Titel: | DIE PROBLEME DER SCHWACHSTROMTECHNIK. |
Autor: | H. Barkhausen |
Fundstelle: | Band 326, Jahrgang 1911, S. 531 |
Download: | XML |
DIE PROBLEME DER SCHWACHSTROMTECHNIK.
Von Prof. Dr. H. Barkhausen, Dresden.
(Schluß von S. 517 d. Bd.)
BARKHAUSEN: Die Probleme der Schwachstromtechnik.
Während, wie schon gesagt, das Telephonieren auf kurze Entfernungen praktisch
fast gar keine Schwierigkeiten machte, traten bei langen Leitungen, insbesondere bei
Kabeln eigenthümliche störende Einflüsse auf, die jede Verständigung unmöglich
machten. Man erkannte bald als Ursache die Kapazität der Leitung, dieselbe, die
schon bei den langen unterseeischen Kabeln die Telegraphie erschwert hatte. Lange
bemühten sich die Praktiker vergeblich, durch allerhand Vorrichtungen Abhilfe zu
schaffen, bis endlich die Frage zunächst rein theoretisch
am Schreibtisch gelöst wurde. Der Amerikaner Pupin wies
rechnerisch nach, daß durch Zwischenschalten von Drosselspulen in die Leitungen die
Ströme verstärkt werden müssen, was nach den gewöhnlichen Anschauungen des
Elektrotechnikers sehr paradox klingt; die Versuche zeigten aber, daß die Theorie
recht hatte, und die Pupin-Spulen werden jetzt auf allen
längeren Leitungen ausgiebig angewendet.
Die telephonische Uebertragung der Sprache ist aber nur der eine Theil der
Telephontechnik. Der andere befaßt sich mit den Telephonumschaltstellen in den großen Telephonämtern, wo die Verbindungen
zwischen den einzelnen Theilnehmern hergestellt werden. Wenn es an theoretischen
Problemen auch hier nicht fehlt, so sind doch die praktischen und wirthschaftlichen
Fragen dabei weit überwiegend. Bei großen Aemtern spielt z.B. die Platzfrage und die
Anordnung der Leitungen eine wichtige Rolle. Schon ein Verbindungsamt für 10000
Theilnehmer erfordert einen ziemlich ausgedehnten Raum. Zur Bedienung sind etwa 100
Beamtinnen erforderlich und für jede eine große Schalttafel. Viel mehr Theilnehmer
lassen sich überhaupt nicht in einem Amte vereinigen, da die einzelnen Schalttafeln
dann zu groß würden.
In Dresden konnten z.B. eine Zeit lang nur Damen mit genügender Körpergröße
angestellt werden, da sie sonst die entfernteren Nummern nicht mehr erreichen
konnten. Eine Untertheilung in mehrere Aemter bringt aber wieder mancherlei
Komplikationen mit sich und ist für den Theilnehmer recht unbequem, weil er dann mit
zwei Beamtinnen zu verhandeln hat, bevor er seine Verbindung bekommt.
Ganz besonderes Interesse beanspruchen daher in neuerer Zeit die selbsttätigen Aemter, bei denen überhaupt keine
Beamtinnen mehr tätig sind, sondern jeder Theilnehmer sich die gewünschte Verbindung
selbst herstellen kann durch einfaches Drehen an einer Nummernscheibe seines
Apparates. Ein außerordentlich kühner Gedanke! Man bedenke, bei einem Amte mit
100000 Theilnehmern – ein solches wird zurzeit in München gebaut, die ersten
Unterämter sind schon in Betrieb – bei einem solchen Amte, wo jeder Theilnehmer die
Möglichkeit haben muß, sich mit jedem anderen zu verbinden, ist die Zahl der
möglichen Verbindungen 100000 × 100000 = 10000 Millionen, 10 Milliarden! Der
nächstliegende Gedanke für eine selbsttätige Herstellung der Verbindungen, jedem
Theilnehmer individuell einen Apparat zuzuordnen, der ihn mit allen übrigen
verbinden könnte, würde zu ganz hoffnungslosen Dimensionen führen. Allein, um die 10
Milliarden Drähte an die fertigen Apparate anzulöten, würden etwa 100 Arbeiter 100
Jahre lang zu tun haben. Da sind es denn besonders zwei geschickte Kunstgriffe, die
eigentlich erst die Herstellung eines größeren selbsttätigen Amtes ermöglichen. Der
erste besteht darin, daß man nicht jedem Theilnehmer einen eigenen Anschlußwähler
gibt, sondern für je 100 Theilnehmer zusammen nur 10 Wähler vorsieht, die die
Beamtinnen ersetzen. Jeder Theilnehmer wird, erst wenn er anruft, durch das Abheben seines
Hörers selbsttätig mit irgend einem der 10 Wähler, der gerade frei ist, verbunden.
