Beiträge zur Theorie der
Heißdampfmaschine.Von Carl Fred. Holmboe, Ingenieur,
Kristiania.Beiträge zur Theorie der Heißdampfmaschine.Die in einem Dampfzylinder nach Abschluß der Füllungsperiode eingesperrte
Dampfmenge befolgt bei ihrer Expansion angenähert eine polytropische Kurve, d.h.
eine Kurve unveränderlicher spezifischer Wärme, nach der Poissonschen Gleichungp . vk
= unveränderlich. . . . . . . . . . . (1)Da die spezifische Wärme des Heißdampfes von der Höhe des Druckes und der absoluten
Temperatur abhängig ist und diese Größen sich während der Expansion ändern, so ist
auch die spezifische Wärme fast an jedem Punkte der Expansionskurve verschieden.Hieraus folgt, daß die Expansionskurve des Heißdampfes mehr oder weniger von der
polytropischen Kurve verschieden sein muß.Für die Praxis ist diese Abweichung, besonders bei den Mehrfach-Expansionsmaschinen,
ohne Bedeutung, wenn man den Arbeitsvorgang in jedem Zylinder für sich behandelt. Es
bietet somit der gesetzmäßige Verlauf der polytropischen Kurven ein vorzügliches
Hilfsmittel für die Berechnung der Maschinen.Der Exponent k ist aus obengenannten Gründen nicht
konstant, sondern von der Höhe der Dampftemperatur oder bei gegebenem Drucke von der
Höhe der Ueberhitzung abhängig.Da es für die Konstruktion der polytropischen Kurven von großer Bedeutung ist, über
die Größe von k möglichst genau unterrichtet zu sein,
so habe ich bei meinen Versuchen an Dampfmaschinen nach Möglichkeit versucht, von
Fall zu Fall die Werte von k zu bestimmen, und durch
Vergleich der erhaltenen Ergebnisse eine gesetzmäßige Aenderung des
Expansionsexponenten als Funktion der Dampftemperatur festzustellen.Im folgenden möchte ich über einige Ergebnisse an Mehrfach-Expansionsmaschinen
berichten, da diese Versuche, trotz der Abweichung in System und Aufbau der
untersuchten Maschinen, sehr gute Uebereinstimmung aufweisen.Hierzu trägt noch der Umstand bei, daß sämtliche Versuche mit ∾ 11 Atm. absoluter
Admissionsspannung und 80 – ∾ 85% Vakuum, also bei angenähert gleichem Anfangs- und
Endzustand hinsichtlich des Druckes, durchgeführt worden sind.Es mag deshalb im folgenden nur von der Höhe der Ueberhitzung Δt = t1– t2 gesprochen werden.
In dieser Gleichung ist t1 die Temperatur des Heißdampfes in C° beim Absperrventil (Eintritt in den
Zylinder), und t2 die
dem Drucke an derselben Stelle entsprechende Sattdampftemperatur.Versuche: I. mit niedriger
Ueberhitzung.Die Versuchsmaschine war eine Dreifach-Expansionsmaschine von 1000 PSi bei 11 Atm. absolutem
Einströmungsdruck und 200 Umdrehungen in der Minute. – Der Hochdruckzylinder
besitzt eingeschliffene Kolbenschieber, der Mittel- und Niederdruckzylinder
entlastesten Kanalschieber.Die Hauptzylinderabmessungen sind:
ZylinderHCMCNCDurchmesser5458401300 mmSchädlicher Raum1414,515,5 %Hub500500 500 mm.
[Textabbildung Bd. 324, S. 293]
Fig. 1.
[Textabbildung Bd. 324, S. 293]
Fig. 2.Die Hauptergebnisse des Indikatorversuches sind in Zahlentafel I
zusammengestellt.Zahlentafel I:
Fig. 1 zeigt ein Diagramm des Hochdruckzylinders
und Fig. 2 ein rankinisiertes Diagramm sämtlicher
Zylinder. – Wie aus beiden Figuren ersichtlich ist, schmiegt sich die Kurve p . v1,1 = unveränderlich sehr gut an die
Expansionslinien der Diagramme an.
