Titel: | Entwicklung und gegenwärtiger Stand der modernen Hebezeugtechnik. |
Autor: | K. Drews |
Fundstelle: | Band 323, Jahrgang 1908, S. 116 |
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Entwicklung und gegenwärtiger Stand der modernen
Hebezeugtechnik.
Von K. Drews, Oberlehrer an der
Königl. höheren Maschinenbauschule in
Posen.
(Fortsetzung von S. 103 d. Bd.)
Entwicklung und gegenwärtiger Stand der modernen
Hebezeugtechnik.
Als die Elektrizität den Hebezeugkonstrukteur von mancher lästigen Fessel
befreit hatte und ihm die Lösung vieler Probleme der Hebezeugtechnik in einfachster
Weise gestattete, da wurde in dem Hammerdrehkran ein außerordentlich
leistungsfähiges Werkzeug für die schweren Hebearbeiten in Häfen und auf
Schiffswerften geschaffen.
Ueber diesen modernen Krantypus enthält die technische Literatur ein so reichhaltiges
Material, daß ich von einem Eingehen auf Einzelheiten hier absehen kann. Ich
verweise auf die Veröffentlichungen in D. p. J. 1902, S. 480 u. f. sowie 1906, S.
418 u. f.
Fig. 31 zeigt einen neueren Hammerdrehkran mit
gegenläufigen Laufkatzen der Benrather Maschinenfabrik
für die Werft von William Beardmore & Cie. in Glasgow. Tragkraft
der Katze auf dem kurzen Ausleger 150 t (200 t Probelast) bei 22 m Ausladung;
Tragkraft der Katze auf dem langen Ausleger 50 t bei 30 m Ausladung. Die größte
Ausladung beträgt 42,5 m; der Haken kann hierbei mit 30 t belastet werden.
Es ist der alte bekannte Schachtkran redivivus. Der Schacht wird bei dem Hammerkran
durch das eiserne Stützgerüst über Flur ersetzt. Die Drehsäule mit Ausleger befindet
sich im labilen Gleichgewicht, d.h. Spurlager unten, Rollenhalslager oben. Der
hauptsächlichste Vorteil des Hammerkrans gegenüber dem Scheren- und Drehscheibenkran
ist das bedeutend größere Arbeitsfeld seiner Lasthaken. Dieses ist eine
Kreisringfläche von 20 bis 25 m radialer Breite. Der untere Teil des Stützgerüstes
überspannt mehrere Eisenbahngleise, so daß das zu hebende Material in sehr bequemer
Weise in den Hakenbereich gebracht werden kann.
Dazu kommen die gegen früher bedeutend größeren Arbeitsgeschwindigkeiten. Betrug
schon bei dem ersten Hammerkran der Benrather
Maschinenfabrik die Hubgeschwindigkeit bei 150 t Belastung 0,68 m/Min., so
beträgt sie bei neueren Ausführungen 1,5 m/Min.
Ein gewisser Nachteil der Hammerkrane mit wagerechtem Ausleger besteht darin, daß
Unterkante Ausleger stets so hoch gelegt werden muß, daß der Ausleger über die
höchsten Schiffsmaste hinwegschwingen kann. Aus diesen Erwägungen heraus haben Bechem & Keetman in
Duisburg in letzter Zeit einen neuen Krantyp geschaffen, den Hammerwippkran.
Fig. 32 zeigt einen solchen von der genannten Firma
für die Hafenanlagen in Tsingtau.
Der Unterschied zwischen beiden Bauarten von Hammerkranen besteht in der Art, wie die Last
wagerecht bewegt wird. Bei dem älteren Hammerkran geschieht dies durch eine
Laufkatze auf dem Ausleger, bei dem Hammerwippkran durch die Wippbewegung des
Auslegers wie bei Scherenkranen.
In ihrem sonstigen Aufbau stimmen beide Bauarten überein. Das Arbeitsfeld des
Hakens ist bei den Hammerwippkranen ebenfalls eine Kreisringfläche.
Textabbildung Bd. 323, S. 116
Fig. 31.Elektrisch betriebener Hammerdrehkrau von 150 t Tragkraft der
Benrather Maschinenfabrik.
Textabbildung Bd. 323, S. 116
Fig. 32.Elektrisch betriebener, feststehender Hammerwippkran mit
einziehbarem Ausleger, 150 t Tragkraft von Bechem & Keetman.
Das Einziehen des Auslegers geschieht bei dem in Fig.
32 abgebildeten Kran durch zwei Schraubenspindeln. Der drehbare Teil,
Drehsäule mit Ausleger, stützt sich auf ein Spurlager in Flurhöhe; sein Kippmoment
wird durch ein Rollenlager am Kopfe des festen Gerüstes auf dieses übertragen. Die
in der Abbildung sichtbare Form des Gerüstes ist aus dem Bestreben hervorgegangen,
die Drehachse des Kranes so nahe wie möglich an die Kaikante zu bringen.
