Titel: | Lüftungsanlagen im Anschluss an die gebräuchlichen Heizungssysteme und eine kritische Beleuchtung dieser letzteren. |
Autor: | F. H. Haase |
Fundstelle: | Band 280, Jahrgang 1891, S. 176 |
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Lüftungsanlagen im Anschluss an die
gebräuchlichen Heizungssysteme und eine kritische Beleuchtung dieser
letzteren.
(Eine Artikelfolge von F. H. Haase, gepr.
Civilingenieur, Patentanwalt in Berlin.)
(Fortsetzung des Berichtes Bd. 279 S.
225).
Mit Abbildungen.
Lüftungsanlagen im Anschluss an die gebräuchlichen
Heizungssysteme.
VII. Allgemeine Betrachtungen über Luftfeuchtigkeit.
Um Wasserdampf, der leichter ist als atmosphärische Luft, aus einem Raume zu
entfernen, bedarf man nur eines einfachen, genügend weiten Abzuges, welcher zur
Erzeugungsstelle des Dampfes so gelegen und so gerichtet ist, dass der Dampf nicht
gehindert ist, seinem natürlichen Bewegungsbestreben (in ansteigender Richtung) auf
kürzestem Wege Folge zu geben, ohne sich hierbei in einem, seine Temperatur
wesentlich beeinträchtigenden Grade mit der kühleren Luft im Raume selbst zu
mischen. Wenn dagegen der Abzug ungenügende Weite (ungenügenden lichten Querschnitt)
hat oder derart gelegen ist, dass der Dampf theils wegen Anprallens an Hindernissen,
theils wegen allzureichlichen Mischens mit der kühleren Raumluft auf seinem Wege in
mehr oder weniger erheblichem Grade abkühlt, so genügt der Abzug allein nicht mehr,
eine Condensirung im Raume zu verhüten, und es tritt dann nicht nur eine
unerwünschte Erhöhung der Raumluftfeuchtigkeit, sondern mit der Zeit auch selbst
eine Durchfeuchtung der Umfassungswände ein, sofern die mit dem Reste des Dampfes
durch den Abzug entweichende Luft nicht befähigt ist, so viel Wasser in sich selbst
aufzunehmen, als sich während der Zeit ihres Entweichens anderenfalls im Raume
niederschlagen würde.
Was von dem an einer bestimmten Stelle des Raumes entwickelten Wasserdampfe gilt,
gilt auch von anderen Feuchtigkeitsentwickelungen, die man gemeinhin als
Dunstentwickelungen oder Dunstausscheidungen zu bezeichnen pflegt. Während man aber
für den an einer bestimmten Stelle erzeugten, höher temperirten Wasserdampf immer
Abzüge anordnen kann, die für sich allein genügende Abführung desselben
gewährleisten, ist man bei dem, was man gemeinhin als Dünste zu bezeichnen pflegt,
nur selten in der Lage, den erwünschten Erfolg durch Anordnung einfacher Abzüge zu
sichern.
Es entsteht nun die Frage, ob es denn überhaupt immer und auf welche Weise es jeweils
möglich ist, die in einem Raume entwichenen Dünste durch
Luftwechsel zu beseitigen.
Die Erörterung dieser Frage erfordert gesonderte Betrachtung von zwei wesentlich
verschiedenen Fällen, nämlich
1) desjenigen Falles, in welchem die zur Verfügung stehende Luft ohne weiteres
befähigt ist, Wasserdunst in erwünschtem Grade in sich aufzunehmen, und
2) desjenigen Falles, in welchem nur Luft von höherem Sättigungsgrade zur Verfügung
steht, als er für die Beschränkung der Raumluftfeuchtigkeit auf einen bestimmten
Grad erforderlich ist.
Wenn die zur Verfügung stehende Luft ohne weiteres befähigt ist, Wasserdunst in
erwünschtem Grade in sich aufzunehmen, so lässt sich die im Raume entwickelte
Wasserdunstmenge jeweils in dem Masse ihrer Entwickelung durch einen einfachen
Luftwechsel entfernen, dessen Betrag nach dem Sättigungsgrad der in den Raum
einströmenden Luft und demjenigen Sättigungsgrad zu bemessen ist, welchen die Luft
unter den gegebenen Verhältnissen leicht anzunehmen vermag.
