Titel: | Motorlastzüge und Lastenförderung mit Motorfahrzeugen. |
Fundstelle: | Band 324, Jahrgang 1909, S. 794 |
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Motorlastzüge und Lastenförderung mit
Motorfahrzeugen.
(Fortsetzung von S. 764 d. Bd.)
Motorlastzüge und Lastenförderung mit Motorfahrzeugen.
Wir mochten das Kapitel der Motorschleppzüge oder der von Straßenlokomotiven
geschleppten Lastwagenzüge nicht verlassen, ohne einer Neuerung zu gedenken, welche
zur Zeit große Beachtung findet, obgleich ihr endgiltiger Erfolg noch keineswegs
feststeht.
Textabbildung Bd. 324, S. 793
Fig. 32. Anhängewagen der Freibahn-Gesellschaft.
Während man bis jetzt allgemein darauf bedacht gewesen ist, die Leistungsfähigkeit
der Vorspannmaschinen zu erhöhen, sei es durch Verbesserung ihrer Konstruktion oder
durch Verwendung von Verbrennnungsmotoren, hat man hinsichtlich der Bauart der
Anhängerwagen allgemein an derjenigen festgehalten, welche den alten
Pferdefuhrwerken entlehnt ist und welche sich insbesondere durch die kleinen, unter
dem Wagenrahmen durchschlagenden Lenkräder kennzeichnet. Die Benutzung solcher
Fahrzeuge bringt aber eine Reihe von Nachteilen mit sich, welche die
Leistungsfähigkeit des Schleppzuges beeinträchtigen, insbesondere hohe
Wegwiderstände. Diese sind dadurch begründet, daß für die kleinen Lenkräder jeder
halbwegs große Stein ein großes Hindernis bedeutet, sowie dadurch, daß der Lagerung
der Wagenräder überhaupt nicht die Beachtung geschenkt worden ist, die sie bei dem
angestrengten mechanischen Fahrbetrieb beanspruchen.
In dieser Richtung verbessernd sucht der Motorlastzug der Freibahn-Gesellschaft zu wirken, die mit der bekannten Kleinbahnfirma
Arthur Koppel in Berlin in Verbindung steht. Der
Lastzug dieser Fabrik setzt sich aus einachsigen Wagen zusammen, welche paarweise in
Mitte der Achsen durch einen Längsträger miteinander verbunden sind, siehe Fig. 32. Auf diese Weise werden zweiachsige Zugteile
gebildet, welche, da die Verbindung der Achsen mit dem gemeinsamen Längsträger
drehbar ist, gelenkt werden können, ohne daß die Räder unter den Wagen
durchzuschlagen brauchen. Die Wagen können demnach Räder von großen Durchmessern
erhalten, welche, da sie außerdem auch noch auf Rollen gelagert sind, einen sehr
geringen Rollwiderstand haben. Das Gewicht eines solchen Wagens beträgt etwa 3600
kg. Er kann dabei in jedem der beiden Kästen bis zu 4000 kg Nutzlast aufnehmen.
Diese eigenartige Ausbildung der Fahrzeuge zeitigt aber auch noch andere Vorteile. Da
jede Achse der Wagen drehbar, also zur Lenkachse gemacht oder festgestellt werden
kann, so kann man den Zug nach beiden Richtungen laufen lassen, ohne, wie bei
anderen Zügen, jeden einzelnen Wagen an Ort und Stelle wenden zu müssen. Es genügt
zu diesem Zwecke, Bolzen von der einen Wagenseite auf die andere zu bringen und dort
einzusetzen, ein Vorgang, der in kurzer Zeit auszuführen ist. Außerdem kann man,
indem man die Vorspannmaschine umsteuert, den ganzen Zug auch rückwärts stoßen, sogar im
Bogen, nur muß dann auf dem vordersten Wagen des Zuges ein Mann die Lenkräder
richtig einstellen. Eine Schraubenspindel mit Aufsteckvierkant ist zu diesem Zwecke
auf jedem Wagen vorhanden.
