DER LOKOMOTIVBAU AUF DER INTERNATIONALEN
INDUSTRIE- UND GEWERBE-AUSSTELLUNG IN TURIN.Von Schwickart,
Ingenieur in Cöln- Kalk.(Fortsetzung von S. 744 d. Bd.)SCHWICKART: Der Lokomotivbau auf d. Internat. Industrie- u.
Gewerbe-Ausstellung Turin.6. 0–C–0 Tenderlokomotive der italienischen Staatsbahn
(Hannoversche Maschinenbau-Aktiengesellschaft vorm. Egestorff,
Hannover-Linden).Diese im Charakter mehr einer Nebenbahn entsprechende Lokomotive wird zur
Beförderung von Personenzügen bei 70 km/Std. benutzt. Der Raddurchmesser ist deshalb
mit 1520 mm angenommen. Die Ausführung entspricht den Normalien der italienischen
Staatsbahnen der Gruppe 870.Einige Angaben über Kessel und Achsen sind in Tab. 12 wiedergegeben.Tabelle 12.
Kessel über S, O2375mmBlechstärke der Feuerbüchse14 „in der Rohrwand25 „Anzahl der Serve-Rohre79Durchm. „ „60/65mmLänge „ „2800 „Mittlerer Kesseldurchmesser1120 „Von Vorderkante Buffer bis I. Achse2350 „Von Achsel bis Achse II1800 „Von Achse II bis Achse III1800 „Von Achse III bis Hinterk. Buffer2750 „Belastung der Achsen rd.1277kg f. d. Achse
Ein Teil der Stehbolzen ist aus Manganbronze und hat 24 mm bei 100 mm
Teilung. Das Blasrohr ist verstellbar. Im Dampfeinströmrohr ist ein
Sicherheitsventil für Leerfahrt eingebaut. An Sonderausrüstungen sind ferner ein
Nathan-Oeler und Preßluftsandstreuer Bauart Leach zu
nennen.Es schließen sich hieran an die Güterzuglokomotiven.
Die Hauptabmessungen derselben sind in Tab. 13 wiedergegeben.7. 0–E–0 Vierzylinder-Verbund-Güterzuglokomotive der
Bayerischen Staatsbahnen. (J. A. Maffei, München.) (Fig. 13.)Lokomotiven mit fünf gekuppelten Achsen besitzen bereits die württembergischen,
österreichischen, sächsischen und preußischen (Brüssel 1910) Staatsbahnen auf dem
Festlande, deren Abmessungen Tabelle 14 kurz wiedergibt.Die 0–E–0 Lokomotive zeigt gegenüber diesen Abmessungen eine große Heizfläche von 253
qm bei 3,7 qm Rostfläche, die eine dauernde Ueberlastung gewährleistet.Bei einer geforderten Schleppleistung von 800 t hinter dem Zughaken auf 11 v. T. mit
25 km ergab sich eine Zugkraft von 13000 kg, die der Formel
entspricht. Die Leistung am Radumfang
ergibt 1200 PS oder 5,83 PS/qm Verdampfungsheizfläche. Dieser Wert entspricht der
GleichungN = 1,17 √v = 1,17 · 5=5,85 PS.Es würde sich mit Hilfe dieser Angaben die Leistungstabelle 15
(S. 763) aufstellen lassen.Tabelle 13. Hauptabmessungen.Lokomotiven.
Geschwin-digkeitkm/Std.wicht in t hinter dem Tender auf
Steigungvon20 v.T.10 v.T.5 v. T.2,5 v. T.v. T.1056011001932––2051710221770––303657441276––4030863210721552–50240514 8601224–60210430 705 01500
Aus den Zylindern errechnet sich die Zugkraft zuder ein Reibungskoeffizient von
entspricht.