Durch diesen einfachen Gedanken wird mit einem Schlage die Zahl der Apparate auf den
zehnten Theil herabgesetzt. – Aber auch das würde noch nicht ausreichen. Die
einzelnen Apparate, von denen jeder Anschlußverbindungen nach allen 100000
Theilnehmern erhalten müßte, würden immer noch zu groß und kompliziert. Da schafft
nun der zweite Kunstgriff Abhilfe, die systematische Eintheilung der Theilnehmer in
Gruppen und Untergruppen nach dem Dezimalsystem. Man wählt erst die 10000 er Gruppe
der verlangten Nummer, dann die Tausender, Hunderter, Zehner und Einer. Der
Wahlvorgang beschränkt sich dann jedes Mal nur auf die Auswahl eines unter 10
Anschlussen. Die Apparate werden dadurch verhältnismäßig einfach und für den
Fachmann übersichtlich.
Wer zum ersten Male ein selbsttätiges Amt in vollem Betrieb sieht, wird sich des
Staunens nicht erwehren können. In einem großen Saale weiter nichts als lange Reihen
kleiner Apparate, alle in Reihe und Glied aufgestellt, jeder mit einer Unmenge von
Hebeln, Kontakten und Relais versehen. Bald hier, bald da kommt Leben in einen
solchen Apparat, das klappert geschäftig, hebt sich, dreht sich, aber, sobald man
richtig hinsehen will, ist schon alles wieder in Ruhe und das Geklapper geht an
einer anderen Stelle los. – Die Geschwindigkeit und Sicherheit, mit der die Apparate
arbeiten, ist geradezu verblüffend. Man bedenke, zur Herstellung einer einzigen
Verbindung werden mehrere hundert Kontakte in Bewegung gesetzt und keiner darf
versagen. Und das alles innerhalb 2–3 Sekunden.
Ganz besondere Anforderungen werden hier an die Kontakt machenden Magnetspulen, die
Relais, gestellt. Manche müssen ihre Aufgabe, das Ankeranziehen, in einigen
tausendstel Sekunden ausführen, andere wieder ganz langsam, in 1–2 Sekunden, um für
Zwischenoperationen Zeit zu gewähren. Das allein schon gibt Probleme, die
theoretisch wie praktisch gleich interessant sind.
Außer der Telegraphie und Telephonie gibt es aber noch eine Fülle anderer Apparate,
die zur Nachrichtenübermittlung dienen. Da sind zunächst die Kommandoapparate zu
nennen, bei denen durch die Einstellung des Gebers am Empfänger ein Feld mit der
betreffenden Kommandoaufschrift erscheint. Solche Apparate sind für die modernen
Kriegsschiffe geradezu unentbehrlich. Das rührt davon her, daß ein solches Schiff
einen einheitlichen großen Organismus bilden muß, der von einer Zentralstelle aus zu
leiten ist und bei dem alles und jedes weitgehend ineinandergreift. Der
Geschützführer in einem modernen Panzerturme z.B. ist, bis auf ein kleines Zielloch,
vollständig von der Außenwelt abgeschlossen; die Lage des Zieles, die Entfernung des
Zieles, ja auch die Eigengeschwindigkeit des Schiffes, die eine wesentliche
Korrektion beim Zielen bedingt – alles muß ihm von außen mitgetheilt werden.
Bei den verschiedenen Ausführungsformen dieser Kommandoapparate treten häufig die
gleichen Probleme wie beim Dynamobau, nur in veränderter Form wieder auf. So
kam z.B. beim Ausprobieren eines neuen Systems der recht lustig wirkende Fall vor,
daß die Empfängerscheibe, statt sich fest auf das betreffende Kommando einzustellen,
nach einigen Schwingungen anfing, sich im Kreise zu drehen, und alle Kommandos:
„Stopp“, „halbe Kraft voraus“, „äußere Kraft zurück“
führten einen immer schneller werdenden Wirbeltanz auf. Der Apparat arbeitete
einfach als Kurzschlußmotor. Während man aber bei: diesem eine möglichst ökonomische
Rotation hervorrufen will, muß hier umgekehrt das Rotieren verhindert werden: und
das war auch nicht schwer zu erreichen, nachdem erst der Grund erkannt war.
