Titel: | Schutzvorrichtungen für Hochspannungsanlagen. |
Autor: | Conr. Hesse |
Fundstelle: | Band 313, Jahrgang 1899, S. 119 |
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Schutzvorrichtungen für
Hochspannungsanlagen.
Von Conr.
Hesse.
Schutzvorrichtungen für Hochspannungsanlagen.
Die bekannten, bei Hochspannungsleitungen verwendeten Schutznetze geben der
ganzen Anlage nicht nur ein höchst unschönes Aussehen, sondern sie bringen auch
viele Störungen und Hindernisse mit sich. Es sei hierbei auf die Schwierigkeit
hingewiesen, die unumgänglich notwendigen Reparaturarbeiten an der Leitung
auszuführen, auf den leicht auftretenden Kurz- und Erdschluss, sobald sich
Gegenstände in dem Schutznetz verfangen, ferner auf die starke Belastung und
vielfache Zerstörung der Schutznetze bei Schneefall u.s.w.
Um diesen Uebelständen abzuhelfen, musste eine vollends andere Schutzvorrichtung
geschaffen werden und nach mannigfachen, mehrjährigen Versuchen entstand nun
nachbeschriebene, in vielen Kulturstaaten patentierte Sicherheitskuppelung, welche
der Fabrikantin (Gesellschaft für Strassenbahnbedarf,
Berlin N 58) zusätzlich zu den älteren Patenten gesetzlich geschützt wurde und
praktisch eingebaut, sich in jeder Hinsicht bestens bewährte.
Textabbildung Bd. 313, S. 119
Fig. 1.
Diese Sicherheitskuppelung, auf einem Isolator montiert, ist in Fig. 1 in etwa ein Viertel natürlicher Grösse
abgebildet. Die Einzelteile der Sicherung veranschaulichen die Fig. 2 bis 6.
Die aus Rotguss hergestellte und verzinnte Sicherung besteht aus einem Gewindering
g mit Mutterring m
(Fig. 1, 3 und
4), aus zwei Nasenringen rr1 (Fig. 1
und 5), sowie aus zwei Bügeln b (Fig. 1 und 2).
Der Gewindering g ist derart dimensioniert, dass er auf
den Isolator aufgesteckt werden kann. Die Nasenringe rr1 sitzen auf dem Gewindering drehbar auf
und der Mutterring m wird auf den Gewindering
aufgeschraubt und gestattet ein Feststellen der Nasenringe rr1. Zum Zwecke des besseren
Festziehens sind der Gewindering g und Mutterring m mit Ansätzen a (Fig. 3 und 4), an
welche passende Schlüssel angesetzt werden, ausgestattet. Die Nasenringe rr1 besitzen Nasen n, welche bei möglichster Materialersparnis ein
Verbiegen bezw. Zerreissen der Sicherung verhindern und der zulässigen Zugfestigkeit
entsprechend dimensioniert sind. Im unteren Teil dieser Nasen n sind Einfräsungen e
eingebracht, in welche die Bügel b eingehängt werden.
Die Bügel bestehen aus einem ⋁-förmigen Gussstück, durch dessen Schenkel ein Stift
d aus gezogenem Rotguss gesteckt, vernietet und
verlötet ist. Ferner haben die Bügel b Lappen l, in welche das Ende des Leitungsdrahts, nachdem
dieser gegen Zug durch Umwickeln bei w mit dem Bügel
verbunden ist, zur Erzielung einer guten leitenden Verbindung, eingelötet wird.
Hierbei werden die Enden des Lappens oder eines besonderen Ueberlegers umgebogen und
geben dem Drahtende bei dem Einlöten, zur Bequemlichkeit und besseren
Berührungsfläche, einen Halt.
Textabbildung Bd. 313, S. 119
Fig. 2.
Textabbildung Bd. 313, S. 119
Fig. 3.
Textabbildung Bd. 313, S. 119
Fig. 4.
Textabbildung Bd. 313, S. 119
Fig. 5.
