Titel: | Ventile ohne einseitigen Strömungsdruck gegen den Ventilkegel. |
Autor: | Erich Schneckenberg |
Fundstelle: | Band 324, Jahrgang 1909, S. 662 |
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Ventile ohne einseitigen Strömungsdruck gegen den
Ventilkegel.
Von Erich Schneckenberg.
Ventile ohne einseitigen Strömungsdruck gegen den
Ventilkegel.
Ventile jeglicher Art, Absperr-, Rückschlag- und Pumpenventile haben allgemein
einen Schließkegel symmetrischer Form. Die vorbeiströmenden Flüssigkeitsteilchen
schleifen ständig daran; mit geringer Geschwindigkeit, die tropfbaren Flüssigkeiten
von spezifisch hohem Gewicht; mit hoher Geschwindigkeit, die dampfförmigen von
geringem spezifischem Gewicht. Die schleifende sekundliche Masse und damit die
Abnutzung wird daher in jedem Falle beträchtlich sein. Bedingung für langen
störungsfreien Betrieb ist allseitig gleichstarkes Abschleifen, also symmetrische
Strömung zur Kegelachse.
Diese Bedingung ist aber bei den marktgängigen Ventilen
nicht erfüllt: Der Strömungsfaden, welcher, nach Ausfüllung der Gehäuseecken mit
stillstehender oder wirbelnder Flüssigkeit, durch das geöffnete Ventil geht, trifft
stets schräg gegen die Ventilkegelachse; deshalb lassen kurze Führungen am Kegel ihn
sich festklemmen; lange nutzen sich einseitig ab und zwar schnell, wenn die
Flüssigkeit, wie bei Ventilen im Anschluß an Kolbenmaschinen, periodisch strömt, und
die Führungen im Takte der Maschine seitlich anschlagen, und dazu noch auf- und
niedergleiten, Bald treten dann Prellschläge auf, und die Führungen brechen ab.
Ist außerdem erst einmal an der Dichtungsfläche eine einzelne Stelle vom
Strömungsfaden angeschliffen, so geht bei geschlossenem Ventil durch diesen feinen
Spalt die Flüssigkeit hindurch mit ihrer höchstmöglichen Geschwindigkeit. Dann
bilden sich strahlige Risse, und der Kegel ist bald ganz unbrauchbar.
Man würde diese Uebelstände durch eine Konstruktion vermeiden, bei der symmetrisches
Strömen erzwungen wird durch reichlich lange zylindrische Rohransätze, unmittelbar
vor und hinter dem Kegel und konachsial zu seiner Achse. Rohransätze vor dem Kegel
gibt es zwar bei allen marktgängigen Ventilen: In den zylindrischen Ventilsitzen
selbst; Rohransätze dagegen hinter dem Ventilkegel finden sich fast in keinem
Falle.
Bei Rohransätzen vor und hinter dem Kegel wären augenscheinlich zwei Arten der
Flüssigkeitsführung möglich: Die Gleichstromführung nach Fig. 1; und die
Gegenstromführung nach Fig.
2. Bei der Gleichstromführung und zwar sowohl bei Durchgangs- als auch
Eckventilen würde der Austrittsstutzen des Gehäuses, oberhalb des Ventilsitzes
anzuschließen sein, wegen der Schraubspindel und der begrenzten Bauhöhe und weil er sich ja doch nur
auf einer Seite jener zylindrischen Flüssigkeitsführung- anschließen könnte. Er
würde auf dieser Seite der Flüssigkeit einen kürzeren und bequemer gekrümmten Weg
bieten, als es ein Weg zu ihm von irgendeiner anderen Stelle des Ventilsitzes aus
jemals sein könnte, beispielsweise von einer jener ersten Stelle am Sitz diametral
gegenüberliegenden her.
So zeigt schematisch Fig.
3, auf Grund von Beobachtungen an offen strömendem Wasser, Bahnen, wie sie
in einem Ventilgehäuse von den Flüssigkeitsteilchen durchlaufen werden könnten.
