Titel: Biegung eines dünnwandigen Hohlzylinders durch achsensymmetrische Kräfte und ungleiche Wandtemperatur.
Autor: Max Ensslin
Fundstelle: Band 324, Jahrgang 1909, S. 82
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Biegung eines dünnwandigen Hohlzylinders durch achsensymmetrische Kräfte und ungleiche Wandtemperatur. Von Dr.-Ing. Max Ensslin, Stuttgart. (Fortsetzung von S. 67 d. Bd.) Biegung eines dünnwandigen Hohlzylinders durch achsensymmetrische Kräfte und ungleiche Wandtemperatur. VI. Sonderfälle, Zahlenbeispiele. 1. Zylinderenden durch reine Biegungsmomente belastet. Formänderung- und Spannung. Da keine Schubkräfte an den Zylinderenden angreifen, ist in (29), (29a), (31) und (31a), (32) und (33) S' und Sl = 0. Die Gleichung (26) des Meridians der elastischen Mittelfläche bringen wir auf die Form: u0 = enz (g . sin nz + f cos nz) – e– nz (g . sin nz – f cos nz) und setzen hierin: f = a . sin δ und g = a . cos δ (43) woraus mit Rücksicht auf (31a) mit S' = 0: a=f2+g2=M2ens         (44) tgδ=fg=sinnlcosnl(sinnl+cosnl)=ctgnl1ctgnl+1=tg(π4nl) (45) daher δ=π4nl±kπ5)       (46) wenn k = 0, 1, 2, ... Mit obiger Substitution wird die Gleichung des Meridians der elastischen Mittelfläche des Hohlzylinders u0=M2enl[enrsin(nz+δ)enzsin(nzδ)] (47) Die elastische Meridianlinie ist demnach die Differenz einer anschwellenden und einer abschwellenden Deformationswelle, die gegen z = 0 um ± δ vor- bzw nacheilen und deren Wellenlänge ist: Z=2πn=4,9rs           (48) Die abfallende Welle verschwindet in einiger Entfernung von z = 0 gegenüber der anschwellenden, weger der Kleinheit des Faktors e– nz. In genügender Entfernung von der Zylindermitte z = 0 und insbesondere in der Randzone wird die Deformation mit ausreichende Genauigkeit ausgedrückt durch: u0=M2enzensin(nz+δ) oder mit (30a) und m=103 n0=23m21m2αrMls26en(lz)sin(nz+δ) (49) Das ist die Gleichung einer gedämpften Schwingung. Die Deformation der Hohlzylinderwand verläuft also wellenförmig; die Deformationswellen nehmen vom Rand nach der Zylindermitte hin ab, und zwar, wie sich bald zeigen wird, sehr rasch. Die Durchbiegung des Zylinderendes ist: (u0)l=m213m2αrMls26=0,55αrMls26 (49a) Die Entfernung der Wellenberge und Wellentäler von der Zylindermitte folgt aus: 0=du0dz=sin(nz+δ)+(cosnz+δ) daher tg (nz + δ) = – 1 nz+δ=34π±kπ (50) wenn k = 0, 1, 2 .... Die betreffenden Entfernungen sind also: zk=3π4nδn±kπn=l+π2n[±kπn] (50a) Ein Wellenberg oder -Tal liegt demnach π2n=Z2=14 Welle vom Zylinderende entfernt (s. Fig. 5). Da z2z1=z3z2=z4z3= . . . =πn=Z2 so folgen sich die Maximalausschläge der Deformationswellen in gleichen Abständen von je einer halben Wellenlänge [vgl. (48)]. Beachtet man ferner, daß in diesen Abständen: sin(nz+δ)=sin34π+kπ=±22=±0,707 und nach (50) und (46) $$n(lz1)=nl+34πδ      =π2n(lz2)=nl+34πδ+π=π2+πn(lz3)=                     =π2+2π$$ usf. so erkennt man aus (49), daß die Maximalausschläge der Deformationswellen vom Zylinderende gegen die Zylindermitte hin nach einer geometrischen Reihe abnehmen, deren Quotient 1en=123 ist. Befindet sich also in der Nähe des Zylinderendes ein Wellenberg. so hat das darauffolgende Wellental nur 123 der Tiefe, der folgende Wellenberg nur 1232=1529 der Höhe des ersten Wellenberges; d.h. die Deformation der Hohlzylinderwand ist auf die Randzone beschränkt; die mittleren Teile bleiben nahezu undeformiert. Diese Aussage ist durch das nachstehende Zahlenbeispiel veranschaulicht, wobei auch noch das zweite Glied in Gl. (47) berücksichtigt ist. Zahlenbeispiel 1: Die beiden Endflächen eines Hohlzylinders sind durch gleichgroße, achsensymmetrische Biegungsmomente belastet; es ist die Form der elastischen Mittelfläche gesucht: Abmessungen:
