Titel: | Der heutige Stand im Dampfturbinenbau. |
Autor: | Meuth |
Fundstelle: | Band 326, Jahrgang 1911, S. 376 |
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Der heutige Stand im
Dampfturbinenbau.
Von Bauinspektor Dr.-Ing. Meuth,
Stuttgart.
(Fortsetzung von S. 357 d. Bd.)
Der heutige Stand im Dampfturbinenbau.
Als eine aussichtsreiche Lösung des Turbinenbetriebs für Schiffspropeller darf
der sog. „hydraulische Transformator“ von Dr. FöttingerD. p. J. 1910, Bd.
325, S. 206. angesehen werden. Auf der Turbinenwelle sitzt eine
Kreiselpumpe, welche mit der güngstigsten Geschwindigkeit läuft; sie beaufschlagt
eine unmittelbar damit zusammenhängende Turbine, die auf der Propellerwelle
sitzt. Das als Treibmittel der letzteren benutzte Wasser läuft der Kreiselpumpe
wieder zu. Durch die Wahl der Schaufelung und der Stufenzahl kann das gewünschte
Uebersetzungsverhältnis erreicht werden Fig. 3a gibt
die primitivste Anordnung eines solchen Transformators wieder. I ist die Antriebswelle, auf welcher die Kreiselpumpe
A sitzt; H ist die
Propellerwelle mit dem Turbinenrad B, welehes das
Triebwasser der Kreiselpumpe unmittelbar aufnimmt, das dann durch den festen Kanal
C der Kreiselpumpe wieder zufließt. Zwischen A und B kann auch ein
fester Umlaufkanal zwischengeschaltet und damit erreicht werden, daß das sekundäre
Rad in anderem Drehsinn umläuft als bei der ersten Anordnung. In der rechten Hälfte
von Fig. 3b findet sich ein solcher Umleitkanal
zwischen das primäre und sekundäre Rad zwischengeschaltet und in dieser Kombination
zweier Transformatoren wird die Einrichtung auch umsteuerbar. In Fig. 3b dient die linke Hälfte für den Vorwärtsgang,
die rechte für den Rückwärtsgang. A ist das Rad der
Kreiselpumpe, die auf der Turbinenwelle sitzt. B und
D gehören zu der Turbine auf der Propellerwelle,
die hier doppelkränzig ausgeführt ist, um das Uebersetzungsverhältnis ins Langsame
zu vergrößern, der ringförmige Umleitkanal C verbindet
die erste Stufe mit der zweiten; aus dem zweiten Radkranz D strömt dann das Betriebswasser wieder der Kreiselpumpe A zu und beginnt seinen Kreislauf von neuem. Dicht
neben diesem hydraulischen Umformer ist ein zweiter für den Rückwärtsgang
angeordnet; letzterer weist indessen nur eine einstufige Turbine auf. Hier ist E das Schleuderrad der Kreiselpumpe, F ein Umleitkanal, und G das Schaufelrad der
Rückwärtsturbine. Fig. 4 veranschaulicht die erste
Ausführung eines Föttinger-Transformators für den
Antrieb durch eine 500 PS-Dampfturbine. Die Bezeichnungen sind dieselben wie in der
schematischen Fig. 3b. Wenn umgesteuert werden soll,
wird das Betriebswasser aus dem Gehäuse der Vorwärtsturbine auslaufen gelassen und
der Rückwärtsturbine durch Kanal Q frisches
Betriebswasser zugeführt. Es wird dies einfach durch Umstellen des Steuerventiles,
das unter dem Transformator angeordnet ist, erreicht. Die Dampfturbine läuft dabei
in unverändertem Drehsinn weiter.
Textabbildung Bd. 326, S. 377
Fig. 3a.Föttinger-Transformator einfachster Art.
Textabbildung Bd. 326, S. 377
Fig. 3b.Umsteuerbarer Transformator.
Eine weitere Vereinfachung dieser Einrichtung ist bereits zur Ausführung gebracht
dadurch, daß mit Hilfe eines verschiebbaren Leitrades nur ein einziger Kreislauf des
Wassers für Vor- und Rückwärtsgang stattfindet. Das verschiebbare Leitrad kann auch
dazu verwendet werden, das Uebersetzungsverhältnis durch einfaches Umstellen
für verschiedene Fahrgeschwindigkeiten zu ändern. Mit dem hydraulischen
Transformator kann annähernd die gleiche Kraftleistung für den Rückwärtsgang wie für
den Vorwärtsgang entwickelt werden.
