Titel: | Die Photographie mit Bromsilber-Gelatine-Emulsion; von Dr. Josef Maria Eder. |
Autor: | Josef Maria Eder |
Fundstelle: | Band 238, Jahrgang 1880, S. 245 |
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Die Photographie mit
Bromsilber-Gelatine-Emulsion; von Dr. Josef Maria Eder.
Eder, über die Photographie mit
Bromsilber-Gelatine-Emulsion.
Die Idee, eine lichtempfindliche Jod-, Brom- oder Chlorsilber-Emulsion zu erzeugen,
welche ein sensibilisirendes Bad überflüssig macht, wurde bereits von Gaudin i. J. 1853 ausgesprochen.La Lumière vom 20. August 1853. Er
machte Versuche mit Emulsionen in Collodion, Gelatine und Albumin, welche er i. J.
1861 näher beschriebLa Lumière vom 15. April 1861.;
jedoch hatte seine „Photogène“ genannte Collodion-Emulsion keinen praktischen Werth.
Erst als von Russell i. J. 1862British Journal of Photography vom 15. November
1862. die alkalische Pyrogallus-Entwicklung der Trockenplatten
entdeckt worden war, wurde das Verfahren mit Bromsilber-Emulsion lebensfähig.
Als brauchbares selbstständiges Verfahren tauchte das später so vielfach genannte
Bromsilber-Emulsionsverfahren mit Collodion im September 1864 auf. Diese Methode der
„Photographie ohne Silberbad“ wurde damals von Sayce entdeckt und später von ihm und Bolton
genauer in der Photographic News beschrieben.Photographische Mittheilungen, 1864 Bd. 1 S.
100. 1865 Bd. 2 S. 61.
Trotz mannigfacher Verbesserungen konnte sich das Bromsilber-Collodion nie recht
Eingang in die Praxis verschaffen. Wie man erst viel später erkannte, lag der Grund
hauptsächlich in der Anwendung des Collodions als Bindemittel, in welchem das
Bromsilber suspendirt ist. Von Bedeutung war es demnach, als R. L. Maddox i. J. 1871 den Vortheil entdeckte, welcher in dem Ersatz des
Collodions durch Gelatine liegt, und am 8. September 1871 die erste Notiz über das
Gelatine-Emulsionsverfahren veröffentlichte.British Journal of Photography, 1871 Bd. 18 S.
422.
Maddox's Verfahren war unvollkommen, weil er seine
Bromsilber Gelatine-Emulsion mit überschüssigem Silbernitrat herstellte, wodurch die
Negative schleierig werden und er das bei der Doppelzersetzung von Bromcadmium und
Silbernitrat entstehende Cadmiumnitrat nicht durch Waschen entfernte. Auf die
Notwendigkeit, beim Erzeugen von Bromsilber das lösliche Bromid vorherrschen zu
lassen, wies zuerst Johnston hinBritish Journal of Photography, 1873 Bd. 20 S.
544. Freies Silbernitrat zersetzt sich mit Gelatine rasch, selbst bei
völligem Lichtausschluſs., während King das Auswaschen der Bromsilber-Gelatine-Emulsion mittels Wasser durch
Dialyse einführte.British Journal of Photography, 1873 Bd. 20 S.
542.
Bis zum J. 1878 stellte man die Gelatine-Emulsion einfach in der Weise dar, daſs man
in einer warmen wässerigen Gelatinelösung Bromkalium oder Bromammonium auflöste und
dann bei rothem Lichte eine zur völligen Umsetzung des Bromides nicht hinreichende
Menge von Silbernitratlösung zusetzte, wobei sich eine äuſserst fein zertheilte
Emulsion bildet, aus welcher nach dem Erkalten und Erstarren durch Behandeln mit
kaltem Wasser die löslichen Salze ausgewaschen wurden.Solche ältere Vorschriften sind im „British Journal Photographic Almanac for 1880“ S. 23
zusammengestellt; sie sind meist englischen Ursprunges. Eine
derartige Gelatine-Emulsion gibt Trockenplatten, welche empfindlicher sind als alle
anderen bis jetzt bekannten Collodion-Trockenplatten; die Empfindlichkeit nasser
Collodionplatten aber wird dadurch nicht erreicht.