mittlerer Halbmesser r = 50 cm Wandstärke s =  1 cm halbe Zylinderlänge l = 39 cm
Verhältnis: k=rs=50, μ=lr=0,78. Nach (28) ist mit m=103 n=3r2s2m21m24=1,283kr=0,1815 nl = 1,283 . μ√k = 7,07 Nach (46): δ=π4nl+2π=0 Nach (48): Wellenlänge Z=2πn=34,6 cm enl = 1180 e– nl = rd 0 Da die Vor- bezw. Nacheilung δ = 0 ist, so vereinfacht sich (48) zu $$u0=22Menlenzenz2sinnz=22Menl\frakfamilySinnzsinnz$$
z = 0 6,5 13 19,5 26 32,5 39 cm nz = 0 1,18 2,36 3,54 4,71 5,9 7,07 Sin nz6) = 0 1,474 5,25 17,22 55,5 182,5 590 sin nz = 0 + 0,925 + 0,664 – 0,234 – 1 – 0,23 + 0,7 u0 = 0 + 1,36 + 348 – 4,06 – 55,5 – 41 + 412
mal 22Menl (zur letzten wagrechten Reihe gehörig). Die wellenförmige Deformation der Zylinderwand ist in Fig. 5 dargestellt. Man erkennt, daß vornehmlich die Randzone deformiert ist, während der mittlere Teil der Zylinderwand im Vergleich dazu fast nicht gebogen wird. Die Wellenberge und Wellentäler befinden sich zufolge Gl. (49) und (50) angenähert in der Entfernung z1 = 13 cm und z1 = 30,3 cm vom Mittelquerschnitt des Hohlzylinders, oder einfacher ausgedrückt: in der Entfernung ¼ Wellenlänge vom Zylinderende gegen den Mittelquerschnitt hin.
[Textabbildung Bd. 324, S. 82]
Fig. 5. Formänderung bei Belastung der Endflächen durch reine Biegungsmomente Ml; A – A Mittelquerschnitt des Hohlzylinders; l = 39 cm halbe Zylinderlänge.
Die axiale Biegungsspannung. Diese ist nach (22) und (27) σzz=m2m21λα2n2[g(enz+em)cosnzf(enzenz)sinnz] woraus mit der Substitution (43) σzz=m2m21λ1α2n2a[enzcos(nz+δ)+enzcos(nzδ)] (51) Die Diskussion der Spannungsverteilung gestaltet sich ganz analog der ausführlich mitgeteilten Diskussion der Deformation, so daß ich mich unter Hinweis hierauf kurz fassen kann. Die Biegungsspannungen konzentrieren sich auf die Randzone und sind daselbst genügend genau ausgedrückt durch: σzz=m2m21λα2n2acnzcos(nz+δ) oder mit Benützung von (25) für n und (44) für a und mit λ=±s2 (an der Außen- und Innenfläche): σzz=22Mls26en(lz)cos(nz+δ) (52) Die Biegungsspannung in den Endflächen z = ± l und in λ=±s2 ist, da nl+δ=π4, also cos(nl+δ)=22: σb=Mls2 (52a) wobei auf die Analogie mit der für gerade Stäbe giltigen Biegungsgleichung hinzuweisen ist. Die achsialen Biegungsspannungen an der Außen- und Innenfläche des Hohlzylinders verlaufen längs einer Mantellinie wellenförmig, und zwar, wenn man vorzugsweise die Randzone betrachtet, vom Zylinderende gegen die Mitte hin nach Art einer stark gedämpften Welle; Wellenlänge Z=2πn; die Wellenberge und -täler folgen im Abstand von je einer halben Wellenlänge aufeinander. Die Tiefe eines Wellentales ist 1en=123 der Höhe des unmittelbar vorangehenden Wellenberges. Abstand eines Wellenberges oder Wellentales von z = 0: zk=π4δn=l[±kπn] d.h. ein Wellenberg oder -Tal einer Spannungswelle befindet sich am Zylinderende (s. Fig. 6). Der Verlauf der achsialen Biegungsspannungen an der Außen- oder Innenfläche des Hohlzylinders ist gemäß (52) in Fig. 6 eingetragen. Daß dabei die zweite Welle in Gl. (51) nicht berücksichtigt ist, mag nochmals erwähnt sein; dies macht sich aber nur in der mittleren Zone geltend, wo die infolge der Belastung der Endflächen entstehenden Spannungen sowieso nur unerheblich sind; die angedeutete Vernachlässigung ist daher ohne technisches Interesse.
