Titel: | Entwicklung und gegenwärtiger Stand der modernen Hebezeugtechnik. |
Autor: | K. Drews |
Fundstelle: | Band 323, Jahrgang 1908, S. 263 |
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Entwicklung und gegenwärtiger Stand der modernen
Hebezeugtechnik.
Von K. Drews, Oberlehrer an der
Königl. höheren Maschinenbauschule in
Posen.
(Fortsetzung von S. 199 d. Bd.)
Entwicklung und gegenwärtiger Stand der modernen
Hebezeugtechnik.
Manche Firmen haben sogar neben der Hubbewegung noch die Wippbewegung
beibehalten und dadurch die Beschickvorrichtung noch beweglicher gemacht. Der Führer
wird ja bei dem Einfahren in den Ofen lieber von der Wippbewegung Gebrauch machen,
so daß die Hubbewegung als überflüssig erscheint; trotzdem dürften sich in
bestimmten Fällen beide Bewegungen als nützlich erweisen.
Textabbildung Bd. 323, S. 263
Fig. 54.Beschickkran von Bechem & Keetman.
Fig. 54 zeigt einen Teil des Beschickkranes von Bechem & Keetman in Duisburg.Z. d. V. d. I. 1907, S. 140.
Das an der Katze befestigte Führungsgerüst trägt bei a
und b Rundführungen für die drehbare Königssäule. Diese
ist aus Walzeisen hergestellt und hängt, um ihre Achse drehbar, mit einem Zapfen an
einer Traverse. Zwischen der letzteren und der auf den Zapfen aufgeschraubten
Tragemutter ist ein Kugelspurlager eingeschaltet.
Die wagerechte Traverse hängt an beiden Enden mittels zweier Daumenräder in zwei
Schlingen einer Gallschen Kette, die über zwei
Ausgleichrollen auf der Katze geführt ist. Die beiden offenen Enden der Kette laufen
über zwei von dem Motor M3 angetriebene Daumenräder.
Unten an der Königssäule ist der Schwengelkasten mit dem Führerstand befestigt.
Der Schwengel ruht drehbar in zwei Lagern, die unter sich durch genietete Träger
verbunden sind. Auf diesen Trägern ist auch der Motor M4 nebst Triebwerk T zum Drehen des Schwengels untergebracht. Der Schwengel mit seinen Lagern
hängt mittels des Auges A des vorderen Lagers B an einem Bolzen, der in dem Schwengelkasten befestigt
ist; das hintere linke Ende stützt sich nach oben auf eine Pufferfeder ab. Stößt nun
die Mulde im Ofen unten auf, so kann der Schwengel nach oben ausweichen, andernfalls
könnten leicht Brüche eintreten.
Die Drehbewegung der Königssäule wird durch den Motor M5 auf der Katze bewirkt. Der Schwenkmotor
arbeitet auf eine senkrechte, im Führungsgerüst gelagerte Welle, an deren Ende ein
Trieb sitzt, das mit einem auf der Königssäule befestigten Zahnrade kämmt.
M2 ist der Motor zum
Katzefahren. Der Kranfahrmotor befindet sich wie gewöhnlich auf der Kranbühne. Um
ein Abheben der Katze zu verhindern, sind an dem Führungsgerüst vier Druckrollen r angebracht, die sich gegen die unteren Gurtungen der
Kranträger legen.
Textabbildung Bd. 323, S. 263
Fig. 55.Schwengelkasten mit Führerstand des Beschickkrans von Bechem
& Keetmaan.
Fig. 55 zeigt den unteren Teil eines ähnlichen
Beschickkranes von Bechem. Man sieht dort die
verschiedenen Steuerschalter im Handbereich des Führers, ferner sin Schaltbrett mit
Meßinstrumenten, Hauptschalter und Sicherungen. Die Widerstandskästen sind um die
Königssäule gruppiert. Um den Beschickkran auch für andere Hebezeuge, z.B. bei
Reparaturen benutzen zu können, befindet sich noch eine zweite Katze auf dem Kran.
Werden die Oefen
auch mit flüssigem Roheisen beschickt, und geschieht das Beschicken von der
Beschickbühne aus, so kann jene Hilfskatze zum Transport der Gießpfannen dienen;
alsdann befindet sich auf der Gießkatze noch ein Hilfshubwerk, dessen Haken das
Kippen der Pfanne besorgt, wie es weiter unten bei den Gießlaufkranen noch
besprochen werden soll. In Fig. 55 sieht man die
beiden Unterflaschen der Gießkatze.
