Titel: Die Tätigkeit des Königlichen Materialprüfungsamtes der Technischen Hochschule zu Berlin im Betriebsjahre 1907.
Fundstelle: Band 323, Jahrgang 1908, S. 779
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Die Tätigkeit des Königlichen Materialprüfungsamtes der Technischen Hochschule zu Berlin im Betriebsjahre 1907. Die Tätigkeit des Königlichen Materialprüfungsamtes der Technischen Hochschule usw. Dem vorliegenden Bericht über die Tätigkeit des Amtess. D. p. J. 1904, S. 471. im Betriebsjehre 1907 entnehmen wir folgendes: Die Aufgaben des Amtes sind: Ausbildung und Vervollkommnung der Verfahren und Hilfsmittel für das Materialprüfungswesen sowie die Prüfung von Materialien und Konstruktionen sowohl im öffentlichen und wissenschaftlichen Interesse, als auch auf Antrag von Behörden und Privaten; ferner die Abgabe von Gutachten und schiedsrichterlichen Entscheidungen in Streitfragen über die Prüfung und Beschaffenheit von Materialien. In Streitfällen bei Materiallieferungen an Behörden ist das Amt durch eine Reihe von ministeriellen Erlassen als entscheidende Stelle eingesetzt. Daneben dienen die Einrichtungen des Amtes dem Unterricht und der Unterstützung von Sonderforschungen. Für die auf Antrag ausgeführten Versuche werden Gebühren nach feststehenden Sätzen berechnet und über die erzielten Ergebnisse Zeugnisse ausgefertigt. Die Erledigung solcher Arbeiten erfolgt nach Maßgabe des Antrages, bei dessen Abfassung das Amt auf Wunsch des Antragstellers beratend mitwirkt. Ueber die hierbei zu erörternden Fragen und erzielten Ergebnisse ist das Amtsgeheimnis zu wahren. Unter den Bestrebungen des Amtes zur Erweiterung seiner Tätigkeit seien erwähnt die Verhandlungen: mit Textilindustriellen wegen Uebernahme von Untersuchungen und schiedsrichterliche Erledigung von Streitfragen, mit den Gummiwarenfabrikanten und Lieferanten von elektrisch isolierten Drahtleitungen wegen Ausbildung mechanischer und chemischer Verfahren für die Prüfung und Gütebestimmung von Gummi und der hierzu verarbeiteten Rohstoffe, sowie von elektrischen Isoliermaterialien auf Durchschlagsfestigkeit. Dauerversuche mit Flußeisen unter Leitung des Direktors mit den von ihm konstruierten Maschinen ausgeführt, ergaben, daß bei Material mit 35 kg/qmm Streckgrenze, 39 kg/qmm Bruchfestigkeit und 32 v. H. Dehnung Brüche im Stabschaft von 10 mm Durchm. nur dann erhalten werden konnten, wenn die zur Einspannung mit Gewinde versehenden Köpfe mindestens 18 mm Kerndurchm. erhielten; Stäbe mit mehr als 10 mm Schaftdurchmesser brachen unter sonst gleichen Verhältnissen im Gewinde. Ferner wurde häufig beobachtet, daß die Stäbe, wenn sie mit Spannungen größer als 35 kg/qmm, also über die Streckgrenze des Materials hinaus, beansprucht wurden, nicht gleich bei der ersten, sondern häufig erst nach Hunderten von Anstrengungen zum Fließen kamen. Weitere Versuche zur Begründung dieser Ergebnisse sind im Gange und die Veröffentlichung dieser Erscheinung ist in Aussicht gestellt. Unter den von der Abteilung für Metellprüfung mitgeteilten Versuchsergebnissen dürften die nachstehenden besonderes Interesse verdienen: 1. Kontrolle der Festigkeitsprobiermaschinen. Aus der Zahl der geprüften Maschinen (13) und abgegebenen Kontrollstäbe zu solchen Prüfungen (9) ergibt sich, daß die Notwendigkeit, die Abnahme neuaufgestellter Maschinen von dem Ergebnis der Prüfung abhängig zu machen und die Maschinen unter ständige Kontrolle zu halten, immer mehr auch von den Behörden und Werken erkannt wird, bei denen Festigkeitsprobiermaschinen im Gebrauch stehen. 