Titel: | NEUE MATERIALIEN FÜR DEN LUFTSCHIFFBAU. |
Autor: | A. Sander |
Fundstelle: | Band 326, Jahrgang 1911, S. 538 |
Download: | XML |
NEUE MATERIALIEN FÜR DEN
LUFTSCHIFFBAU.
Von Dr.-Ing. A. Sander,
Charlottenburg.
(Schluß von S. 519 d. Bd.)
SANDER: Neue Materialien für den Luftschiffbau.
Bei der Herstellung der Ballonstoffe kommt es nicht allein auf sorgfältigste
Verarbeitung, sondern auch auf tadellose Beschaffenheit der Ausgangsmaterialien an.
Die Gewebe müssen dicht und fehlerfrei sein; eventl. vorhandene Knoten im Gewebe
beeinträchtigen die Zerreißfestigkeit und die Gasdichtheit. Die Continental-Kautschuk- und Guttapercha-Compagnie in Hannover, die auf diesem Gebiete die längsten
Erfahrungen besitzt, nimmt die Prüfung der Stoffe in einem besonderen
Gewebe-Laboratorium vor, wo jedes Stück des Stoffes vor der Verarbeitung vor einem
Fenster über eine Rolle laufen muß. Indem man hierbei gegen das Licht sieht, kann man die
Reinheit des Gewebes genau feststellen. Hierauf wird die Zerreißfestigkeit in Kette
und Schuß bestimmt; ebenso an besonders konstruierten Maschinen die Drehung der
einzelnen Fäden. Erst dann erfolgt die Verarbeitung. Zur Gummierung findet reiner,
möglichst harzfreier brasilianischer Paragummi Anwendung. Die Gummierung erfolgt
mittels Spreading-Maschinen, welche die Stoffe je nach der erforderlichen Stärke der
Gummierung 10–15mal durchlaufen.
Neben einfachen Stoffen, die nur auf der Innenseite zu gummieren sind, werden auch
doppelte Stoffe hergestellt, die mit den gummierten Flächen aufeinanderliegen. In
diesem Falle können die beiden Stoffschichten gerade oder diagonal zueinander
liegen. Die einfachen Stoffe werden für Signal- und Reklame-Ballons oder solche für
drahtlose Telegraphie verwendet, während bei Freiballons und Luftschiffen fast
ausschließlich die doppelten Stoffe Anwendung finden. Der diagonal doublierte Stoff
zeichnet sich durch besondere Festigkeit aus und ist daher für unstarre Luftschiffe,
bei denen die Hülle am meisten beansprucht wird, von besonderer Bedeutung. Da bei
diesen Stoffen die Fäden der beiden Schichten im Winkel von 45° zueinander liegen,
kann, im Falle die äußere Schicht einen Riß erhält, dieser sich nicht auch auf die
zweite Schicht weiter ausdehnen, was bei gerade doublierten Stoffen wohl möglich
ist. Bisweilen wird der Stoff auch noch außen gummiert und dadurch erreicht, daß der
Ballon bei Regen durch die Feuchtigkeit nicht so sehr beschwert wird. Für besondere
Zwecke werden auch dreifache Stoffe verwendet.
Die Aeroplanstoffe sind ebenfalls entweder einseitig oder
doppelt gummiert, wodurch die Gleitfähigkeit erhöht wird. Bei diesen Stoffen ist es
auch von Bedeutung, daß sie sich nicht stark dehnen und daß sie gegen wechselnde
Temperaturen Widerstand besitzen. Alle gummierten Stoffe werden, damit sie die
nötige Dauerhaftigkeit erhalten, mit Schwefel in der Wärme vulkanisiert.