Der Transformator arbeitet mit einem verhältnismäßig guten Wirkungsgrad, namentlich
dadurch, daß infolge der engen Verbindung von Pumpe und Turbine größere
Reibungsverluste und durch die direkte Ausnutzung der Geschwindigkeit die Verluste
durch die Umsetzung in Druck und dann wieder in Geschwindigkeit vermieden sind. Auch
die Austrittsgeschwindigkeit aus dem Turbinenrad geht nicht verloren. Versuche an
einer vom Stettiner Vulkan gebauten ersten Anlage haben
ergeben, daß sich im günstigsten Falle ein Wirkungsgrad von 83 v. H. erreichen läßt
bei vier- bis fünffacher Uebersetzung der Geschwindigkeiten der Dampfturbinen- und
Propellerwelle. Dieser Wirkungsgrad kann noch etwa um 4 v. H. erhöht werden, wenn
das Betriebswasser, an welches zum großen Teil die Verlustarbeit in Form von Wärme
übergeht, zur Kesselspeisung verwendet wird. Aber auch schon mit einem Wirkungsgrad
von etwa 80 v. H. kann der Transformator mit dem direkten Dampfturbinenantrieb in
Konkurrenz treten wegen des geringeren Wirkungsgrades der raschlaufenden Propeller
und der langsamer laufenden Dampfturbinen.
Textabbildung Bd. 326, S. 377
Fig. 4.
Die Energieausnutzung in heutigen Schiffsturbinen bei direktem Propellerantrieb
arbeiten mit einem Wirkungsgrad von 55–60 v. H., die Propeller mit einem
Wirkungsgrad von 62 bis ausnahmsweise 73 v. H. Das ergibt einen Gesamtwirkungsgrad
von bestenfalls 42 v. H. Bei Anwendung eines Föttinger-Transformators kann die Dampfturbine mit ihrer günstigsten
Geschwindigkeit laufen und annähernd den Wirkungsgrad guter ortsfester Anlagen
erreichen, also etwa einen Wirkungsgrad 67 bis 70 v. H. Der Propeller wird dabei
ebenfalls mit günstigster Umdrehungszahl arbeiten und einen Wirkungsgrad wie bei Antrieb durch
Kolbenmaschinen von 76–80 v. H. erreichen, so daß auch bei Annahme der niedersten
Werte und bei 80 v. H. Wirkungsgrad des Transformators ein annähernd gleicher
Wirkungsgrad wie bestenfalls bei direktem Turbinenantrieb erreicht wird. Mit
weiterer Verbesserung des Transformators tritt seine Ueberlegenheit immer mehr
hervor. Nach neueren Mitteilungen ist bei einer 500 PS-Anlage auf einem mit
Sauggasmaschinen betriebenen Schiff ein Transformatorwirkungsgrad von 88 v. H.
erreicht worden. Solange es nicht gelingt, raschlaufende Propeller mit genügend
hohem Wirkungsgrad zu bauen, wird dem Föttinger-Transformator eine große Bedeutung zukommen, zumal die bisherigen
Versuchsfahrten zu keinem Bedenken über die Betriebssicherheit des Zwischengliedes
Anlaß gegeben haben. Das Umsteuern ging stets rasch und glatt vor sich; es vergingen
z.B. bei dem Versuchsschiff beim Uebergang von höchster Tourenzahl vorwärts bis zur
höchsten Tourenzahl rückwärts nur etwa 15 Sek. Schon 4–5 Sek. nach Zurückstellen des
Steuerschiebers von „Voraus“ auf „Rückwärts“ stand die Sekundärwelle
aus forcierter Fahrt still, um nach weiteren 10 Sek. eine Rückwärtstourenzahl von
200 bis 250 zu erzeichen, während die Dampfturbine in gleichem Sinn und mit
annähernd gleicher Geschwindigkeit weiterlief.