2. Reibungsversuche mit Metallringen aus verschiedenen Materialien ergaben folgendes: a) Die Reibung zwischen Gußeisen und Stahlformguß war nicht wesentlich verschieden von der zwischen Flußeisen und Stahlformguß. b) Bei ungeschmierten und mit Wasser geschmierten Flächen war die Reibung der Bewegung größer als die Reibung der Ruhe, bei ölgeschmierten Flächen umgekehrt die Reibung der Ruhe größer. c) Die Reibung der Ruhe wurde durch die Schmierung weniger beeinflußt als die Reibung der Bewegung. d) Bei der Reibung der Bewegung war die Reibungszahl bei der Oelschmierung bedeutend kleiner als ohne Schmierung und bei Wasserschmierung. 3. Durch Untersuchungen an im Betriebe gebrochenen Konstruktionsteilen, wobei die Kerbschlagprobe ganz besondere Bedeutung gewinnt, konnte mehrfach nachgewiesen werden, daß die Ursache der Brüche nicht in Mängeln des Materials zu suchen war. Bei einer Kulisse, bei einem Automobilachsschenkel blieb die Bruchursache unaufgeklärt; dagegen konnte sie bei einer Radachse für Kleinbahnen aus Flußeisen von 49 kg/qmm Festigkeit und 24 v. H. Dehnung mit sehr gleichmäßigem Gefüge, sowie bei einer gebrochenen Kolbenstange auf schroffe Querschnittsübergänge, Abdrehungen und Eindrehungen, und bei einem Drahtseil auf die im Betriebe durch Abnutzung und Verrostungen entstandenen Schäden zurückgeführt werden. Bei einem schweißeisernen Schäkel eines Zwischengeschirres zum Förderkorb trat die Bruchursache deutlich in Mängeln des Materials, geringe Zugfestigkeit und trotz großer Dehnbarkeit geringer Widerstand bei der Kerbschlagprobe, zu Tage. Eine gebrochene Kurbelwelle lieferte folgende Festigkeitseigenschaften: Streckgrenzekg/qmm Bruchfestigkeitkg/qmm Dehnungv. H. ungeglüht 23,1 46,7 25,5 geglüht 27,6 50,9 24,6 Die Festigkeit war also durch das Glühen gestiegen ohne nennenswerte Verminderung der Dehnung. Das Material sollte Chromnickelstahl sein. Es ist das eine Erscheinung, die auch schon bei Nickelmanganstahl beobachtet worden ist.Radeloff, siebenter Bericht über die Untersuchungen von Eisennickellegierungen. Verhandl. d. Vereins zur Beförderung des Gewerbefleißes. 4. Wiederholte Prüfungen von Kranketten nach bestimmten Zeitabschnitten des Betriebes führten in einem Falle zum Bruch der Kette unter der vorgeschriebenen Probelast, gleich der doppelten Nutzlast. Das Ergebnis zeigt den Wert solcher Prüfungen für die Sicherheit des Betriebes an Hebezeugen. 5. Zugversuche mit elektrisch geschweißten Kelten aus Siemens-Martin-Eisen lieferten folgende Werte (Mittel aus je drei Versuchen): A Ketten mit Schweißstelle in einem Schenkel. Eisenstärke mm 7 8 10 12,5 14,3 16,5 18 Festig-keit kg 2100 3050 4420 6800 8520 12150 14300 kg/qmm 27,3 30,3 28,1 27,7 26,5 28,4 24,4 B Ketten mit Schweißstelle im Bogen. Eisenstärke mm 4 5 6 7 8 Festig-keit kg 580 940 1500 2000 2490 kg/qmm 23,1 25,9 28,4 26,7 25,4 Die Ketten A rissen mit nur zwei Ausnahmen sämtlich unter starker Einschnürung des Materials außerhalb der