Erst durch Bennett's wichtige Beobachtung holte das
Bromsilber-Gelatineverfahren das nasse Collodion nicht nur ein, sondern überflügelte
sogar letzteres. Derselbe theilte nämlich am 29. März 1878 mit, daſs eine
Gelatine-Emulsion durch eine andauernde Digestion bei 32° bedeutend an
Empfindlichkeit gewinnt.British Journal of Photography, 1878 Bd. 25 S.
146. Photographische Correspondenz, 1878 und
1879. Da Bennett's Verfahren
vortreffliche Resultate gibt und nach demselben viele Gelatine-Emulsion des Handels
bereitet wird, soll es hier etwas näher beschrieben werden. Man löst 7g Bromammonium in 180cc destillirtem Wasser auf und setzt dann 20g feine Gelatine zu. Dann stellt man die Flasche in ein Wasserbad von 32°
und bringt dadurch die Gelatine zur Auflösung. Andererseits löst man 11g Silbernitrat in 60cc warmen Wasser und setzt diese Lösung allmählich unter öfterem Schütteln
zu der Gelatinelösung. Die letzten Reste des Silbernitrates werden mit 24cc Wasser nachgespült. Die Emulsion wird dann bei
32° durch 12 Stunden bis 7 Tage digerirt; die Empfindlichkeit wächst mit der Dauer
der Digestion. Man erhält auf diese Weise Emulsionen, welche 4 bis 10 mal
empfindlicher als nasse Collodionplatten sind.
Nach meinen VersuchenSitzungsberichte der Akademie der Wissenschaften in
Wien, April 1880 Bd. 81. – Ausführlicher beschrieben in meiner
Monographie „Theorie und Praxis der Photographie mit
Bromsilber-Emulsion“ (Wien 1880) und zum Theile in der Photographischen Correspondenz, 1880 Bd. 16 S.
109 ff. ist es nicht zu empfehlen, die Digestion über 5 bis 6
Tage auszudehnen, weil sonst leicht eine Zersetzung der Emulsion und Verschleierung
der damit zugerichteten Platten eintritt. Für gewöhnlich ist eine 2 bis 3tägige
Digestion die geeignetste. Digerirt man die Gelatine-Emulsion bei höherer Temperatur
(60 bis 100°), so wird
die Steigerung der Empfindlichkeit in einer kürzeren Zeit erreicht. Man kann nach
einem 30 Minuten langen Sieden der Gelatine-Emulsion ungefähr dasselbe erhalten als
nach dem 3tägigen Digeriren bei 32°. Da man hierbei an Zeit bedeutend gewinnt, so
erfreut sich die Darstellung von Gelatine-Emulsion durch Sieden einer groſsen
Beliebtheit. Mansfield wendete i. J. 1879 zuerst diese
Methode anBritish Journal of Photography, 1879 Bd. 26 S.
403.; dieselbe wurde später von MonckhovenTraité général du Photographie, 1880 S.
396., AbneyAbney: The practical working of the gelatine
emulsion process, (London 1880) S. 20. u.a.
näher beschrieben.
Van Monckhoven löst 10g Gelatine in 100cc Wasser auf, gieſst
den zehnten Theil davon in eine Flasche ab und löst hierin 7g Bromammonium nebst 50cc Wasser auf. In diese auf 40° erwärmte Lösung
wird tropfenweise eine Lösung von 11g Silbernitrat
in 60cc kaltem Wasser zugesetzt. Hierauf wird die
Flasche durch „einige Minuten“ in kochendes Wasser gestellt und dann der Rest
der Gelatinelösung eingetragen; durch das Zurückhalten eines Theiles der Gelatine
soll die Hauptmasse derselben einer schädlichen Veränderung durch das Kochen (z.B.
Verlust des Erstarrungsvermögens) entzogen werden. Nach meiner Erfahrung ist die
Digestion bei 100° am besten durch 15 bis 30 Minuten vorzunehmen, damit man nicht
Gefahr laufe, das Bromsilber zu zersetzen (Verschleierung).