[Textabbildung Bd. 324, S. 83]
Fig. 6 Achsiale Biegungsspannung σzz (Belastung der Endflächen durch reine Biegungsmomente); A – A Mittelquerschnitt des Hohlzylinders; l = 39 cm halbe Zylinderlänge.
Die absolut größte Biegungsspannung tritt im Endquerschnitt selbst auf und hat im Abstand λ=±s2 den Wert (52a). Die Umfangsspannung σϕϕ, – wenn die Endflächen des Hohlzylinders durch reine Biegungsmomente belastet sind – ist nach (22): σφφ=1α[u0rmm21λd2u0dz2] Wir benutzen für u0 und d2u0dz2 die Ausdrücke (26) und (27), führen sodann die Substitution (45) ein und erhalten an der Außenfläche des Hohlzylinders: σφφ=arα[1{enzsin(nz+δ)enzsin(nzδ)}mm21rs22n2{enzcos(nz+δ)+enzcos(nzδ)}]. Die Werte a, n, δ sind durch die Gl. (44), (25) und (46) bestimmt. Zur weiteren Vereinfachung der letzten Gleichung wird substituiert: Missing or unrecognized delimiter for \right daher (mit m=103): Missing or unrecognized delimiter for \right Damit erhält man für die Umfangsspannung σϕϕa an der Außenfläche, wenn (44), (25) und (54) benutzt werden: σφφa=Mls2623m2+2m21enl[enzcos(nz+δ+δ1)+enzcos(nzδδ1)] (55a) und an der Innenfläche: σφφl=+Mls2623m2+2m21enl[enzcos(nz+δδ1)+enzcos(nzδ+δ1)] (55b) Bei hinreichender Zylinderlänge (vgl. Abschn. VII) kann man den zweiten Summanden in der Klammer ohne merklichen Fehler weglassen, wenn man die Umfangsspannungen in der Randzone berechnen will; und diese sind allein von praktischem Interesse, weil die mittlere Zone fast gar keine Beanspruchung durch die Belastung der Endflächen erfährt.
[Textabbildung Bd. 324, S. 83]
Fig. 7. Umfangsspannung σϕϕ an der Außen und Innenfläche (Belastung: Biegungsmomente in den Endflächen); A – A Mittelquerschnitt des Hohlzylinders, l = 39 cm halbe Zylinderlänge.