Schweißstelle. Die Bruchlast für die an der Schweißstelle gerissenen, war nicht geringer als die der übrigen. Von den Ketten B rissen sieben außerhalb, acht in der Schweißstelle. Die Zugfestigkeit dieser elektrisch geschweißten Ketten, besonders die der Ketten A, entspricht nach den vorstehenden Ergebnissen der Zerreißproben, der Festigkeit von im Feuer geschweißten Ketten. Zur richtigen Beurteilung der Sicherheit der elektrisch geschweißten Ketten wären u. E. Schlagversuche von großem Interesse, die erkennen lassen, ob diese Ketten auch den gleichen Widerstand gegen stoßweise Beanspruchung aufweisen, wie die feuergeschweißten. 6. Untersuchungen von Fahrradketten lieferten erhebliche Unterschiede für Ketten verschiedenen Ursprungs: Zugfestigkeiten von 210 – 560 kg, Biegefestigkeiten von 160 – 422 kg und Schlagbiegefestigkeiten von 0,12 bis 0,45 m/kg. 7. Versuche über die Veränderung der Festigkeitseigenschaften von Sechskanteisen durch Ziehen und Glühen ergaben, daß Walzeisen mit 34 – 36 kg/qmm Festigkeit und mindestens 15 v. H. Dehnung durch das Herunterziehen um 1 mm (zwecks Erzielung einer blanken Oberfläche) bis auf 47 – 48 kg Festigkeit bei nur 6 – 7,6 v. H. Dehnung gebracht werden kann. Die Streckgrenze sowohl, wie die Zugfestigkeit nahmen annähernd proportional mit dem Betrage des Ausziehens zu. Die Steigerung der Streckgrenze war größer als die der Zugfestigkeit. Die Dehnung und die Querschnittsverminderung nahmen durch das Ziehen ab. Die Abnahme verlief zwar stetig, war aber anscheinend bei geringerem Ziehen verhältnismäßig größer als bei stärkerem Ziehen. Die Gefahr, daß durch das Kaltziehen die zulässige Festigkeit überschritten wird, ist größer als daß die zulässige Dehnung unterschritten wird. Durch Glühen nach den in der Praxis üblichen Verfahren im Muffelofen oder Glühtopf wurden die Wirkungen des Kaltziehens (Erhöhung der Festigkeit und Verminderung der Formänderungsfähigkeit) nicht wieder völlig beseitigt, und zwar im allgemeinen um so weniger, je größer die Querschnittsverminderung bei dem voraufgegangenen Ziehprozeß war. Das Glühen im Glühtopf (18 Stunden) war wesentlich wirksamer als das im Muffelofen. Ohne auf die erzielten Ergebnisse näher einzugehen, mögen unter den Untersuchungen der Abteilung für Metallprüfung zur Kennzeichnung ihres Arbeitsgebietes noch folgende genannt sein: Versuche über den Bewegungswiderstand der Rollenlager von eisernen Brücken; vergleichende Versuche mit Rohrflanschen aus Flußeisen und Stahlguß auf Festigkeitseigenschaften des Materials und Widerstand der eingewalzten Rohre gegen Herausziehen bei verschiedenen Wärmegraden bis zu 400°C; Untersuchungen über die Brauchbarkeit neuer Verzinnungs- und Lötverfahren; Versuche für das Patentamt zwecks Entscheidung über die Patentfähigkeit neuer Lötmittel, Leimsorten und eines Verfahrens zur Herstellung wetterfester Briketts; Versuche mit Eisenbeton hinsichtlich Gleitwiderstand des Eisens und Einfluß der Bewehrungsart auf die Tragfähigkeit von Balken und Säulen; Versuche auf inneren Druck an Röhren aus Metall und Steinzeug, Schläuchen und Wasserstangsgläsern, die letzteren bis zu 25 at Dampfdruck; Versuche mit Gummi auf Festigkeit und Verhalten gegen Wärme, mit Hochspannungsisolatoren auf Festigkeit, mit Schotter