Titel: | Polytechnische Rundschau. |
Autor: | P. Weiske |
Fundstelle: | Band 323, Jahrgang 1908, S. 782 |
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Polytechnische Rundschau.
Polytechnische Rundschau.
Amerikanische Wechselstrombahnen.
Die Ueberlandbahn Washington – Baltimore – Anapolis war die erste, für die
im Jahre 1902 der Ingenieur Lamme von der Westinghouse Gesellschaft in einem Vortrage im American Institut of Electrical Ingineers die
Verwendung von Einphasen-Wechselstrommotoren vorschlug. Finanzielle Schwierigkeiten
verzögerten die Ausführung und erst in diesem Jahre wird die Bahn, allerdings mit
einer von der General Electric Company herrührenden
elektrischen Ausrüstung vollständig in Betrieb kommen. Von der 60,5 km langen
Hauptstrecke durften im Staate Columbia 6,5 km, die
überdies von Straßenbahnwagen befahren werden, keine Schienenrückleitung erhalten.
Die Strecke ist deshalb mit doppelten Fahrdrähten über jedem Gleise ausgerüstet.
Auch in Baltimore dienen 2,4 km gleichzeitig dem Straßenbahnverkehr. Infolgedessen
müssen die Ueberlandbahnwagen derart ausgerüstet sein, daß sie außer mit
Wechselstrom von 6000 Volt und 25 Perioden sekundlich auch mit Gleichstrom von 600
Volt betrieben werden können. Der Betriebsstrom wird von der Potomac Power Company in Washington als
Drehstrom bezogen und in einem Transformatorenwerk durch sieben 800 KW Einheiten
mittels Scottscher Schaltung in Zweiphasenstrom
umgewandelt und je eine Phase zur Speisung des halben Netzes verwendet.
Der zur Stromzuführung zu den Fahrzeugen dienende 8-förmige Fahrdraht von 100 qmm
Querschnitt liegt etwa 6 m über Schienenoberkante und ist in Abständen von 5 m an
einem 10 mm dicken Tragseil aufgehängt. Dieses Seil ist unter Zwischenschaltung von
doppelmanteligen, braungebrannten Isolatoren auf den 3,35 m langen T-Eisenarmen der
Auslegermaste gelagert. Die in 45 m Abstand gesetzten hölzernen Mäste sind etwa 2 m
tief in den Boden eingelassen und nach rückwärts durch einen Draht verankert.
Die wichtigsten Betriebsmittel sind die mit vier 125 pferdigen Motoren ausgerüsteten
vierachsigen Wagen für den Ueberlandverkehr, ferner sind vier vierachsige Wagen mit
zwei 125-pferdigen Motoren für den Ortsverkehr und zwei Güterzuglokomotiven
vorhanden, deren Motoren gleichfalls 125 PS leisten, jedoch mit größerer
Zahnradübersetzung auf die Laufachsen wirken. Die in zwei getrennten Abteilungen 66
Sitzplätze enthaltenden Wagen wiegen bei einer Gesamtlänge von nahezu 19 m, einer
Breite von 2,75 m und einer Höhe von 3,97 m 49,4 t, wovon fast 17 t auf die
elektrische Ausrüstung entfallen. Jeder Wagen besitzt vier Rollenstromabnehmer, von
denen bei der Fahrt mit Wechselstrom einer, bei der Fahrt mit Gleichstrom zwei und
auf den Strecken mit doppelter Fahrleitung auch die anderen zwei gleichzeitig
benutzt werden. Die Rollenstromabnehmer sollen indessen durch
Parallelogrammstromabnehmer ersetzt werden.
Besonders bemerkenswert bei der Bahn ist die Bauart der Einphasen –
Wechselstrommotoren, die erstmalig als Reihenschluß – Repulsionsmotoren ausgeführt
sind. Diese laufen unter Verwendung nur eines Bürstenpaares und einer
Kurzschlußvorrichtung an demselben beim Anlassen als Repulsionsmotoren an und werden
bei höherer Geschwindigkeit in Reihenschlußmotoren umgeschaltet, wobei Anker–,
Erreger- und Kompensationswicklung dauernd in Reihe liegen. Ferner hat die
Kompensationswicklung nicht, wie üblich, die gleiche sondern die doppelte
Windungszahl wie die Ankerwicklung. Hierdurch wird ein Querfeld erhalten, welches an
Stelle besonderer Hilfspole ein gutes Arbeiten des Kommutators bewirkt. Zwei
derartige Motoren sind bei Wechselstrombetrieb in Hintereinanderschaltung an
einem Spartransformator mit Schaltstufen angeschlossen.