An den Endflächen z = ± l ist nach (46) und (54): cos(nl+δ+δ1)=cos(nl+π4nl+1,07)=cos    1,856=0,28 cos(nl+δδ1)=cos(nl+π4nl1,07)=cos(1,856)=+0,96 Am Endquerschnitt des Hohlzylinders ist also die Umfangsspannung $$\left{{\mbox{außen: }\sigma_{\varphi\varphi a}=\frac{M_l}{\frac{s^2}{6}}\cdot 0,886\cdot 0,28=0,25\,\frac{M_l}{\frac{s^2}{6}}}\atop{{\mbox{innen: }\sigma_{\varphi\varphi b}=\frac{M_l}{\frac{s^2}{6}}\cdot 0,886\cdot 0,96=0,85\,\frac{M_l}{\frac{s^2}{6}}}}\right\}\ (56)$$ Im Endquerschnitt des Hohlzylinders ist also die Umfangsspannung kleiner als die achsiale Biegungsspannung σb in λ=±s2; an der Außenseite ist nämlich die Umfangsspannung = 0,25 σb; an der Innenfläche = 0,85 σb. Dies gilt bei Belastung der Zylinderenden durch reine Biegungsmomente. Betrachten wir vorzugsweise die Spannungen in der Randzone, so gilt folgendes: Auch die Umfangsspannungen verlaufen längs einer Zylindermantellinie wellenförmig, und zwar vom Zylinderende gegen die Mitte hin nach Art einer stark gedämpften Welle: Wellenlänge Z=2πn; die Maximal- und Minimalausschlage folgen im Abstand einer halben Wellenlänge aufeinander; die Ausschläge nehmen nach dem Gesetz einer geometrischen Reihe mit dem Quotienten 1eπ ab, die Tiefe eines Wellentales ist also 1eπ=123 der Höhe des unmittelbar vorangehenden Wellenberges; Abstand eines Wellenberges oder Wellentales von z = 0: an der Außenfläche z1=π/4δδ1n=lδ1n an der Innenfläche z1=π/4δ+δ1n=l+δ1n Der Verlauf der Umfangsspannungen ist in Fig. 7 dargestellt, und zwar nach (55a) und (55b), wobei das zweite Glied in der Klammer nicht berücksichtigt wurde (vgl. hierzu die Bemerkung S. 81). Die Schubspannung ist nach (23): τrz=m2m211α(s28λ22)d3u0dz3 Die Schubspannungen ändern sich hiernach mit dem Abstand von der Mittelfläche nach dem Gesetz einer Parabel, – also nach einem vom geraden Stab und von dünnen ebenen Platten her wohlbekannten Verteilungsgesetz. Die größte Schubspannung tritt in der Mittelfläche λ = 0 auf. Um den Verlauf dieser größten Schubspannung längs einer Mantellinie der Mittelfläche zu zeigen, schreiben wir mit Benutzung von (27): maxτrz=m2m211αs282n3 Missing or unrecognized delimiter for \right Missing or unrecognized delimiter for \left Mit der Substitution von (43) und kleiner Umformung wird: max τrz=m2m212αs282n3 (57) a[enzcos(nz+π4+δ)enzcos(nzπ4δ)] Hierin ist der Phasenwinkel B durch (46) bestimmt. Auch die Schubspannungen nehmen somit längs einer Mantellinie der Zylindermittelfläche einen wellenförmigen Verlauf; die Wellen sind gegen die Zylindermitte hin stark gedämpft. Wie früher läßt sich zeigen, daß die Spannungen in der Nähe des Zylinderendes genau genug ausgedrückt werden, wenn man das zweite Glied in der Klammer der letzten Gleichung wegläßt; benutzt man außerdem für n den Wert (25), für a den Wert (44), so wird: $$maxτrz=32Mls12m21m21r2s24en(lz)cos(nz+π4+δ)(58a)=32Mls2nen(l)zcos(nz+π4+δ)$$ Man erkennt mit Hilfe von Gl. (46), daß der cos in der letzten Gleichung am Zylinderende z = l zu Null wird; d.h. die Welle der Schubspannungen nimmt am Zylinderende ihren Anfang. Wellenlänge Z=2πn Abstand der Wellenberge oder -täler von z = 0: zk=±kπδn=lπ4n[±kπn] (58) wo k = 0, 1, 2 .... d.h. ein Wellenberg oder Wellental befindet sich im Abstand von ⅛ Wellenlänge vom Zylinderende, nach innen zu gemessen; die übrigen Berge und Täler folgen in Abständen von je ½ Wellenlänge aufeinander. An den Stellen, wo sich ein Wellenberg oder -tal ausbildet, ist hiernach cos(nz+π4+δ)cos(kπδ+π4+δ)=cos(kπ+π4)=+12; ferner hat der Exponent von e daselbst die Werte – nl + nzk = – nl + kπ – δ oder mit dem Wert von δ aus (46): kππ4; hiernach haben die Größtwerte der an- und abschwellenden Schubspannungen, m.a.W. die Berge und Täler der Schubspannungswelle, die Größe: 32Mlsnekπeπ4 Die Höhe eines Wellenberges ist das ez = 23fache der Tiefe des vorhergehenden Wellentales. Die überhaupt größte Schubspannung, in der Entfernung einer Achtels.-Wellenlänge vom Zylinderende gegen innen zu gelegen, folgt mit z=lπ4n aus (57a) $$Max τrz=32Mls21,2831rrseπ4cosπ4=0,88rsMlrs$$ (57b) Da die Schubspannung am Zylinderende Null ist und die überhaupt größte Schubspannung ⅛ Wellenlänge vom Zylinderende entfernt auftritt, so liegt der Wellenberg bzw. das Wellental in der Entfernung einer Achtelswelle, in Richtung der abnehmenden Welle gesehen. Damit hat man ein ziemlich genaues Bild vom Verlauf der Welle der Schubspannungen, – zum mindesten in der Nähe der Zylinderenden. Der Verlauf der Schubspannungen ist in Fig. 8 dargestellt.