Monckhoven gebührt auch das Verdienst, zuerst im August
1879 darauf hingewiesen zu haben, daſs die Steigerung der Empfindlichkeit der
Bromsilber-Emulsion bei andauernder Digestion mit einer molecularen Aenderung des
Bromsilbers verknüpft istBulletin de la Société française de
Photographie, 1879 Bd. 25 S. 204. Photographische Correspondenz, Bd. 16. S. 149., und
daſs man es hier mit den verschiedenen Modifikationen des Bromsilbers zu thun habe,
welche Stas schon i. J. 1874 genau beschrieben
hatteAnnales de Chimie et Physique. 1874 Bd. 3 S. 94.
Photographische Mittheilungen, Bd. 16 S.
165., ohne einen Zusammenhang seiner Untersuchungen mit der
Photographie zu ahnen.
Damals machte Monckhoven auch die belangreiche
Entdeckung, daſs die Umwandlung des Bromsilbers in die empfindlichere Modification
nicht nur durch andauerndes Erwärmen, sondern auch in kürzerer Zeit durch Zusatz von
etwas Ammoniak zur Gelatine-Emulsion erzielt werden
könne. Diese Methode fand neben vielen Freunden auch viele Gegner, weil nicht selten
sowohl die Gelatine stark angegriffen (Verlust des Erstarrungsvermögens), als auch
das Bromsilber zersetzt (Verschleierung beim Entwickeln) wurde. Monckhoven selbst gab die Ammoniak-Methode später auf
und nahm die oben beschriebene (Erhitzen ohne Ammoniak auf 100°) an.
Dennoch ist es nach den Untersuchungen von Tóth und mir
leicht, in kurzer Zeit mittels Ammoniak empfindliche Emulsionen mit Sicherheit
herzustellen, wenn man die von uns genau ermittelten Vorsichtsmaſsregeln (s. a. a.
O.) einhält. Dieselben bestehen im Wesentlichen darin, daſs man eine (z.B. nach Bennett's Vorschrift hergestellte) Gelatine-Emulsion,
anstatt sie in der Wärme zu digeriren, mit 1½ bis 2 Vol.-Proc. wässerigem Ammoniak
(sp. G. 0,910) versetzt und dann bei einer 40° nicht übersteigenden Temperatur durch
1 bis 2 Stunden digerirt.
Viel rascher noch gelingt die Umwandlung des Bromsilbers und die Erzeugung einer sehr
empfindlichen Emulsion, wenn man zu der Bromid haltigen Gelatine eine ammoniakalische Silbernitratlösung hinzufügt. Die
ersten Versuche in dieser Richtung habe ich bei Hrn. Hauptmann Pizzighelli im April 1880 gesehen. Durch meine eigenen
Versuche ergänzt, gab ich im Juli 1880 eine Methode der Darstellung von
Bromsilber-Gelatine mittels Silberoxyd-Ammoniak anWeitere Einzelnheiten über die bei diesen Methoden einzuhaltenden
Vorsichtsmaſsregeln siehe Theorie und Praxis der
Photographie mit Bromsilber-Emulsion, S. 62., welche in
folgendem besteht: 24g reines BromkaliumIch habe mich für das Bromkalium entschieden (Photographische Correspondenz, 1880 Bd. 27 S. 82), weil es weder
Feuchtigkeit anzieht, noch mit der Zeit gelb wird, wie das Bromammonium. Das
Bromkalium zur Herstellung von Bromsilber-Gelatine soll nicht alkalisch,
sondern neutral sein. Auf meinen Vorschlag hin wird derartiges reines
Bromkalium eigens für diese Zwecke erzeugt und in den Handel
gebracht. werden in 300cc Wasser
gelöst, 30 bis 45g Gelatine eingetragen und nach
dem Aufquellen der letzteren im Wasserbade aufgelöst. Andererseits werden 30g Silbernitrat in 300cc Wasser gelöst und mit so viel Ammoniak versetzt, bis der entstandene
Niederschlag sich wieder klar auflöst. Dann trägt man die Silberlösung allmählich in
die ungefähr 35° warme Bromid-Gelatinelösung ein und spült den Rest der Silberlösung
mit 50cc Wasser nach. Hierauf digerirt man die
Emulsion bei 35° durch 15 bis 30 Minuten und bringt sie dann nach dem Erstarren zum
Auswaschen.