Textabbildung Bd. 313, S. 119
Fig. 6.
Die Sicherungen werden vor dem Versandt fertig montiert, d.h. die Ringe g, m, r, r1
zusammengefügt und die erforderlichen beiden Bügel b jeder Vorrichtung
lose beigegeben.
Textabbildung Bd. 313, S. 120
Fig. 7.
Die Installation auf der Strecke erfolgt nun in der Weise, dass die Leitungsstücke,
deren Länge sich aus der Entfernung von Mast zu Mast, dem Durchhangs- und
Befestigungsverlust am Bügel (Spirale w) zusammensetzt,
zugeschnitten und deren Enden mit je einem Bügel verbunden werden. Hierauf werden,
ohne weitere Befestigung, die eigentlichen Sicherungen auf die Isolatoren
aufgesteckt und die Bügel in die Einfräsungen eingehängt. Der nun wirkende Drahtzug
dreht die bis dahin noch lose drehbaren Nasenringe rr1 von selbst in die durch die Leitung
etwa gebildeten und durch den Strassenweg bedingten Winkel, worauf dann nach
Ansetzen der beiden Schlüssel an die Hinge gm der
letztere angezogen und die Stellung der beiden Nasenringe rr1 unveränderlich zu einander festgelegt
wird.
Für die Zweckerfüllung wesentlich ist ein guter Kontakt zwischen der Einfräsung e des Nasenringes und dem Stift d des Bügels. Es empfiehlt sich, zu diesem Zweck bei der Montage zwischen
Einfräsung e und Bügelstift bd gutes glattes (zusammengelegtes) Stanniolpapier zu legen. Bei
Einführungen und dort, wo die Hochspannungsleitung ohne Sicherungen weiter läuft,
werden ein Nasenring und ein Bügel an einer Sicherung entbehrlich, und kann deshalb
ein Nasenring r durch einen Abschlussring r2 umgetauscht werden.
Der Leitungsdraht wird dann an dem kleinen Ring r0 des Ringes r2 durch eine Spirale wie w bei Bügel b befestigt und das Ende des
Drahtes bei l2 wie
vorbeschrieben bei l am Bügel b eingelötet.
Ferner sei bemerkt, dass die Sicherungen je nach dem Querschnitt des Leitungsdrahtes
und der Mastentfernung für verschiedene Zugfestigkeiten, und zwar in Abstufungen für
Zugfestigkeiten bis zu 750–1000–1500–2100–3000 kg fabriziert und geliefert werden.
Was die Schutzwirkung anbelangt, so hat diese sich als die beste erwiesen. Sobald
ein Leitungsbruch eintritt, lösen sich die Bügel aus den Einfräsungen e sofort aus und die beiden entstandenen Leitungsstücke
mit den Bügeln fallen stromlos zur Erde (Fig. 7). Die
Leitung ist somit direkt an den Isolatoren unterbrochen – offen, wie dies in Fig. 7 bei dem Isolator rechts veranschaulicht
ist.
Was die Resultate der Installation, die Zweckmässigkeit der Verwendung der
Sicherungen und deren Vorteile gegenüber den Schutznetzen anbelangt, so gibt
hierüber nachstehendes vom 9. März d. J. datiertes Schreiben der Union, Elektrizitätsgesellschaft Berlin Auskunft,
dessen Veröffentlichung dieselbe in dankenswerter Weise nachträglich gestattete:
„Auf Ihr geehrtes Schreiben vom 2. d. M. können wir Ihnen mitteilen, dass sich die
im vorigen Jahre von der Firma Gould und Co. für
unser Elektrizitätswerk in Neusalza gelieferten Sicherheitskuppelungen tadellos
bewährt haben.