Große Vorteile bringt der Föttinger-Transformator auch
durch die Raum- und Gewichtsersparnis, namentlich bei großen Kriegsschiffen. So
beträgt bei einer Installation von 30000 PS, die auf drei Wellen mit 275 Umdrehungen
i. d. Min. verteilt sind, die Gesamtlänge der Maschine 15,6 m, die Grundfläche 312
qm und das Gewicht einschl. Propeller 724 t. Bei Anordnung eines Föttinger-Transformators hat man berechnet, daß für
eine Propellertourenzahl von 125 i. d. Min. und bei 720 Touren der Antriebsmaschine
die Gesamtlänge 12 m, die Grundfläche 240 qm und das Gesamtgewicht 600 t beträgt,
daß also nach jeder Richtung eine Ersparnis erzielt wird.
Der Erfinder beschäftigt sich zurzeit auch mit der Anwendung seines Transformators
auf ortsfeste Anlagen, z.B. für den Antrieb von Walzenstraßen mit und ohne Umkehr
der Drehrichtung.
Im Folgenden werden die Ausführungen einer Reihe von Dampfturbinen besprochen und
durch Abbildungen veranschaulicht mit Beschränkung auf die Konstruktionen deutscher
Fabriken und von Firmen des deutschen Sprachgebietes.
4. Reine und kombinierte
Ueberdruckturbinen.
Brown-Boveri & Co.
haben in ihren Werkstätten in Baden (Schweiz) und Mannheim als eine der ersten
Firmen auf dem Kontinent den Bau von Parsons-Turbinen
aufgenommen und durch schrittweise Vervollkommnung und durch eine hervorragende
Ausführung zu einem guten Teil zu der großen Verbreitung der Parsons-Turbine beigetragen. Die Mängel, welche der ursprünglichen Parsons-Turbine anhafteten: ihre allzugroße Baulänge,
die Empfindlichkeit gegenüber plötzlichen Temperaturschwankungen namentlich bei der
Inbetriebsetzung, können bei den neuen Konstruktionen als beseitigt gelten.
Die neuere Ausführungsform der reinen Parsons-Turbine
erscheint gegenüber der älteren bedeutend zusammengedrängt. Um große
Temperaturunterschiede im rotierenden Teil beim Einlassen des Frischdampfes zu
vermeiden, ist der vordere Teil der Trommel heizbar gemacht; die Verbindung der
Welle mit diesem Teil der Trommel ist mittels Bajonettverschluß hergestellt; ferner
ist der Niederdruckentlastungskolben am Ende des Niederdruckteils der Trommel
angeordnet. Dadurch wie durch die vollkommen symmetrische Ausbildung des Gehäuses
ist den einseitigen Wärmedehnungen, welche bei raschem Anlassen aus dem kalten
Zustand auftreten und die Maschine in Gefahr bringen, wirksam begegnet.
Textabbildung Bd. 326, S. 378
Fig. 5.Regulator der Brown-Boveri-Parsonsturbine.
Die Abdichtung der Welle nach außen, welche sowohl vorn wie hinten nur das Eindringen
von Luft zu verhindern hat, geschieht durch die Labyrinthwirkung von Rillen an der
Welle, welche derselben eine genügende Längsbeweglichkeit lassen. An einer Stelle
wird etwas Dampf zugeführt, dessen Austritt nach außen in leichten Wolken anzeigt,
daß die Dichtung nach innen vollkommen Abschluß gibt. Die Wellenlager haben bei
langsam laufenden Turbinen (unter 1500 Umdr.) einfache mit Weißmetall ausgegossene
Schalen, die in einer Kugelfläche gestützt sind und so der Welle eine kleine
Querbeweglichkeit gestatten. Für höhere Umdrehungszahlen werden die bekannten
Mehrbüchsenlager von Parsons verwendet. Durch die
kleine Exzentrizität, welche diese ineinandergeschobenen Büchsen haben, kann die
Welle durch Verdrehen der Büchsen sehr genau eingestellt werden. Der geringere Spielraum
zwischen den einzelnen Büchsen ist mit Drucköl ausgefüllt, welches etwa auftretende
Stöße mildert.
Textabbildung Bd. 326, S. 379
Fig. 6.Selbsttätiges Zusatzventil der Brown-Boveri-Parsonsturbine.