Die Vorspannmaschine dieses Zuges, welche im vorliegenden Falle mit Dampf arbeitet,
aber auch anderen Antrieb erhalten kann, ist in den Fig.
33 bis 35
dargestellt. Sie besteht, wie ersichtlich ist, ebenfalls aus zwei einachsigen, durch
einen gemeinsamen Längsträger gekuppelten Teilen, von welchen der eine Lokomotive,
der andere Tender ist. Der Dampfkessel, welcher über der nach unten gekröpften
Vorderachse liegt, ist ein Wasserrohrkessel nach Bauart Davies, welcher aus einer senkrechten, von ebenen Wänden begrenzten
Wasserkammer, einem wagerechten Bündel von gebogenen Wasserröhren und einem kleinen
Dampfsammler besteht und welcher bei 15 qm Heizfläche Dampf von 15 kg/qcm Ueberdruck
erzeugt. In eine rechteckige Oeffnung der Wasserkammer ist die Feuerung eingesetzt,
in welcher mit Hilfe eines Dampfgebläses Steinkohlenteeröl oder Rohpetroleum
verbrannt wird.
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Fig. 33. Freibahnzug der Freibahn-Gesellschaft.
Hinter dem Führerstande sind auf einem Paar von Querträgern die beiden
Antriebsmaschinen des Fahrzeuges gelagert. Diese sind kleine stehende Dampfmaschinen
mit je 4 Zylindern von 85 mm und 80 mm Hub und leisten bei 800 Umdrehungen
i.d. Minute je 20 PS. Der Dampfeinlaß wird durch Kugelventile gesteuert, die von
einer gemeinsamen Daumenwelle durch senkrechte Spindeln angehoben werden und deren
Hub durch eingeschobene Keilstücke verändert werden kann. Den Dampfauslaß steuern
die Dampfkolben selbst, welche zu diesem Zwecke mit Labyrinthdichtungen versehen
sind.
Die beiden Motorwellen treiben unabhängig voneinander die 250 mm breiten Treibräder
von 1800 mm durch dreifache Vorgelege an. Zum Verstellen der Treibräder beim
Lenken der Maschine dient ein Handrad vor dem Führer, mit welchem unter
Vermittlung von Kegelrädern eine Schraubenspindel im unteren Teile des Gestelles
gedreht wird. Die zugehörige Mutter ist, um der Veränderlichkeit des Abstandes von
der Radachse und Schwankungen in der Lage gegenüber dem Aufbau Rechnung zu tragen,
mit Hilfe eines Kugelgelenkes an dem Längsträger gelagert.
Der Tender faßt 2000 l Wasser und 800 l Oel, einen Vorrat, welcher für 6 bis 8
Stunden Fahrt ausreichen soll. Die Vorspannmaschine wiegt insgesamt 12500 kg. davon
entfallen 7500 kg etwa auf die Treibachse.
Die Versuche mit diesen Schleppzügen sind noch im Gange. Vor einiger Zeit haben auch
bei Berlin Probefahrten stattgefunden, welche den Zweck hatten, zu ermitteln, ob es
sich wirtschaftlich ermöglichen lassen würde, solche Schleppzüge für die
Ziegelbeförderung anzuwenden.
In dem Bestreben, die Leistungsfähigkeit der Vorspannmaschinen für Motorschleppzüge
zu steigern, ist man dazu auch übergegangen, möglichst das ganze Gewicht der
Maschinen als Adhäsionsgewicht nutzbar zu machen. Die auf diese Weise geschaffenen
Wagen mit Vierräderantrieb
sind aber vorläufig noch immer als Versuchskonstruktionen zu betrachten. Sie haben
allerdings den Vorteil, daß man, ohne den zulässigen Achsdruck zu überschreiten, die
doppelte Adhäsionskraft verfügbar machen kann, mit diesem Nutzen sind aber eine
Reihe von konstruktiven Schwierigkeiten verbunden, welche bis heute noch nicht
behoben sind.
