher Leistung anschaulich vorgeführt. Das Wasser wird dabei zur Entfernung von Schwebestoffen in Schnellfiltern vorbehandelt und wird dann in einem hohen Zylinder innig mit dem Ozon durchmischt, das in den bekannten Ozonröhren durch dunkle Entladungen aus dem Luftsauerstoff gewonnen wird. Daneben finden wir auch eine Ozonlüftungsanlage, wie sie neuerdings vielfach in Krankenhäusern, Konzertsälen und besonders in Kühlhallen mit gutem Erfolg angewandt werden. Auch das neueste Sterilisationsverfahren für Trinkwasser mittels ultravioletten Strahlen wird von der Westinghouse Cooper Hewitt-Gesellschaft m. b. H., Berlin, vorgeführt. Der Apparat ist sehr einfach; das Wasser fließt durch eine Rinne, in die eine Quecksilberdampfquarzlampe eingetaucht ist. Die kurze Zeit, während welcher das Wasser den Strahlen dieser Lampe ausgesetzt ist, genügt, um alle pathogenen Mikroorganismen im Wasser abzutöten. Neben Wassermessern der verschiedensten Bauart und den zugehörigen Prüfungsapparaten sei noch auf die umfangreiche Ausstellung des Deutschen Gußröhrensyndikats, A.-G., Köln, hingewiesen. Anschließend hieran finden wir die Gruppen „Abwasserbeseitigung“ und „Städtereinigung“, in welchen fast alle Großstädte des Deutschen Reiches vertreten sind. Die verschiedenen Arten der Kanalisation und der Abwasserreinigung auf mechanischem, chemischem und biologischem Wege werden hier vorgeführt. Sehr anschaulich stellt die Stadt Leipzig die Bestandteile dar, mit welchen 1 cbm Leitungswasser in die Stadt gelangt, sowie diejenigen, mit denen es die Stadt verläßt; man sicht dabei die fast 100 fache Vermehrung der organischen Stoffe im Wasser und die Aufnahme von suspendierten Stoffen, Salzen, Ammoniak und Säuren. Weiter findet man hier Modelle von Hauskläranlagen, Spülschächten, Kanalstrecken, Sprinkleranlagen, sowie Becken, Rechen und Separatoren. Besonders seien die selbstgebauten Modelle der Geigerschen Fabrik, G. m. b. H., Karlsruhe i. B., genannt, die zum Teil im Betrieb zu sehen sind. Man findet hier Spül- und Absperrvorrichtungen für Kanäle, Schachtabdeckungen, Sinkkästen und Einrichtungen für Abwasserkläranlagen, wie sie in Frankfurt a. M., Düsseldorf und anderen Städten Anwendung fanden. Besonders bemerkenswert sind die Siebschaufelräder (Fig. 9 u. 10) zur mechanischen Feinreinigung von Abwässern, die mit fünf auswechselbaren, halbkreisförmigen Siebschaufeln aus konisch gepreßten Drahtsieben versehen sind. Sie ermöglichen die vollkommene Beseitigung aller Schwimm- und Sinkstoffe und verhindern deren Ablagerung im Kanal unter gleichzeitiger Begünstigung des Wasserdurchflusses. Ein besonderer Vorzug dieser Schaufelräder ist noch, daß die Reinigung der Auffangsiebe über Wasser erfolgt und somit genau beobachtet werden kann. Die Reinigung geschieht mit Hilfe eines Abstreifers, der die Schmutzstoffe auf ein Transportband streift. Neben den mechanischen und chemischen Verfahren sind besonders zahlreich die biologischen Verfahren vertreten, so das Rieselverfahren, wie es in Berlin in größtem Maßstab in Anwendung ist, und auch die künstlichen Füll- und Tropfverfahren. Diese künstlichen Verfahren, die seit etwa 15 Jahren in Deutschland eingeführt sind, haben sich überall da bewährt, wo die zur Anlage von