[Textabbildung Bd. 324, S. 294]
Fig. 3.Für das Diagramm des Niederdruckzylinders scheint jedoch die Kurve einen etwas zu
großen Abfall zu haben, was ja auch zu erwarten ist, da die ganze Kurve für p . v1,1 konstruiert ist, obgleich diese Gleichung,
streng genommen, nur für den ersten Teil des Hochdruckdiagrammes Gültigkeit hat.Wie aus den folgenden Diagrammen deutlich hervorgeht, ist es deshalb besonders bei
höheren Admissionstemperaturen nötig, den Wert des Exponenten wenigstens einmal zu
ändern, wenn man eine möglichst genaue Anpassungskurve für sämtliche Diagramme haben
will.Versuche II und III mit mittlerer und hoher
Ueberhitzung.Ein zweiter Versuch wurde ebenfalls mit einer Dreifach-Expansionsmaschine
durchgeführt. Diese Maschine war für eine Normalleistung von 850 PSi bei 125 Umdrehungen
und 11 Atm abs., sowie für eine Dampftemperatur von 320° C bemessen.Die Zylinderabmessungen sind:
Diese Dreifach-Expansionsmaschine ist vertikal angeordnet. Hoch- und
Mitteldruckzylinder besitzen einschliffenen Kolbenschieber mit doppelter
Einströmung, der Niederdruckzylinder entlasteten Flachschieber mit
Ueberströmungskanal.Die Zahlentafel II enthält die wichtigten Ergebnisse des Versuches.Zahlentafel II:
Fig. 3 zeigt ein rankinisiertes Diagramm aus
drei während des Versuches genommenen Diagrammen.Wie aus dieser Figur deutlich hervorgeht, gilt die Zustandsgleichungp . v1,2 = unveränderlichnur während der Expansion von 11,2 auf 6 Atm. Im Diagramm ist
jedoch dieses Gesetz beibehalten für den Hochdruckzylinder, also bis auf rund 3
Atm.Von hier aus ist die Gleichungp . v1,1 = unveränderlichzur Anwendung gekommen, und es geht aus der Figur hervor, daß
diese Expansionslinie fast parallel mit den Expansionslinien der Mittel- und
Niederdruckzylinder verläuft.Die Kurve p . v1,2 dagegen weicht im Verlauf von den
Expansionslinien der beiden großen Zylinder erheblich ab.Zuletzt möge noch ein Versuch mit einer Zweifach-Expansionsmaschine erwähnt
werden.Die Maschine ist eine Horizontalmaschine mit zwangsläufiger Ventilsteuerung, auf
Hoch- und Niederdruckzylinder; die Normalleistung beträgt 150 PSi bei 150 Umdrehungen,
11 Atm. abs. Druck und einer Dampftemperatur von 350–360° C am Absperrventil
gemessen.Die Zylinderabmessungen sind:
Die Ueberhitzung des Dampfes beim Austritt aus dem Niederdruckzylinder betrug
20° C, einer Dampftemperatur von rund 80° C entsprechend.Fig. 4 zeigt ein rankinisiertes Diagramm dieser
Maschine mit der umschließenden Kurve, konstruiert für
p . v1,25 =konst.von1bis2undp . v1,12
=„„2„3
Es mag noch erwähnt werden, daß Herrn H. Wiegleb in
seiner Mitteilung über die Versuche mit einer ∾ 550 PSi Tandemmaschine1)Z.d.V.d. Ing. 11. Juli 1908.
angibt, daß bei einer Dampftemperatur von 280° C (einer Ueberhitzung von ∾ 95° C
entsprechend) an der Maschine die Gleichungp . v1,15 = konst.fast genau mit dem Verlauf der Expansionslinien der Hoch- und
Niederdruckexpansionslinien übereinstimmt.Zum Vergleich gestatte ich mir, die von Herrn Wiegleb
angegebenen Diagramme in Fig. 5 vorzuführen.
[Textabbildung Bd. 324, S. 295]
Fig. 5.Die Hauptergebnisse der im Vorstehenden kurz wiedergegebenen Versuche sind in der
Zahlentafel IV der Uebersichtlichkeit halber zusammengestellt.Zahlentafel IV
Type
derVersuchs-maschineNormal-leistungin PSiAm Absperrventil bestehendek in
derGleichungp . vk
=KonstantAbsoluterDruckGesamt-Dampf-temperaturi. C°Ueber-hitzungi. C°Dreifach-Expansions-maschine100011,2251 681,1Tandem-Verbund-maschine 55011,6280 95 1,15Dreifach-Expansions-maschine 85011,13111271,2Zweikurbel-Verbund-maschine 15011,2352168 1,25
Fig. 6 zeigt die gefundenen Werte von k als Funktion der Ueberhitzung. Aus der Figur ist
ersichtlich, daß sämtliche Punkte der gefundenen Werte auf einer Kurve liegen, die
die Abszissenachsen bei etwa 24°C schneidet. Dies sollte darauf hindeuten, daß bei
einer Ueberhitzung von 24° C und weniger der Dampf während der Füllung seine
Ueberhitzung vollkommen verliert, was mit der Erfahrung übereinstimmt.
[Textabbildung Bd. 324, S. 295]
Fig. 6.Eine recht interessante Kurve erhält man, wenn man die Ueberhitzungstemperatur des
ausströmenden Dampfes als Funktion derjenigen des einströmenden Dampfes
aufträgt.In Fig. 7 sind diese Werte der hier erwähnten
Versuche graphisch dargestellt. Die Punkte 1, 2 u. 3 gehören den von mir
ausgeführten Versuchen an, der Punkt 4 ist aus dem Diagramm Fig. 5 entnommen; die Gesamttemperatur ist während
der Ausströmung aus dem Hochdruckzylinder 165° C bei 2 Atm. abs. Druck, einer
Ueberhitzung von 45°C entsprechend.