[Textabbildung Bd. 326, S. 763]
Fig. 13.0–E–0 Vierzylinder-Verbund-Heißdampf-Güterzuglokomotive der
Bayerischen Staatsbahnen. (Lokomotive Nr. 7.)Der Kessel liegt 2750 mm über Schienenoberkante, um die hintere Kuppelachse unter die
über die Räder verbreiterte Feuerbüchse bringen zu können. Sein mittlerer
Durchmesser beträgt 1760 mm. Im Langkessel liegen 219 Siederohre von 47,5/52 mm
und 24 = 3 • 8 Rauchrohre von 126/135 mm und einer Länge von 4600
mm.Die vier Zylinder treiben die dritte Achse an. Hierdurch war die Gölsdorf-Achsenanordnung nicht mehr durchführbar; es
verschieben sich nur die Endachsen, die Triebachse weist verschwächten Spurkranz
auf. Die preußischen Staatsbahnen haben ebenfalls die T 16- und G
10-Lokomotiven in dieser Weise gebaut, um die Verlegung der Kreuzkopfbahn neben die
zweite Achse und die hierdurch bedingte Führung der langen Kolbenstangen in einer
besonderen Brille zu vermeiden. Die inneren Hochdruckzylinder sind stark geneigt,
die äußeren Niederdruckzylinder nur so viel, als das Profil bedingt. Die zwei
Zylinder einer Maschinenseite werden durch einen gemeinsamen Kolbenschieber
gesteuert und bilden mit dessen Gehäuse je ein Gußstück. Die beiden in der Mitte der
Maschine verschraubten Gußstücke dienen als Rahmenversteifung und tragen den
Kessel.Der Barrenrahmen hat auch bei dieser Lokomotive wie bei allen Vierzylindermaschinen
der bayerischen Staatsbahnen Anwendung gefunden.Sämtliche Tragfedern liegen unter den Achsbuchsen, die der Achsen I und II und IV und
V sind durch Balanciers verbunden, so daß die Maschine theoretisch in sechs Punkten
getragen wird.Die Maschine ist ausgerüstet mit: zwei nichtsaugenden Friedmann-Injekteuren, Klasse A. S. Z., zwei 3½Pope-Sicherheitsventilen, Pyrometer, Vakuummeter,
Haushälter-Geschwindigkeitsmesser, zwei Friedmann-Schmierpumpen mit sechs Ausläufen und Westinghouse-Bremse.8. 1–D–0 Heißdampf-Güterzug-Lokomotive der Rumänischen Staatsbahnen. (Henschel &
Sohn, Cassel.)Diese als Zwilling-Heißdampflokomotive gebaute Maschine gleicht in bezug auf die
Heizfläsche von 195,4 + 47,7 = 243,1 qm ziemlich der vorher betrachteten. Ihre
Zugkraft, aus den Zylindern berechnet, ergibtEs entfallen demnach 71 kg Zugkraft auf einen qm Heizfläche,
bei Lokomotive Nr. 7 76 kg. Der Reibungskoeffizient beträgt 1 : 4,75. Wird hier die
in Tab. 12 angeführte 0–E–0 Heißdampf-Güterzuglokomotive der preußischen
Staatsbahnen zum Vergleich herangezogen, so ergibt sich bei einer Zugkraft von 13500
kg 84 kg für 1 qm Heizfläche. Da diese Maschine 1400 mm Raddurchmesser gegen 1270
bezw, 1350 mm hat und damit bei gleicher Geschwindigkeit die Umdrehungszahl und
proportional die Leistung in PS f. d. qm geringer ist, kann hieraus ein Rückschluß
auf die geringe Beanspruchung der Kessel gemacht werden. Ein zweiter Vergleich der
Kesselbauart von Lokomotive 7 und 8 läßt den Nachteil der fast kubischen Feuerbüchse
gegenüber der langen und schmalen erkennen. Die Verhältnisse der direkten zu der
indirekten Heizfläche sind bei Lokomotive Nr. 7 0,068 bei Nr. 8 0,1 l. Letzterer
Wert istgrößer. Es wird bei Lokomotive Nr. 7 ein großer Teil der
Verdampfung auf die Siederohre übertragen, aus welchem Grunde diese länger werden