Mulden- und Hilfskatze arbeiten nie zu gleicher Zeit; man kann daher bei Verwendung
von Umschaltern ein oder mehrere Steuerschalter sparen.
Da die Steuerapparate sich auf dem drehbaren Schwengelkasten befinden, so müssen die
Stromzuleitungen von der Netzleitung zu den Steuerapparaten und von diesen nach den
Motoren auf der Katze und auf dem Kran durch die hohle Königssäule geführt werden.
Da die Säule unbegrenzten Drehbereich besitzt, so müssen an ihr Schleifringe für die
Stromzuführung angeordnet sein. Fig. 56 und 57 zeigen
einen solchen Schleifringzylinder zu dem obigen Beschickkran.Z. d. V. d. I. 1907, S. 53.
a ist ein Rohr, das an dem oberen Ende der Königssäule
befestigt ist. Auf diesem Rohr sind eine Anzahl von Ringen b aus Isoliermasse, hier Stabilit aufgeschoben, die durch eine Feder f gegen Drehung gesichert sind. Auf den Ringen b sitzen die leitenden Schleifringe c. Zu diesen führen von oben durch die Stabilitringe
hindurch je ein Rundstab d, an dem mittels eines
Kabelschuhes ein von dem Steuerapparat kommendes Kabel angeschlossen ist. Zwei
Bürsten e nehmen von jedem Schleifring den Strom ab und
führen ihn durch ein Kabel nach den blanken Leitungen, die längs den Kranträgern für
die Motoren auf der Katze gelegt sind, und zu dem Kranfahrmotor auf der Kranbühne.
Die Bürstenhalter sind auf zwei Stehbolzen g
befestigt.
Textabbildung Bd. 323, S. 264
Fig. 56 und 57. Schleifringzylinder zum Beschickkran von Bechem &
Keetman.
Man hat auch die Königssäule schräg gestellt, so daß sich die Schwengelachse beim
Schwenken in einer Ebene bewegt, die gegen die Wagerechte um einen bestimmten Winkel
geneigt ist.Z. d. V. d. I. 1907,
S. 491. Die Mulde führt daher beim Schwenken von selbst eine
Hubbewegung aus. Der Vorteil dieser Anordnung soll darin bestehen, daß die Mulde
infolge ihrer Schrägstellung sich beim Einfahren in den Ofen leichter über das dort
angehäufte Material wegschieben läßt, wobei natürlich immer noch die Hub- oder
Wippbewegung mit herangezogen werden muß. Die Wippbewegung ohne Schrägstellung der
Königssäule dürfte hierfür wohl vollkommen ausreichen.
Die gebräuchlichen Arbeitsgeschwindigkeiten der Beschickkrane sind folgende:
Heben
v = 5 m i. d. Min.
Schwenken
3 Umdr. i. d. Min.
Schwengeldrehen
12 Umdr. i. d. Min.
Katzefahren
v = 25–50 m i. d. Min.
Kranfahren
v = 70–100 m i. d. Min.
Das Gewicht des Muldeninhalts liegt gewöhnlich zwischen 1,2–3 t.
Durch die Einführung maschineller Beschickvorrichtungen wird die Leistungsfähigkeit
eines Stahlwerkes zweifellos ganz bedeutend gesteigert.
Nach einem Vortrage des englischen Ingenieurs Jeremiah
Head erfordert ein normaler 40 t-Ofen alle 15 ⅔ Stunden (Dauer einer
Charge) 48 t Einsatz. Zum Einsetzen von Hand sind hierzu vier Mann nötig, die diese
Arbeit in 3 ½ Stunden bewältigen. Eine Beschickmaschine setzt jedoch jene 48 t in
rund 1 Stunde ein; sie kann daher eine Reihe von Oefen bedienen. Head gibt an, daß in der Praxis eine Beschickmaschine
ganz gut sechs Oefen bedienen könne.
