Titel: | Die Ausstellung deutscher Baumwoll-Erntebereitungsmaschinen und Palmöl- und Palmkern-Gewinnungsmaschinen. |
Autor: | Gustav Fischer |
Fundstelle: | Band 324, Jahrgang 1909, S. 500 |
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Die Ausstellung deutscher
Baumwoll-Erntebereitungsmaschinen und Palmöl- und
Palmkern-Gewinnungsmaschinen.
Von Professor Dr. Gustav Fischer,
Berlin.
Die Ausstellung deutscher Baumwoll-Erntebereitungsmaschinen und
Palmöl- und Palmkern-Gewinnungsmaschinen.
Vom 13. bis 27. Mai ds. Js. fand in Berlin in der Ausstellungshalle des
Instituts für Gärungsgewerbe eine vom Kolonialwirtschaftlichen
Komitee veranstaltete Ausstellung von Maschinen statt, die zur Bearbeitung
der geernteten Baumwollfrüchte und der Früchte der Oelpalme gebraucht werden. Diese
Ausstellung zeigte zum ersten Male Maschinen genannter Art deutscher Herkunft neben
einigen englischen und amerikanischen. Daß die deutsche Industrie sich diesem neuen
Zweige zugewendet hat, ist der Tätigkeit des genannten Komitees zu danken, das im
vorigen Jahre eine Ausstellung ausländischer Baumwollmaschinen an der gleichen
Stelle mit dem ausgesprochenen Zweck veranstaltete, deutsche Firmen zur Nachbildung
und weiteren Ausgestaltung dieser wichtigen Kolonialmaschinen zu veranlassen. Beide
Ausstellungen sind von der Reichsregierung unterstützt worden.
Das Kolonial wirtschaftliche Komitee hat der Einführung der Baumwollkultur in unseren
überseeischen Besitzungen seit dem Jahre 1900 seine Aufmerksamkeit zugewandt. Damals
wies der Vorsitzende, Karl Supf, in einem Aufsatz
„Zur Baumwollfrage“ auf die große wirtschaftliche Bedeutung der
Einführung der Baumwollkultur in den deutschen Kolonien hin. Deutschland nimmt unter
den Ländern, welche Baumwolle verarbeiten, die dritte, auf dem europäischen Festland
die erste Stelle ein. Der Verbrauch betrug im Jahre 1907 in den Ländern:
Vereinigte Staaten
4987000
Ballen
Großbritannien
3463000
„
Deutschland
1661000
„
Japan
1068000
„
Frankreich
923000
„
Uebrige Länder
2807000
„
Ein Ballen enthält 250 kg. Rechnet man bei den starken
Schwankungen, die der Preis nicht selten erleidet, mit einem Durchschnittswert von 1
Mk. für 1 kg, so erhält man für Deutschland rund 415 Millionen Mark. Wenn nun auch
so unheilvoll wirkende Ereignisse, wie der amerikanische Bürgerkrieg, der etwa ein
Jahrzehnt lang die Preise gewaltig hochschraubte und zum Ruin vieler Spinnereien
führte, sich in gleichem Maße kaum wiederholen werden, so ist doch die Gefahr, daß
Europa durch die amerikanischen und englisch-kolonialen Produzenten, von denen
es vorläufig durchaus abhängig ist, vergewaltigt wird, nicht gering. Auch von
solchen Eingriffen abgesehen, kann eine schwere Beeinträchtigung der europäischen
Baumwollindustrie allmählich dadurch eintreten, daß die Erzeugungsländer die
Verarbeitung in größerem Umfang selbst in die Hand nehmen.
Da nach dem Urteil erfahrener Sachverständiger in vielen Gegenden unserer Kolonien
die natürlichen Bedingungen für die Baumwollkultur günstig sind, so hat Deutschland
die Möglichkeit, auf eigenem Boden seinen Bedarf zu decken. Schon in den achtziger
Jahren sind Kulturversuche in Neu-Guinea und in Deutsch-Ostafrika in kleinerem
Maßstabe unternommen worden, ohne indessen zu einer eigentlichen Kultur zu führen.
Im November 1900 trat die Baumwoll-Expedition des Kolonialwirtschaftlichen Komitees,
die vom Reich, der Deutschen Kolonialgesellschaft und interessierten Firmen
unterstützt wurde, ihre Ausreise nach Togo an. Ein erfahrener
Baumwollsachverständiger aus Alabama war der Führer der Expedition, die eine
Baumwoll-Versuchs- und Lehrstation einrichtete, die klimatischen und
Bodenverhältnisse prüfte, die geeignetsten Sorten feststellte und die Eingeborenen
unterwies.