Textabbildung Bd. 323, S. 117
Fig. 33.Dampfschwimmkran von 140 t Tragkraft mit einziehbarem Ausleger
von Bechem & Keetman.
Z. d. V. d. I. 1906, S. 1605 u. f. bringt einen ausführlichen Bericht über diesen
Kran.
Die größte Ausladung für den großen Haken mit 150 t Last beträgt 16 m, diejenige für
den kleinen mit 50 t Last 27 m. Hub- und Einziehwerk befinden sich auf der Plattform
hinter dem Ausleger, das Dreh werk an der Kransäule in Höhe des
Rollenhalslagers.
Die gemessenen Geschwindigkeiten betrugen:
Heben v = 1,73 m/Min, bei 100 t
Last,
Drehen 1 Umdrehung in 6 Minuten.
Textabbildung Bd. 323, S. 117
Fig. 34.Schwimmkran in Scherenform.
Durch die Wippbewegung des Auslegers hat man gegenüber der
älteren Bauart eine geringere Bauhöhe erreicht. Welchen Einfluß dies auf die
Gewichtsverminderung hat, konnte ich nicht feststellen, da die Angaben über das
Eigengewicht des Kranes in dem Bericht fehlen; nur der Ballast ist dort mit 160 t
angegeben. Jedenfalls stehen den etwaigen geringeren Anschaffungskosten die höheren
Stromkosten infolge des größeren Kraftverbrauches bei der Horizontalbewegung
der Last gegenüber. Für die Fahrbewegung einer vollbelasteten Laufkatze kommt man
gewöhnlich mit einem 12–20 PS-Motor aus; für das Einziehen des Auslegers, gleiche
Last vorausgesetzt, ist aber ein 57 PS-Motor vorgesehen.
Als weiterer Nachteil kann es betrachtet werden, daß das Arbeitsfeld des Wippkranes
im allgemeinen erheblich kleiner ist als dasjenige des Laufkatzenkranes.
Wenn ortsfeste Scherenkrane kaum noch gebaut werden, so trifft man sie doch als
Schwimmkrane noch recht oft an.
Textabbildung Bd. 323, S. 117
Fig. 35.Schwimmkran mit geknicktem, einziehbarem Ausleger.
Hier kann ihr sonst beschränktes Arbeitsfeld durch die Manöver des Pontons erheblich
vergrößert werden.
Man hat indes die alte Form des durch ein Hinterbein verstellbaren Zweibeins (s.
Fig. 29 auf S. 102) verlassen und dafür einen
Fachwerkausleger mit Wippbewegung ähnlich demjenigen der Hammerwippkrane
gewählt.
Fig. 33 zeigt einen neueren Schwimmkran von 140 t
Tragkraft für eine englische Werft von Bechem &
Keetman in Duisburg. Die Aufnahme stellt den Kran bei der Probebelastung
mit 175 t dar.
Das Einziehen des Auslegers geschieht durch Schraubenspindeln. Die geknickte Form des
Auslegers ermöglicht es, die Wippkante mehr nach innen zu rücken, so daß man Lasten
vor dem Ausleger lagern kann und sie nicht mehr wie beim alten Scherenkran, zwischen
den Vorderfüßen durchzuschwingen braucht, was besonders bei sperrigen Stücken ins
Gewicht fällt. Außerdem kann bei der geknickten oder gekrümmten Form des Auslegers
die Ausladung viel weiter ausgenutzt werden.
Die Fig. 34 und 35
bringen diese Verhältnisse anschaulich zum Vergleich.
Bechem & Keeiman führen
Schwimmkrane für kleinere Lasten auch als Drehscheibenkrane mit Wippbewegung des
Auslegers aus, womit das Arbeitsfeld bei stilliegendem Ponton erheblich vergrößert
wird. Die Wippkante wird hoch gelegt, damit der Ponton dicht an das Schiff
heran kann.
Eine bei uns seltenere, in Amerika jedoch öfter ausgeführte Bauart zeigt ein
Schwimmkran von 60 t Tragkraft derselben Firma für die KLawittersche Werft in Danzig, Z. d. V. d. 1. 1905, S. 1589.
Auf dem Ponton steht ein Bockkran mit einseitigem Ausleger von 16 m Länge. Die
Horizontalbewegung der Last geschieht mittels einer Laufkatze. Die Höchstlast kann
bis 10 m über die Pontonkante hinausgefahren werden.
Diese Bauart ist wohl aus dem Bestreben entstanden, das Deck des Pontons möglichst
zur Lagerung von Material auszunutzen; sie macht aber ein öfteres und umständliches
Verholen des Schwimmkranes nötig.
Obgleich bei dem letzten Beispiel elektrischer Antrieb einfacher und
zweckentsprechender gewesen wäre, so ist auch hier wie bei Schwimmkranen noch immer
Dampfbetrieb gewählt worden.
Schwimmkrane leisten im Hafen- und Werftbetrieb ausgezeichnete Dienste. Denn es ist
viel leichter einen Schwimmkran als ein großes Schiff zu verholen.
(Fortsetzung folgt.)