Titel: | Die Lentz -Ventilsteuerung an Lokomotiven. |
Autor: | Max Osthoff |
Fundstelle: | Band 324, Jahrgang 1909, S. 214 |
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Die Lentz -Ventilsteuerung an
Lokomotiven.
Von Dr.-Ing. Max Osthoff, Reg.-Baumeister
in Duisburg.
(Fortsetzung von S. 184 d. Bd.)
Die Lentz-Ventilsteuerung an Lokomotiven.
c) Berechnung der
Ventilfedern.
Vereinigt man in Fig.
16a die auf das Ventil wirkenden Kräfte (gestrichelte Kurve), so muß,
damit die Rolle stets kraftschlüssig zwangläufig ist, die auf Schluß wirkende
Federkraft mindestens gleich der größten auf Oeffnen wirkenden Kraft sein. Das
Federdiagramm (für eine zylindrische Schraubenfeder eine Gerade) müßte daher eine
Tangente an den höchsten Punkt der die auf Oeffnen wirkenden Kräfte darstellenden
Linie sein, um dieser Bedingung gerade zu genügen. Der Sicherheit halber gibt man
wegen der Ungleichmäßigkeiten der Federn, Ventilgewichte usw. einen Zuschlag.
Durch Verlängern der Tangente bis zum Schnittpunkt mit der Nullinie findet man die
Vorspannung der Feder. Die Ermittlung der geometrischen Abmessungen der zu dem
Spannungsdiagramm gehörenden Feder geschieht am besten mit Hilfe der Pröllschen Rechentafel für Schraubenfedern. Man
vergleiche Z.d.V.D. Ing. 1906, Seite 1076.)
Berücksichtigt man die Reibung des Rollenkopfes an seiner lotrechten Führung, so
erkennt man, daß für Heben des Ventils die Reibung die Feder entlastet, für Senken
dagegen belastet. Da diese Reibung aber wegen der guten Schmierung (Fig. 2) nur gering ist, und gerade im Wendepunkt für Kurve II, wie aus
Fig. 16c
hervorgeht, der Druck und dementsprechend auch die Reibung zwischen Rollenkopf und
Führung auf einen sehr geringen Betrag sinkt, so wird hier für die Federberechnung
der Einfluß der Reibung nicht berücksichtigt.
Wie wir in Fig. 16a
gesehen haben, sind die Federn für Einlaßventile stets nur für einen ganz bestimmten
Betriebszustand berechnet. Bei der D Heißdampf-Güterzuglokomotive ist derselbe zu
40% Füllung und V = 40 km/St angenommen. Mit größerer
Geschwindigkeit wird wohl bei dieser Füllung mit derartigen Lokomotiven nicht
gefahren werden. Ebenso wird bei V = 40 km/St die
Füllung 40% wohl nicht überschreiten. Für kleinere Füllungen und größere
Geschwindigkeiten (hier bis zu Vmax = 50 km/St), ebenso wie für größere Füllungen
und kleinere Geschwindigkeiten, sind die Einlaßventilfedern noch genügend stark. Für
den bei dieser Lokomotivgattung wohl am häufigsten vorkommenden Betriebszustand von
20 bis 25% Füllung und V = 30–40 km/St sind die
Einlaßventilfedern jedoch zu stark. Es empfiehlt sich daher im Interesse einer
geringen Abnutzung der Steuerungsteile, den Sicherheitszuschlag in den
Federdiagrammen, welchen stets die größte vorkommende Beanspruchung zugrunde zu
legen ist, nicht übermäßig groß zu wählen.
Auf Naßdampflokomotiven ist es bei Leerfahrt mit geschlossenem Regler, z.B. im
Gefälle, wo oft mit großer Geschwindigkeit gefahren wird, üblich, die Steuerung auf
die größte Füllung zu legen, um kleine Kompression und einen ruhigen Lauf der
Lokomotive zu erzielen. Man müßte also hier bei Ventilsteuerung die Einlaßfedern für
den Zustand der größten Füllung, und zwar ohne Dampfdruck auf Spindel, Ringfläche
usw. und der größten Geschwindigkeit berechnen. Wendet man schwächere Federn an, so
bleibt die Steuerung bei Leerfahrt mit großer Geschwindigkeit nicht zwangläufig und
es tritt ein Abheben der Rollen von den Stangen ein. Bei Heißdampflokomotiven wird
jetzt allgemein ein sogenannter Druckausgleichkanal angebracht, welcher sofort nach
Reglerschluß geöffnet wird. Dieser Kanal verbindet den vorderen mit dem hinteren
schädlichen Raum des Dampfzylinders. Man läßt daher hier die Steuerung einfach auf
der vorher gebrauchten Füllung Hegen, oder legt sie noch besser auf Mitte. In dieser
Lage, wo die Nockenstange das Ventil um den Betrag des linearen Voreilens aufdrückt,
kommt die Rolle nur mit Kurve I der Stange etwa bis zum Wendepunkt W (Fig. 13) in
Berührung; Kurve II wird also gar nicht benutzt. Es ergibt sich alsdann eine nur
geringe Federbeanspruchung.