Rieselfeldern erforderlichen großen Landstrecken nicht vorhanden sind. Eine Anlage nach dem Tropfverfahren, und zwar die größte des Kontinents, besitzt die Gemeinde Wilmersdorf in der Nähe von Stahnsdorf. Diese Anlage bedeckt eine Fläche von mehr als 12 ha und umfaßt eine Vor- und eine Nachreinigungsanlage von je sechs Becken sowie 56 Tropfkörper, die zum größten Teil aus Schmelzkoks bestehen und bei 20 m eine Höhe von 2,5 m haben. In diesen Körpern erfolgt die Zersetzung der im Wasser enthaltenen organischen Stoffe durch die Einwirkung von Mikroorganismen sehr rasch und zuverlässig. Die Beseitigung der festen Abfallstoffe erstreckt sich auf den Abwasserschlamm, den Müll und die Abdeckereiabfälle. Die aus diesen gewonnenen Produkte, wie Blut- und Fleischmehl, Talg und Abdeckereifett, zeigt die Stadt Hamburg. Die Stadt Charlottenburg bringt ihr Dreiteilungssystem und die Verwertung von Speiseresten, Asche, Kehricht und Gerumpel zur Darstellung. Wir sehen hier im Bilde die ausgedehnten Schweineställe, das Auslesen der Lumpen und Konservenbüchsen sowie die Verbrennungsöfen für die Asche und den Kehricht. Die Müllverbrennung führen weiter die Städte Barmen, Fürth, Frankfurt a. M. und andere vor. In FrankfurtD. p. J. 1911, S. 287. z.B., wo täglich gegen 100 t Müll verbrannt werden, wird die Verbrennungswärme zur Dampferzeugung benutzt und mit dem in acht Kesseln erzeugten Dampf mittels Turbodynamos Elektrizität gewonnen, und zwar aus 1 t Müll über 60 KW/Std. Es wird damit nicht nur der Kraftbedarf der Anstalt selbst gedeckt, sondern es wird noch ein Ueberschuß an Strom für die Zwecke des Wasserwerkes nutzbar gemacht. Die Schlacken dienen gewöhnlich zu Straßenbau- und Auffüllzwecken; in einer Reihe von Städten, so in Barmen, hat man in neuerer Zeit auch die Fabrikation von Schlackensteinen und Betonkies aufgenommen. Modelle einer Müllverbrennungsanlage und einer Schlackenfabrik sind von der Maschinenbauanstalt Humboldt, Köln-Kalk, ausgestellt. Textabbildung Bd. 326, S. 779 Fig. 9. Die in den letzten Jahren sehr energisch betriebene Bekämpfung des Straßenstaubes wird ebenfalls von mehreren Städten vorgeführt. Die zahlreichen für diesen Zweck geeigneten Stoffe sind von der Stadt Dresden in einer besonderen Sammlung vereinigt worden; neben hygroskopischen Salzen, Petroleum und Steinkohlenteer finden wir hier die verschiedenen Oelemulsionen, die als Westrumit, Epphygrit und unter anderen Namen im Handel sind. Daneben finden sich auch Staubbindemittel für Innenraume und schließlich sind auch die mehr und mehr zur Reinigung von Wohnungen angewandten Staubsauger (Vakuumapparate) in den verschiedensten Ausführungen für Hand- und Maschinenbetrieb vertreten. Von industriellen Ausstellern auf diesem Gebiet seien weiter genannt die Continentale Oelbesprengungs- und Straßenteerungs-Gesellschaft m. b. H., Berlin, die verschiedene Sorten von Westrumit und andere Staubbindemittel vorführt, und die Deutsche Trinidad-Asphalt-Gesellschaft m. b. H., Dresden, die die Asphaltseen in Trinidad ausbeutet und diese Erzeugnisse in den einzelnen Qualitäten, wie sie zur Herstellung von Asphaltpflaster, Bedachungen und Asphaltbindemitteln Verwendung finden, ausstellt. Eine Vakuum- und Preßluft-Entstaubungsanlage