Ist s1 der
Sättigungsgrad der äusseren Luft, s2 der unter Zuhilfenahme der betreffenden
Schaulinien (Fig. 20 u. ff.) zu ermittelnde
Sättigungsgrad, den die äussere Luft mit der Raumtemperatur annimmt, wenn sie weder
Wasserdunst aufnimmt, noch Wasser niederschlägt, und s3 derjenige Sättigungsgrad, den die Luft
beim Durchstreichen des im Raume entwickelten Wasserdunstes leicht annimmt, und
bezeichnet ferner W die stündlich im Raume erzeugte
Wasserdunstmenge in Cubikmetern, lw die zur Entfernung dieser Wasserdunstmenge
stündlich erforderliche Luftwechselmenge (ebenfalls in Cubikmetern), t1 die Aussentemperatur
und t2 die
Raumtemperatur (beide Temperaturen in Celsius-Graden), so ist
l_w\,\frac{1+0,00367\,t_2}{1+0,00367\,t_1}\,(s_3-s_2)=W\
cbm.
Ist die Wasserdunstmenge in Kilo gegeben, so hat man nur zu beachten, dass 1 cbm Luft
von t2° C. unter
atmosphärischem Drucke \frac{1,2932}{1+0,00367\,t_2}\,k wiegt und
dass demnach die linke Seite des vorstehenden Ausdruckes nur mit diesem
Quotienten zu multipliciren ist, um einen correcten Ausdruck für die in Kilo
angegebene Wasserdunstmenge zu ergeben. Bezeichnet man demnach diese letztere mit
w, so erhält man
l_w\,\frac{1,2932}{1+0,00367\,t_1}\,(s_3-s_2)=w\,k
und somit
l_w=\frac{w\,(1+0,00367\,t_1)}{1,2932\,(s_3-s_2)} . . . . .
. . . . . (12)
Die Erfahrung lehrt nun, dass Luft, welche sich mit geringer Geschwindigkeit mitten
durch eine Wasserdunstsphäre hindurch bewegt, immer befähigt ist, bis zu 70 Proc.
ihrer vollständigen Sättigung an Wasserdunst in sich aufzunehmen, dass man aber in
gelüfteten Räumen, die nicht aus besonderen Gründen aussergewöhnlich feuchte Luft
haben müssen (wie beispielsweise Spinnerei- und Webereiräume), zweckmässiger Weise
im Winter für Luft zu sorgen hat, die nicht über 60 Proc. gesättigt ist, wiewohl
man, im Sommer unter Umständen bis zu 70procentiger Sättigung zulassen kann. Demnach
dürfte es sich empfehlen, für die Bestimmung der zur Dunstabführung stündlich
erforderlichen Luftmenge lw allgemein s3 = 0,6 in Rechnung zu setzen und demnach
dem Ausdrucke (12) die bestimmtere Form:
l_w=\frac{w\,(1+0,00367\,t_1)}{1,2932\,(0,6-s_2)} . . . . .
. . . . . (12a)
zu geben.
Wenn man für eine bestimmte Raumtemperatur die den verschiedenen möglichen
Temperaturen t1 und
Sättigungsgraden s1 der
Aussenluft entsprechenden Sättigungsgrade s2 der auf die Raumtemperatur gebrachten Frischluft
(mit Hilfe der Fig. 15) ermittelt und dazu nach
Gleichung (12) die auf w = 1 k Wasserdunst entfallenden
Luftmengen lw
berechnet, diese sodann als Abscissen und die zugehörigen Aussenlufttemperaturen t1 als Ordinaten eines
Coordinatensystems aufträgt und von den auf solche Weise bestimmten Systempunkten
die, je einem und demselben Sättigungsgrade der Aussenluft entsprechenden
folgerichtig verbindet, so erhält man eine Reihe von Curven, welche klar erkennen
lassen, inwieweit es möglich ist, ohne besondere Hilfsmittel, allein vermöge
einfachen Luftwechsels, in einem Raume, in dem stündlich eine gewisse
Wasserdunstmenge erzeugt wird, einen erwünschten Sättigungsgrad der Raumluft (s3) einzuhalten.
Fig. 20 veranschaulicht die auf solche Weise für 60
Proc. Sättigung (s3 =
0,6) der Raumluft und eine Raumlufttemperatur t2 = 20° C. ermittelten 40, 50, 60, 70 und 100 Proc.
vollständiger Sättigung der Aussenluft entsprechenden Curven.