Wie aus Fig. 11a und
16a ersichtlich,
tritt die größte auf Oeffnen wirkende Kraft, nach welcher die Feder zu bemessen ist,
stets im Wendepunkt auf.
Dieselbe setzt sich aus den statischen Kräften, hier in Fig. 16a z.B. aus dem
Dampfdruck auf die Spindel usw., die sich ohne weiteres aus der Ventilkonstruktion
Fig. 2 ergeben, und der dynamischen Kraft der
Ventilverzögerung zusammen. Die letztere können wir nach dem kinematischen Verfahren
leicht bestimmen.
Durch Vereinigung aller, auch der Federkräfte, findet man die resultierenden Kräfte
o in Richtung Ventilspindel. Damit die Steuerung
zwangläufig ist, müssen dieselben stets auf Ventilschluß wirken. Diese Kräfte
stellen, wenn man von der Reibung absieht, zugleich die Kräfte dar, welche die
wagerechte Führung der Nockenstange aufnehmen muß. Die Kräfte k in Richtung Nockenstange, die zugleich die Kräfte
sind, welche die lotrechte Führung des Rollenkopfes aufnehmen muß, findet man,
ebenso wie die Normalkräfte l zwischen Rolle und
Stange, aus dem Parallelogramm der Kräfte (Fig. 16c). Daselbst
sind die Kräfte k als Ordinaten, bezogen auf den
Hub der Nockenstange, und die Kräfte l als Strahlen in
Polarkoordinaten, bezogen auf die Punkte A und D, dargestellt. Für Heben des Ventils muß die
Nockenstange die Kräfte k, vermehrt um die Reibung,
hergeben. Für Senken des Ventils geben die Federn die Kräfte k, vermindert um die Reibung, an die Nockenstange wieder ab. Untersucht
man den Einfluß der Elastizität des Materials, welcher bishes als völlig starr
vorausgesetzt wurde, so ergibt sich, daß für Heben des Ventils ein Nacheilen, für
Senken ein Voreilen desselben eintritt, und daß die zwischen Rollen und Stangen nur
momentan auftretenden Höchstwerte der Kräfte in stark verminderter Größe auf die
Umsteuerung übertragen werden.
Die im vorstehenden entwickelte Methode der Federberechnung setzt voraus, daß die
Kurven der Nockenstange die mathematisch genaue Gestalt haben, welche der Berechnung
zugrunde gelegt ist. Da die Nocken der Lentz-Steuerung
sich aus Mänteln von geraden Kreis -zylindern zusammensetzen, so lassen sie sich von
allen gekrümmten Flächen am genauesten herstellen. Es ist deshalb, im Gegensatz zu
anderen kraftschlüssigen Steuerungen mit Nocken von anderer als kreiszylindrischer
oder gar doppelt gekrümmter Oberfläche, wie solche bei achsialer Verschiebbarkeit zu
Füllungsänderungen oder Umsteuerungen benutzt werden, wohl anzunehmen, daß bei der
Lentz-Steuerung die tatsächlichen Verhältnisse von
den theoretischen nur wenig abweichen. Von welchem Einfluß die Elastizität des
Materials, welches bisher als völlig starr angenommen wurde, auf die
Bewegungsverhältnisse des Ventils ist, soll im folgenden Abschnitt untersucht
werden.
d) Entwurf neuer Lentz-Ventilsteuerungen.
Um die Abnutzung der einzelnen Steuerungsteile möglichst gering zu halten, dürfen die
in denselben auftretetenden Kräfte nicht zu hohe Werte erreichen. Lassen wir die
Beschleunigung R . cos α . w2 . tang ϕ, veranlaßt durch den
Exzenterantrieb, außer acht, also
f_1=\frac{c^2}{b_1 \cdot
\mbox{cos}^3\,\varphi_1} und f_2=\frac{c^2}{b_2 \cdot
\mbox{cos}^3\,\varphi_2},
so wirkt eine Vergrößerung von b1 und b2 vermindernd auf f1 und f2 und die denselben entsprechenden Kräfte. Noch
wirksamer ist, weil in dritter Potenz auftretend, eine Vergrößerung von cos ϕ1 bzw. cos ϕ2, also
Verkleinerung von ϕ1 bzw. ϕ2.
Bei gleicher Umdrehungszahl (w) bedingt eine
Verkleinerung der Nockenstangen-Geschwindigkeit c = R .
sin α . w auch eine Verkleinerung des Hubes (2R) der Umsteuerung und damit eine Vergrößerung des
Einflusses des toten Ganges in der Steuerung. Wollte man für ein kleineres c dieselbe Ventilgeschwindigkeit und Beschleunigung
erreichen, so müßte man eine steilere Ventilerhebungskurve nehmen.