Die fertig gummierten und vulkanisierten Stoffe unterliegen, ehe sie die Fabrik
verlassen, einer eingehenden Prüfung. Abgesehen von der Bestimmung der
Zerreißfestigkeit in Kette und Schuß werden mit den fertigen Stoffen
Zerplatzversuche zur Ermittlung der Druckfestigkeit vorgenommen. Dann wird der
Gasverlust festgestellt, der in jedem Falle weniger als zehn Liter innerhalb 24
Stunden auf 1 qm Stoff bei einem Druck von 30 mm Wassersäule betragen darf. Für
diese Untersuchungen sind von der Wissenschaft wie von den einzelnen Fabriken
besondere Apparate und Meßmethoden ausgearbeitet worden, mit Hilfe deren allgemeine
Normen festgesetzt werden konnten. Das preußische Luftschiffer-Bataillon stellt z.B.
an den von ihm verwendeten Ballonstoff folgende AnforderungenNach Angabe der Ballonfabrik Aug. Riedinge r, G. m. b. M, in Augsburg.:
Der doublierte Stoff, der ein Gewicht von 280 g f. d. Quadratmeter hat, darf, auf
eine Trommel von 500 mm gespannt, bei einem Luftüberdruck von 0,3 at
keine Luft verlieren und unter einem Druck von 0,4 at nicht platzen.
Ueber die Gewichte und Festigkeiten ihrer Stoffe macht die Continental-Kautschuk- und Guttapercha-Compagnie in Hannover folgende
Angaben:
Qualität
Gewichtf. d. qm
Haltbarkeit
Kette
Schuß
f. d. Breitenmeter
g
kg
kg
Einfach gummierter Ballonstoff, grau oder gelb
195
950
900
Double-Ballonstoff, gerade doubliert
220
900
800
do. diagonal doubliert
290
950
900
„ „ „
330
950
900
„ „ „
260
750
620
Double-Ballonstoff, gerade doubliert
330
1500
1600
do. „ „
270
1500
1600
„ „ „
380
2000
2000
„ „ „
320
2000
2000
do. diagonal doubliert
390
1200
1300
„ „ „
380
1200
1300
Dreifacher Ballonstoff
475
2240
2460
Aeroplanstoff, ein- oder beider- seitig
gummiert
140
1000
950
do. do. do
155
1300
1300
Veranlaßt durch die rege Nachfrage nach besonders leichten Aeroplanstoffen kommen
neuerdings noch folgende Sorten in den Handel:
Qualität
Gewichtf. d. qm
Haltbarkeit
Kette
Schuß
f. d. Breitenmeter
g
kg
kg
beiderseitig gummiert
105
800
800
„ „
115
900
1000
„ „
120
900
850
„ „
125
900
900
Es ist eine alte Erfahrung, daß die violetten und ultravioletten Strahlen des
Sonnenlichtes auf die Gummierung der Ballonhüllen zersetzend einwirken. Um die
Hüllen hiergegen zu schützen, hat man versucht, ihnen eine bestimmte Färbung zu
geben, und nach langen Versuchen festgestellt, daß die gelbe Farbe am geeignetsten ist, die schädlichen Strahlen zu absorbieren.
Anfangs benutzte man zur Gelbfärbung der äußeren Seite der Hülle nur Bleichromat, in
der letzten Zeit aber auch verschiedene Teerfarbstoffe. Trotzdem empfiehlt es sich,
einen Ballon nicht unnötig der Sonne auszusetzen und auch die Ballonhallen so
einzurichten, daß die Hülle nicht vom grellen Sonnenlicht getroffen wird.
Statt die Hüllen gelb zu färben, hat man im vorigen Jahre zum erstenmal versucht, den
Stoff mit einer ganz feinen Aluminiumhaut zu überziehen. Die A.-G. Metzeier & Co. in München hat ein Verfahren zur
Herstellung solcher Stoffe zum Patent angemeldetDeutsche Anmeldung: A. 17858 (Kl. 8h). Franz. Pat. 412278. .
