Titel: POLYTECHNISCHE RUNDSCHAU.
Fundstelle: Band 326, Jahrgang 1911, S. 494
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POLYTECHNISCHE RUNDSCHAU. Polytechnische Rundschau. Die königliche Bibliothek in Berlin und die Technik behandelt ein Aufsatz von C. Matschoß in der Zeitschrift „Technik und Wirthschaft“ Jahrgang 1911 Heft V. Der Verfasser berührt damit eine sehr wunde Stelle des gesamten deutschen Bibliothekwesens. Er zeigt, welch lächerlich geringe Berücksichtigung die gewaltige technische Literatur in der größten Bibliothek Deutschlands gefunden hat und noch findet. Alle eigentlichen Universitätsfächer sind im denkbar größten Umfang vertreten, die gesamte Technik aber hat man mit „Philosophie, Pädagogik, Freimaurerei, Kunst, Landwirthschaft und Kriegswesen“ in eine Abteilung zusammengeworfen. Ueber Orientalia z.B. wird man in der Königlichen Bibliothek mehr erfahren können wie über die Technik, die doch sozusagen die Grundlage unserer modernen Zeit bildet. An vielen ergötzlichen Beispielen wird gezeigt, in welch summarischer Weise die Königliche Bibliothek mit den technischen Wissenschaften umspringt. Unter der Ueberschrift „Technologie“ führt ein großer Abschnitt die Bezeichnung „Körperliche Künste und Fertigkeiten“. Derselbe handelt von Schwimmen, Fechten, Tanzen, Ball-, Kegel-, Billard- und Kinderspielen, ein anderes Kapitel von Hazardspielen, wieder ein anderes von Seiltänzerei. Als Unterabteilung der letzteren ist der Begriff „Veloziped“ verzeichnet, und darunter ist die Geschichte der Adler-Fahrradwerke zu finden. Das Kapitel „Instrumente und Maschinen“ zerfällt in die Unterabteilungen: Fuhrwerke und dergl., Uhren, Verschiedenes, Aräometer, Druckluft-Technik und Anwendungen. „Eisenbahnwesen“ und „Dampfmaschinen “ fehlen ganz oder sind falsch katalogisiert. Man muß sagen, es ist eine beschämende Erscheinung, daß die größte Bibliothek eines Landes, das durch seine Technik groß geworden ist, die gesamte technische Wissenschaft in solch stiefmütterlicher Weise behandelt. Diese Behandlung beruht auf einer totalen Verkennung der geistigen Werte, die unsere technische Literatur einschließt, und wird nur dadurch erklärlich, daß sich der nicht technisch gebildete Bibliothekar in technischen Dingen als vollkommener Laie fühlt. Es muß von uns Ingenieuren energisch Verwahrung eingelegt werden gegen diese dauernde Nichtberücksichtigung unserer geistigen Interessen. Wir müssen die Forderung aufstellen, daß bei der bevorstehenden Neugestaltung der Königlichen Bibliothek ein sachkundiger Ingenieur mit der Ordnung der technischen Materien betraut werde, und daß auch fernerhin die Bearbeitung der technischen Gebiete einem technisch gebildeten Bibliothekar übertragen werde. Wir müssen ferner fordern, daß, um die schweren bisherigen Versäumnisse nachzuholen, auch die genügenden Geldmittel von der Regierung bereitgestellt werden. Wir sehen nicht ein, warum gerade die Industrie diese Mittel bewilligen soll, wie von der Bibliotheksleitung angeregt wurde. Das könnte zu demselben Abhängigkeitsverhältnis führen, wie wenn z.B. einer Universität von Seiten der Großindustrie ein Lehrstuhl für Nationalökonomie angeboten wird. Die technische Wissenschaft muß unabhängig bleiben mehr wie jede andere Disziplin. ––––– Verdampfungsversuche an einem mit Teerölfeuerungen ausgerüsteten Zweiflammrohrkessel wurden im November 1910 auf Zeche „König Ludwig“ vorgenommen. Die Bauart der verwendeten Düsen geht aus Fig. 1, 2 und 3, 4 hervor. Die erstere wurde bei den in Tab. 1 zusammengestellten Versuchen benutzt, während die Düse 2 zu den in Tab. 2 behandelten Versuchen gebaut wurde. Textabbildung Bd. 326, S. 493 Fig. 1. Textabbildung Bd. 326, S. 