Den verschiedenen örtlichen Bedingungen entsprechend hat sich der Anbau der Baumwolle
in unseren afrikanischen Besitzungen verschieden gestaltet. In Togo wird viel
Baumwolle von den Eingeborenen gezogen, die sie dann an die Entkörnungsanstalten
abliefern und je nach der Qualität vorher vereinbarte Preise dafür erhalten. In
Deutsch-Ostafrika dagegen ist ein großer Teil des Landes im Besitz europäischer
Farmer, es herrscht also Plantagenbau vor. Dies sind die beiden bedeutendsten
Baumwollkolonien, aber auch in Kamerun werden mäßige Mengen gewonnen. Die Ausfuhr
betrug aus Togo 1906/07 1205 Ballen, aus Deutsch-Ostafrika 1907 etwa 1800
Ballen.
Ueber die Kultur der Baumwolle findet man eine gute Darstellung in dem Werke
„Kulturpflanzen der Weltwirtschaft“ von Warburg und Van Someren Brand (Voigtländer, Leipzig), über die deutschen
Unternehmungen in den Berichten des Kolonialwirtschaftlichen Komitees und in „Der
Tropenpflanzer“.
Die Bearbeitung der geernteten Baumwolle beginnt mit dem Entkörnen, d.h. mit der
Trennung der länglichen, braunschaligen Samen von den Fasern, mittels sogenannter
Gins. Die Fasern werden der Frachtersparnis wegen in Ballen gepreßt und dann den
Spinnereien zugeführt. Von den Körnern wird ein Teil als Saat benutzt, der andere
findet dadurch Verwendung, daß das Oel gewonnen und die Preßkuchen an das Vieh
verfüttert werden. Vor der Verwendung müssen die Körner von den ihnen nach dem
Ginnen noch anhaftenden kurzen Fasern befreit werden. Das geschieht meist auf den
Lintergins, die den amerikanischen Baumwollgins sehr ähnlich sind, aber durch engere
Stellung ihrer Werkzeuge imstande sind, die kurzen Fasern, die sogenannten Linters,
abzutrennen. Die einzelnen Baumwollsorten sind übrigens in der Länge ihrer Fasern
und in der Festigkeit, mit welcher die Linters an den Samen sitzen, sehr
verschieden, daher ist auch die Schwierigkeit, die ihre Bearbeitung auf Gin und
Lintergin findet, ungleich. Insbesondere ist zu bemerken, daß die in Nordamerika
meist gebaute Sorte, die Upland, die wieder in eine ganze Anzahl verschiedener
Spielarten zerfällt, Fasern („Stapel“) von 12 bis 40 mm Länge hat, die fest
am Kern sitzen und ziemlich zähe sind. Die ägyptische kommt an Länge fast den
langstapligen amerikanischen Sorten gleich, ist aber zarter in der Faser, löst sich
auch leichter von den Kernen und besitzt nicht soviel Linters. Endlich ist noch eine
in Nordamerika in geringeren Mengen angebaute Sorte, die Sea-Island, zu erwähnen,
deren Stapellänge etwa 50 bis 60 mm erreicht. In Togo werden neben den seit langer
Zeit von den Negern angebauten Sorten hauptsächlich amerikanische Uplandsorten
gezogen; die Versuche, zu denen das Kolonialwirtschaftliche Komitee den Anfang
gemacht hat, erstrecken sich auch auf die Ermittlung bezw. Züchtung einer möglichst
guten und ergiebigen Baumwollsorte. In Ostafrika dagegen sind ägyptische Arten
angebaut.
Die diesjährige Ausstellung zeigte die beiden Typen von Entkörnungsmaschinen in
mehreren deutschen Ausführungen. Man unterscheidet die in den Vereinigten Staaten
allgemein gebräuchliche Sägegin und die Walzengin. Beide sollen etwa Ende des 18.
Jahrhunderts erfunden sein.
Die Walzengin Fig. 1 bis 3 besteht aus einer Walze und zwei Messern, die 3 mm von jener entfernt
stehen. Die auf den Zuführungstisch aufgeworfene Baumwolle wird über ein versenktes
Sieb hinweg durch einen mechanisch hin und her bewegten Schieber der Walze
zugeschoben. Die Walze ist mit Büffel- oder Walroßleder bezogen und hat einen
äußeren Durchmesser von etwa 150 mm. Der Bezug aus Leder hat den Zweck, die
Oberfläche so rauh zu machen, daß die Fasern gut an ihr haften. Um das zu
unterstützen, werden die Walzen gewöhnlich noch gerieft. Die Walze zieht die Fasern
mit sich und an dem oberen der beiden Messer vorbei. Gleichzeitig wird das zweite
Messer so von unten her in raschen Schlägen auf- und niedergeführt, daß es mit
seiner oberen, abgestumpften Kante nahe an der Schneide des feststehenden
Messers vorbeigeht. Hierdurch werden die Kerne von den Fasern abgelöst und fallen
durch die Siebplatte hindurch, während die Fasern von der Lederwalze herabgleiten.