Dieselben lassen erkennen, dass bei niedriger Aussenlufttemperatur bis zu + 5° C. die
Einhaltung 60procentiger Sättigung der Raumluft immer durch einfachen Luftwechsel
erwirkt werden kann und dass dazu selbst dann, wenn die Aussenluft vollständig
gesättigt ist, was, wie schon früher erwähnt, kaum jemals vorkommt, im höchsten
Falle (bei + 5° C.) ein Luftwechsel von 4 cbm für je 1 k im Raume erzeugten
Wasserdunstes erforderlich ist. Steigt dagegen die Aussenlufttemperatur über +8° C.,
so ist für die Dauer vollständiger Sättigung der Aussenluft die Möglichkeit, die
Raumluftfeuchtigkeit durch einfachen Luftwechsel auf 60procentiger Sättigung
beschränkt zu halten, als vollständig ausgeschlossen zu bezeichnen, da für + 11° C.
Aussentemperatur die Abscisse der Curve ab
(welche vollständig gesättigter Aussenluft entspricht) unendlich gross ist und somit
kein Luftwechsel, wie gross er auch sein möge, bei + 11° C. mehr im Stande ist, die
Feuchtigkeit in einem auf + 20° C. erwärmten Raume auf 60procentige Sättigung zu
beschränken, wenn darin selbst Wasserdunst erzeugt wird. Uebrigens belehrt ein Blick
auf Fig. 15, dass bei einer Aussenlufttemperatur von
etwa + 13° C. denkbar grösster Luftwechsel mit vollständig gesättigter Aussenluft
auch 70procentige Sättigung der Raumluft nicht mehr zu sichern vermag, da die
Frischluft dann selbst noch 70procentige Sättigung mit in den Raum hereinbringt,
wenn sie inzwischen auf 20° C. erwärmt worden ist.
Textabbildung Bd. 280, S. 177Fig. 20.Schaubild für verschiedene Procente des Sättigungsgrades der
Raumluft und der Sättigung der Aussenluft bei verschiedenen
Temperaturgraden. Ist die äussere Luft nur selten bis zu 70 Proc. gesättigt, so kann man,
wenn die Wasserdunstentwickelung in einem auf + 20° C. erwärmten Raume nicht zu
gross ist, noch bis zu einer Aussentemperatur von + 15° C. 60procentige Sättigung
der Raumluft durch einfachen Luftwechsel (im Betrage von 9½ cbm für jedes Kilogramm
erzeugten Wasserdunstes) sichern; bei einer Aussentemperatur von + 17½ C. dagegen
ist diese Möglichkeit nur dann noch vorhanden, wenn die Sättigung der Aussenluft
nicht mehr als 60 Proc. der vollständigen beträgt, u.s.f.
Wie bereits angedeutet und auch ohne weiteres verständlich, besitzt jede der in Fig. 20 dargestellten Curven eine unendlich grosse
Abscisse (Asymptote) deren Lage die Grenze angibt, bis zu welcher von mehr oder
weniger stark gesättigter Aussenluft ein Einhalten 60procentiger Sättigung der
Raumluft höchstens, und zwar nur dann noch annähernd zu erwarten ist, wenn die im
Raume erfolgende Wasserdunstentwickelung sehr gering ist. Diese unendlich grossen
Abscissen sind in der Figur mit Aa, Ac, Ae, Ag, Ai bezeichnet, wobei die Indices a, c, e, g, i ihre beziehendliche Zugehörigkeit zu den
mit ab, cd, ef, gh, ik bezeichneten Curven
andeuten.
Aus den Lagen dieser unendlich grossen Abscissen ergibt sich nach dem Gesagten,
dass die Grenze der Möglichkeit, die Luft gelüfteter Räume, deren Temperatur 20° C.
beiträgt, ohne weitere Hilfsmittel auf 60procentige Sättigung zu beschränken,
im Falle vollständiger Sättigung der Aussenluft bei + 11°
C.
im Falle 70procentiger Sättigung der Aussenluft bei + 17½°
C.
im Falle 60procentiger Sättigung der Aussenluft bei + 20°
C.
im Falle 50procentiger Sättigung der Aussenluft bei + 24½°
C.
im Falle 40procentiger Sättigung der Aussenluft bei + 29½°
C.
liegt.
