Titel: | Der heutige Stand der Motorfahrräder. |
Autor: | Oscar Koch |
Fundstelle: | Band 323, Jahrgang 1908, S. 404 |
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Der heutige Stand der Motorfahrräder.
Von Oscar Koch, Groß-Lichterfelde West.
(Fortsetzung von S. 396 d. Bd.)
Der heutige Stand der Motorfahrräder.
b) Lastenfahrzeuge.
Eng verwandt mit den in den Kapiteln III b und V a beschriebenen Fahrzeugen sind
die Transportdreiräder, sie werden entweder nach dem Zweiradsystem oder nach Art der
Cyklonette gebaut. Letztere Type hat sich besonders eingebürgert, da sie viel
größere Vorteile bietet als die erstere.
Zu dem Zweiradsystem gehört u.a. das Fahrzeug Fig. 62
der Corona Fahrradwerke und Metallindustrie A.-G. in
Brandenburg a. H.
Textabbildung Bd. 323, S. 405
Fig. 62.Motorgepäckdreirad der Corona Fahrradwerke und Metallindustrie
A.-G.
Als Triebkraft kommt entweder ein 3 ½ oder ein 4 ½ PS-Fafnir-Motor mit Doppelübersetzung und Leerlauf in Anwendung (s. D. p. J.
1905, 320, S. 313 u. 1906, 321, S.476 Fig. 139). Alles weitere ist aus der Abbildung ersichtlich.
Nach demselben System bauen die Viktoria-Werke A.-G. in
Nürnberg ihr Dreirad (Fig. 63). Die Kraftübertragung
erfolgt vom Motor aus auf ein mit Geschwindigkeitsgetriebe und Leerlauf versehenes
Vorgelege, das gleichzeitig zum Andrehen des Motors mittels Handkurbel dient.
Textabbildung Bd. 323, S. 405
Fig. 63.Motorgepäckdreirad der Viktoria-Werke A.-G.
Textabbildung Bd. 323, S. 405
Fig. 64.Motorgepäckdreirad der Brennabor-Werke.
Vom Vorgelege aus wird die motorische Kraft durch Kette auf das Hinterrad
übertragen. Das Uebrige dürfte auch hier aus der Abbildung zur genüge
hervorgehen.
Außer ihren Dreirädern mit luftgekühltem Motor (D. p. J. 1906, 321, S. 364, Fig. 69 und S. 366, Fig. 76) bauen die Brennabor-Werke jetzt auch solche mit Wasserkühlung
(Fig. 64). Diese erfolgt wie bei Fig. 60 S. 395 nach dem Thermosyphonsystem, wobei
aber die Radiatoren, ebenso wie bei Contal (D. p. J.
1906, 321, S. 365), links und rechts an dem zwischen
Lenkstange und Warenkasten befindlichen Wasserbehälter sitzen. Da letzterer nun
genau so breit wie der Warenkasten selbst ist, so stehen die Radiatoren über den
Rand desselben hinaus und sind so einem kräftigen Luftzug ausgesetzt.
Der 3 ½ PS-Fafnir-Motor besitzt zwei verschiedene
Geschwindigkeiten und treibt das Fahrzeug mittels Vorgelege an (D. p. J. 1906, 321, S. 366, Fig. 78). Dieses arbeitet mittels Riemen auf
die lose auf der Hinterradnabe sitzende Riemenscheibe, die nach Andrehen des Motors
mit der Radachse durch Reibung gekuppelt wird. Letzteres geschieht durch Anziehen
des langen, auf der rechten Seite des Fahrzeuges angebrachten Hebels.
Dasselbe Fahrzeug, bei dem aber an Stelle des Sattels ein Sesselsitz angebracht ist,
zeigt Fig. 65. Die beiden rechts neben dem Sitz
befindlichen Hebel bedienen, wie bei Fig. 60 u. 67, auch hier die Reibungskupplung und die
Bandbremse.
Ein von der Aktien-Gesellschaft vorm. Seidel &
Naumann in Dresden nach der Laurin & Klement-Type gebautes Fahrzeug stellt Fig. 66 dar. Der 3 PS-Motor besitzt Handankurbelung,
Leerlauf sowie Wechselgetriebe mit zwei Geschwindigkeiten. Der Antrieb erfolgt über
ein Vorgelege mittels Kette auf das Hinterrad.
Im Gegensatz zu den Fig. 34, 35 und 39 S. 347 und
348 wird hier der Magnetapparat mittels Zahnrädern angetrieben (s. später), während
der Antrieb desselben dort durch Kette erfolgt.
Textabbildung Bd. 323, S. 406
Fig. 65.Motorgepäckdreirad der Brennabor-Werke.
Die Regelung der Antriebsmaschine geschieht durch die am oberen Rahmenrohr sichtbaren
Hebel, wie bei den in Fig. 34, 35 u. 39 gezeigten
Laurin & Klementschen Zweirädern.
Den Uebergang zur Type nach Art der Cyklonette bildet das Transportdreirad
(Brennaborette) (Fig. 67). Es stellt die
Ausführungsform der schematischen Skizze mit Hinterradantrieb Fig. 77 D. p. J. 1906,
321, S. 366 dar.
Für den 3 ½ PS wassergekühlten Fafnir-Motor gilt das bei
Fig. 60 S. 395 gesagte, er befindet sich auch
hier unter dem Sitz und wird, wie auch bei Fig. 60,
von außen mittels Handkurbel angedreht. Für die Wasserkühlung gilt das bei Fig. 64 gesagte.