und zweckmäßig einen größeren Durchmesser erhalten, um eine zu hohe Blasrohrwirkung
zu verhindern. Auf der anderen Seite wird der Dampfraum kleiner.Die 1–D–0 Güterzuglokomotive findet sowohl im schweren Güterzugdienst wie auch im
Personenzugdienst Verwendung.Der Kessel ist den preußischen Ausführungen gleich. Sein mittlerer Durchmesser
beträgt 1780 mm, die Blechstärke 19 mm. Die 188 Siederohre von 47/51 mm und
24 Rauchrohre von 125/133 mm haben eine freie Länge von 4750 mm.Als Heizmaterial kommen Steinkohle und Petroleum zur Verwendung. Erstere verbrennt
auf dem aus zwei Reihen Roststäben und einem Kipprost im vorderen Teil bestehenden
Rost. Bei der Fahrt tritt zur Unterstützung der flüssige Brennstoff hinzu, indem
durch zwei unter dem Feuerloch angebrachte Injekteure, Bauart Dragu, fein verteilte Petroleumrückstände mittels eines
Dampfstrahles über die brennende Kohle geblasen werden, die sich mit der
Verbrennungsluft mischen und sich entzünden. Gegen direkte Feuerstrahlen sind
Rohrwände und Rohröffnungen durch einen Feuerschirm geschützt.An den Injektor schließt sich unmittelkar die Saugleitung zum Tender an. Eine
Dampfleitung im Petroleumbehälter als Heizschlange verhindert ein Verdicken des
Brennstoffs.
[Textabbildung Bd. 326, S. 764]
Fig. 14.1–D–0 Heißdampf-Güterzug-Lokomotive der Rumänischen Staatsbahnen.
(Lokomotive Nr. 8.)Wie Fig. 14 zeigt, liegen die Zylinder wagerecht und
treiben die dritte Achse an. Die Dampfverteilung erfolgt durch Kolbenschieber mit
breiten federnden Ringen, die in eingepreßten Büchsen laufen. Die Schmierung der
Zylinder und Schieber bewirkt eine Friedmannsche
Schmierpumpe mit sechs Ausläufen. An den Zylinderdeckeln sind Luftsauge- und
Sicherheitsventile angebracht. Eine Druckausgleichvorrichtung ist ebenfalls
vorgesehen, Das Dienstgewicht von 76,1 t verteilt sich auf die Achsen mit 11,61 –
16,4 – 15,91 – 16,24 – 16,26 t. Die Achsstände sind von vorn nach hinten 2,49 + 1,85
+ 1,65 + 1,95 m. Um bei größeren Geschwindigkeiten ein sicheres, ruhiges Einlaufen
in die Kurven zu erzielen bildet die Laufachse mit der vorderen Kuppelachse ein Krauß-Drehgestell. Die Spurkränze, der zweiten
Kuppelachse und Treibachse sind schwächer gedreht, während die Hinterachse
seitliches Spiel hat. Die Achslager der Treibachse sind dreiteilig nach Obergethmann, die übrigen Lager zeigen gewöhnliche
Ausführung. Die Tragfedern der drei hinteren Achsen sowie der beiden vorderen Achsen
sind durch Balanciers verbunden, so daß die Maschine theoretisch in vier Punkten
gestützt ist. Die Treibstangen haben offene, die Kuppelstangen geschlossene Köpfe
mit nachstellbaren Lagern. Die drei hinteren Achsen werden beiderseitig mit etwa 70
v. H. des Adhäsionsgewichts abgebremst. Die Bremse ist eine solche nach Westinghouse.In Tab. 16 sind die Leistungen der Maschine hinter dem Zughaken angegeben. Hierzu sei
erwähnt, daß bei 30 km eine Leistung/qm Heizfläche von 7,2 PS, entsprechend den
Angaben von Garbe angenommen ist, während bei der Vierzylindermaschine in Tab. 13
nur 6,4 PS angenommen werden konnten, wie die der Tabelle vorhergehende Berechnung
zeigt. Bei höheren Geschwindigkeiten steigen dann die Werte für letztere Lokomotive
schnell, während die für erstere Lokomotive um nur 0,1 PS für jede 10 km
zunehmen.Tabelle 16.