Diejenige Weglinie, auf welcher der geringste Bewegungswiderstand auftritt, also bei
gleich großen Querschnitten um den Kegel herum die am wenigsten gekrümmte und
kürzeste Linie durch das Gehäuse hindurch, ist die Bahn, in welcher der
Hauptströmungsfaden sich bewegt. Dort ist die Bewegung der Flüssigkeit zuerst
bemerkbar bei entstehendem Ueberdruck vor dem Ventil, und dort strömt sie bei
vermehrter Ueberdruckhöhe und Durchflußmenge stets mit größerer Geschwindigkeit als
in irgend einem andern Flüssigkeitsfaden. Letztere bilden sich dabei in dem
Flüssigkeitsraume neben dem Hauptströmungsfaden so aus, daß der von den
Flüssigkeitsteilchen beschriebene Weg eine zweite, dritte, vierte usw., Linie ist
mit unter den gegebenen Verhältnissen kleinstmöglichem Widerstände. Danach werden
offenbar die Widerstände von dem Hauptströmungsfaden fort von Faden zu Faden größer
und die Geschwindigkeiten abnehmend kleiner.
Textabbildung Bd. 324, S. 663
Fig. 1: Symmetrische Gleichstromführung an einem
Ventilkegel.Fig. 2: Symmetrische Gegenströmführung an einem Ventilkegel.
In allen Strömungsfäden ist zur Ueberwindung der gesamten Bewegungswiderstände der
verfügbare Unterschied der Spannungen vor und hinter dem Ventil, der
Druckhöhenverlust hv,
ein und derselbe, also
h_v=\Sigma\,\zeta_1 \cdot \frac{w_1^2}{2\,g}=\Sigma\,\zeta_2 \cdot
\frac{w_2^2}{2\,g}=\Sigma\,\xi_n \cdot \frac{w_n^2}{2\,g}
woraus für die Geschwindigkeiten in den einzelnen
Strömungsfäden folgt
w12 : w22 : wn2 = ∑ξn : ∑ξ2 : ∑ξ1.
Je größer die Weghindernisse ∑ξ, um so kleiner die
Geschwindigkeiten w. Die größte
Strömungsgeschwindigkeit im Ventil herrscht auf der Weglinie mit dem kleinsten ∑ξ.
Dabei kann die Geschwindigkeit in einem StrömungsfadenVgl. R. Inst, of Gr. Brit. 1899.
Febr. noch von Ort zu Ort verschieden sein, je nach den
Querschnitten. ∑ξ stellt in diesem Falle die Summe der auf einen gewissen
angenommenen Geschwindigkeitswert des Fadens reduzierten Widerstandsziffern dar.
Der dreidimensionale Verlauf dieser Strömungsfäden wird sich dabei überall
derart bilden, daß von ihnen derjenige mit der größeren Geschwindigkeit nicht
wesentlich beeinflußt wird von den Strömungen mit der geringeren Geschwindigkeit,
wohl aber die letzteren von den ersteren. Im übrigen werden die Richtungsänderungen
bei allen Strömungsfäden ohne Ausnahme stets nach der Richtung hin geschehen, nach
der unter Mitwirkung ihrer lebendigen Kraft bei der vorhandenen Gruppierung der
Gehäusewände und der in den Ecken bleibenden größtmöglichen Flüssigkeits-Füllmasse
der geringste Widerstandauftritt. Diese stehende Füllmasse ist in einer
Wirbelbewegung begriffen, die mit zunehmendem Ueberdruck vor dem Ventil immer
stärker wird; auch wird gleichzeitig die wirbelnde Flüssigkeitsmasse größer, indem
die Wirbel bewegung weiterhin übergreift auf die bei kleinem Ueberdruck vorhandenen
Strömungsfäden mit großem ∑ξ, also kleinem w. Frei von
der Wirbel bewegung wird aber der Haupt strömungsfaden bleibenVergl. Riecke (u. Krüger) in Wied. Ann. XXXVI.
332. 1889. und die ihm benachbarten, mit kleinem ∑ξ. Unter
letzteren werden dann noch denjenigen, die dem Hauptströmungsfaden am fernsten also
in Berührung mit der Füllmasse sind, durch die in der Berührungsfläche mit ihnen
gleichsinnige Wirbelbewegung, ihre Werte ∑ξ verringert, und so wird ihnen eine
größere Geschwindigkeit auf diesem Wege ermöglicht als zuvor: Sie gehen daher durch
das Ventil hindurch mit dem Hauptströmungsfaden zusammen, sozusagen als ein
einheitlicher Flüssigkeits-Strahl.
Textabbildung Bd. 324, S. 663
Fig. 3: Unsymmetrische Gleichstromführung am Kegel
in einem Ventilgehäuse.Fig. 4: Unsymmetrische Gegenstromführung am wird ihnen eine Kegel in einem
Ventilgehäuse.Fig. 5: Symmetrische Gegenstromführung am Kegel in einem Ventilgehäuse.