Ein weiterer Vorteil der mechanischen Beschickung liegt darin, daß die Ofentür immer
nur auf ganz kurze Zeit geöffnet bleibt. Das hat natürlich auf den Ofengang einen
sehr günstigen Einfluß; die Wärmeverluste werden dadurch gegenüber dem Beschicken
von Hand ganz erheblich vermindert.
Head gibt die Steigerung der Ofenleistung durch
mechanische Beschickvorrichtungen für die damaligen Verhältnisse (1897) mit 11 v. H.
an.
Was nun die Ersparnis an Betriebskosten betrifft, so liegen hierfür bis jetzt keine
zuverlässigen Angaben vor. Aber selbst wenn nach dieser Richtung ein Gewinn nicht zu
verzeichnen wäre, so rechtfertigen die Erhöhung der Ofenleistung sowie die
Verminderung des Ofenpersonals allein schon die Einführung jener maschinellen
Einrichtungen.
Zudem drängt uns auch unser modernes, humanes Empfinden dazu, eine Anzahl von
Menschen von einer rohen körperlichen Arbeit, neben dem Puddeln wohl der
anstrengendsten, zu befreien. Man muß nur einmal in die Glut eines Martin-Ofens hineingesehen haben, um zu ermessen, was
es bedeutet, seinen Körper auch nur zeitweilig der strahlenden Hitze des Ofens
auszusetzen.
Vom rein technischen Standpunkte aus betrachtet gehören die Beschickmaschinen mit zu
dem Bewundernswertesten, das die moderne Technik geschaffen hat. Wer eine solche
Maschine noch nicht im Betriebe gesehen hat. kann sich so recht keinen Begriff von
ihrer Arbeitsweise machen.
Ich hatte vor nicht langer Zeit Gelegenheit, solche Beschickkrane in den neuen Martinwerken der Königinhütte und der Julienhütte in
Oberschlesien zu beobachten; ich hatte als Ingenieur meine helle Freude an ihnen. Es
ist ganz erstaunlich, mit welcher Eleganz und Sicherheit sich diese immerhin
beträchtlichen Massen bewegen. Dem Beobachter wird besonders die Schnelligkeit, mit
der die Mulde in den Ofen eingeführt, dort gekippt und wieder herausgezogen wird,
sodann die Sicherheit, mit der der Führer die Beschickkatze kurz vor dem Ofen
stoppt, auffallen.
Wenn man dies zum erstenmal sieht, so hat man das beängstigende Gefühl, als sei
ein Zusammenstoß unvermeidlich, als wolle die Maschine den Ofen rammen. Die
Ofentüren sind immer nur für einige Sekunden geöffnet.
Textabbildung Bd. 323, S. 265
Fig. 58.Gehänge zum Muldenzubringerkran der Benrather
Maschinenfabrik.
Das Manövrieren eines Beschickkranes, wie ich es auf der Julienhütte gesehen habe, bietet dem Fachmann geradezu einen Genuß;
nirgends treten auch die Vorzüge des elektrischen Betriebes so voll in Erscheinung
wie hier, ganz besonders in der Richtung exakter Steuerung und des
Einzelantriebes.
Es ist klar, daß bei Verwendung einer anderen Betriebskraft als Elektrizität die
Beschickmaschine niemals ihre heutige hohe Vollkommenheit erlangt hätte.
Der Führer des Beschickkranes auf der Julienhütte
manövrierte so, daß er ihn vier Bewegungen zu gleicher Zeit ausführen ließ, und zwar
jede einzelne für sich nach beiden Richtungen.
Beide, der Hebezeugkonstrukteur wie der Elektrotechniker haben hier ganz
Hervorragendes geleistet. Nur schade, daß diese genial erdachte Maschine unter
Umständen eine vorübergehende Erscheinung werden kann, dann nämlich, wenn das Daelen-Pszczolka-Verfahren in der Stahlerzeugung, d.h.
das Beschicken nur mit flüssigem Roheisen zur Regel würde. Allerdings werden wir die
meisten Konstruktionselemente der Beschickmaschine und die Vielseitigkeit ihrer
Bewegungen bei den Blockeinsetzmaschinen wiederfinden.
Das Zubringen der gefüllten Mulde geschieht in sehr verschiedener Weise. Bei neueren
planmäßig angelegten Werken dürfte die Anordnung nach Fig.