Statt der früheren Regulierung mittels eines durch Dampf gesteuerten Relais kommt
jetzt eine sehr einfache Druckölsteuerung zur Ausführung. Fig. 5 stellt dieselbe dar. Durch die Turbinenwelle E erhält die Regulatorspindel D, die bei G und F gelagert ist, mittels eines Schneckengetriebes ihren Antrieb. Am unteren
Ende der Regulatorspindel sitzt die Oelpumpe R, welche
das Preßöl erzeugt, das unter einen federbelasteten Kolben auf der Spindel des
Dampfeinlaßventils geleitet wird. Es steht nun der Abfluß des Oels unter diesem
Kolben und somit auch der Oeldruck unter demselben direkt unter dem Einfluß des
Federregulators J. Das Oelabführungsrohr T mündet in eine Kammer im Reguliergehäuse M. Die Oeffnungen dieser Kammer nach dem Innern des
Gehäuses werden durch die besonders ausgebildete Regulatorhülse K je nach deren Stellung mehr oder weniger geöffnet,
und zwar so, daß bei einer Entlastung die Oeffnung für den Oeldurchlaß größer, der
Oeldruck unter dem Steuerkolben also kleiner wird, so daß die Feder über demselben
das Einlaßventil etwas schließt. Umgekehrt findet bei Belastungszunahme durch
Verengung der Austrittsöffnungen für das Oel eine Zunahme des Oeldruckes und eine
entsprechend größere Oeffnung des Einlaßventils statt. Das aus der Kammer
austretende Oel fließt in das ganz geschlossene Regulatorgehäuse A, B, C und schmiert zugleich alle beweglichen Teile
darin. Den Abschlußkanten der Regulatorhülse ist eine geringe Abschrägung gegeben,
so daß bei jeder Umdrehung derselben die Austrittsöffnungen für das Oel abwechselnd
etwas vergrößert und verkleinert werden. Auf diese einfache Weise wird mit jeder
Umdrehung eine kleine Schwankung des Oeldruckes hervorgerufen, welche genügt, das
Einlaßventil in kleinen oszillierenden Bewegungen zu erhalten, die sich in der
Minute etwa 300 mal wiederholen. Die Empfindlichkeit der Regulierung wird dadurch
sehr erhöht. Dadurch, daß hier die Regulatormuffe selbst als Steuerorgan dient und
jede weitere Uebertragung der Regulatorbewegung auf das Regulierventil durch
Hebel und Gestänge wegfällt, ist diese neue Reguliereinrichtung außerordentlich
einfach. Sie gewährt indessen für sich allein nur eine Regulierung durch Drosselung
des Frischdampfes. Um den vollen Kesseldruck auch bei kleineren Belastungsstufen
auszunutzen, wendet Brown-Boveri bei ihren mit Curtis-Rädern ausgerüsteten Turbinen mehrere
Zusatzventile an, die den Dampf zu den einzelnen Düsen zu- und abschalten. Dieses
Zu- und Abschalten geschieht ganz unabhängig von der Bewegung des Regulators,
vollkommen selbsttätig. In Fig. 8 ist ein solches
selbsttätiges Düsenventil bei A zu erkennen. Fig. 6 erläutert die Wirkungsweise dieses
selbsttätigen Zusatzventils, das hier für die Dampfzuführung zu einer späteren Stufe
zum Zwecke der Ueberlastung dient. Der Raum über dem Kolben d steht in Verbindung mit dem Raum vor dem Regulierventil, in welchem
annähernd der Kesseldruck herrscht. Im Raum i herrscht
die Pressung des durch das Regulierventil gedrosselten Dampfes; dieser Druck ist um
so höher, je mehr das Regulierventil geöffnet ist. Steigt also die Belastung der
Turbine und öffnet dabei der Regulator das Regulierventil etwas mehr, so nimmt auch
der Druck im Raum i zu und die Pressung auf die untere
Fläche des selbsttätigen Ventils K überwiegt die
Pressung des Frischdampfes auf die obere Ringfläche des Kolbens d, das Ventil wird gehoben und Frischdampf gelangt zu
einer späteren Druckstufe bezw. zu einer weiteren Düse. In gleicher Weise wird der
Dampfzutritt zu einer Düse durch Schließen des Ventils aufgehoben, so bald infolge
geringer Belastung und entsprechender Druckverminderung des Dampfes im Raum i der Druck des Frischdampfes auf die obere Fläche des
Kolbens d überwiegt. Der am Umfang des mit reichlichem
Spiel eingesetzten Ventils durchschlüpfende Dampf wird durch Bohrung f zur Abdichtung in die Stopfbüchsen geleitet. Ebenso
schließen sich Ueberlastungsventile durch den Ueberdruck des Frischdampfes
selbsttätig, sobald der Druck in der Stufe, welcher sie vorgeschaltet sind, infolge
Belastungsabnahme sinkt. Durch Einstellen der Feder kann der Wirkungsbereich des
Ventils verändert werden.