Die Beurteilung dieser wahrscheinlichen Strömungen im Ventilgehäuse nach Richtung und
Geschwindigkeit ergibt bei der Gleichstromführung nach Fig. 3 einen
einseitigen Flüssigkeitshauptstrom und Strömungsdruck. Rohransätze wären in
ausreichender Länge nur
bei ungewöhnlich großer und teurer Bauhöhe unterzubringen.
Aus dieser gleichen Beschränkung heraus ergeben sich auch bei der Gegenstromführung,
wie Fig. 4 zeigt,
sowohl bei Durchgangs- als auch Eckventilen, für die verschiedenen Strömungsfäden
aus dem Ventilsitz heraus sehr ungleiche Widerstandshöhen und Weglängen, denn das
Rohrstück zwischen dem einen Ventilflansch und dem Ventilsitz von unten her, muß
quer durch den bis dahin sonst konachsial ringförmigen Flüssigkeitsstrom
hindurchgehen.
In beiden gekennzeichneten Fällen wird also die Flüssigkeit noch keineswegs
symmetrisch strömen.
Textabbildung Bd. 324, S. 664
Fig. 6. Schnitt eines Durchgangsventils mit symmetrischer Gegenstromführung am Kegel von Dehne.
Das läßt sich nun angenähert erreichen, wenn man darauf verzichtet, daß die
Flüssigkeit vom Ventilsitz fort in kreisringförmigem konzentrischem Querschnitt
strömt; statt dessen aber durch zwei getrennte gleich große und gleich lange
Abführungskanäle, die am Ventilsitz einander diametral gegenüber abzweigen. Man kann
dann zwischen diese beiden Kanäle das Zuführungsrohrstück legen, das von dem einen
Flansch her von unten an den Ventilsitz führt. Dann ist ebenfalls jeglicher
einseitige Strömungsdruck gegen den Ventilkegel vermieden. Fig. 5. Solche Ventile
werden von A.L.G. Dehne in Halle a.S. und Schaffet & Budenberg G.m.b.H. in Magdeburg gebaut,
nach dem Patent No. 133859 vom 31. März 1901. Ein Durchgangsventil nach diesem
Prinzip zeigt Fig. 6Bei der entsprechenden schematischen
Darstellung Fig.
5 hat die Unterseite des Kegeltellers keine vorspringenden Teile,
während sie hier bei der Ausführung nach Fig.
6 einen konachsialen Führungsstift hat und dazu passend ein
Führungsauge mit Rippe, im Rohransatz unterhalb. Dadurch ist in diesem Falle
die bestmögliche Weglinie für die Flüssigkeit etwas anders gekrümmt, wie in
Fig. 5,
und zwar etwas mehr und ungünstiger. Es werden nun darum auch viele Ventile
dieser Art ohne solche untere Führung gebaut, wobei dann der
Ventilwiderstand um ein Geringes schwächer ist, ähnlich wie solchen
Unterschied Bach durch Versuche nachgewiesen
hat bei Ventilen mit einseitigem Strömungsdruck (Vergl. C. Bach: Versuche über Ventilbelastung und
Ventilwiderstand, 1884). Offenbar ist aber dieser Unterschied an Widerstand,
mit oder ohne untere Führung, bei Ventilen nach dem Schema der Fig. 5 geringer
als bei solchen nach Fig. 4 und Fig. 3. Das
zeigen beim Vergleichen die eingezeichneten Weglinien.. Das
stellenweise Abschleifen der Dichtungsfläche ist dann natürlich nicht vermieden. Im
Gegensatz aber zu den Ventilen bisheriger Bauart, wo der Strömungsfaden an einer
einzigen Stelle schliff, wird jetzt an zwei gegenüberliegenden Stellen geschliffen.
Dadurch ist die Zeit bis zum Undichtwerden gegen früher, schätzungsweise, nahezu
doppelt so lang geworden.
Die dann auch hier notwendige Erneuerung des Ventilsitzes und -Kegels wäre
allgemein leichter auszuführen, wenn man dieselben ohne Ausbau des ganzen Ventils
aus der Rohrleitung einfach nach Abnahme des Ventildeckels auswechseln könnte.
Unerläßliche Bedingung hierfür ist freilich, daß man in der Rohrleitung am Ventil
vorher den Flüssigkeitsdruck irgendwie ausschalten kann.
Textabbildung Bd. 324, S. 664
Fig. 7. Längsschnitt eines Durchgangsventils mit vom Deckel festgeklemmten
Ventilsitz und unsymmetrischer Gegenstromführung.