Ein anderes nicht uninteressantes Problem bildet die: elektrische Klingel. Die
gewöhnliche Hausklingelanlage mit ihrem Tableau und Fallklappen stellt die
primitivste Art einer Kommandoanlage dar, und man sollte glauben, daß an einem so
einfachen Apparate wissenschaftlich nichts Beachtenswertes zu finden sei. Und doch
haben Gelehrte wie Helmholtz und Rayleigh sich eingehend mit dieser Klingel beschäftigt. Die Theorie zeigt
nämlich zunächst, daß eine solche Klingel eigentlich gar nicht klingeln dürfe. Das
ist natürlich so zu verstehen, daß die Theorie an sich zwar richtig, aber die
Voraussetzungen, die noch jetzt in fast allen Lehrbüchern der Theorie zugrunde
gelegt werden, falsch sind. Betrachtet man daraufhin den einfachen Vorgang noch
einmal schärfer, so sieht man bald, wo die Angaben zu ändern sind, und dann ist es
der Klingel auch theoretisch gestattet, ihren Klöppel schwingen zu lassen. Das mag
manchem als eine spitzfindige Spielerei der Gelehrten erscheinen, zumal bei der
praktischen Ausführung diese Theorie so gut wie gar nichts nützt. Und doch umfaßt
gerade dieses Problem: eine durch alle Gebiete der Physik und Technik verbreitete
Erscheinungsgruppe, das selbsttätige Auftreten: von Schwingungen. Wir können das oft
an einem unermüdlich hin- und herschwingenden Blatte eines Baumes; beobachten; auch
die mit dem Violinbogen angestrichene Saite oder die angeblasene Orgelpfeife sind
Beispiele dafür: überall Schwingungsbewegungen ohne direkt ersichtliche Ursache. Ein
elektrisches, ganz ähnliches Problem ist der tönende Lichtbogen, der für die
drahtlose Telegraphie von so großer Bedeutung geworden ist. So entspringen oft aus
unscheinbaren Vorgängen wichtige Gesetze, und diese geben wieder über ganz neue
Erscheinungen auf ganz anderem Gebiete Aufschluß.
Die Kommandoapparate, die übrigens auch in vielen anderen Betrieben, z.B. Bergwerken
und Bahnhöfen, von Wichtigkeit sind, können auch leicht zu Ueberwachungsapparaten ausgebildet werden. Der Geber wird dann statt vom
Kommandierenden, selbsttätig von dem Zustand eingestellt, den man überwachen will,
z.B. vom Wasserstand eines Reservoirs oder Flusses, von der Stellung eines
Steuerruders, von der Umlaufszahl eines Motors, von der Temperatur eines Raumes. Am
Empfänger kann man dann an einer beliebig weit entfernten Stelle den momentanen
Zustand ablesen. Viel einfacher werden diese Apparate, wenn man sich darauf
beschränkt, nur ein oder zwei besonders wichtige Zustände anzuzeigen, z.B. wenn ein
Reservoir voll oder leer ist. Solche Sicherheitsapparate werden auf allen Gebieten
sehr viel verwandt, besonders auch in Verbindung mit selbsttätigen
Sperrvorrichtungen. Ein Fahrstuhl z.B. kann nicht eher in Bewegung gesetzt werden,
als bis alle Türen ordnungsmäßig verriegelt sind. Eine sehr wichtige Rolle spielen
solche Vorrichtungen bei dem Eisenbahnsicherungswesen,
das wieder eine ganze Wissenschaft für sich bildet und hier nicht weiter berührt
werden soll. Es würde uns auch zu weit führen, auf die Feuermelder, elektrischen
Uhren und ähnlichen Anlagen, die manches interessante Problem bieten, näher
einzugehen; wir wollen uns vielmehr zum Schluß nur noch einem anderen großen Gebiete
der Schwachstromtechnik zuwenden: der Meßtechnik.