wird von A. Borsig, Berlin-Tegel, in Betrieb vorgeführt; dort befindet sich auch eine vollständige Anlage zur Raumkühlung und Eiserzeugung. Von verschiedenen Spezialfirmen sind Straßenkehrmaschinen sowie Spreng- und Müllabfuhrwagen ausgestellt. Daneben findet man Reinigungsvorrichtungen für Kanal- und andere Rohrleitungen, Schleuderapparate für Abwasserschlamm und andere Vorrichtungen zur Beseitigung und Verwertung städtischer Abfallstoffe. Textabbildung Bd. 326, S. 779 Fig. 10. Die Halle 55 enthält unter anderem die Gruppe „Kleidung und Körperpflege“, in deren wissenschaftlicher Abteilung man sich über die Bedeutung der Kleidung und über die Eigenschaften der hierzu verwendeten Gewebe, wie z.B. ihre Durchlässigkeit für Luft, Licht, Wasser und Wärme, unterrichten kann. In der industriellen Abteilung werden die verschiedensten pflanzlichen und tierischen Rohstoffe der Textilindustrie und ihre Verarbeitung vorgeführt; besonders die sächsische Textilindustrie ist hier sehr stark vertreten. Die Chemnitzer Aktien-Spinnerei gibt eine Uebersicht über die Entwicklung des Spinnereiprozesses und Muster von Produkten der kolonialen Baumwollkultur, wie z.B. Garn, Verbandwatte und Gewebe aus Caravonicabaumwolle. Besonderes Interesse verdient die Kapokfaser, die bisher nur als Füllmaterial für Polster anstelle von Roßhaar und wegen ihres niedrigen spezifischen Gewichtes auch zur Herstellung von Schwimmwesten und Rettungsgürteln diente. Erst neuerdings ist es der genannten Firma gelungen, aus der Kapokfaser auch Garn und Gewebe herzustellen, was einen großen Erfolg bedeutet. Die Vereinigung sächsischer Spinnereibesitzer gibt einen kurzen Ueberblick über die hygienischen Einrichtungen in der sächsischen Baumwollspinnerei. Die Färberei ist durch die bekannte Spezialfirma für Schwarzfärberei L. Hermsdorf, Chemnitz, und andere vertreten. Sehr groß ist auch die Zahl der Aussteller auf dem Gebiet der Wäscheund Schuhindustrie, doch interessieren den Techniker mehr die hier ausgestellten Maschinen und Apparate für die Schuhfabrikation, die Einrichtungen für chemische und Dampfwäschereien, die Zupf- und Krempelmaschinen zum Auflockern und Entstauben von Polstermaterialien, die Reinigungs- und Desinfektionsapparate für Bettfedern und andere Maschinen, auf die hier nicht näher eingegangen werden kann. Von Produkten der chemischen Industrie sind hier Präparate für Wäschereien und Färbereien, Seifen und Toiletteartikel, ferner Lederputz- und Konservierungsmittel ausgestellt. In der sich hieran anschließenden Gruppe „Körperübungen, Spiel und Sport“ finden wir die verschiedensten Arten von Schulmöbeln, Turn- und Sportgeräten wie Fahrräder nnd Schlitten, ferner optische und Musikinstrumente; die Gruppe „Badewesen“ schließlich enthält eine große Reihe von Modellen und Bildern städtischer Volksbäder, Schulbäder und Schwimmhallen mit ihren technischen Einrichtungen. Auch die Halle 56 „Nahrungs- und Genußmittel“ bietet dem Techniker viel Interessantes. In der Abteilung Fleischversorgung sind verschiedene Tötungsapparate für die Schlachtung von Tieren, Modelle und Pläne von Kühlhäusern, Schlachthöfen, Apparaten zur Vernichtung von Kadavern und konfisziertem Fleisch ausgestellt, die Abteilung Milchversorgung