Geschwin-digkeitkm/Std.Zuggewicht in t hinter dem Tender auf
Steigung von20 v. H.10 v. H.5 v. H.2,5 v. H.v. T.104689311630––204659151585––303907751335––40245545 9301358–50185395 670 955158560132293 490 6901080
9. 0–D–0 Zwilling-Heißdampf-Güterzuglokomotive mit
Lentz-Ventilsteuerung. (Hannover sehe Maschinenbau-A.-G. vorm. Georg
Egestorff, Hannover-Linden.)
[Textabbildung Bd. 326, S. 765]
Fig. 15.0–D–0 Zwillings-Heißdampf-Güterzuglokomotive mit
Lentz-Ventilsteuerung. (Lokomotive Nr. 9).Die unter die Gruppe G8 geordneten 0–D–0 Güterzuglokomotiven sind Güterzuglokomotiven
teils mit Kolbenschieber, teils mit Lentz-Ventilsteuerung, sowie mit
Gleichstromventilsteuerung, Bauart Stumpf. Sämtliche Lokomotiven sind gleich,
unterscheiden sich also nur durch die Art der Steuerung. Die ausgestellte Maschine
mit Lentz-Ventilsteuerung stellt Fig. 15 dar. Die mit diesen drei Maschinen gemachten
Versuchsfahrten sind absolut nicht stichhaltig, da hierbei die schon länger im
Dienst stehende Lentz-Lokomotive einer neueren mit
Kolbenschieber nnd einer von der Fabrik erst abgelieferten Stumpf-Lokomotive gegenübergestellt wurde. Die ungleiche Betriebsdauer
brachte ungleichen Zustand der Kessel mit sich, der am ungünstigsten für die Lentz-Maschine war. Die Versuchsfahrten ergaben den
in Tab. 17 aufgezeichneten Kohlen- und Wasserverbrauch für 1000 t/km auf der Strecke
Hanau-Elm.Tabelle 17.
D
Zwilling-Heißdampf-Güterzuglokomotive mitKohlenverbrauchWasserverbrauchkgim Mittelv. H.kgim Mittelv. H.Lentz-Ventilsteuerung 22,2151,285181,0851,078Kolbenschieber20,571,19185,5851,106Gleichstrom-Ventilsteuerung 17,2851167,8951
Die Tabelle läßt den geringen Wasserverbrauch der Lentz-Maschine gegenüber der Kolbenschiebermaschine erkennen, der
Kohlenverbrauch ist allerdings höher, was nur durch Kesselsteinansatz hervorgerufen
wurde. Bei neuen Maschinen würde letzterer mit höchstens 20 kg zu erwarten sein. Es
kann also ein tatsächlicher Vorteil der Lentz-Maschine
als erwiesen gelten. Zwecks schnelleren Auslasses sind die Auslaßventile vergrößert
worden. Gelegentlich einer Versuchsfahrt wurden von einer gleichen Lokomotive 1011 t
Nutzlast (ohne Lokomotive und Tender) auf einer Steigung von 8,5 v. T. mit 17
km/Std. befördert. Die zu entwickelnde Zugkraft beträgt 12250 kg, die Leistung 772
PS und für das qm Heizfläche 5,6 PS, ein Wert, der genau den Angaben nach Garbe
entspricht. Auf weitere Einzelheiten der Konstruktion einzugehen, lohnt sich nicht,
da die Maschine längst bekannt sein dürfte.Obige Angaben zeigen, daß diese Maschine mit ihrer kleinen Heizfläche viel
wirthschaftlicher ist, indem der Kessel bei kleinen Geschwindigkeiten voll
ausgenutzt werden kann, bei der vorhergehenden Maschine dagegen wegen
Schleudergefahr um 20 v. H. geringer beansprucht wird.(Fortsetzung folgt.)