Für die f1
entsprechenden Kräfte, welche von der Nockenstange hergegeben werden, kann man
ziemlich hohe Werte zulassen, weil die Kraftübertragungsflächen zwischen Rolle und
Stange nach einem nahezu gleichen Kreisbogen nach derselben Richtung hin gekrümmt
sind. Für die Kurve II ist die Berührung wegen der nach entgegengesetzten Richtungen
hin gekrümmten Flächen sehr ungünstig. Doch sind die hier wirksamen Kräfte l (Fig. 16c), welche der
Differenz der Feder- und Massenkräfte des Ventils usw. entsprechen, nur gering.
Der Forderung nach möglichst geringen Kräften in dem Steuerungsmechanismus steht
diejenige nach möglichst schnellem und großem Ventilhub, also großem v, entgegen. Es ist deshalb eine gewisse Erfahrung
nötig, um diese sich widersprechenden Forderungen mit einander in Einklang zu bringen. Es
mögen hier folgende Angaben für das Entwerfen von neuen Lentz-Ventilsteuerungen gemacht werden.
Nach ähnlichen Ausführungen wählt man die Größe der Ventile, die Halbmesser der
Hubkurven I und II und den Rollendurchmesser, wobei die Rollenbreite möglichst groß
zu bemessen ist. Genügt die hierauf konstruierte Ventilerhebungskurve den
hinsichtlich der Dampfgeschwindigkeit gestellten Anforderungen, so konstruiert man
den Höchstwert von f1.
Ergibt sich eine im Vergleich zu ähnlichen Steuerungsantrieben, Rollendurchmessern
und -Breiten zu hohe Ventilbeschleunigung und dementsprechend zu große Druckkraft
zwischen Rolle und Stange, so muß man andere Ventilerhebungskurven und
gegebenenfalls Rollendurchmesser nehmen. Genügen aber die ersten Annahmen, so läßt
sich sehr leicht auch der Höchstwert von f2 und damit die Feder berechnen.
Hier ist auch der Weg gezeigt, wie man die im Verhältnis zu ortsfesten Dampfmaschinen
hohen Umdrehungszahlen der Lokomotiven berücksichtigt. Man macht, allerdings auf
Kosten der freien Ein- bzw. Auslaßquerschnitte, die Ventilerhebungskurven bei
Lokomotiven weniger steil als die im Dampfmaschinenbau angewandten, so daß die
zwischen Rollen und Nockenstangen auftretenden Kräfte nicht größer werden, als die
dort zwischen Rollen und Nockenwellen als zulässig erprobten.
e) Ermittelung der bei einem
Auslaßventil auftretenden Kräfte.
Mit Hilfe der im Abschnitt 7b ermittelten Formeln sind aus den in Fig. 17 dargestellten Größen die 4 Endordinaten der
Beschleunigungs- und Verzögerungskräfte eines Auslaßventiles ebenfalls für den
Betriebszustand: 40% Füllung und V = 40 km/St.,
berechnet. Es ergibt sich
K_1=f_1 \cdot \frac{G}{g}=103 kg, KwI = 350 kg, KwII = – 53 kg
und
KII =
– 10 kg.
Die vier Funkte werden durch zwei Kurven ähnlich denen in Fig. 16b mit
genügender Genauigkeit freihändig verbunden.
Textabbildung Bd. 324, S. 215
Fig. 17. Berechnung der Auslaßventilfedern.
Das Federdiagramm ist hier bei der Ventilanordnung nach Fig. 2, wo der Dampfruck auf die Ringfläche des Auslaßventis auf Oeffnen
desselben wirkt, nicht durch die Größe von KwII bestimmt. Die Vorspannung der Auslaßventilfedern
ist nämlich so hoch zu bemessen, daß während der bei der kleinsten Füllung
auftretenden höchsten Kompression, ebenso wie während der Einströmung von
Frischdampf, das Auslaßventil noch mit Sicherheit geschlossen bleibt und
Dampfverluste vermieden werden. Die hier (Fig. 17)
erforderliche Vorspannung bei 30 mm Durchbiegung der Feder beträgt etwa 175 kg; die
Endspannung bei 42 mm Gesamtdurchbiegung etwa 255 kg. Um diese Federkraft gering zu
halten, ist die Sitzbreite der Auslaßventile zu nur 2,5 mm gewählt, während dieselbe
bei den Einlaßventilen 3 mm beträgt. Bei liegenden Dampfmaschinen mit besonderen
Ein- und Auslaßexzentern, wo der Dampfdruck auf die Ringfläche der Auslaßventile auf
Schluß derselben wirkt, ist die Größe von KwII für die Federberechnung maßgebend. Die
Federspannung und damit die resultierenden Kräfte werden hier wesentlich
geringer.
(Fortsetzung folgt.)