bringt die hygienische Gewinnung, Aufbewahrung und Verarbeitung der Milch, ferner Sterilisier- und Pasteurisierapparate zur Darstellung, während in der Abteilung „Vegetabilien und Genußmittel“ die Weinbereitung, die Bierbrauerei, die Verarbeitung und Konservierung von Obst und Gemüsen, die Gewinnung von Oel und Speisefetten aus Samen und Früchten mit allen zugehörigen technischen Hilfsmitteln vorgeführt werden. Den Chemiker interessieren hier besonders die vollständig eingerichteten Musterlaboratorien zur Fleischbeschau, zur Milchuntersuchung und zur Nahrungsmittelkontrolle, die vom Kaiserlichen Gesundheitsamt Berlin ausgestellt sind, vor allem aber die höchst wertvolle Sammlung von Professor Dr. Abderhalden, Berlin, die die organischen Nahrungsstoffe und ihre Bausteine, die chemischen Leistungen des Pflanzenorganismus sowie des Tierorganismus und noch vieles andere zur Darstellung bringt. Als Ergänzung dieser hervorragenden Präparatensammlung dient eine Zahl von Apparaten zur Ausführung physiologisch-chemischer Versuche, die von den Vereinigten Fabriken für Laboratoriumsbedarf in Berlin ausgestellt sind. In der industriellen Abteilung fesselt die Aufmerksamkeit der Besucher gleich beim Eintritt in die Halle die höchst wirkungsvolle Ausstellung der Deutschen Brauerunion, die neben mehreren künstlerisch vollendeten Dioramen von Prof. Zeno Diemer die Modelle eines modernen Sudhauses und von Brauereimaschinen umfaßt. Ferner finden wir in dieser Halle Apparate zur Vernichtung von Kadavern und zur Gewinnung von Knochenleim und Fleischmehl (Aktien-Maschinenbauanstalt vorm. Venuleth & Ellenberger, Darmstadt), Brauereibedarfsmaschinen, Kautschukfilter, Mühlen, Misch- und Knetmaschinen, Trauben- und Obstkeltern, Apparate zur Wasserdestillation und zur Herstellung von Mineralwasser, Faßreinigungs- und Flaschenspülapparate, ferner Abfüll- und Etikettierapparate, biegsame Metallschläuche und noch vieles andere. Im Betrieb sind zu sehen eine Musterbäckerei, eine vollständige Schokoladenfabrik und in Verbindung damit eine Kühlanlage, ferner die Herstellung von Zigarren und Zigaretten auf maschinellem Wege. Aus der großen Zahl von fertigen Präparaten, die hier ausgestellt sind, seien nur die Milch- und Nährpräparate sowie die alkoholfreien Getränke genannt, deren Konsum alljährlich eine ganz beträchtliche Steigerung aufweist. Wir kommen nun zu dem Undosa-Wellenbad in Halle 65, das ähnlich angelegt ist wie das, welches schon seit einigen Jahren im Starnbergersee bei München in Betrieb ist. Das Bassin ist 39,5 × 12 m groß und es sind 230 Auskleideplätze vorhanden. Um bei warmem Wetter das Baden unter freiem Himmel zu ermöglichen, wurde das Dach aus Segeltuch hergestellt und zum Hochraffen eingerichtet, während bei kühlerem Wetter die Halle und das Wasser mit dem Abdampf der Betriebsmaschine geheizt werden können. Hierdurch wird die Benutzung noch an kühlen Herbsttagen und auch schon zu Beginn des Frühjahres ermöglicht. Die ganze Anlage ist transportabel eingerichtet, nur das Bassin muß jeweils erneuert werden. Die Wellen werden erzeugt, indem mittels einer besonderen Maschine zwei eiserne Kästen mit abgerundeter Unterfläche abwechelnd auf die Wasserfläche gedrückt werden. (Schluß folgt.)