493 Fig. 2. Textabbildung Bd. 326, S. 493 Fig. 3. Textabbildung Bd. 326, S. 493 Fig. 4. Die erste Düse bestand aus zwei ineinander gesteckten, vorne konisch verjüngten Rohren. Durch das Innere der beiden Rohre wird das Teeröl zugeleitet. Die Teerölbehälter befinden sich oben auf den Dampfkesseln, liegen also höher wie die Düsen. Unter dem Einfluß des hydrostatischen Druckes tritt aus der Bohrung des inneren Rohres a ein dünner Brennstoffstrahl. In den zwischen den beiden Düsenrohren a und b liegenden Mantelraum wird durch ein Rohr e mit Verzweigungen e1, e2 Druckluft von 1,3 bis 1,4 at Spannung zugeführt, welche den austretenden Oelstrahl zerstäubt. Da sich die erste Düse im Dauerbetrieb häufig verstopfte, wurde in die zweite Düsenkonstruktion eine von Hand zu bedienende Reinigungsnadel eingebaut. Außerdem wurde in dem zwischen den beiden Düsenrohren liegenden Mantelraum ein spiralförmiger Zerstäuber g eingebaut, um eine bessere Zerstäubung und Mischung des Oeles mit der Preßluft zu erzielen. Tabelle 1. 1. Nr. des Versuchs I II 2. Datum des Versuchs 1. Nov. 1910 2. Nov. 1910 3. Dauer des Versuchs                       Std. 8 8 4. Brennmaterial Anthrazenöl Benzol-rückständeundNaphthalin Spezifisches Gewicht 1,104 1,053 Wassergehalt                               v. H. 0,05 Spur Entflammungspunkt                         °C 110 86 Es destillierten:          bei 220° C                           v. H. 0,5 0,2           „   220–230° C                       „ 6,7 5,9           „   230–240°C                        „ 19,1 85,3           darüber                                 „ fest 8,6 5. Dampfspannung, at Ueberdruck 5,2 5,2 6. Gesamtspeisewasserverbrauch        kg 11910 12150 7. Speisewassertemperatur                ° C 38 40 8. Gesamte Dampfmenge, Wasser von    0°C in Dampf von 100° C und    637 WE                                     kg 11537 11731 9. Dampfmenge                            kg/Std. 1442 1466,4 10. Gesamtbrennstoffverbrauch             kg 1078,9 1130,7 11. Brennstoffverbrauch                  kg/Std. 134,9 141,3 12. Aus 1 kg Brennstoff gewonnene     WE 6811,7 6609,0 13. In 1 kg Brennstoff enthaltene         WE. 8878 8981 14. Druck der Preßluft                          at 1,3 1,4 15. Preßluftverbrauch                 cbm/Std. 23,2 23,2 16. Preßluftverbrauch einer Düse        „ 11,6 11,6 17. Dampfverbrauch für Anwärmung des    Brennstoffs                         kg/Std. 51 51 18. Temperatur des Brennstoffs           °C 80 93 19. Durchschnittlicher Gehalt der Rauch-    gase an CO2                          v. H. 10,7 10,5 20. Durchschnittlicher Gehalt der Rauch-    gase an O 8,4 8,5 21. Luftbedarf 1,64 fach 1,65 fach 22. Temperatur im Feuerraum              °C 1498 1460 23. Durchschnittl. Temperatur der Rauch-    gase im Fuchs                          °C 312 309 24. Wassersäule d. Zugmessers i. Fuchs mm 6 6 Ergebnisse 1. Leistung von 1 kg Brennstoff, Dampf    von 637 WE                                kg 10,7 10,4 2. Leistung von 1 qm Heizfläche     kg/Std. 15,7 16,0 3. Gewinn in Form von Dampf.           v. H. 76,8 73,6 4. Verluste durch den Schornstein sowie    Leitung u. Strahlung (als Rest)   v. H. 23,2 26,4 Das Teeröl wurde bei den Versuchen durch eine Rohrschlange mit Heizdampf vorgewärmt. Ein Vorwärmen der Preßluft auf 200° C ergab keine Verbesserung der Leistung. Tabelle 2. 