Wir haben dort eine 4 km lange Hochspannungsleitung für Licht- und
Kraftübertragung mit diesen Kuppelungen ausgerüstet. Die für den Bau und Betrieb
äusserst lästigen Schutznetze sind dadurch in Wegfall gekommen. Den Winter über
durch Schnee und Eis und namentlich bei den starken Stürmen der letzten Monate
wurden häufig Störungen und Unkosten durch das Schutznetz hervorgerufen,
welches wir ebenfalls in Neusalza bei einer früher gebauten
Hochspannungsleitung angewandt haben. Dagegen war an der oben erwähnten, mit Gould'schen Sicherheitskuppelungen ausgerüsteten
Leitung keine Reparatur erforderlich, ebensowenig trat irgend eine Störung im
Betriebe auf.“
Unser Baubureau Neusalza berichtete uns:
„Bei sorgfältiger Montage, welche uns anfangs schwierig erschien, sich nachher
aber bei eingeübten Leuten ganz gut bewerkstelligen liess, kann man sich auf das
gute Funktionieren der Apparate im Betriebe, sowie auf das Stromloswerden der
herabfallenden Drahtenden bei eintretendem Drahtbruch unbedingt verlassen. Durch
eingehende Prüfung und zahlreiche Versuche haben wir uns und die Behörden sich
hiervon überzeugt, so dass es uns keine Schwierigkeiten bereitet hat, die
Erlaubnis der betreffenden Behörden zur Anwendung dieser Sicherheitskuppelungen
an Stelle der Schutznetze zu erhalten.
Etwa vorkommende Reparaturen der Leitung bei Drahtbrüchen u.s.w. lassen sich bei
diesen Kuppelungen leichter und rascher vornehmen, als bei Schutznetzen, da
letztere nur hinderlich sind.
Da es Sie interessieren dürfte, wie die Anordnung unserer Leitung in Neusalza ist,
so legen wir eine Skizze bei. Aus derselben ersehen Sie, dass unterhalb der
Hochspannungsleitungen an demselben Gestänge zwei Telephondrähte angebracht
sind. Der Abstand zwischen ersteren und letzteren ist an keiner Stelle kleiner
als 1 m. Bei diesem Abstand sind die Enden beim Bruch der Hochspannungsleitung
durch sofortiges Funktionieren der Kuppelung längst stromlos, bis sie beim
Herabfallen etwa die Telephondrähte berühren sollten.
Die Anordnung der Hochspannungsdrähte nebeneinander, wie dies bei den Gould'schen Sicherheitskuppelungen erforderlich
ist, kann ohne weiteres erfolgen, da die Leitungen zwecks Induktionsfreiheit
beim Parallellauf mit Telephonleitungen beliebig oft gekreuzt werden
können.
Letzteres geschieht am einfachsten an jedem zehnten oder zwanzigsten Gestänge, je
nach Erfordernis, durch Anordnung von zwei Querträgern und der doppelten Zahl
Isolatoren.
Textabbildung Bd. 313, S. 120
Fig. 8.
Einen unverkennbaren Vorteil haben die Gould'schen
Sicherheitskuppelungen dadurch, dass die unnötige, schädliche, im Winter bei
Schnee oft zu starke und gefährliche Belastung der Gestänge wegfällt, wie dies
bei Schutznetzen unvermeidlich ist.
Wir haben diese Sicherheitskuppelungen für den Bau weiterer Hochspannungsleitungen
vorgesehen, auch in einem Falle, wo diese von den Gestängen der Strassenbahn
getragen werden.“
Bei der Verwendung von Sicherheitskuppelungen werden die Hochspannungsleitungen
nebeneinander angeordnet. Die Verteilung kann je nach besonderen Wünschen, lokalen
Verhältnissen und Anzahl der Leitungen auf verschiedene Weise geschehen. Einer
besonderen Erläuterung der einzelnen Fälle wird es nicht bedürfen. Auch die
Anbringung von Telephonleitungen an dem Gestänge der Hochspannungsleitung ist, wie in dem
vorstehenden Schreiben der Union,
Elektrizitätsgesellschaft bemerkt, von dieser mit Erfolg durchgeführt
worden. Die Telephonleitung wurde unterhalb der Hochspannungsleitung mit 1 m Abstand
installiert, wobei die Hochspannungsleitungen zum Zwecke der Vermeidung von
Induktionswirkung gekreuzt wurden, wie dies Fig. 8
veranschaulicht.