[Textabbildung Bd. 324, S. 84]
Fig. 8. Schubspannung τrz (Belastung: in den Endflächen); A – A Mittelquerschnit des Hohlzylinders, l = 39 cm halbe Zylinderlänge.
2. Biegung der Hohlzylinderwand durch ungleiche Wandungstemperatur. Wie schon auf Seite 67 dargelegt, deformiert sich die ungleich erwärmte Hohlzylinderwand bei linearer Temperaturverteilung auf einem Radius genau so, als ob die Endflächen durch reine Biegungsmomente belastet wären. Diese Deformation ist in Figur 5 dargestellt. Es gelten auch hier die Gleichungen (43) bis (51), nur ist überall zu setzen M' = – MT oder zufolge (41) MlT=mm1αwαTgs312 (59) Eine Abbiegung erfahren vorzugsweise die unbelasteten Zylinderenden, die mittlere Zone des Hohlzylinders bleibt nahezu undeformiert. Die Ausbiegung des Zylinderendes ist nach (49a) und (59): $$(u0)l=MT=13m+1m1rαwTgs2$$ (60) oder mit m=103: $$(u0)l=0,788rαwTgs2=0,394rαw(TaTi)$$ (60a) In den Spannungszustand erhalten wir rasch einen Einblick auf dem folgenden Wege: Wir haben früher (S. 67) gesehen, daß ein Hohlzylinder, der in Richtung der Wandstärke nach einem linearen Gesetz erwärmt bzw. abgekühlt ist, undeformiert bleibt, wenn die Zylinderenden mit reinen Biegungsmomenten von der Größe MlT kgcm/cm belastet werden, sofern der Zylinder außen wärmer ist. Es ist dann, wie dort gesagt wurde, die Wärmeausdehnung in der Flächenerstreckung vollständig gehindert und es entstehen in der Achsenrichtung wie in der Umfangsrichtungs die Normalspannungen (D. P. J. 1907, S. 706): mm1αwαTgλ sie sind im Abstand λ von der Mittelfläche überall konstant.
[Textabbildung Bd. 324, S. 85]
Fig. 9. Achsiale Temperaturspannung an der Außen- und Innenfläche. (Zylinderenden frei.)