Die Länge der Lederwalze beträgt etwa 1 m, z.B. 1,025 m, die Umdrehungszahl der
Hauptwelle meistens 750 i.d. Min., sie kann bei den meisten Maschinen bis auf 900
oder 1000 i.d. Min. erhöht werden.
Textabbildung Bd. 324, S. 501
Fig. 1. Walzengin von Fr. Haake.
Von der Hauptwelle aus werden unmittelbar durch Kröpfungen die Schubstangen bewegt,
die das untere Messer auf- und abschieben, der Antrieb der Lederwalze und derjenige
des Zufuhrschiebers erfolgt durch Riemenübertragung. Die Lederwalze macht ungefähr
160, der Schieber 250 Umdrehungen i.d. Min.
Textabbildung Bd. 324, S. 501
Fig. 2. Walzengin von Fr. Haake, Auslaufseite.
Textabbildung Bd. 324, S. 501
Fig. 3. Walzengin von Fr. Haake, Querschnitt.
Die Walzengins leisten in der Stunde durchschnittlich 25–30 kg entkörnter oder 75–90
kg unentkörnter Baumwolle, bei Erhöhung ihrer Umdrehungszahl auch noch mehr;
natürlich hängt die Leistung auch von der Art der Baumwolle ab. Der Kraftbedarf wird
zu 2–3, auch bis 3½ PS angegeben. Weit übertroffen wird die Leistungsfähigkeit der
Walzengins durch die Sägegins, aber die ersteren zeichnen sich vor diesen durch die
schonende Behandlung der Faser aus, deshalb werden sie in Aegypten und den Ländern,
welche ägyptische Baumwollsorten anbauen, gern verwendet, denn die langen und zarten
Stapel dieser Sorten leiden durch die Entkörnung in Sägegins so, daß sie an Wert
verlieren.
Auf der diesjährigen Ausstellung waren folgende Firmen mit Entkörnungsmaschinen
vertreten:
Sächsische Maschinenfabrik vorm. Rich. Hartmann, A.-G.,
Chemnitz, Walzengin und Sägegin.
Textabbildung Bd. 324, S. 502
Fig. 4. Sägegin von Fr. Haake.
Fr. Haake, Berlin, Walzengin und Sägegin.
Maschinenfabrik H. Eddelbüttel, Harburg a. Elbe,
Walzengin.
Textabbildung Bd. 324, S. 502
Fig. 5 Längsschnitt, Fig. 6 Querschnitt durch die Sägegin von Fr.
Haake.
Grether & Co., Freiburg i. Br., Sägegin. Daneben
waren noch einige Maschinen englischer und amerikanischer Herkunft ausgestellt.
Die deutschen Fabriken haben sich bis jetzt im allgemeinen darauf beschränkt,
die englischen Muster nachzubauen, was bei der Kürze der Zeit, während der sie die
Herstellung von Gins betreiben, und dem Mangel an eigener Erfahrung nicht wundern
darf.
Einige besondere Einrichtungen weist die Maschine von Haake auf. Bei ihr ist der Riementrieb, der sonst von der Hauptwelle aus
die Lederwalze antreibt, durch Zahnräder zwischen der Schieberwelle und der
Lederwalzenwelle ersetzt. Bei der geringen Achsenentfernung und der ziemlich
erheblichen Größenverschiedenheit der Riemscheiben werden die Riemen jedenfalls nur
eine geringe Lebensdauer haben und die Achsenlager einen bedeutenden Druck erleiden,
deshalb ist die Verwendung der Zahnräder zweckmäßig. Ferner ist die raschlaufende
Welle an den Kurbelachsen für die Stoßmesser mit Kugellagern versehen. Endlich wird
der Stoß, den die Stoßmesserwelle bei den raschen Schwingungen auf die Lager ausübt,
durch einstellbare Holzfedern aufgenommen. Fig. 1
bis 3 stellen die Maschine von Haake dar.