Zwei Fahrzeuge dieser Art hat die Daimler-Motoren-Gesellschaft in Untertürkheim bei Cannstatt im Jahre 1907
an die preußische Versuchsabteilung der Verkehrstruppen geliefert. Diese Wagen
werden von Vierzylindermotoren angetrieben, welche je 60 PS leisten und sind
imstande, eine auf sie und 3 bis 4 Anhänger verteilte Nutzlast von 4000 bis 6000 kg
mit 18 km in der Stunde Geschwindigkeit in der Ebene zu fördern, aber auch auf ganz
ansehnliche Steigungen hinaufzuschaffen. Sie haben sich gerade in dieser Beziehung
gelegentlich
einer Prüfungsfahrt, welche die Heeresverwaltung in dem außerordentlich bergigen
Gelände bei Glatz im Herbst 1907 veranstaltet hat, wohl am besten von allen
Schleppzügen mit Antrieb durch Verbrennungsmaschinen bewährt. Die Wagen wiegen
selbst je 4000 kg ohne ihre eigene Nutzlast, welche 2000 kg beträgt.
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Fig. 34 u. 35: Freibahnzug No. 3, Lokomotive mit Tender.
Textabbildung Bd. 324, S. 795
Fig. 36. Wagen der Four Wheel Drive Company.
Die Schwierigkeiten, welche die Verteilung des Antriebes auf alle vier Räder eines
solchen Wagens bereitet, kann man aus der einfachen Ueberlegung heraus ermessen, daß
auch die Vorräder, welche um senkrechte Zapfen lenkbar sein müssen, angetrieben
werden sollen. Das erfordert entweder die Einführung der Antriebswelle durch ein
Kugelgelenk, an welchem die Lenkräder sitzen, oder, wie die Daimler-Motoren-Gesellschaft es tut, den Antrieb der Lenkräder durch ein
Kegelräderpaar, dessen Scheitel in der Achse des Lenkzapfens liegt, so daß die
Lenkräder schwingen können, ohne den Eingriff dieser Kegelräder zu stören. Die
Bewegung des Motors wird in der üblichen Weise auf das Wechselgetriebe übertragen,
dessen zweite Welle aber nicht nur nach hinten, sondern auch nach vorne verlängert
ist und an jedem Ende ein Ausgleichgetriebe bewegt. Die beiden von diesem Getriebe
seitlich abzweigenden Wellen sind dann, wie erwähnt, durch zwei
Kegelräderübersetzungen mit den Lenkrädern gekuppelt. Daß eine solche
Kraftübertragung mit außerordentlich hohen Reibungsverlusten verbunden sein muß, ist
selbstverständlich, und das macht die Fahrzeuge zu ausgesprochenen
Versuchskonstruktionen. Immerhin ist zu beachten, daß sie in bezug auf Adhäsion
alles erreicht haben, was man von ihnen erwartet hat.
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Fig. 37.
Eine recht einfache Konstruktion des Vierräderantriebes, die aber wohl kaum Anspruch
auf einigermaßen große Dauerhaftigkeit machen kann, haben wir bei den Wagen der Four Wheel Drive Company in Milwaukee, Wis., gefunden,
s. Fig. 36. Der Vierzylindermotor A treibt mit Hilfe der Kupplung B und des Wechselgetriebes C eine Kardanwelle
D an, von welcher die Bewegung- auf die beiden
gelenkig miteinan der gekuppelten Teile der Längswelle H durch eine breite Gelenkwelle J abgenommen
wird. An den Enden der Welle H sitzen
Kegelräder-Ausgleichgetriebe, F, G, deren Seitenwellen
anscheinend durch kugelige Lagerungen der Radzapfen hindurch den Antrieb
bewirken, s. auch Fig. 37. Die weiteren Einzelheiten
sind leider nicht zu erkennen, was um so bedauerlicher ist, als der betreffende
Wagen auch Vierräderlenkung besitzt, um möglichst kleine Krümmungen befahren zu
können.
(Schluß folgt.)