Titel: | Bemerkenswertes aus dem maschinen- und elektrotechnischen Gebiet auf der Weltausstellung in Brüssel 1910. |
Autor: | A. Linker |
Fundstelle: | Band 326, Jahrgang 1911, S. 202 |
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Bemerkenswertes aus dem maschinen- und
elektrotechnischen Gebiet auf der Weltausstellung in Brüssel 1910.
Von Dr.-Ing. A. Linker,
Kiel.
(Fortsetzung von S. 181 d. Bd.)
Bemerkenswertes aus dem maschinen- und elektrotechnischen Gebiet
usw.
Von der Internationalen Maschinenbaugesellschaft in
Hannover war eine Drehkolbendampfmaschine von 300 PS
Leistung und 150 Umdr./Min. ausgestellt. Sie diente als Antrieb für einen
Gleichstromgenerator von Pöge in Chemnitz.
Als Verbundmaschine mit Kondensation gebaut arbeitet sie mit etwa 12 at
Ueberdruck.
Das Bestreben, Dampfmaschinen mit rotierendem Kolben zu bauen, läßt sich an der
Patentliteratur bis in die ersten Anfänge des Kraftmaschinenbaues verfolgen. Daß
dieses Problem bisher so wenig Erfolge gezeitigt hatte, liegt hauptsächlich an der
Schwierigkeit, den Kolben gegen Gehäuse und Seitendeckel ohne große
Reibungswiderstände genügend abzudichten, ferner große Abnutzung und
Zentrifugalkräfte zu vermeiden.
Schon im Jahre 1905 war von Egersdörfer eine praktisch
brauchbare Konstruktion angegeben, bei der ein in einem Zylinder radial angeordneter
Flügel durch den Dampf in Drehung versetzt wurde. Die Veränderlichkeit des für den
expandierenden Dampf erforderlichen Arbeitsvolumens ist durch eine auf dem Flügel
nur wenig verschiebbare kreisrunde Trommel bewerkstelligt.
In neuerer Zeit sind von der Egersdörfer
Randlaufmaschinen-Gesellschaft, Charlottenburg, derartige Maschinen bis zu
100 PS-Leistung mit zufriedenstellendem Erfolg gebaut worden.
Anders als die Dampfturbine eignen sich die Drehkolbenmaschinen für den Antrieb durch
Gas, Druckwasser, Druckluft und flüssige Brennstoffe, wie sie bei den
Explosionsmotoren gebräuchlich sind.
Im Gegensatz zu dieser Ausführung hat die Internationale
Maschinenbau-Ges. an den Kolben drei bewegliche Flügel schräg zur Achse
angeordnet. Exzentrisch zu dem Zylinder sitzt auf der Triebwelle ein Kolben von
kleinerem Durchmesser als bei ersterem. Zylinderwand und Kolben begrenzen den für
die Arbeitsleistung des Dampfes erforderlichen sichelförmigen Raum, wobei die radial
verschieblichen Flügel als Endabschluß die Angriffsfläche des Dampfes bilden.
Der Dampf tritt durch einen rotierenden Steuerschieber in den Zylinder. Im
allgemeinen arbeiten immer zwei Flügel zu gleicher Zeit, so daß eine Totpunktlage
der Maschine nicht vorkommen kann.
Der schwierigste Punkt der Maschine, die Abdichtung des Flügelkolbens gegen
Zylinderwand und Deckel, ist dabei durch eine sinnreiche und in allen Kulturstaaten
patentierte Konstruktion gelöst.
Alle drei Teile des Kolbens sind radial geteilt, um eine achsiale Verschiebung zwecks
guten Anliegens bei auftretender Abnutzung zu ermöglichen. Diese Nachstellung wird
selbsttätig durch einen verschiebbaren Teil bewirkt, der durch die Zentrifugalkraft
getrieben radial nach außen sich bewegt und mit Hilfe von schrägen Keilnuten und
Vorsprüngen die einzelnen Teile auseinanderzutreiben sucht. Unterstützt werden diese
Wirkungen durch den in die Fugen eintretenden Dampf. Die Kolbentrommel ist durch
seitliche achsial verschiebbare Stirnringe gedichtet, so daß die Stopfbuchsen der
Welle nur gegen den in geringerer Menge im Laufe der Zeit zwischen den
Dichtungsringen durchsickernden Dampf abzudichten sind. Das geschieht durch eine
Stopfbuchse besonderer Konstruktion.
Textabbildung Bd. 326, S. 201
Fig. 7. Motorlokomotive der Gasmotorenfabrik Deutz.
Um die Kolbendichtungen möglichst wenig zu beanspruchen, wird die Differenz der
Dampfdrücke vor und hinter dem Kolben niedrig gehalten. Zu dem Zweck wird der Dampf
in einzelnen Druckstufen mehreren Kolben hintereinander zugeführt, was auch schon im
Interesse eines hohen mechanischen und theoretischen Wirkungsgrades wünschenswert
ist.
Die Vorteile dieser neuen Maschinenkonstruktion sind folgende:
Raumbedarf und Gewicht sind gering, die Wartung und Instandhaltung sind sehr einfach
und erfordern kein besonders geschultes Personal.
Die Regulierung ist wegen des vollständig entlasteten Steuerorgans eine exakte,
so daß bei völliger Entlastung Tourenschwankungen höchstens bis 3 v. H. auftreten.