auf Verwendbarkeit als Bettungsmaterial, mit Treppen auf Tragfähigkeit, und schließlich Untersuchungen von Holz über den Einfluß der Standortsverhältnisse, sowie des Wildschälens und des Imprägnierens mit Zucker, sowie nach dem Rupingschen Verfahren auf die Festigkeit. Der auf die Abteilung für Baumaterialprüfung bezügliche Teil des Berichtes weist an erster Stelle darauf hin, daß es unzulässig ist ältere Zeugnisse als Ausweis für die Eigenschaften von Materialien neuerer Gewinnung oder Erzeugung zu verwenden und anzuerkennen, sowie statt Durchschnittsproben besonders gute Stücke aus einer größeren Materialmenge auszuwählen. Die Probeentnahme sollte stets durch sachverständige Baubeamte oder unter Hinzuziehung des Amtes erfolgen. Unter den im einzelnen besprochenen Versuchen dieser Abteilung mögen folgende des allgemeinen Interesses wegen hervorgehoben sein: 1. Ein auf Betonunterlage verlegtes Granitpflaster, dessen Fugen mit Zementmörtel 1: 1 vergossen waren, wies einige Zeit nach der Verlegung schalenförmige Absprengungen an den Steinen auf. Durch Untersuchungen konnte festgestellt werden, daß sowohl die Steine als auch der verwandte Zement einwandfrei waren. Die Zerstörung des Pflasters war darauf zurückzuführen, daß das Quellen des fetten Mörtels bei hinzutretender Feuchtigkeit Pressungen erzeugte, denen die Steine neben den Stoßbeanspruchungen durch die Wagenräder nicht genügend Widerstand leisten konnten. 2. Ziegelsteine, zum Teil sogar solche von verhältnismäßig hoher Festigkeit, zeigten nach einiger Zeit des Lagerns im trockenen Raum Zerstörungserscheinungen, hervorgerufen durch Sprengwirkungen infolge von eingebetteten Kalkknollen. Empfohlen wird mit Rücksicht auf diese Erscheinung, die Prüfung stets auch auf das Bruchgefüge und das Vorhandensein schädlicher Beimengungen auszudehnen. 3. Schornsteinmauerwerk in fünf Schichten im Verbände aus Radialsteinen hergestellt, lieferten folgende Eigenschaften: Reihe Zusammensetzungdes Mörtels inRaumteilen AlterinTagen Ge-wichtvon1 cbm Druckbeanspru-chung in kg/qcm bei Zement Kalk Sand Rißbild. Bruch A 1 2 7 72890 1940 150175202 226255271 B 1 2 6 728 19601940 9668 165138 Hierbei hatten die zu Reihe A verwendeten Steine folgende Eigenschaften: Spez. Gewicht = 2,586; Raumgewicht = 2,089; Wasseraufnahme = 4,3 Gewichtsprozent und = 9,1 Raumprozent; mittlere Druckfestigkeit; trocken = 686 kg/qcm, wassersatt = 677 kg/qcm; der Mörtel hatte nach 28-tägiger Lufterhärtung 27,9 kg/qcm Zugfestigkeit und 197 kg/qcm Druckfestigkeit. 4. Beim Vergleich von Linoleum mit Xylopal lieferte letzteres erheblich größeren Widerstand gegen Feuereinwirkung. 5. Scheidekalk aus einer Zuckerfabrik konnte zur Verwendung bei der Mörtelbereitung zugelassen werden unter der Bedingung, daß dem Mörtel, entsprechend dem Gehalt des Kalkes an 21,6 v. H. kohlensauren Kalk und 66,2 v. H. Kalkhydrat, ein Drittel weniger Sand hinzugesetzt wurde, als gewöhnlicher Kalkmörtel zu erhalten pflegt. Besonders erwähnt seien ferner Untersuchungen über die Verwendbarkeit von Gellivara-Feinerz und Zementen zur Herstellung künstlicher Steine, über Haft- und Scherfestigkeit von Mörteln, und Versuche zur Begründung der Ursachen für das mangelhafte Verhalten von Materialien in Bauwerken. (Schluß folgt.)