Titel: | Der größte Trockenbagger der Welt. |
Fundstelle: | Band 326, Jahrgang 1911, S. 284 |
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Der größte Trockenbagger der Welt.
Gebaut von der Lübecker Maschinenbau-Gesellschaft.
Von Ingenieur Hubert Hermanns,
Aachen.
Der größte Trockenbagger der Welt.
Die ganz außerordentliche und ungeahnte Entwicklung, die, hervorgerufen durch
die starken Produktionssteigerungen der verschiedensten Industrien, in neuerer Zeit
der moderne Verkehr genommen hat, bringt es mit sich, daß auch die Verkehrswege eine
entsprechende Erweiterung und Vermehrung erfahren müssen. Nicht nur werden
bestehende Verkehrsanlagen, in der Hauptsache Eisenbahnen und Kanäle, stetig
verbreitert bezw. vertieft, sondern auch stellt sich fortwährend die Notwendigkeit
heraus, neue Verkehrswege zu schaffen, um den außerordentlich vermehrten Ansprüchen
gerecht werden zu können. Mit der gesteigerten Herstellung dieser Verkehrswege geht
die Entwicklung der mechanischen Hilfsmittel zur Bewegung der Erdmassen für die
Herstellung der Verkehrswege Hand in Hand. Größere Leistungen sucht man sowohl
dadurch zu erreichen, daß man vorhandene Einrichtungen bis zur Grenze ihrer
Leistungsfähigkeit ausnutzt, wobei auch manchmal noch Nachtarbeit zu Hilfe genommen
wird, als auch man bestrebt ist, neuerdings Abraummaschinen von solchen
Leistungsziffern und Abmessungen zu bauen, die schlechterdings als ins Riesenhafte
gehend bezeichnet werden müssen. Nicht zum wenigsten ist es die deutsche
Baggertechnik, die in der Entwicklung und Verbesserung dieser Hilfsmaschinen eine
führende Stellung einnimmt. Es dürfte daher wohl angebracht sein, nachstehend die
Beschreibung des größten bisher überhaupt gebauten Trockenbaggers zu geben.
Der Trockenbagger ist in Fig. 1 nach einer während
des Betriebes aufgenommenen Photographie wiedergegeben. Es seien zunächst einige
Angaben hinsichtlich der Abmessungen und Leistungszahlen gemacht:
Höhe der Durchfahrtsöffnung über
Schienen- oberkante
3200 mm
Breite der Durchfahrtsöffnung
3600 „
Eimerinhalt
500 l
Ausschüttleistung i. d. Min
32 Eimer
Theoretische Leistung des Baggers
960 cbm/Std.
Effektive Leistung bei 70 v. H. Füllung der
Eimer
700 „
Erzielte Höchstleistung
896 „
Größte Baggertiefe
22 m
Größte Leiterneigung
45°
Größte Baggertiefe bei 32° Leiterneigung
15 m
Größte Abtragshöhe
17 m
Der Bagger ist als Portalbagger gebaut und besitzt zwei durch Klappen verschließbare
Ausschüttöffnungen, die mittels oszillierender Luftdruckzylinder betätigt werden.
Die Speisung der Zylinder erfolgt durch eine mittels eines kleinen Elektromotors
angetriebene Luftdruckpumpe. Der Bagger kann sowohl als Hoch- wie auch als
Tiefbagger benutzt werden. Bei der Verwendung als Hochbagger wird die
Tiefbaggerleiter zum größten Teil ausgenutzt. Wie schon angegeben, erreicht man
hierbei eine größte Abtragshöhe von 17 m mit geführter oder durchhängender Kette, da
die als Gitterträger ausgeführte Eimerleiter sowohl für geführte als auch für
durchhängende Eimerkette verwendet werden kann.
Bei Tiefbaggerung ist die Eimerleiter mittels eines Flaschenzuges und kräftiger
Ketten an einer eisernen Auslegerkonstruktion aufgehängt, während sie bei
Hochbaggerung in zwei Flaschenzügen in der Weise hängt, daß der gegen die
abzutragende Wand geneigte Teil der Leiter bei gleichzeitigem Arbeiten der beiden
Hebevorrichtungen parallel zu sich selbst gehoben und gesenkt werden kann. Die
beiden Flaschenzüge können jedoch auch unabhängig voneinander bewegt werden, woraus
sich die Möglichkeit ergibt, bei der Horizontalstellung des Planierstückes den
schräg nach oben ragenden Teil der Leiter ebenfalls in die wagerechte Stellung
herabzusenken.