Die Aluminiumhaut wird dabei zweckmäßig vor dem Vulkanisieren hergestellt, indem man auf die
gummierten Stoffe mittels einer Bürste ganz feines Aluminiumpulver aufträgt. Vor der
Vulkanisation ist die Gummioberfläche glatter und von größerem Adhäsionsvermögen als
nachher, so daß man besser eine dichte und gleichmäßige Schicht des Pulvers auf der
Hülle befestigen kann. Die auf diesem Wege erhaltenen glänzenden Stoffe sind sehr
unempfindlich gegen Feuchtigkeit und Regen, da das Wasser auf der glatten Oberfläche
schnell abläuft. Es tritt daher bei Luftfahrzeugen im Regen keine erhebliche
Gewichtsvermehrung ein, und es wird weniger Ballast verbraucht. Daß die Gummierung
der Stoffe mit Aluminiumauflage von den Sonnenstrahlen weniger angegriffen wird als
die der gewöhnlichen gelbgefärbten Stoffe, wurde an einer Reihe kleiner Ballons, die
monatelang der Witterung ausgesetzt waren, festgestellt. Ein weiterer Vorzug der
metallisierten Stoffe ist ihr größeres Reflexionsvermögen für Wärmestrahlen, wodurch
die Gasverluste infolge von Sonnenbestrahlung erheblich geringer werden. Schließlich
heben sich die metallisierten Ballonhüllen mit ihrer silbergrauen Farbe weniger vom
Firmament ab als die üblichen gelben Hüllen, weshalb sie im Kriegsfall besser
geschützt sind. Für die Herstellung der metallisierten Stoffe dürfte wohl auch das
Spritzverfahren nach Schoop, über das an dieser
StelleD. p. J. Jahrg.
1910, S. 431. schon früher berichtet wurde, verwendbar sein.
Nach D. R. P. 217110 sollen zur Dichtung der Hüllen dünne Metallschichten als Auf-
oder Zwischenlage angebracht werden, derart, daß man entweder galvanisches
Metallpapier oder gewalzte Metallfolien aufklebt.
D. R. P. 219440 betrifft die Herstellung eines Stoffes mit doppelseitigem
Metallüberzug, wobei die Folien auf mechanischem oder galvanischem Wege mit dem
Ballonstoff zu einem festen Gefüge verbunden werden.
Der Metallüberzug kann auch auf chemischem Wege erzeugt werden. Nach D. R. P. 227150
erhält man einen sehr dünnen, aber dichten Ueberzug, wenn man den Stoff in ein Bad
bringt, das ein Metallsalz und ein Reduktionsmittel enthält. Durch wiederholte
Anwendung des Bades oder durch nachfolgendes Galvanisieren läßt sich der
Metallspiegel beliebig verstärken. Zum Schütze gegen Witterungseinflüsse wird der
metallisierte Stoff schließlich noch mit einem durchsichtigen Firnis überzogen. Man
kann das Verfahren auch in der Weise abändern, daß entweder das Metallsalz oder das
Reduktionsmittel schon vorher dem Stoff einverleibt wird, so daß dann die Lösung, in
der die Metallisierung erfolgt, nur den anderen der beiden Stoffe zu enthalten
braucht. Die Versuche mit derartig präparierten Stoffen ergaben, trotzdem der
Metallüberzug äußerst dünn ist, eine beträchtliche Erhöhung der Gasdichtigkeit. Die
Diffusion von Wasserstoff nahm durch Aufbringen einer einfachen Silberschicht um
etwa 70 v. H. ab; die stündliche Druckerniedrigung betrug nämlich vorher, in
Millimeter Wassersäule gemessen, 2,3, nach Aufbringen der Silberschicht jedoch nur
noch 0,85.
In neuerer Zeit macht sich, besonders wohl infolge der Vernichtung des Zeppelin-Luftschiffes in der Halle zu Oos, das Bestreben,
bemerkbar, die Hülle, hauptsächlich in der Umgebung der Gondel, unentzündlich zu
machen. Die Aluminiumschicht der oben beschriebenen Stoffe dürfte keine genügende
Sicherheit gegen Entzündung bieten, da ihre Dicke ja nur Bruchtheile eines
Millimeters beträgt. Dagegen eignet sich hierzu ein anderes Material, das seit
einiger Zeit in der Textilindustrie im Vordergrund des Interesses steht. Es ist dies
die Azetylzellulose, die neuerdings vielfach zur
Herstellung von künstlichen Fäden und Geweben verwendet wird und die vor den bisher
für diese Zwecke verwendeten Zelluloseverbindungen manche Vorzüge besitzt. Die