Textabbildung Bd. 326, S. 379
Fig. 7.Frischdampf-Abdampfturbine von Brown-Boveri.
Bei H in Fig. 5 befindet
sich ein Sicherheitsregulator, der bei Ueberschreitung einer höchsten zulässigen
Tourenzahl den Sperrhebel X verstellt und das
Hauptabsperrventil schließt. Die Tourenzahl der Turbine kann in engen Grenzen (5 v.
H.) durch Drehen des Rades A1 (mit Hilfe eines magnetischen Fernschaltwerkes auch von einem beliebigen
Punkte aus) verändert werden dadurch, daß die Regulatorhülse vermittels Kegelräder
L und Gewinde gehoben oder gesenkt wird, wodurch der Oelaustritt
verändert wird. Der geänderte Oeldruck bedingt eine andere Stellung des
Einlaßventiles und bei gleicher Belastung der Maschine eine Aenderung der
Tourenzahl. Eine Oelbremse B1 dämpft die pendelnden Bewegungen der Hülse nach plötzlichen
Belastungsänderungen. D1 ist ein Tourenzähler.
Für sehr große Leistungen wird die Turbine in zwei Gehäusen ausgeführt schon mit
Rücksicht auf die für den Transport einzuhaltende Länge des Gehäuses, aber auch mit
Rücksicht auf die ungleichen Wärmedehnungen und die großen Lagerabstände der langen
Trommeln. Wegen des großen arbeitenden Dampfvolumens im Niederdruckteil ist die
Dampfströmung hier gewöhnlich geteilt, wie aus Fig.
7 hervorgeht. Der Dampf wird auch vielfach in der Mitte des
Niederdruckteils zugeführt und strömt nach rechts und links ab. Bei Turbinen, welche
ausschließlich mit Abdampf betrieben werden und mit hohem Vakuum arbeiten, ist dies
stets der Fall. Hier fehlt der Hoch- und Mitteldruckteil; der Dampf tritt an beiden
Enden der Turbine je durch ein besonderes Abdampfrohr aus. Durch die gegenläufige
Dampfströmung findet hier ohne weiteres der Druckausgleich statt, so daß besondere
Ausgleichkolben hier wegfallen. Fig. 7 stellt eine
Turbine für gemischten Betrieb dar; sie ist sowohl für die Verarbeitung von
Frischdampf wie von Abdampf eingerichtet für die Fälle, wo Abdampf zeitweise nicht
in genügender Menge zur Verfügung steht, die volle Turbinenleistung aber verlangt
wird. Es kommt dies häufig in Bergwerks- und Hüttenbetrieben vor, wo die
Abdampfturbine gewöhnlich die elektrische Energie zu liefern hat, auch dann, wenn
die Kolbenmaschinen zeitweise stilliegen. Um auch in diesen Fällen wirtschaftlich zu
arbeiten, tritt der Frischdampf bei B in die
Hochdruckturbine und weiterhin in den Niederdruckteil. Bei Betrieb mit Abdampf tritt
derselbe bei A in den Niederdruckteil ein, während der
Hochdruckteil leer mitläuft. Die beiden Regulierventile C und D stehen unter der Einwirkung des
gemeinsamen Regulators E, welcher das Hochdruckventil
erst öffnet, wenn das Niederdruckeinlaßventil ganz geöffnet ist und die notwendige
Abdampfmenge für die jeweilige Belastung nicht mehr ausreicht.
Nach eingehender Erprobung bringen Brown-Boveri
neuerdings eine kombinierte Bauart ihrer Turbinen auf den Markt, bestehend aus einer
Parsons-Reaktionsturbine im Mittel- und
Niederdruckteil mit vorgeschaltetem Aktionsrad als Hochdruckteil. Fig. 8 zeigt einen Schnitt durch eine solche
Turbine. Die Baulänge wird durch das Aktionsrad, das gewöhnlich mit zwei
Geschwindigkeitsstufen ausgeführt wird, wesentlich kürzer als bei der reinen Parsons-Turbine. Im übrigen weist diese Ausführung
dieselben konstruktiven Einzelheiten auf wie die normale Parsons-Turbine von Brown-Boveri. Auch hier
ist die in Fig. 5 dargestellte Reguliervorrichtung
in Verbindung mit einem Zusatzventil angeordnet, das aber hier nicht wie bei der
reinen Parsons-Bauart Frischdampf zu einer späteren
Expansionsstufe zuführt, sondern einen weiteren Düsensatz für die Beaufschlagung des
Aktionsrades zuschaltet; auf diese Weise wird der Vorteil annähernd gleichhohen
Anfangsdruckes erreicht.