Die gleichen Motoren sind auf der Richmond und Chesapeake-Bay-Bahn verwendet und zwar gleichfalls vier
125 PS-Motoren für 16,6 m lange, 4,1 m hohe und 2,9 m breite Wagen von 34,5 t
Gewicht. Dort sind die Kollektoren nach einem Betriebe von mehreren Monaten braun
poliert gewesen und haben noch keine Spur von Anfressungen durch Bürstenfeuer
gezeigt. Die Lebensdauer der Bürsten ist mit 25000 – 30000 Wagenkilometern
beobachtet worden.
Bei dem Kraftwerk, von dem diese Bahn ihren Betriebsstrom bezieht, sind fünf
Stromerzeugeraggregate gleichzeitig mit Wasserturbinen und stehenden Dampfmaschinen
gekuppelt und ferner zur Raumersparnis die Turbinenkammern unter dem Kesselhaus
eingebaut. Für den Bahnbetrieb sind zwei 750 KW-Drehstromerzeuger für 6600 und 13200
Volt Spannung aufgestellt, die je mit einer Francis-Turbine, und einer weiteren Dynamo gekuppelt sind. Letztere laufen
bei mangelndem Betriebswasser als Antriebsmotoren, bei gutem Wasserstand als
Stromerzeuger und zwar ist die eine als Gleichstrommaschine, die andere als
Drehstrommaschine für 60 Perioden und 2300 Volt gewickelt entsprechend den beiden
Netzen, die das Kraftwerk neben der Bahn speist. Die Fahrleitung dieser Bahn ist in
Abständen von 3 m an einem sieben-litzigen Tragseil befestigt. Zu der Aufhängung des
letzteren dienen Auslegermasten bis auf einen Viadukt aus Eisenbeton in Richmond, wo Joche verwendet sind, deren Ständer aus
Stahlrohren von 76 mm Durchm. und deren Querbalken und Schrägen aus Stahlrohren von
50 mm unter Benutzung von Eckverbindungen aus Schmiedeeisen hergestellt sind. Die in
Abständen von 18,3 m aufgestellten Joche sind mittels gußeiserner Füße auf den
verlängerten Eichenschwellen gelagert.
Eine wichtige Stelle der Fahrleitung ist die Kreuzung der Hochspannungsfahrleitung
mit einer Gleichstromfahrleitung von 600 Volt. Hier ist ein Kreuzstreckenisolator
eingebaut, der aus gut getrocknetem und getränktem weißen Wallnußbaumholz besteht
und dessen Kreuzbalken durch verzinnte eiserne Platten und Winkel miteinander
verbunden sind. Die Länge des Kreuzbalkens im Zuge der Wechselstrombahn beträgt 7 m,
die des Kreuzbalkens im Zuge der Gleichstrombahn 1,75 m. (Meyer.) [Zeitschr. des Vereins deutsch. Ingenieure 1908, S. 1381 –
1385.]
Pr.
Kanalüberdeckung und Markthalle in Mühlhausen i. E.
Der die III und die Dollar verbindende Hochwasserkanal in Mühlhausen i. E. ist durch
Eisenbetonbauten überdeckt worden, teils aus hygienischen Gründen, teils um Platz
für eine Markthalle zu gewinnen.
Die überdeckte Kanalstrecke ist 667 m lang und 36 m breit. Durch zwei im Kanal
stehende Pfahlreihen wird die Ueberdeckung in Spannweiten von 11,14 und 11 m
zerlegt. Die Pfähle sind in der Pfahlreihe 3 m voneinander entfernt. Die
zusammengehörigen Land- und Mittelpfeiler sind durch Unterzüge verbunden, über die
die Deckenplatte mit 3 m Feldweite kontinuierlich wegläuft. Um an Bauhöhe zu sparen,
sind die Unterzüge auch mit den Landpfeilern starr verbunden, so daß ein
Trägerrahmen mit zwei Mittelstützen entsteht. Die Deckenplatte ist 10 cm stark. Die
Unterzüge sind 25 cm breit, in den Außenfeldern 53 cm, im Mittelfeld 60 cm
hoch. Der Anschluß an die Pfeiler erfolgt durch konsolartige Verstärkungen von 1,2 m
Höhe von den Landpfeilern und von 50 cm Höhe an den Mittelpfeilern.
Die Eiseneinlagen der Unterzüge bestehen in den Außenfeldern unten aus sechs
Rundeisen von 24 mm und oben aus zwei Rundeisen von 28 mm Durchm., in dem
Mittelfelde entsprechend aus sechs Rundeisen von 28 mm bezw. zwei Rundeisen von 16
mm Durchm. Am Uebergang der Unterzüge in die Pfeiler ist der größte Teil der unteren
Eisen in die Höhe gebogen und in das benachbarte Balkenfeld bezw. in die Landpfeiler
übergeführt, um die Zugspannungen aus den Stützmomenten aufzunehmen.