Die in Fig. 4 bis 6 dargestellte Sägegin
entfernt die Körner mittels feingezahnter Kreissägen, welche in größerer Anzahl in
je 18–19 mm Abstand voneinander auf derselben Welle sitzen. Für Kraftantrieb werden
40–90, meist 70 Sägen nebeneinander angeordnet, Handsägegins haben 10–20 Sägen. Die
Baumwolle wird auf die Zuführung geworfen, die aus einer umlaufenden endlosen
Lattenbahn l besteht. Die zugeführte Menge kann durch
Regelung der Geschwindigkeit der Bahn eingestellt werden, außerdem haben die
besseren Maschinen noch eine Stachelwalze w und
zuweilen noch ein Flügelrad f, um die Speisung
gleichmäßig zu gestalten. Die Baumwolle fällt nun in einen Rumpf über den Sägen s und bildet hier einen Wulst, aus welchem die
Sägezähne die Fasern herauszupfen; der Wulst nimmt unter dem Einfluß der sich
drehenden Sägen ebenfalls eine drehende Bewegung an, die für die Gleichmäßigkeit der Faserentnahme
sehr vorteilhaft ist. Die Sägeblätter reichen nur wenig- durch einen Rost r hindurch, dessen Stäbe oben einen Teil der
Rumpfwandung bilden und demgemäß konkav kreisförmig gestaltet sind, unten aber als
konvexe Bögen zwischen den Kreissägeblättern liegen. Die Kerne fallen über die
Roststäbe herunter, die Fasern werden von den Sägezähnen durch den Rost
hindurchgezogen. Eine Bürstenwalze b entnimmt die
entkörnte Baumwolle den Sägen und schleudert sie unter Ausnutzung des bei ihrer
schnellen Umdrehung entstehenden Luftstromes durch einen kurzen Kanal gegen den
sogenannten Kondenser h Das ist eine Siebtrommel, gegen
welche sich die Baumwolle fest anlegt und noch durch eine kleine Walze d angedrückt wird. Als lockere Watteschicht in der
Breite der Siebtrommel verläßt die Baumwolle die Maschine. Die Umdrehungszahl der
Sägewelle beträgt etwa 300 bis 400 in der Minute.
Die stündliche Leistung der Sägegin wird für jede Säge zu 1,2 bis 2,5 kg der
Arbeitsbedarf zu 0,1 bis 0,125 PS angegeben. Eine 70-Sägengin leistet etwa 80 bis
150 kg bei einem Arbeitsbedarf von 7 bis 9 PS-Stunden.
Die Lintergins, die zur Entfernung der kurzen, nach dem Ginnen noch an den Körnern
sitzenden Fasern dienen, entsprechen fast vollständig den Sägegins, nur sind die
Sägen enger aneinander gestellt. Eine solche Maschine war auf der diesjährigen
Ausstellung aus der Fabrik der Continental Gin Company
zu sehen. Nach ganz anderen Grundsätzen war eine Maschine gebaut, die die Firma M. Martin, Bitterfeld, unter dem Namen Entwollmaschine
für die Entfernung der Linters empfiehlt. Nach Art einer Schälmaschine besteht diese
aus einem rasch umlaufenden Schmirgelstein, der von einem langsam in
entgegengesetzter Richtung umlaufenden Mantel, der Bütte, umgeben ist. Um die Dauer
der Bearbeitung dem Charakter der Saat anpassen zu können, ist die Arbeit
intermittierend, und eine einstellbare Sperrung, die nach jeder Umdrehung der Bütte
ein Rad um einen oder einige Zähne verschiebt, unterbricht die Arbeit nach der
gewünschten Zeit. Die Trennung der Kerne von den Fasern erfolgt darauf in einem
Bürstensichter mit Vorsieb und Ventilation. Das Vorsieb sondert einen Teil der
Faserballen aus, das übrige fällt dann in eine durchlochte Trommel, in welcher
Stahlbürsten die Fasern vollständig von den Kernen trennen. Ein auf der Maschine
angebrachter Ventilator saugt die Fasern ab und bläst sie in einen Zyklon oder eine
Windkammer. Diese Entwollmaschine arbeit energischer als die Lintergin,
infolgedessen ist das erhaltene Fasermaterial auch keine eigentliche Linter und
weniger wertvoll. Linters haben einen Wert von rd. 50 v.H. der Baumwolle und sind
als Polstermaterial u. dergl. beliebt. Die Faser aus der Entwollmaschine erzielt
diesen Preis nicht, sie soll neuerdings zur Papierverarbeitung benutzt werden.
Wichtiger ist aber, daß die Saat durch dieses Verfahren sehr rein und daher
wertvoller wird. Nach den mir von der Firma Martin
freundlichst zur Verfügung gestellten Angaben leistet die Entwollmaschine stündlich
je nach der Art der Saat etwa 600 kg, dabei ist Kraftbedarf etwa 10 PS. Sie kostet
3000 M. Der zugehörige Bürstensichter braucht rd. 3 PS und kostet 1000 M. Die
Maschinen werden auch in kleineren Größen gebaut.
(Schluß folgt.)