Textabbildung Bd. 326, S. 380
Fig. 8.Brown-Boveri-Parsonsturbine mit vorgeschaltetem Curtisrad.
Textabbildung Bd. 326, S. 380
Fig. 9.Hochdruckrad der Brown-Boveri-Parsons-Turbine.
Das Laufrad der Aktionsturbine (Fig. 9) hat zwei
Schaufelkränze aus Spezialbronze. Die Schaufeln sitzen in schwalbenschwanzförmigen,
in den Kranz eingedrehten Rillen und werden durch passende Zwischenstücke
auseinandergehalten. Die zuletzt eingesetzte Schaufel hat einen verlängerten Fuß,
der in ein entsprechendes radiales Loch in der Rille gesteckt und an der inneren
Seite des Scheibenkranzes vernietet wird. Ein- und Austrittswinkel der Laufschaufeln
sind ungleich. Bei den Schaufeln der Geschwindigkeitsstufenräder ist mit einer
größeren Abnutzung zu rechnen. Die diesbezügliche Bemerkung von Brown-Boveri, daß die Abnutzung von der Größe der zur
Energieübertragung zur Verfügung stehenden Arbeits-, also hier der Schaufelfläche,
abhängt, ist durchaus zutreffend; ebenso wie bei anderen Maschinenteilen, welche
Energie zu übertragen haben. So ist denn auch bei der großen Uebertragungsfläche der
vollbeaufschlagten Parsons-Turbine selbst nach
jahrelangem Betrieb nicht die geringste Abnutzung festgestellt
Tabelle 1.
Stadt. Elektrizitätswerk Frankfurt a.
M.Einphasen-Wechselstrom-Turbogeneratoren
ElektrizitätswerkHagen i.
W.Dreiphasen-Wechselstrom
K. Sachs. Staats-eisenb. in
ChemnitzDreiphasen-Wechselstrom
Nr. 1
Nr. 2
Nr. 3
Nr. 4
Leistung
KW
3500
3500
5000
650
Belastung „
3521,6
1542,6
3053
1539,9
3320
864,5
659,6
276,5
Tourenzahl
1360
1360
1360
1360
1500
1500
3000
3000
Dampfdruck am Einlaß kg/qcm abs.
11,0
10,97
10,52
10,62
12,72
13,0
11,1
11,25
Dampftemperatur am Einlaß °C
258,8
234,9
263,4
270,5
274
227,9
310,7
271,4
Vakuum v.
H.
96,5
97,5
96,9
97,75
97
98
87,9
89,4
Dampfverbrauch pro KW/Std. gemessen kg
6,22
7,13
5,9
6,39
6,13
8,71
7,36
8,19
Dampfverbrauch auf 300° C reduziert
5,77
6,32
5,52
6,06
5,88
7,70
6,37
6,78
Thermischer Wirkungsgrad auf elektr.
Leistung bezogen v.
H.
64
–
67
–
62,3
–
62
–
Dynamo-Wirkungsgrad „
94
–
94
–
92
–
91,5
–
Thermischer Wirkungsgrad auf effekt.
Tur- binenleistung bezogen
68,5
–
71,5
–
68
–
68–
worden, während die Schaufeln von Gleichdruckturbinen, in
erster Linie solcher mit Geschwindigkeitsstufen, namentlich bei Benutzung feuchten
oder nicht ganz reinen Dampfes, nach kürzerer Zeit einer Erneuerung bedürfen. Diese
ist jedoch bei den meisten Bauarten einfach und ohne große Kosten auszuführen. Eine
erhebliche Verschlechterung der Energieumsetzung tritt erst bei stark
vorgeschrittener Schaufelabnutzung auf.