Das Baggergut wird durch zwei abwechselnd zu beladende Wagenzüge zur Abfuhr gebracht.
Von diesen steht der eine in der Durchfahrtsöffnung des Baggers, während der andere
hinter dem Bagger aufgestellt wird. Demgemäß erfolgt die Entleerung der Eimer
entweder in die über dem einen oder über dem anderen Wagenzug befindliche
Ausschüttöffnung. Eine unter dem Oberturas vorgesehene Klappe, die von Hand gedreht
wird, wird dementsprechend eingestellt.
Textabbildung Bd. 326, S. 284
Fig. 1.
Der Antrieb der verschiedenen Baggerbewegungen erfolgt durch drei Elektromotoren,
wobei der für den Antrieb der Luftpumpe vorgesehene kleine Motor ganz außer Betracht
bleiben möge. Von den Antriebsmotoren dient der eine zur Bewegung der Eimerkette
sowie zum Heben und Senken der Eimerleiter, der zweite zum Antrieb des
Baggerfahrwerks, während der dritte das Spannen der Eimerkette besorgt. Zum Betriebe
steht Gleichstrom von 500 Volt Spannung zur Verfügung. Die Antriebsmotoren weisen
folgende Stärken und Umdrehungszahlen auf, die von Interesse sein dürften:
Motor zum Antrieb der Eimerkette
280 PS,
440 Umdr./Min.
„ „ „ des Fahrwerks
41 „
840 „
„ „ Spannen der Eimerkette
11 „
Die Uebertragung der Kraft des Antriebmotors für das Fahrwerk auf die Laufachsen des
Baggers erfolgt mittels einer Gallschen
Kettentransmission. Der Vorderwagen besitzt zehn Laufachsen mit je zwei Rädern, der
Hinterwagen sechs Achsen mit je einem Laufrade. Der am Unterturas angebrachte und
zum Spannen der Eimerkette dienende Motor ist zur Vermeidung des Eindringens von
Schmutz vollständig eingekapselt. Um die Uebertragung von Stößen in der Eimerleiter
auf die Transmission und den Motor zu verhüten, ist in der Oberturastransmission
eine selbsttätig wirkende hydraulische Kupplung eingebaut. Die elektrische
Ausrüstung des Baggers wird noch durch eine Beleuchtungsanlage vervollständigt, die
aus zwei Bogenlampen und zwölf Glühlampen besteht.
Die Steuerung des Baggers wird durch zwei Baggermeister bewerkstelligt, die sich von
Zeit zu Zeit ablösen und die auf einer Schalttafel vereinigten Steuerhebel der
ganzen Kraftanlage bequem bedienen und die Baggerarbeit von ihrem erhöhten
Standpunkte aus genau übersehen können. Die Uebersicht über das ganze Arbeitsfeld
wird dem Baggermeister noch dadurch erleichtert, daß die in Betracht kommenden Hebel
von jeder Seite des Baggers aus bedient werden können. Man erzielt dadurch den
Vorteil, daß der Baggermeister stets mit dem Blick in der Fahrtrichtung des Baggers
auf seinem Posten steht. Außer den genannten beiden Baggermeistern besteht das
Bedienungspersonal des Baggers aus einem Manne zur Betätigung der Windenklappe,
einem Manne zur Schmierung der Maschinenteile, der erforderlichenfalls den
Klappensteuermann unterstützt und ersetzt, und einer Anzahl von Leuten zur
zeitweisen Verschiebung der Baggerfahrgleise, deren Höhe naturgemäß je nach den
gegebenen örtlichen Verhältnissen von Fall zu Fall wechselt. Mit dem
Bedienungspersonal der Transportzüge verständigt sich der Baggermeister mittels
einer auf dem Bagger vorgesehenen Signalpfeife, die mittels Druckluft betätigt
wird.