Aus diesem Zwangszustand, der durch die ungleiche Wandtemperatur und die Belastung der Zylinderenden mit äußeren Biegungsmomenten + MlT bedingt ist, kann man den Zylinder in den freien Zustand mit unbelasteten Endflächen überführen, indem man diese jetzt mit den entgegengesetzt gleichen Biegungsmomenten – MlT (pro cm des Umfangs 2rπ) belastet; dadurch gesellen sich zu den vorhin erwähnten Spannungen noch solche, die von den reinen Biegungsmomenten – MlT herrühren und auf S. 83 berechnet und bildlich dargestellt worden sind. Sie verlaufen nach Art einer stark gedämpften Schwingung vom Zylinderende gegen die Zylindermitte hin; da sie in hinreichendem Abstand von den Zylinderenden unmerklich klein geworden sind, so erkennt man, daß in der mittleren Zone des Hohlzylinders die Temperaturspannung achsial und tangential von dem Wert mm1αwαTgλ ganz wenig verschieden ist; daß sie also in der Mittelzone nahezu den gleichen Wert hat, wie bei vollständig gehindeter Flächenausdehnung. Die Spannungen in der Randzone werden erhalten, indem man die Spannungswelle, die von dem Angriff der reinen Biegungsmomente – MlT an den Endflächen herrührt, von der konstanten Spannung mm1αwαTgλ die bei vollständig gehindeter Flächenausdehnung im Abstand λ von der Mittelfläche auftreten würde, abzieht, bzw. algebraisch addiert. Die reinen Biegungsmomente – MlT rufen nun in den Endflächen eine achsiale Biegungsspannung nach Gl. (52a) σzz=+mm1αwαTgλ hervor, die gesamte achsiale Biegungsspannung ist, wie selbstverständlich, in der Endfläche gleich Null. Der Verlauf der achsialen Temperaturspannungen ist in Fig. 9 dargestellt. Die Temperaturspannungen σϕϕ in Richtung des Umfangs interessieren hauptsächlich im Endquerschnitt, wo sie ihren Größtwert besitzen. Ist die Außenfläche wärmer, die Innenfläche kälter als die Mittelfläche, so entstehen bei vollkommen gehinderter Flächenausdehnung außen Druck-, innen Zugspannungen; zu diesen treten noch die von dem hinzugefügten Moment herrührenden Spannungen, das sind nach (56) in der Umfangsrichtung die Druckspannungen: außen 0,25MlTs2/6=0,25mm1αwαTgs2 innen 0,85MlTs2/6=0,85mm1αwαTgs2 Da die Gesamtspannung, wie oben auseinandergesetzt, durch algebraische Summierung der beiden Spannungen erhalten wird, so ist die Temperaturspannung in der Umfangsrichtung des freien Zylinderendes: außen mm1αwαTgs20,25mm1αwαTgs2=1,25[mm1αwαTgs2] (60) innen +mm1αwαTgs20,85mm1αwαTgs2=+0,15[mm1αwαTgs2] (60a) Die Temperaturspannung am freien Ende des Hohlzylinders, der nach einem linearen Gesetz in Richtung der Wandstärke temperiert ist, erlangt am freien Ende und an der Außenkante in der Umfangsrichtung ihren Größtwert, der 25% größer ist als die Temperaturspannnung an der Außen- und Innenfläche der mittleren Zone des Hohlzylinders. Deutlich ist der Einfluß der Wandstärke auf die Temperaturspannung ausgedrückt; die Temperaturspannung wächst bei gleichem Temperaturgefälle Tg °C f.d. cm Wandstärke proportional mit der Wandstärke. Wenn nun ein bestimmter Wärmestrom [WE/m2 . Std.] durch die Wand fließen soll, so muß auf jedem cm Stromweg bzw. Wandstärke ein gleiches Temperaturgefälle vorhanden sein, um den auf jedem cm konstanten Widerstand zu überwinden, der sich der Fortleitung der Wärme entgegenstellt. Bei gleichen Temperaturen der äußeren Umgebung und des Innenraums des Hohlzydinders (z.B. Gasmaschinenzylinder: Kühlwasser und Verbrennungsgase) geht nahezu der gleiche Wärmestrom durch die Wand, mag die Wand etwas dicker oder dünner sein, und es bleibt das Temperaturgefälle nahezu umgeändert, wie die Gleichung der Wärmetransmission zeigt7). Mit Zunahme der Wandstärke wächst also die Temperaturspannung in einer Hohlzylinderwand, die nach einem linearen Gesetz in Richtung der Dicke erwärmt und von einem bestimmten Wärmestrom durchflössen wird. Mit Rücksicht auf das Anwachsen dieser Temperaturspannungen ist es also nicht unbedingt zweckmäßig, die Wandstärke eines Zylinders sehr groß zu machen, es gibt offenbar eine Wandstärke, über die man nicht hinausgehen kann, ohne die Gesamtbeanspruchung, hervorgerufen durch äußere Kräfte und ungleiche Wandtemperatur, zu erhöhen.
(Fortsetzung folgt.)