Bei einem solchen Ventil mit leicht auszuwechselndem Sitz und Kegel darf
schlechterdings der Ventilsitz nicht mehr ins Ventilgehäuse eingepreßt sein. Er muß
etwa am Deckel befestigt sein oder durch dessen Verschraubung selbst festgeklemmt
werden. Letzteres geschieht nach dem D.R.P. 195158 vom 15. Nov. 1906, im Besitze der
Patentverwertungs-Aktiengesellschaft Twente in Hengelo
in Holland. Dabei wird natürlich zur Vermeidung zweier ungleich hoher
Dichtungsflächen die eine des Ventilsitzflansches und die des Deckels in eine und
dieselbe Ebene verlegt. Fig. 7. Diejenige des
Deckels kann hierbei der Mitte des Rohres, höchstens bis zum äußeren Rohrdurchmesser
genähert werden. Ein Durchgangsventil dieser Art ist in Fig. 8 dargestellt. Von der Oberseite des Ventilsitzes fort geschieht der
Abfluß zweiseitig, wie bei Fig. 5. Er könnte auch hauptsächlich einseitig geschehen durch einen zum
Sitz konzentrischen Querschnitt von der Form eines Dreiviertel-Kreisringstückes,
entsprechend dem Schema der Fig. 4 und der Ausführung nach Fig. 7.
Der ring-stückförmige Rippensteg hier im Deckel wird sich jedoch bei einem höheren
Flüssigkeits- und Dichtungsdruck elastisch durchbiegen und Undichtigkeiten entstehen
lassen, wenn er nicht reichlich hoch bemessen wird. Dabei ergäbe sich eine höhere
Lage des Ventilkegels und eine größere Bauhöhe. Um das zu vermeiden, wird man den
Steg bei 0 nochmals stützen durch eine Verbindung dort
mit dem Deckel. Damit ist die Zweiteilung des Abflußkanals angenommen. Hierdurch
wird es auch gleichzeitig möglich, die Seitenwände D
der Deckelkappe bis nahezu an den Umfang des Ventilsitzes heranzulegen und so die
normalen Baulängen der Ventile bequem innezuhalten. Ferner wird man noch, um
kleinere Reibungs- und Kontraktionswiderstände im Abflußkanal zu erhalten, statt der
langen und schmalen Querschnitte von der Form eines Halbkreisringstücks zwei
kürzere, aber entsprechend breitere Querschnitte ausführen. Von ihrer hier kurz
zuvor schon begründeten symmetrischen Anordnung zu beiden Seiten des Ventils
abzugehen, und dafür einen Kanal von doppelt so großer lichter Weite auf nur einer
Seite des Ventils anzuordnen, das wäre ganz und gar entgegen der herkömmlichen und
empfehlenswerten symmetrischen Ausgestaltung der Ventilgehäuse. Danach ist
allerdings die Bauart nicht mehr wesentlich anders wie bei der Ausführung nach Fig. 6. Aber während sie dort nach dem Inhalte des
Patentes gewählt wurde zu dem Zwecke, einseitigen Strömungsdruck, also vor allem die
damit verbundene einseitige Abnutzung zu vermeiden, was bei dem festeingelassenen
Ventilsitz eben sehr nützlich ist,
wurde dieser Zweck bei der zuletzt besprochenen Konstruktion offenbar ganz und
gar nicht angestrebt, denn der leicht, rasch und billig auswechselbare Ventilsitz
und Kegel macht eben eine Schonung desselben unnötig und überflüssig.
Textabbildung Bd. 324, S. 665
Fig. 8. Schnitt eines Durchgangsventils mit vom Deckel festgeklemmten
Ventilsitz und symmetrischer Gegenstromführung.
Die gekennzeichnete Bauart mit der symmetrischen Anordnung zweier Kanäle am
Ventilsitz findet sich im übrigen mehrfach bei den SonderkonstruktionenVergl. D. P. J. 1905, Bd. 320, S. 676 die
Abbildung links unten, sowie S. 637 Fig. 4. von Ventilen im
Dampf- und Gasmaschinenbau; ihre Erfindung ist, genau so wie die des auswechselbaren
Ventilsitzes, eben eine einfache Maßnahme wie sie der überlegende Konstrukteur
täglich wählt, und die, nachdem sie Patentschutz haben, unberechtigterweiseVergl. Zeitschrift d.V.d. Ing. 1908 S. 1173
rechte Spalte. den von ihnen unabhängig schaffenden Konstrukteur
an der freien und zweckmäßigen Gestaltung seiner Entwürfe hindern können.