Der Dampfverbrauch entspricht demjenigen guter Kolbendampfmaschinen. Da jedoch die
Tourenzahl in weiten Grenzen dem betreffenden Betriebe angepaßt werden kann, sind
die Drehkolbenmaschinen besonders für direkte Kupplung geeignet. Nach Informationen
bei der Firma ist es beabsichtigt, die Konstruktion vollständig umzuändern. Es
erschien daher nicht vorteilhaft, auf Einzelheiten näher einzugehen mit
Rücksichtnahme auf die Firma.
Für den Transport von Gütern auf dem Ausstellungsgelände hatte die Gasmotorenfabrik Deutz in Köln-Deutz eine
Motorlokomotive von 12 PS gleichzeitig als Ausstellungsgegenstand geliefert, die mit
flüssigem Brennstoff, wie Benzin, Benzol, Petroleum, Ergin, als Explosionsmotor
arbeitet (Fig. 7).
Textabbildung Bd. 326, S. 202
Fig. 8. Lokomotive „King Edward“.
Die Ursache zum Bau derartiger Lokomotiven lag in dem Mangel an geeigneten
mechanischen Betriebskräften zur Förderung kleiner Lasten mit mäßiger
Geschwindigkeit bei großer Wirtschaftlichkeit. Besonders der Bergbau und die
Betriebe mit großer Massengüterförderung sind auf ein solches Betriebsmittel direkt
angewiesen. Die Bauart dieser Lokomotive ist folgende:
Auf dem schmiedeeisernen Rahmengestell befindet sich ein im Viertakt arbeitender
Brennstoffmotor, der durch ein Zwischenvorgelege für Vorwärts- und Rückwärtsgang und
eventl. zwei Geschwindigkeitsstufen die miteinander gekuppelten Laufradachsen
antreibt. Die Zündung erfolgt magnetelektrisch. Nachdem das Explosionsgemenge im
Zylinder Arbeit verrichtet hat, werden die Ausströmgase in einen teilweise mit
Kühlwasser gefüllten Kondenstopf ausgestoßen, was besonders für Grubenlokomotiven
vorteilhaft ist. Für diese Zwecke sind daher auch die Luftansaugetrompete und die
Auspufftrompete wegen der I Schlagwettergefahr mit Drahtgewebe abgeschlossen.
Die Lokomotive besitzt einen Brennstoffbehälter von etwa 60 l Inhalt. Die
Grubenlokomotiven können in einer besonderen patentierten Füllstation gefahrlos mit
Brennstoff versehen werden. Die Zugkraft der Lokomotive von 12 PS-Leistung ist bei
einer Geschwindigkeit von 5 km/Std. 500 kg, womit eine Bruttolast von 42 t gezogen
werden kann, bei 10 km/Std. ist die Zugkraft 120 kg entsprechend 18 t Last bei einem
Gleiswiderstand von 12 kg f. d. Tonne Zuggewicht auf wagerechter Strecke. Das
Gewicht beträgt 5200 kg in betriebsfertigem Zustande. An Brennstoff verbrauchen die
Motorlokomotiven bei Höchstbelastung für 1 PS-Stunde
0,29–0,35
kg
Benzin
entspr.
8,1–9,8
Pf.
bei
28 M/100 kg,
0,24–0,26
„
Benzol
„
4,8–5,2
„
„
20 M/100 kg,
0,24–0,26
„
Rohbenzol
„
3,8–4,2
„
„
16 M/100 kg,
0,38
„
Spiritus
„
10,5
„
„
26 M/100 kg,
0,36–0,38
„
Petroleum
„
7,2–7,6
„
„
20 M/100 kg.
Die Regulierung der Geschwindigkeit kann nicht allein durch entsprechende
Uebersetzungen, sondern auch durch einen Regulator erfolgen, und zwar in den Grenzen
zwischen 4 und 15 km/Std.
Die Lokomotiven werden für Leistungen von 6 bis 60 PS für Schmal- oder Normalspur
gebaut. Gegenüber anderen Betriebsmaschinen haben sie verschiedene Vorteile, zu
denen u.a. zu rechnen sind: Jederzeitige Betriebsbereitschaft, Fortfall von Funken
oder Belästigung durch Rauch, geringer toter Ballast.
Sie eignen sich daher besonders für Gruben, wo sie so
gedrängt gebaut werden können, daß man mit ihnen sogar Kurven von 5 m Radius
befahren kann.
Für Feld- und Waldbahnen,
zumal in entlegenen Gegenden, ist es günstig, daß keine Kohlen- und Wassertransporte
notwendig sind und Waldbrände gänzlich vermieden werden.
Als Rangier-Lokomotiven entsprechen sie einem Bedürfnis,
das bisher bei mittleren und größeren Betrieben in der Industrie, Landwirtschaft und
überall da bestand, wo Anschlußgeleise an Bahnnetze vorhanden waren.
Als Kuriosum des Maschinenbaues wurde die kleinste
Lokomotive der Welt, benannt „King Edward“, vorgeführt (Fig. 8). Sie diente dazu, für die Personenbeförderung
in der Ausstellung einen kleinen Zug von zwei Wagen für etwa 15–20 Personen mit etwa
5–6 km/Std.
Geschwindigkeit zu ziehen.
(Fortsetzung folgt.)