Trägt man diese Grenzwerthe der Aussentemperaturen als Ordinaten und die zugehörigen
Sättigungsgrade der Aussenluft als Abscissen eines rechtwinkligen Coordinatensystems
auf, so ergibt die Verbindung der so erhaltenen Systempunkte (vergl. Fig. 21) eine Curve, aus deren Verlauf man ohne
weiteres auch für zwischenliegende Verhältnisse erkennen kann, wenn (unter welchen
Temperatur- und Sättigungsgradbeziehungen) die, ohne Zwischenbehandlung von aussen
in einen auf 20° C. erwärmten Raum eingeführte Luft zufolge Annahme der
Raumtemperatur allein schon die in dem Raume gewünschte 60procentige Sättigung
annimmt, so dass sie diesen Sättigungsgrad hier nur dann wirklich zu erhalten
vermag, wenn hier selbst entweder gar kein oder nur unbeachtbar wenig Wasserdunst
entwickelt wird. Die aufgezeichnete Curve illustrirt daher die Grenze derjenigen
Aussenluftzustände, die eine 60procentige Sättigung der auf 20° C. erwärmten
Raumluft, bei einfacher Lüftung überhaupt, ermöglichen.
Construirt man in gleicher Weise auch Grenzcurven für andere Sättigungsgrade der auf
20° C. erwärmten Raumluft, so bietet das Gesammtbild dieser Curven die Möglichkeit,
rasch zu übersehen, inwieweit es bei irgend welchen Aussenluftzuständen überhaupt
möglich ist durch einfache Lüftung die Luftfeuchtigkeit eines auf 20° C. erwärmten
Raumes auf irgend einen erwünschten Betrag zu beschränken.
Textabbildung Bd. 280, S. 177Fig. 15.Schaulinien für die Sättigung der Luft mit
Wasserdampf. Die Construction dieser Curven lässt sich mit Hilfe der Fig. 15 sehr leicht ausführen, indem man in dieser
Figur durch den beziehentlichen Schnittpunkt der, dem im Raume erwünschten
Sättigungsgrad entsprechenden Feuchtigkeitscurve mit der, der Temperatur 20° C.
entsprechenden Abscissenlinie eine Parallele zur Ordinatenachse (also eine
senkrechte Gerade) zieht und die, den Schnittpunkten dieser Geraden mit den Curven
anderer Sättigungsgrade entsprechenden Temperaturen abliest oder schätzt und als
Ordinaten, jene Sättigungsgrade selbst aber als Abscissen aufträgt. Uebrigens findet
man bei der Construction, dass die zu bestimmenden Curven Kreisbogen sind oder doch
nur so wenig von Kreisbogen abweichen, dass die Differenz für den praktischen
Gebrauch nicht in Betracht kommt. Man braucht deshalb für jede Curve nur drei Punkte zu
bestimmen, um dieselbe zeichnen zu können, und da von diesen drei Punkten je einer
schon, als auf der Abscisse für die Raumtemperatur (20° C.) liegend, von vornherein
gegeben ist, so bleibt nur noch die Bestimmung von je zwei Punkten für jede Curve
als nothwendig übrig.
Textabbildung Bd. 280, S. 178Fig. 21.Schaulinien für die Sättigungsgrade der Raumluft bei
verschiedenen Temperaturen und verschiedenen Sättigungsgraden der
Aussenluft. Aus den auf diese Weise bestimmten, in Fig.
21 dargestellten Curven ersieht man, dass an regnerischen Frühjahr- und
Herbsttagen, an welchen – bei einer zwischen 12 und 15° C. und höheren Graden
wechselnden Temperatur – die Feuchtigkeit der Aussenluft im Allgemeinen zwischen 75-
und 85procentiger Sättigung schwankt und nach mehrtägigem anhaltenden Regen wohl
auch mitunter noch intensiver ist, die in einen auf 20° C. erwärmten Raum
einströmende Luft in diesem, ohne weitere Wasserdunstaufnahme zumeist schon
wesentlich mehr als 60procentige Sättigung behält. Es kann deshalb nicht ausbleiben,
dass man dann in gelüfteten Räumen oft das bei hoher Luftfeuchtigkeit auftretende
Frösteln empfindet, wenn in diesen Räumen selbst noch irgend welche Feuchtigkeit
erzeugt wird oder dieselben ungenügend oder gar nicht geheizt sind.
Ebenso muss man dieses Frösteln nothwendiger Weise auch an regnerischen Sommertagen
in Räumen empfinden, deren Temperatur nur sehr wenig oder gar nicht höher ist als
die Lufttemperatur im Freien, was immer dann der Fall ist, wenn die in den Mauern
enthaltene Wärme an regnerischen Tagen nicht hinreicht, eine Raumtemperatur von mehr
als 20 ° C. zu sichern, während die Temperatur im Freien, welche zur Nachtzeit nach
starkem Regenfall oft sehr niedrig ist, bei Tag zwischen 16 und 20° C. schwankt.