Die Anordnung eines Hochdruck-Curtis-Rades bietet in
erster Linie bei Verwendung hochgespannten Dampfes Vorteile. Das geringe
Dampfvolumen bedingt in diesem Falle bei dem Hochdruckteil der Parsons-Turbine eine sehr kleine Schaufellänge, die für
die Ausnutzung des Dampfes, wie schon eingangs erwähnt, sehr ungünstig ist.
Andererseits ist aber der Wirkungsgrad der Curtisräder
geringer als derjenige einer Parsons-Turbine, und es
bedarf in jedem Falle einer besonderen Erwägung, wieweit die Vorteile der einen und
anderen Bauart überwiegen. Bei großen Leistungen und entsprechend großen zu
verarbeitenden Dampfmengen werden auch die Schaufellängen des Hochdruckteiles einer
Parsons-Turbine genügend groß, so daß hier noch die
reine Parsons-Bauart ausgeführt wird. Um in
wärmeökonomischer Beziehung die Grenze für die Anordnung eines Curtis-Rades zu bestimmen, sind schon vor einigen
Jahren von Brown-Boveri eingehende Versuche an einer
1000 KW-Turbine gemacht worden. Es ergab sich dabei ein Wirkungsgrad des
Hochdruckaktionsrades zu no 53 v. H. gegenüber etwa 75 v. H. des Mittel- und
Niederdruckteiles. Der Gesamtwirkungsgrad wurde natürlich in diesem Falle durch den
geringen Wirkungsgrad des Hochdruckteiles heruntergedrückt umsomehr, als dieser etwa
⅓ der verfügbaren Dampfenergie aufnahm, aber nur ⅓ davon zur Gesamtleistung
beitrug.
Nach diesen Versuchen würde die Grenze für die reine Parsons-Turbine etwa bei 1000 PS liegen. Darunter ist ein Curtis-Rad im Hochdruckteil vorteilhafter. Nach neueren
Mitteilungen sind mit Hochdruck-Curtis-Rädern mit zwei
Geschwindigkeitsstufen Wirkungsgrade bis zu 65 v. H. erreicht worden; dadurch
würde die Grenze für die Anwendung von Curtis-Rädern im
Hochdruckteil weit hinaufgerückt. Auch für Turbinen mit gemischtem Betrieb, für
Abdampf- und Anzapfturbinen wird für die Hochdruckstufe in der Regel ein Curtis-Rad angeordnet.
Bei den großen Einheiten kommt natürlich die Ueberlegenheit der Parsons-Turbine im Hochdruckteil gegenüber dem Curtis-Rad sehr in Betracht. Der Unterschied macht
mehrere Zehntel kg Dampf pro Kilowattstunde aus; schon ein Mehrbetrag von 1/10 kg verursacht
bei einer 10000 KW-Maschine, die täglich 10 Stunden mit voller Belastung arbeitet,
einen jährlichen Mehraufwand für Kohlen von etwa 6000 M. Brown-Boveri führen daher große Turbinen, solche von über 5000 PS, als
reine Parsons-Turbinen aus. Größere Turbinen werden ja
schon wegen der Größe der Gußstücke in zwei Gehäusen ausgeführt; dadurch ist den
Nachteilen durch die Wärmedehnung und durch die großen Lagerentfernungen schon
wirksam begegnet. Neuerdings sind fünf Turbinen von je 22500 PS Leistung für ein
Pariser Kraftwerk und eine weitere gleichgroße Maschine für das Westfälische
Elektrizitätswerk in Essen im Bau.
In Tab. 1 sind die Resultate einiger neuerer Turbinen von Brown-Boveri zusammengestellt. Bei den im Betriebe vorgenommenen Versuchen
konnten nicht die Dampfverhältnisse eingehalten werden, für welche die Turbinen
gebaut waren; es ist deshalb die Umrechnung auf den Dampfverbrauch bei dem richtigen
Dampfzustand vorgenommen. Die Turbinen Nr. 2 und 3 konnten auch wegen zu geringen
Kesseldruckes bezw. wegen nicht genügender Netzbelastung nicht voll belastet werden.
Die Resultate müssen unter Berücksichtigung dieser Umstände als sehr günstig
bezeichnet werden. Bei der Turbine Nr. 2 betrug z.B. der Dampfverbrauch für die
effektive PS/Std. 4,1 kg, entsprechend einem Wärmeverbrauch von 2900 Wärmeeinheiten
für die effektive PS/Std., d. i. eine Ausnutzung der Dampfenergie von 22 v. H.
(Fortsetzung folgt.)