[Textabbildung Bd. 324, S. 295]
Fig. 7.Der Punkt 5 entstammt den Versuchen des Herrn Prof. Gutermuth mit einer Tandem-Heißdampflokomobile, Bauarf Wolf. Die Einströmungstemperatur betrug bei 16,15 Atm.
Druck 340°C, welche einer Ueberhitzung von 140° C entspricht, während die
Austrittstemperatur 198°C bei 2,7 Atm. Druck ausmachte, einer Ueberhitzung von 68° C
entsprechend.Bemerkenswert ist es, daß der Punkt 5 trotz des hohen Druckes fast genau in die Kurve
hineinfällt,
welche aus Werten entstammt, die für rund 11 Atm. Druck bestimmt sind.Die Kurve Fig. 7 schneidet die Abzisse bei etwa 40°
C, was darauf hinweist, daß bei dieser Ueberhitzung der Dampf nach Beendigung der
Expansion nicht mehr überhitzt ist.Mit Hilfe der beiden Kurven in Fig. 6 und 7 ist es möglich, die Kompressionskurven mit guter Annäherung zu bestimmen. Die Temperatur des
aus dem Hochdruckzylinder strömenden Dampfes ist nämlich nur um ein paar Grade C
höher als die im Rezieven. Man kann nun aus der Kurve Fig.
7 die Ueberhitzung des ausströmenden Dampfes und aus dieser wieder nach
der Kurve Fig. 6 den zugehörigen Wert von k ermitteln.Fig. 8 zeigt die Kompressionskurve (ausgezogen) der
150 PS-Maschine. Die Ueberhitzung beträgt 83° C und der Wert des Exponenten k = 1,127. Die punktierte Kurve zeigt die nach der
Gleichung p . v1,127 = unveränderlich konstruierte
Kompressionslinie, die kaum von der vom Indikator gezeichneten abweicht.
[Textabbildung Bd. 324, S. 296]
Fig. 8.Bei niedrigen Dampftemperaturen dagegen ist die Abweichung größer. So zeigt die
punktierte Kurve in Figur 1 die Kompression nach der
Gleichungp . v1,01 = konst.Charakteristisch ist jedoch, daß der durch Zeichnung gefundene
Kompressionsdruck im ersten Falle80 – 74,5 = 5,5 v.H.im zweiten Falle91,5 – 85 = 6,5 v.H.oder rund 6% niedriger war als der tatsächlich erreichte.Um ein übersichtliches Bild der Dampfzustände vor und hinter jedem Zylinder zu geben,
sind in Fig. 9 die diesbezüglichen Werte im
Wärmediagramm eingezeichnet. Die zusammengehörigen Punkte sind durch punktierte
Linien verbunden. Die Kurven I, II und III entstammen den Versuchen des Verfassers,
die Kurven IV und V den oben erwähnten Versuchen von Gutermuth und Wiegleb. An jedem Punkte sind
drei Zahlen niedergeschrieben, welche der Reihenfolge nach den abs. Druck, die
Dampftemperatur und die Gesamtwärme des Dampfes angeben. Die punktierten
Verbindungslinien der Punkte geben selbstredend kein wahres Bild der
Zustandsänderung des Dampfes während der Expansion. Um ein solches zu erhalten, muß
man die zusammengehörigen Werte von Druck und Temperatur während der Einströmung und
Expansion im Wärmediagramm einzeichnen.Der Druck kann aus dem Diagramm direkt gemessen werden. Die zugehörigen Temperaturen
können nach der allgemeinen Zustandsgleichung:px .
(vx + C) = R . Txermittelt werden. In dieser Gl. sind px = Druck angenähert in kg/qm, vx = Volumen in cbm/kg,
Tx = abs.
DampftemperaturC = 0,01 und R = 47Bezeichnen wir mit p, v und T die diesbezüglichen Werte des Dampfes am Absperrventil, so gilt
angenähertp . vk = px . vxkworausIn obiger Gl. gibtEin Beispiel möge die Anwendung dieser Gl. erläutern. Bei der 1000 PS
Dreifachexpansionsmaschine betrug die adm. Temperatur 249° C (oder T = 249 + 275 = 524°), der Anfangs- und Enddruck
während der Füllung 11 und 9,7 kg/qm oder 110000 und 97000 kg/m2. Das Anfangsvolumen v ist für t = 249° C und p = 11:
cbm/kgund die Gesamttemperatur beim Anfang der Expansionoder t = 490 – 273 = 217° CΔt ∾ 217 – 177 = 40° C
[Textabbildung Bd. 324, S. 296]
Fig. 9.Im Wärmediagramm Fig. 9 stellt somit der Punkt 2 den
Dampfzustand bei Anfang der Expansion dar. In ähnlicher Weise sind die Punkte 3 und
4 sowie die Kurven A, B und C berechnet. Jedoch muß man, besonders bei hoher Ueberhitzung, die
Aenderung des Exponenten k während der Expansion
berücksichtigen. Die Kurven A, B und C stellen deshalb nur Annäherungen der wirklichen
Verhältnisse dar.