Dass man gleichwohl das Frösteln im Frühjahr und Herbst in der Regel mehr empfindet,
rührt daher, dass die Feuchtigkeit der Aussenluft im Sommer während der heftigsten
Niederschläge nur selten bis zu 80procentiger Sättigung steigt und nicht selten
sogar so gering ist, dass selbst während des Regens eine sehr lebhafte Verdunstung
des die Erdoberfläche bedeckenden Wassers stattfindet, welche das zumeist bemerkbare
rasche Sinken der Lufttemperatur während des Regens zur Folge hat. Nur wenn der
Regenfall wie im Herbste mehrere Tage lang dauert, steigt der Feuchtigkeitsgehalt
der Aussenluft bis auf 80procentige Sättigung und selbst noch höher, dann ist aber
auch die Aussenlufttemperatur in der Regel durch lange andauernde Verdunstung
ebensoweit abgekühlt wie während der Frühjahrsregen, welche sich in der Regel auf
die ganze Lufthöhenregion zwischen den Wolken und der Erde erstreckt, während im
Hochsommer der Regen zumeist nur aus höheren Luftschichten niederfällt. –
Inwieweit man ohne besondere Hilfsmittel überhaupt befähigt ist, die Feuchtigkeit der
Luft in Räumen durch einfachen Luftwechsel auf einen zulässigen Grad zu beschränken,
erkennt man am besten, wenn man nach der soeben zur Construction der in Fig. 21 dargestellten Curven gegebenen Erläuterung
auch noch die Grenzcurven für 60- und 80procentige Sättigung der Raumluft für die
Raumtemperaturen 15 und 25 ° C. aufzeichnet, da die Temperatur in Räumen, welche
körperlich wenig oder gar nicht angestrengten Personen und Hausthieren zum
Aufenthalt dienen, zumeist zwischen diesen Grenzen zu halten gesucht wird und
80procentige Sättigung der Raumluft allgemein anerkanntermassen die aus
Gesundheitsrücksichten höchstens zulässige Feuchtigkeitsgrenze unter allen Umständen
überschreitet.
Aus der Aufzeichnung dieser vier Grenzcurven, welche Fig.
22 veranschaulicht, und derjenigen Grenzcurven, welche in Fig. 21 für die Raumtemperatur 20 ° C. dargestellt
sind erkennt man mit Bestimmtheit die Richtigkeit des folgenden Lehrsatzes:
Bei geringer Feuchtigkeitsentwickelung in den Räumen gibt directe Lüftung derselben
niemals, gleichviel welche Höhe die Aussenlufttemperatur dabei besitzt, Veranlassung
zu unzuträglichen Befeuchtungsverhältnissen in diesen Räumen, sobald deren Temperatur jeweils um einige Grade höher ist
als die der Aussenluft; dagegen müssen in den meisten Gegenden nothwendig
unzuträgliche Feuchtigkeitsverhältnisse in den direct gelüfteten Räumen häufiger
eintreten, wenn deren Temperaturen niedriger sind als die
Aussenlufttemperaturen.
Demnach hätte man, um zu verhüten, dass die in einen Raum einzuführende Frischluft
selbst den Sättigungsgrad der Raumluft auf ein, für die Gesundheit unzuträgliches
Mass erhöhe, immer nur dafür zu sorgen, dass die Temperatur in dem gelüfteten Raume
um wenige Grade höher ist als die Aussentemperatur.
Man findet aber durch Vergleichen der in den Fig. 21
und 22 dargestellten Curven und Einfügen von
mittleren Abmessungen zwischen denselben mit der Zirkelöffnung auch um wie viele
Grade bei feuchter Witterung die Raumluft wärmer sein muss als die Aussenluft, um
nicht nur die Einführung zu hohen Feuchtigkeitsgehalts durch die Frischluft zu
verhüten, sondern auch durch directe Lüftung noch ein Entfernen von im Raume selbst
entwickeltem Wasserdunst zu bewirken. Denn es ist beispielsweise aus Fig. 22 ersichtlich, dass 90procentige Sättigung der
Aussenluft im Falle einer Aussentemperatur von 12½° C. in einem auf 15° C. erwärmten
Raume 80procentige Sättigung erzeugt, während aus Fig.