1. Nr. des Kontrollversuchs I II 2. Datum des Versuchs 27.4.1911 28.4.1911 3. Dauer des Versuchs                         Std. 8 8 4. Brennmaterial Benzolrückständeund Naphthalin 5. Dampfspannung at Ueberdruck 7,5 7,2 6. Gesamtspeisewasserverbrauch           kg 12945 14310 7. Speisewassertemperatur                    °C 59 54,5 8. Gesamte Dampfmenge, Wasser von    0°C in Dampf von 100°C und    637 WE                                       kg 12193,0 13569,0 9. Dampf menge                             kg/Std. 1524,1 1696,1 10. Gesamtbrennstoffverbrauch               kg 1142,5 1287,0 11. Brennstoffverbrauch                    kg/Std. 142,6 160,9 12. Aus 1 kg Brennstoff gewonnene      WE 6808,0 6710,0 13. In 1 kg Brennstoff enthaltene          WE 8955 8937 14. Druck der Preßluft                           at 0,95 1,1 15. Preßluftverbrauch für 2 Düsen  cbm/Std. 30,8 36,6 16. Preßluftverbrauch einer Düse   cbm Std. 15,4 18,3 17. Dampfverbrauch für Anwärmung des    Brennstoffs                           kg/Std. 40 52 18. Temperatur des Brennstoffs             °C 63 60 19. Durchschnittlicher Gehalt der Rauch-    gase an CO2                            v. H. 9,8 10,9 20. Durchschnittlicher Gehalt der Rauch-    gase an O                               v. H. 9,0 8,6 21. Luftbedarf. 1,71 fach 1,68 fach 22. Temperatur im Feuerraum               °C 1470 1480 Der erzielte Dampfpreis betrug (unter Zugrundelegung der Verhältnisse im Ruhrkohlenrevier) 2,40 M pro t. Die Verdampfungsleistung von 1 kg Brennstoff war um 25 v. H. höher als diejenige der besten Steinkohle. Tab. 1 und 2 geben eine Uebersicht über die erzielten Resultate. [Glückauf, 3. Juni 1911, S. 871.] ––––– Die größte Lokomotive der Welt wurde kürzlich von der Atchison, Topeka & Santa Fé Railway gebaut. Sie besitzt das kolossale Gewicht von 278 t, auf die zehn Treibachsen entfallen 248 t. Die Achslast beträgt also durchschnittlich 24,8 t. Die Achsen sind 2/10 bis 10/2 gekuppelt. Als Antriebsmaschine dient eine Zwillings-Verbund-Dampfmaschine. Die Zylinderdurchmesser derselben betragen 710/964 mm und der Hub 812 mm. Die Bestimmung der Lokomotive ist, schwere Güterzüge von 2000 t über eine sehr bergige, mit scharfen Steigungen und Krümmungen versehene Trace in Arizona zu schleppen. Da das Wasser in dem zu durchfahrenden Gebiet sehr knapp ist, wurde ein Tender von ungewöhnlicher Größe verwendet. Derselbe faßt 54,5 cbm Wasser und 18 cbm Heizöl. Der vollbeladene Tender wiegt 106 t, welches Gewicht auf zwei sechsrädrige Fahrgestelle verteilt ist. Maschine und Tender zusammen haben eine Länge von etwa 37 m und im betriebsfertigen Zustand ein Gewicht von 385 t. Trotz der kolossalen Länge des Kessels ist der eigentliche Verdampfungsraum verhältnismäßig kurz; die Siederohre sind nur ungefähr 5 m lang. Der vordere Teil des Rahmens enthält drei rohrförmige Raume, die durch die Feuerbüchsen getrennt sind, und welche die Rauchgase durchströmen müssen. Der eine dieser Raume bildet den Ueberhitzer für den zum Hochdruckzylinder strömenden Frischdampf; der zweite den Zwischenüberhitzer für den vom Hochdruckauspuff zum Niederdruckzylinder strömenden Dampf, der dritte den Speisewasservorwärmer. Steuerung: Walschaert-Steuerung mit Kolbenschiebern. Je fünf Treibachsen sind in der Weise gekuppelt, daß die Bewegung auf die mittlere Achse übertragen wird. Die Zugkraft der Lokomotive ist 50,5 t. Von den bisher größten Lokomotiven der Welt reicht keine auch nur annähernd an diesen Riesen heran, wie sich aus folgender Gegenüberstellung ergibt: Delaware& HudsonRailway SouthernPacificRailway Baltimoreand OhioRailway Gekuppelt 0-8-8-0 2-8-8-2 0-6-6-0 Gewicht t 198 190 150 [The Engineer 1911, S. 495.] ––––– Eine neue Aluminiumlegierung „Vanalium“ ist kürzlich in England von den Standard Alloys, Ltd., Stratford, auf den Markt gebracht worden. Es hat dasselbe spez. Gewicht wie reines Aluminium, aber weitaus größere Festigkeit. Die Zugfestigkeit beträgt 1700 kg/qcm für gegossenes, 3400 kg/qcm für gewalztes und 4700 kg/qcm für gezogenes Material. Es