Die Landpfeiler sind 25 cm breit und 56 cm stark und durch acht Rundeisen von 22 – 26
mm Durchm. bewehrt. Ihr 75 cm breites, 1,20 cm langes und 20 cm hohes
Eisenbetonfundament ist durch einen Rost von 10 mm starken Rundeisen in 15 cm
Abstand bewehrt und mit dem tragenden Stampfbetonklotz durch vier Rundeisen von 20
mm Durchm. verankert. Dieser Fundamentklotz ist 110 cm breit, 190 cm lang und 80 cm
hoch. Zwischen den Landpfeilern ist als seitlicher Abschluß gegen den Kanal eine 4 m
hohe Eisenbetonstützmauer eingespannt, die oben 8 cm und unten 14 cm stark und durch
wagerechte Rundeisen von 7 und 10 mm Durchm. bewehrt ist.
Die achteckigen Mittelstützen sind 6,50 m hoch und haben einen Durchm. von 45 cm. Die
Bewehrung besteht aus acht Rundeisen von 14 mm Durchm.
Diese Säulen sind auf 3,5 m lange achteckige Eisenbetonpfähle gleichen Querschnittes
aufgepfropft, die noch 2 m lief in den Baugrund eingerammt sind, um eine spätere
Vertiefung des Kanales zu ermöglichen. Um bei Hochwasser Stauungen von Eis und Holz
zu verhüten und einen glatten Abfluß der Massermengen zu sichern, sind die Pfähle
durch eine 10 cm starke Eisenbetonwand verbunden. Die Pfähle sind in beton frette
nach dem System Considère hergestellt mit acht
Längseisen von 14 mm Durchm. und einer Spirale von 10 mm Durchm. und 6 cm Ganghöhe.
Die Pfahlspitze schützt ein schmiedeeiserne Schuh. Am Pfahlkopf ist die Spirale
kegelförmig gewunden, wodurch die Gefahr der Beschädigung des Pfahles beim Einrammen
stark vermindert wird. Beim Einschlagen des Pfahles wurde außerdem der Pfahlkopf
durch eine 25 m hohe schmiedeeiserne Haube umfaßt, die im Inneren durch eine 5 cm
hohe Schicht Sägespäne und durch einen Holzdeckel ausgefüllt war. Die mit einer
Mischung 1: 4 an der Baustelle erzeugten Pfähle konnten bereits nach 3½ Wochen ohne
Beschädigung eingerammt werden. Jeder Pfahl wird mit 36 t belastet. Im ganzen sind
560 Pfähle gerammt. Zum Aufpropfen der Säulen auf die Pfähle wurde bei den letzteren
der Beton auf 60 cm Höhe von den Eiseneinlagen beseitigt und diese mit den
Eiseneinlagen der Säulen verbunden, so daß nach der Betonierung Säule und Pfahl fest
vereinigt waren.
In die Kanalüberdeckung sind vier Straßenbrücken einbezogen, deren System demjenigen
der übrigen Deckenstrecke vollkommen entspricht. Die höhere Belastung machte
entsprechende Verstärkungen erforderlich.
Bei der Berechnung wurde für die Decke 500 kg/qm Nutzlast, für die Brücken eine
Dampfwalze mit 12 t Belastung für das Vorderrad und je 4 t für die beiden
Hinterräder angenommen. Zur Vermeidung von Temperaturrissen ist die Kanaldecke in 36
m lange Abschnitte zerlegt, während die Brücken mit 18 m Breite selbständige
Bauwerke bilden. Bei niedriger Temperatur zeigte sich ein Oeffnen der Fugen bis 8
mm. Die Deckenfläche ist mit 2,5 cm starken Gußasphalt, die Straßenfahrbahn mit 5 cm
starken Stampfasphalt abgedeckt. Zur Beleuchtung dienen aushebbare Oberlichter von 1
qm Fläche in 9 m Entfernung in den Seitenfeldern und in 27 m Entfernung im
Mittelfeld. Das Bauwerk kostet rd. 800000 M. oder rd. 30 M. für 1 qm
Deckenfläche.
* * *
Ueber einer 96 m langen Strecke der Kanaldecke ist die Markthalle in Eisenbeton
errichtet. Entsprechend der Teilung der Kanaldecke ist die Markthalle dreischiffig
angelegt. Das 14 m weite Mittelschiff ist gegen die 11 m weiten Seitenschiffe um 2 m
überhöht. Die Traufkante der Seitenschiffe liegt 6,7 m, die Firstkante des
Mittelschiffes 13,15 m über der Kanaldecke. Die Dachflächen sind mit 1: 4 geneigt.