21 hervorgeht, dass sie in einem um 5° C. wärmeren Raume nur ungefähr
65procentige Sättigung zu erzeugen vermag, und aus Fig.
22 ersichtlich ist, dass sie in einem um 10° C. wärmeren Raume nur
bedeutend weniger als 60procentige Sättigung verursachen kann, und zwar findet man
durch Abtragen der Ordinatendifferenz, welche 10gradiger Temperaturdifferenz im
Raume bei 90procentiger Sättigung der Aussenluft entspricht, von der Curve für
80procentige Sättigung in Fig. 21, dass die
Feuchtigkeit der Luft bei 10gradiger Temperaturerhöhung um etwa 32
Sättigungsprocente abnimmt und demnach in einem auf 25° erwärmten Raum nur
48procentige Sättigung zu erzeugen vermag.
Textabbildung Bd. 280, S. 179Fig. 22.Schaulinien der Raumluftfeuchtigkeit bei verschiedenen
Temperaturen und verschiedenen Sättigungsgraden der Aussenluft. Ebenso findet man, dass 80procentige gesättigte Aussenluft von 10° C,
welche in einem gleichwarmen Raume natürlich auch 80procentige Sättigung erzeugen
würde, in einem auf 20° C. erwärmten Raume nur 48° procentige Sättigung zu erzeugen
vermag und dass 85procentige Aussenluft von 5° C. in einem Räume, dessen Temperatur
15° C. beträgt, ungefähr 52procentige Sättigung zu erzeugen vermag, dass ferner
90procentig gesättigte Aussenluft von 8° C., welche in einem auf 15° C. erwärmten
Raume 60procentige Sättigung erzeugt, in einem auf 20° erwärmten Raume nur
50procentige Sättigung zu erzeugen vermag u.s.f.
Demnach kann man sich jederzeit mit Hilfe der beiden Fig.
21 und 22 leicht eine ungefähre Vorstellung
davon machen, ob man bei einer vorliegenden Raumwärme überhaupt im Stande ist, eine
in demselben entwickelte Wasserdunstmenge durch einfache directe Lüftung zu
entfernen oder nicht; welcher Luftbedarf ersteren Falles aber dazu erforderlich ist,
darüber geben die in Fig. 23 dargestellten, für
80procentige Sättigung der Aussenluft ermittelten Curven für alle vorkommenden Fälle
hinreichenden Aufschluss.
Die Curven dieser Figur sind auf gleiche Weise ermittelt worden wie die in Fig. 20 dargestellten und haben demnach auch die hier
eingefügten Bezeichnungen s3 und t2 die
gleiche Bedeutung, wie sie ihnen bei der Entwickelung der Gleichung 12 zugewiesen
wurde. Um schärfer bestimmbare Schnittpunkte der Curven mit ihren Abscissen zu
erhalten, ist das Verhältniss der Ordinatenlängen zu den Abscissenlängen doppelt so
gross als in Fig. 20 gewählt worden, so dass die
Curven einen steiler ansteigenden Verlauf erhielten.
Da man schliesslich in gewöhnlichen bewohnten Räumen zeitweise auch noch 65procentige
Sättigung zulassen kann, wenn sich die Verhältnisse für Beschaffung der
Trocknungsluftmenge dadurch für etwaige Fälle wesentlich vereinfachen lassen, so
wurden ausser Curven für 60procentige Sättigung der Raumluft auch solche für
65procentige Sättigung mitaufgenommen, und da endlich für industrielle Anlagen
mancher Art auch bis zu 75 Proc. gesättigte Raumluft zulässig und unter Umständen,
wie beispielsweise in Werkstätten der Textilindustrie, sogar nothwendig oder
erwünscht ist, so wurden auch für die, den hierbei zumeist als Grenztemperaturen der
Raumluft vorkommenden Temperaturgraden, 15 und 20° C, entsprechenden Curven
75procentiger Sättigung der Raumluft in die Figur mit eingetragen.
Textabbildung Bd. 280, S. 179Fig. 23.Schaulinien für die Sättigungsgrade bei verschiedenen
Aussenlufttemperaturen und verschiedener Trocknungsluftmenge. Weitere Erläuterungen für den praktischen Gebrauch dieser Figur dürften
nach den vorangehenden Besprechungen entbehrlich sein.
(Fortsetzung folgt.)