kann gebogen, gestaucht und geschmiedet werden; die Elastizitätsgrenze liegt bei etwa 1250 kg/qcm. Die Dehnung ist sehr hoch; sie beträgt ungefähr 6 v. H. für gegossenes Material. Durch die eigenartige Zusammensetzung der Legierung ist es gelungen, ein fast gar nicht elektrolytisches Metall zu erhalten. Dasselbe wird deshalb von Salzwasser nicht angegriffen. Ebenso widerstandsfähig zeigt es sich gegen atmosphärische Einflüsse, Schwefelwasserstoff, Kohlensäure usw. Durch Stöße oder Vibrationen wird es weder weich noch kristallinisch brüchig. Die Farbe des Metalls ist weiß, der Bruch feinkörnig und von seidenartigem Glanz. [The Metal Industry, Juni 1911.] ––––– Das dritte staatliche Wasserkraftwerk in Schweden., Außer den beiden in der Ausführung begriffenen Kraftwerken am Trollhätta und an den Porjus-Fällen ist beabsichtigt, die Ausnutzung der Alfkarleby-Fälle in der Nähe der Mündung des Dal Elf in der nächsten Zeit in Angriff zu nehmen. Die Aussichten eines Kraftwerkes an dieser Stelle sind nicht nur hinsichtlich der Wasserverhältnisse, sondern auch in bezug auf die Absatzmöglichkeiten für den erzeugten Strom als recht günstig zu bezeichnen, da eine Reihe von größeren Städten mit Bedarf für billigen Strom in nächster Nähe liegen. Die Vorarbeiten für diese Anlage reichen bis in das Jahr 1904 zurück, sind aber erst durch die Wasserkraftabteilung des Ministeriums so weit gefördert worden, daß eine Vorlage an die Regierung gemacht werden konnte. Die in Rede stehenden Wasserfälle sind die letzte Stufe einer ganzen Reihe von Fällen, welche der Dal etwa 8 km oberhalb seiner Mündung bildet, und liegen nebeneinander, getrennt durch Inseln. Die größte Fallhöhe beträgt bei Niedrigwasser etwa 15 m, innerhalb von 4 km flußaufwärts liegen aber noch mehrere andere Wasserfälle, nämlich Stallfors (1,75 m Höhe), Nygardsfors (1,5 m Höhe) und Lanfors (8,7 m Höhe). Nach den vorliegenden Plänen ist in Aussicht genommen, die beiden zunächstliegenden Wasserfälle mit in die Stauanlage einzubeziehen, also die drei Teile der Alfkarleby-Fälle durch einen Damm abzuschließen, dessen größte Stauhöhe bis zum Unterwasser der in Privatbesitz befindlichen Lanfors-Fälle reichen soll. Das so geschaffene Staubecken würde eine vorübergehende starke Ueberlastung des Kraftwerkes gestatten. Von diesem Staubecken führt ein 250 m langer, mit Stoney-Schützen absperrbarer Oberwasserkanal zu dem auf dem rechten Flußufer gelegenen Kraftwerk, das durch einen kurzen Unterwasserkanal mit dem Fluß verbunden wird. Durch den erwähnten Staudamm wird ein Gefälle von 18,5 m bei niedrigem, bis zu 19,8 m bei hohem Wasserstande verfügbar gemacht. Die verfügbare Wassermenge ist aber sehr groß. Sie läßt sich nach den angestellten Berechnungen im Jahresmittel auf 170 cbm i. d. Sek. veranschlagen und durch bereits ausgearbeitete Seeregulierungen derart gleichmäßig gestalten, daß auch bei niedrigem Wasserstande auf eine gleichbleibende 24 Stunden-Abflußmenge von 135 bis 200 cbm i. d. Sek. gerechnet werden kann. Der Bau des Kraftwerkes ist in drei Ausbaustufen in Aussicht genommen. Für den ersten Ausbau mit 18 000 PS Turbinenleistung und entsprechenden Reserven ist ein Kostenaufwand von etwa 9500000 M vorgesehen, die zweite Stufe mit 27000 PS Gesamtleistung soll einen weiteren Aufwand von 600000 M erfordern, und der letzte Ausbau auf 45000 PS 460000 M. Obgleich Stockholm in nicht ganz 150 km Entfernung von dem Werke liegt, kann an die Uebertragung des Stromes dorthin zunächst noch nicht gedacht werden, da nach den angestellten Erhebungen die bei dem ersten Ausbau verfügbare Leistung bereits durch die nähergelegenen Städte voll beansprucht werden wird. [Engineering 1911, I, S. 288.] H.