51 S. 197 zu empfehlen sein. Die Mulden werden auf Wagen vom Lagerplatz in
ein Seitenschiff der Ofenhalle geschafft, wo sie von einem Laufkran gefaßt und auf
der Beschickbühne abgesetzt werden; hier übernimmt sie dann der Beschickkran.
Die Muldenzubringerkrane haben besondere Vorrichtungen zum Fassen der Mulden.
Fig. 58 zeigt eine solche Greifvorrichtung der Benrather Maschinenfabrik. Der Rahmen a hängt mittels Seilrollen an der Katze. Die beiden
Muldengreifer b, die pendelnd am Rahmen a hängen, sind durch einen Kniehebel miteinander
verbunden. Die Greifer gehen in die gestrichelte Lage, wenn das Seil, das über die
Rolle c im Kniehebelgelenk geführt ist, durch ein
besonderes Windwerk auf der Katze angezogen wird.
Textabbildung Bd. 323, S. 265
Fig. 59.Elektrische Gießlaufkrane von 50 t Tragkraft und 18 bezw. 19 m
Spannweite der Benrather Maschinenfabrik für die Julienhütte in
Oberschlesien.
Müssen die Mulden, wie oft bei älteren Anlagen, von den Stirnseiten der Ofenhalle
hereingeschafft werden, so wird man, um die Beschickbühne von Gleisen freizuhalten,
mit Vorteil
einschienige Motorlaufkatzen zum Zubringen der Mulden verwenden.
Gießlaufkrane.
Wie schon früher erwähnt, geschieht das Einsetzen des flüssigen Roheisens in manchen
Fällen von der Beschickbühne aus. Meist wird es indes von der Gießseite aus in den
Ofen eingesetzt; so auch in Fig. 51 S. 197, wo die
obere Rinne an dem Ofen zum Einsetzen des flüssigen Roheisens, die untere zum
Abstich der fertigen Charge dient. Der Transport des Roheisens vom Mischer zum Ofen,
des Abstiches vom Ofen zu den Kokillen und das Gießen selbst geschieht in den
weitaus meisten Fällen namentlich in neueren Werken durch Gießlaufkrane.
Fig. 59 zeigt eine Gießhalle mit elektrischen
Laufkranen von 50 t Tragkraft der Benrather
Maschinenfabrik. Das Kippen der Pfanne wird durch den Haken eines
Hilfshubwerkes bewirkt. Die Traverse mit der Pfanne hängt hier frei an den
Hubseilen. Da ein Pendeln der Pfanne bei unvorsichtigem Steuern während der
Fahrbewegung sehr gefährlich werden kann, so hat man nach Fig. 51 für das Gehänge eine feste Führung angeordnet. In Stahl und Eisen
1907 wird von Prof. Stauber darauf hingewiesen, daß
nicht gerade das schnelle Fahren beim Transport der Pfanne, sondern das kurze
ruckweise Vorrücken beim Gießen in die nebeneinander stehenden Kokillen dieses
feste Führungsgerüst erwünscht erscheinen lasse.
Zuweilen wird auch das Gehänge, um beim Fahren das Tragorgan zu entlasten, in der
höchsten Stellung mit dem starren Führungsgerüst verriegelt.
In Fig. 59 befindet sich der Führerstand an dem einen
Ende der Kranbühne. Um nun die Pfanne beim Gießen besser beobachten zu können,
ordnet man namentlich bei großen Spannweiten den Führerstand auch verfahrbar an
einer Hilfskatze an, die auf den Untergurten der Kranträger läuft.Z.B. bei der Ausführung von Ludwig Stuckenholz, Stahl und Eisen 1907, S.
998. Das Führungsgerüst ist dabei rahmenartig ausgebildet und
läßt den Durchgang für die Hilfskatze frei, so daß sich der Führer stets den
geeignetsten Beobachtungsort aussuchen kann.
Man hat ferner das Kippen der Pfanne selbsttätig ohne einen zweiten Haken gemacht,
ähnlich wie bei der Hochofenbegichtung durch Schrägaufzug, indem zwei Zapfen an der
Pfanne beim Heben in Kurvenschlitzen an dem festen Gerüst geführt werden (s. D. p.
J. 1907, S. 776, Fig. 16a).
Die Tragfähigkeit der Gießlaufkrane beträgt gewöhnlich 40–80 t.
(Fortsetzung folgt.)