Die Dachbinder haben eine Entfernung von 6 m und sind den Unterzügen der Kanaldecke
aufgesetzt. Wie diese bilden die Dachbinder mit den Landpfeilern einen steifen
Rahmen, der durch die beiden Mittelpfeiler abgestützt ist. Jeder Binder besteht aus
den beiden seitlichen Trägern und dem um 2 m höheren mittleren Träger, die unter
sich durch 2 m hohe Ständer verbunden sind. Die Land- und Mittelpfeiler übertragen
die Binderlast auf die gleichen Pfeiler der Kanaldecke.
Die Binderbalken sind 30 cm breit und 80 cm hoch und haben im Mittelfeld unten sechs
Rundeisen von 24 mm, oben zwei Rundeisen von 24 mm Durchm., in den Seitenfeldern
unten sechs Rundeisen von 26 mm und oben zwei Rundeisen von 22 mm Durchm. Ueber den
Stützen sind die meisten unteren Rundeisen in die Höhe gebogen und in die Ständer
des Mittelschiffes bezw. in die Landpfeiler übergeführt, um eine feste Einspannung
des Balkenenden zu erzielen. Die Randpfeiler sind 40 cm breit und 100 cm stark und
durch sieben Rundeisen von 26 – 28 mm Durchm. bewehrt. Die 8,2 m hohen achteckigen
Mittelsäulen haben einen Durchm. von 45 cm und sind durch acht Rundeisen von 20 mm
Durchm. bewehrt. Die Rundeisen der Binderpfeiler und der Kanaldeckenpfeiler
übergreifen sich gegenseitig, so daß beide Pfeiler fest miteinander verbunden sind.
Die einzelnen Binder sind durch Querträger in 2 bis 2,33 m Abstand verbunden, die
teils die 8 cm starke Deckenplatte, teils die Oberlichter tragen.
In der Mitte des Bauwerkes ist ein 18 m breites Querschiff angeordnet. Die
Abschlußwände zwischen den Binderpfeilern sind ein Stein stark in Backstein
ausgeführt; ihre Belastung wird durch besondere wagerechte Eisenbetonträger auf die
Binderpfeiler übertragen.
Die Halle wird auf ihre ganze Länge von einer 5 m breiten Fahrbahn für schweres
Lastfuhrwerk durchzogen. Zu beiden Seiten derselben ist auf die Kanaldecke 10 cm
hoher Füllbeton aufgebracht, um Inseln für die Verkaufsstände zu schaffen.
Die Belastung der Binder und der Kanaldecke erforderte eine Verstärkung der
Unterkonstruktion. Unter den Mittelpfeilern wurden drei Pfähle in Dreieckform, die
durch eine dreieckige. Kopfplatte verbunden sind, angeordnet.
Der Bau ist durch drei durchgehende Fugen in drei Abschnitte von 33, 30 und 33 m
zerlegt.
Der Rohbau kostete rd. 90000 M. oder rd. 3 M. für den Kubikmeter umbauten Raumes.
* * *
Oberhalb der beschriebenen Kanalüberdeckung wird der Kanal durch die Galfingerbrücke
mit einem 36 m weiten und 4,2 m hohen Eisenbetonbogen ohne Gelenke überspannt. Die
Scheitelstärke ist 0,5 m, die Kämpferstärke rd. 3 m.
Das Gewölbe ist nach der Stützlinie für Eigengewicht geformt. Die Nutzlast besteht
aus 500 kg/qm und einer Dampfwalze von 20 t Gewicht. Die größten Spannungen sind
37,4 kg/qcm Druck und 0,1 kg/qm Zug. Um die bei einem Ausweichen der Widerlager
auftretenden größeren Betonzugspannungen aufzunehmen, sind auf beiden Seiten des Gewölbes in der
Nähe der Laibung fünf Rundeisen von 20 mm Durchm. für 1 m Breite angeordnet, die
durch Verteilungsstäbe und Bügel von 7 mm Durchm. verbunden sind. Das Fundament ist
entsprechend der Kämpferdruckrichtung in der Sohle parallel zum Kämpfer abgeschrägt.
Es ist im Grundriß 8 m lang und im Aufriß 3,5 m hoch.
Die 13,8 m breite Brücke hat 1,2 m breite Stirnmauern aus Stampfbeton erhalten, die
mit dem Brückengewölbe verankert und in der Ansichtsfläche mit weißem
Vogesensandstein verkleidet sind. Der Rücken des Brückengewölbes und der Stirnmauern
ist mit einem dreimaligen Preolitanstrich unter Anwendung von Jute versehen. Der
lichte Raum zwischen den Stirnmauern ist mit Kies ausgefüllt. Die Brücke kostet
80000 M. Die Bauzeit betrug fünf Monate. (Custor.)
[Schweizerische Bauzeitung 1908, II, S. 8, 17, 46, 68 ff.]
Dr. Ing. P. Weiske.