Was die wirtschaftlichen Seiten und Vorteile bei Verwendung der Sicherung anbelangt,
so geben nachstehende Tabellen eine vergleichende Uebersicht der Kosten von
Hochspannungsanlagen mit Sicherheitskuppelungen und mit Schutznetzen.
In diesen Tabellen sind die Kosten auf genau gleicher Grundlage berechnet, dagegen
entsprechen die Preise der Wirklichkeit nicht, was aus naheliegenden Gründen
vermieden sei.
A. 1 km Strecke mit 3 Leitungen
Mit Siche-rungen
MitSchutznetz
ausgerüstet
30 Holzmaste, einschl. Setzen derselbenStreben und Anker, einschl.
Anbringen12 Blitzableiter, 3 × 4 Stück, Material und
Anbringen90 Hochspannungsisolatoren mit Stützen, Schienen und
Installation3150 m Leitungsdraht, 35 qmm, Kupfer90
Sicherheitskuppelungen für 1000
kg ZugfestigkeitLeitungsdrahtmontage bei Verwendung
von KuppelungenLeitungsdrahtmontage bei Verwendung
von SchutznetzenKleinmaterialien für die
Leitungsdraht- montageRot. 1 km Schutznetz nebst allem
Zubehör und der fertigen Montage1)Allgemeine Kosten, Materialbeförderung, Aufsicht
etc.
1100 100 360 3603150 720 135– 5– 500
1100 100 360 3603150–– 90 151800 500
6430
7475
B. 1 km Strecke mit 6
Leitungen
Mit Siche-rungen
MitSchutznetz
ausgerüstet
30 Holzmaste, einschl. Setzen derselben.Streben und Anker, einschl.
Anbringen24 Blitzableiter, 6 × 4 Stück, Material und
Anbringen180 Hochspannungsisolatoren mit Stützen und
Schienen6300 m Leitungsdraht, 35 qmm, Kupfer180
Sicherheitskuppelungen für 1000
kg ZugfestigkeitLeitungsdrahtmontage bei Verwendung
von KuppelungenLeitungsdrahtmontage bei Verwendung
von SchutznetzenKleinmaterialien für die
Leitungsdraht- montageRot. 1 km Schutznetz nebst allem
Zubehör und der fertigen Montage1)Allgemeine Kosten, Materialbeförderung, Aufsicht
etc.
1100 100 650 700 6300 1440 270– 10– 750
1100 100 650 700 6300–– 180 30 1800 750
11320
11610
C. 1 km Strecke mit 9 Leitungen
Mit Siche-rungen
MitSchutznetz
ausgerüstet
30 Holzmaste, einschl. Setzen derselbenStreben und Anker, einschl.
Anbringen36 Blitzableiter, 9 × 4 Stück, Material und
Anbringen270 Hochspannungsisolatoren mit Stützen und
Schienen9450 m Leitungsdraht, 35 qmm, Kupfer270
Sicherheitskuppelungen für 1000
kg ZugfestigkeitLeitungsdrahtmontage bei Verwendung
von KuppelungenLeitungsdrahtmontage bei Verwendung
von SchutznetzenKleinmaterialien für die
Leitungsdraht- montageRot. 1 km Schutznetz nebst allem
Zubehör und der fertigen Montage1)Allgemeine Kosten, Materialbeförderung, Aufsicht
etc.
1100 100 900 1000 9450 2160 405– 15– 1000
1100 100 900 1000 9450–– 270 45 1800 1000
16130
15665
1) Die Kosten der Schutznetze
schwanken bekanntlich sehr, je nach der Maschenweite, Anordnung etc.; hier ist ein
niedriger Mittelpreis für das Schutznetz angenommen
und zu diesem dann der Aufschlag in derselben prozentualen Höhe getreten, wie bei
den übrigen Gegenständen bezw. Preisen.