Die elektrischen Messungen sind neben der Wage und den astronomischen Messungen die
genauesten in der Physik. Es macht z.B. gar keine Schwierigkeiten, zwei Widerstände
auf ein Hunderttausendstel genau zu vergleichen. Daher sucht man auch alle genaueren
Messungen auf anderem Gebiete, wenn möglich durch elektrische zu ersetzen, z.B.
Temperaturmessungen durch die Messung der elektromotorischen Kraft eines
Thermoelementes. Da sich die elektrischen Messungen außerdem noch durch große
Einfachheit und Bequemheit auszeichnen, so wird auch nirgends so viel gemessen wie
gerade in der Elektrotechnik. Nehmen Sie z.B. ein elektrisches Automobil: Da ist
vorn in bequemster Lage zum Ablesen für den Fahrer ein kleiner Kasten mit zwei
Zeigern und zwei Skalen angebracht, an denen er ständig ablesen kann, was sein Motor
tut; er sieht daran, wenn die Ladung der Batterie zur Neige geht: er sieht, wenn
sich der Motor bei Steigungen anstrengt; er sieht, wenn er sich überanstrengt und wenn etwas nicht in Ordnung ist; alles
an zwei einfachen Meßinstrumenten, Strom- und Spannungsmesser. Auf keinem, anderen
Gebiete der Technik ist eine derartige dauernde Kontrolle aller Verhältnisse mit so
einfachen Mitteln möglich. Allerdings ist sie auch nirgends so nötig, da sich die Elektrizität nicht direkt bemerklich macht. Wir haben
keinen eigenen Sinn für sie, darum müssen wir uns in den Meßinstrumenten künstliche
Sinne verschaffen. Ohne sie würde der Starkstromtechniker im dunkeln tappen; er
könnte die Erscheinungen nicht beherrschen, und dürfte es nicht wagen, so gewaltige
elektrische Kräfte im Starkstrom zu zweckmäßiger Arbeit zu zwingen.
Bei den Schwachstromanlagen ist das Messen viel weniger nötig, da es ja hier auf eine
vollständige Energieausnutzung nicht ankommt und Störungen nicht gleich so
gefährliche Dimensionen annehmen wie in der Starkstromtechnik. Ueberdies verursachen
die Schwachstrommessungen auch viel größere Schwierigkeiten sowohl für den Bau als
auch für den Gebrauch der Instrumente. Wegen der geringen Energie müssen die
Instrumente sehr empfindlich gemacht werden, und andererseits müssen bei der Messung
selbst besondere Vorsichtsmaßregeln gebraucht werden, damit nicht schon durch das
bloße Einschalten des Instrumentes die Verhältnisse gänzlich geändert
werden.
Besonders schlecht ist es bei der drahtlosen Telegraphie mit der Meßtechnik bestellt.
Bei so enorm hohen Frequenzen ist der Stromverlauf wegen des Vorherrschens von
Induktivität und Kapazität von dem normalen durchaus abwelchend. Die gewöhnlichen
Meßinstrumente versagen hier fast gänzlich und zeigen durchaus falsche Werte an. Es
war in der Gründerzeit der drahtlosen Telegraphie sehr beliebt, durch geschickte
Auswahl eines passenden Meßinstrumentes mit den schlechtesten Vorrichtungen die
höchsten Wirkungsgrade zu demonstrieren, manchmal aus Versehen sogar über 100 v. H.
Man hat zum Theil ganz neue Methoden zur Messung ersinnen müssen, die
Hochfrequenzmeßtechnik ist ein eigenes Gebiet für sich geworden.