Anwendung dieses Stoffes zum Bau von Luftschiffen wurde J. S. Cohen in Rotterdam
geschützt.D. R. P. 217 760
(Kl. 77 h). Dieser schlägt vor, die Hülle eines Luftschiffes aus
einem Metalldrahtgewebe oder aus dünnen, durchlöcherten Metallplatten herzustellen,
deren Löcher oder Zwischenraume mit einer oder mehreren Schichten eines geeigneten
Klebe- oder Füllmaterials ausgefüllt und miteinander verbunden sind. An die Stelle
der fehlenden Metallmasse tritt dann das spezifisch viel leichtere und dünnere
Füllmaterial, das sich mit dem Metallgerippe fest verbindet und einen glatten,
widerstandsfähigen gas- und wasserdichten Ueberzug bildet. Zur Herstellung des
Füllmaterials dient eine Lösung von Azetylzellulose, gemischt mit anderen geeigneten
Stoffen, in Essigäther, Azeton oder anderen Lösungsmitteln. Diese Lösung wird auf
das Metallgerippe aufgebracht, indem man sie mittels Quasten oder Rollen auf das
Gerippe ausstreicht oder indem man das Gerippe in die Lösung eintaucht. Bei
Verwendung von Metallgerippen mit großen Maschen kann auch jede Masche vorher mit
Seidenpapier oder Gaze ausgefüllt werden, wodurch die Haftfläche für die Lösung
vergrößert wird. Nach Eintrocknen der Lösung erhält man eine dichte, feste und
unentzündliche Platte, die auch Verbiegungen gegenüber ihr festes Gefüge behält, so
daß sie in mannigfache Formen gebracht werden kann, ohne ihre Eigenschaften zu
verlieren. Das Material soll auch zur Herstellung von Gondeln, Schraubenflügeln für
Luftpropeller und anderen Konstruktionstheilen geeignet sein, und soll schließlich
wegen seiner Glätte zur äußeren Bedeckung von Schiffsböden dienen, um das Anwachsen
von niederen Tieren und Pflanzen zu verhüten.
Die Vereinigten Gummiwaren-Fabriken Harburg-Wien stellen
einen BallonstoffD. R. P. 215 242
(Kl. 77 h). her, der auf der einen Seite wie gewöhnlich gummiert
ist; auf der anderen Seite dagegen mit einer Schicht Kollodiumwolle versehen ist,
welche durch geeignete Zusätze, wie Rizinusöl oder Kampfer, plastisch gemacht ist.
Hierdurch soll die Wasser- und Gasdichtigkeit der Hülle erhöht werden.
Von anderen Materialien, die zur Anfertigung von Ballonhüllen vorgeschlagen, aber bis
jetzt wohl kaum praktisch verwendet wurden, seien noch das Zelluloid und die
Vulkanfiber genannt. Eine Zelluloidfolie erhält manEngl. Patent 26682/1908.
durch Ausbreiten
von flüssigem oder pastenförmigem Zelluloid auf einer Platte mittels eines Pinsels
bezw. einer Walze. Die Folie kann nach dem Trocknen durch Anfeuchten ihrer
Oberfläche von der Platte leicht abgezogen werden und ist gasdicht. Die
VulkanfiberD. R. P.
214857. zeichnet sich durch Elastizität, Festigkeit und geringes
Gewicht aus. Da sie in dünnen Platten sehr biegsam ist, kann sie in dieser Form zur
Herstellung von Ballonhüllen und Tragflächen für Aeroplane Verwendung finden,
während sie in Form von Stangen oder Röhren auch zum Bau von Gerüsten und anderen
starren Theilen geeignet ist.
Eine Frage von großer praktischer Bedeutung ist noch die Ableitung der Elektrizität
von dem Ballon und die Sicherung gegen Explosion durch elektrische
Funkenbildung. Dies soll nach D. R. P. 216615 durch Jonisation mittels
Röntgenstrahlen oder durch Imprägnieren des Ballons mit radioaktiven Substanzen
erfolgen. Hierzu sollen die Fäden der Ballonstoffe schon vor dem Verweben mit einer
wässerigen Suspension von Uranpecherz unter Zusatz eines Bindemittels getränkt
werden. Von diesen radioaktiven Fäden soll dann eine größere oder geringere Zahl in
die Ballonstoffe eingewebt werden, wodurch die Hülle eine gute Leitfähigkeit
erhält.
Schließlich sei noch auf die D. R. P. 228276 und 231365 hingewiesen, nach denen durch
eine Aenderung der Webart an bestimmten Stellen besondere Effekte erzielt werden
sollen.