Das Wagengestell besteht auch hier aus ⊏-förmig gepreßten Stahlschienen.
Um Wasserkühlung zu vermeiden, werden die meisten derartigen Transportdreiräder mit
über dem Vorderrad sitzenden Motor gebaut. Fig. 68
stellt ein derartiges modernes Warentransportmittet (Cyklonette) dar. Die
Abmessungen sind folgende: Länge 3,00 m, Breite 1,42 m, Höhe 1,45 m, Spurweite 1,25
m, Nutzlast 4 Zentner. Das Gewicht beträgt 275 kg.
Textabbildung Bd. 323, S. 406
Fig. 66.Motorgepäckdreirad von Seidel & Naumann.
Textabbildung Bd. 323, S. 406
Fig. 67.Motorgepäckdreirad „Brennaborette“ der
Brennabor-Werke.
Im Prinzip ist das „Sulmobil“ (Fig. 69) der
Neckarsulmer Fahrradwerke A.-G. dasselbe, weicht
jedoch in der Anordnung seiner einzelnen Teile von diesen Typen ab. Die Lenkung
erfolgt nicht durch Lenkhebel, sondern mittels Steuerrad, ebenso kommt der
Oberflächenvergaser in Fortfall und an seine Stelle tritt der Spritzvergaser (D. p.
J. 1905, 320, S. 315, Fig. 41). Der Benzinbehälter ist
höher gelagert, wofür der Raum zwischen Steuersäule und Vorderradgabel vorteilhaft
ausgenutzt werden konnte, so daß hier die bei den Hillerschen Fahrzeugen (s. S. 394) notwendige Druckluftpumpe überflüssig
wird.
Um mit dem 3 ½ PS-Motor (D. p. J. 1905, 320, S. 314, Fig.
38) auszureichen ist ein Wechselgetriebe mit drei verschiedenen Geschwindigkeiten vorgesehen,
welches ermöglicht, die Geschwindigkeit des Fahrzeuges jedem Gelände anzupassen.
Textabbildung Bd. 323, S. 407
Fig. 68.Motorgepäckdreirad „Cyklonette“ der Cyklon-Maschinenfabrik
m. b. H.
Textabbildung Bd. 323, S. 407
Fig. 69.Motorgepäckdreirad „Sulmobil“ der Neckarsulmer
Fahrradwerke A. G.
Zum Ausrücken der Kupplung sowie zum Betätigen der Bremse dient je ein Fußpedal,
außerdem ist noch eine Handbremse vorgesehen.
Die Spurweite beträgt 1,15 m bei einem Radstand von 2 m. Die Tragfähigkeit wird mit
200 kg angegeben.
Auch bei dieser Art von Fahrzeugen fuhrt sich der Elektromotor ein, wie das Dreirad
von Horhorn zeigt (Fig.
71). Eine nähere Beschreibung desselben erübrigt sich, da es dieselbe
Anordnung wie Fig. 61 S. 396 aufweist. Zu erwähnen
wäre nur, das seine Nutzlast (ohne Führer) 100–150 kg und seine Fahrgeschwindigkeit
etwa 25 km i. d. Stunde beträgt; nach 80 km müssen die Akkumulatoren
wiederfrisch aufgeladen werden. Ein ebenfalls elektrisch betriebenes Dreirad
bauen die Siemens-Schuckertwerke G. m. b. H. (Automobilwerk), Nonnendamm bei Berlin (Fig. 70).
Textabbildung Bd. 323, S. 407
Fig. 70.Motorgepäckdreirad der Siemens-Schuckertwerke G. m. b. H.
Im Gegensatz zu obigem Fahrzeug liegt der Motor, ein Hauptstrom-Elektromotor, unter
der Hinterradgabel und treibt das Hinterrad mittels Kegelrräder und Welle an.
Am oberen Rahmenrohr befindet sich der Fahrschalter sowie die Sicherheits- und
Kontrollvorrichtungen; ein dem Fahrer unzugängliches Zählwerk gibt Auskunft über die
zurückgelegte Wegstrecke. Mißbräuchliche Benutzung des Rades während der Abwesenheit
des Fahrers ist auch hier durch Abnehmen des Schalthebels unmöglich gemacht.
Der Fahrschalter selbst ist so konstruiert, daß er stoßfreies Anfahren und
allmähliche Steigerung der Geschwindigkeit ermöglicht.
Textabbildung Bd. 323, S. 408
Fig. 71.Motorgepäckdreirad von Horhorn.
Ohne das Gewicht des Fahrers beträgt die zu befördernde Nutzlast 75 kg bei einer
Höchstgeschwindigkeit von 17 km i. d. Stunde. Mit einer Batterieladung kann eine
Strecke von 50-60 km zurückgelegt werden, wonach die Akkumulatorenbatterie, welche
unterhalb des Wagenkastens liegt, gegen eine frische ausgewechselt wird. Die
Betriebskosten derartiger Fahrzeuge sind verhältnismäßig gering, zumal die
Luftreifen durch den ruhigen und gleichmäßigen Gang des Rades geschont werden, und
kostspielige Reparaturen an der Betriebsmaschine bei der heutigen hohen
Entwicklungsstufe der Elektrotechnik kaum vorkommen. Auch der zum Laden nötige
elektrische Strom wird in der Großstadt billig abgegeben.
(Fortsetzung folgt.)