Schon bei gewöhnlichem Wechselstrom hatte man die Schwierigkeit, daß kein Zeiger
imstande war, den raschen Aenderungen der Stromrichtung zu folgen; man mußte mit
Mittelwerten von Strom und Spannung vorliebnehmen, auf die es ja bei Energiefragen
auch allein ankommt. Aber den Stromverlauf während der einzelnen Perioden konnte man
damit nicht erkennen; das gelang erst durch die Erfindung des Oszillographen. Beim Oszillographen besteht das bewegliche System aus
einem winzigen Spiegelchen von der Größe eines Stecknadelknopfes, das auf zwei
feine, mit bloßem Auge kaum sichtbare Metallfädchen aufgesetzt ist; durch diese
Reduzierung der trägen Masse auf ein Minimum wird es erreicht, daß der Apparat noch
Erscheinungen richtig aufzeichnet, die sich innerhalb einer tausendstel Sekunde
abspielen. Es gibt kaum etwas Interessanteres, als mit dem Oszillographen zu
arbeiten. Die feinsten Einzelheiten des Stromverlaufes führt er uns vor Augen, so
daß wir den Strom im Leiter direkt pulsieren sehen. Die Kurven, die wir sonst nur
mühsam nach Rechnungen und Annahmen konstruieren können, zeichnet er ohne weiteres
auf. Untersuchen wir z.B. den Stromverlauf beim Einschalten eines Relais, der sich
in einigen tausendstel Sekunden abspielt. Der Lichtzeiger des Oszillographen
zeichnet eine leuchtende Kurve auf; erst verläuft sie wagerecht, der Strom ist noch
nicht eingeschaltet; dann kurzes senkrechtes in die Höhespringen im Moment des
Einschalten, das zeigt Wirbelströme im Eisen an; dann Ansteigen in schön
geschlungenem Bogen bis zu einem kleinen scharfen Knick – das ist der Moment, wo das
Relais seinen Anker anzieht und dadurch einen Induktionsstoß hervorruft; weiterhin
stheileres Ansteigen – ein Zeichen, daß Sättigung im Eisen eintritt; schließlich
Erreichung des Maximums und wagerechter Verlauf, bis der Strom ausgeschaltet wird.
Tritt dabei ein Funken auf, so sieht man den Strom in einer unregelmäßigen
Zickzacklinie herabsinken; wird aber durch einen Kondensator der Funke gelöscht, so
erscheint eine schöne, sanft abklingende Wellenlinie, die elektrischen
Eigenschwingungen des Kondensatorkreises. Fast die ganzen Gesetze der Elektrotechnik
kann man an dieser einen Kurve demonstrieren. Die Uebereinstimmung von Theorie und
Versuch ist oft verblüffend. Selbst komplizierte Kurven können nach den
theoretischen Rechnungen nicht genauer gezeichnet werden, als der Oszillograph es
tut.
Für die drahtlose Telegraphie ist aber der Oszillograph leider nicht zu brauchen,
denn bei Schwingungen, die eine Million mal in der Sekunde erfolgen, kommt selbst
das kleinste Massensystem nicht mehr mit, da muß die träge Masse ganz eliminiert
werden. Auch das ist gelungen in der Braun sehen Röhre. Ein Kathodenstrahl, der sich
in einer Vakuumröhre mit nahezu Lichtgeschwindigkeit geradlinig fortpflanzt, hat die
Eigenschaft, durch elektrische und magnetische Felder aus seiner Bahn abgelenkt zu
werden, und da der Kathodenstrahl keine mechanische Masse, also auch keine Trägheit
besitzt, so folgt er momentan selbst den schnellsten elektrischen Vorgängen. Der
leuchtende Fluoreszenzfleck, den der Kathodenstrahl beim Auftreffen auf einen Schirm
hervorruft, verwandelt sich durch die Ablenkungen in eine leuchtende Kurve, ganz
ähnlich wie beim Oszillographen. Bei Messungen in der drahtlosen Telegraphie wird
diese Kurve eine Million mal in jeder Sekunde durchlaufen, bei 10 cm
Kurvenumfang bewegt sich der leuchtende Fleck also mit einer Geschwindigkeit von
100000 m i. d. Sek. Diese Messungen haben in vielen Fragen der drahtlosen
Telegraphie erst Aufklärung gebracht, bei denen alle übrigen Methoden versagt
hatten.
Wir sind am Ende unseres Rundganges angelangt und haben ein weites Gebiet rasch
durchwandert. Nur flüchtig freilich konnten wir betrachten, was gerade am Weg lag,
nur hie und da einen kleinen Ausblick in die Ferne gewinnen. Die interessantesten
Probleme liegen aber oft abseits und werden nur von dem gefunden, der mit Mühe und
Arbeit auf ungebahnten Wegen vordringt. Trotzdem dürfte schon dieser kurze
Spaziergang gezeigt haben, daß es ein großes und fruchtbares. Gebiet ist, in dem es
des Interessanten genug zu sehen und zu lernen gibt, und von dem auch in der Zukunft
noch viel zu erwarten ist.