Eine andere von mir zuerst angegebene Methode beruht auf der Beobachtung, daſs eine
durch ungefähr ½ Stunde gekochte Gelatine-Emulsion, welche schon an und für sich
sehr empfindlich geworden ist, an Lichtempfindlichkeit noch bedeutend gewinnt, wenn
man sie nach dem Sieden noch mit Ammoniak digerirt. Man
vermischt eine Lösung von 24g Bromkalium, 30 bis
45g Gelatine in 300cc Wasser mit einer Lösung von 30g Silbernitrat in 300cc Wasser bei einer Temperatur von 60 bis 70° und digerirt die Emulsion
nach dem Mischen bei 100° durch 20 bis 30 Minuten. Hierauf läſst man die Emulsion
auf 35° abkühlen, setzt derselben 8cc Ammoniak zu
und digerirt sie bei dieser Temperatur ½ Stunde lang. – Diese Methode liefert
Emulsion von auſserordentlicher Empfindlichkeit, von noch gröſserer, als die mit
ammoniakalischem Silbernitrat.
Um zu erkennen, ob bei einer dieser Methoden die Umwandlung des anfangs entstandenen
weniger empfindlichen Bromsilbers in die empfindlichere Modifikation vor sich
gegangen ist, genügt folgende einfache Probe. Man gieſse eine dünne Schicht der
Emulsion auf eine Glasplatte und betrachte dieselbe beim Tageslichte. Enthält die
Emulsion die empfindlichere Modifikation des Bromsilbers, so erscheint die Schicht
bei auffallendem Lichte deutlich grün und läſst blaues oder grauviolettes Licht
durchfallen. Die unempfindlichere Modifikation erscheint im auffallenden Lichte
gelblichweiſs und im durchfallenden rothgelb. Zugleich wird beim andauernden
Digeriren das Korn der Bromsilberpartikelchen etwas vergröſsert.Vergl. meine mikroskopischen Messungen, Photographische Correspondenz, 1880 Bd. 17. S. 30.
Sobald die Emulsion genügend gereift ist, wird sie abgekühlt und nach dem Erstarren
mittels eines Glasstabes oder durch Pressen durch ein groſsmaschiges Gewebe (wodurch
Gelatinenudeln entstehen) zerkleinert und mindestens durch 12 Stunden in kaltem
Wasser gewaschen. Dann läſst man die gewaschene Emulsion gut abtropfen, schmilzt sie
durch Eintauchen in warmes Wasser und setzt ihr 5 bis 10 Procent einer alkoholischen
Lösung von etwas Salicylsäure, Thymol oder Carbolsäure zu. Durch den Alkohol wird
das Erstarren und Trocknen der Schicht beschleunigt und das Antisepticum conservirt
die wässerige Gallerte. Da dieselbe aber in der warmen Jahreszeit dennoch einer
allmählichen Zersetzung unterworfen ist, pflegt man die Emulsion in Form von
Blättern zu gieſsen und zu trocknenZuerst von Kennelt vorgeschlagen im British Journal of Photography, 1874 Bd. 21 S.
291., in welcher Form die Gelatine-Emulsion unbegrenzt lange
haltbar ist.
Die gut geputzten Glasplatten werden mit der im Wasserbade verflüssigten Emulsion
überzogen, in horizontaler Lage zum Erstarren gebracht (die Zimmertemperatur soll
nicht über 20° betragenNach Recht erstarrt eine 4procentige Lösung von
feinster Gelatine bei 15 bis 23°, im Mittel bei 20°. Der Schmelzpunkt liegt
um 8 bis 9° höher (vgl. Theorie und Praxis der
Photographie mit Bromsilber-Emulsionen, S. 32). und an
der freien Luft oder in einem Trockenschranke bei mäſsiger Wärme getrocknet. Die
Exposition beträgt je nach der Natur des Objectes und der Qualität der Platten ⅓ bis
1/10 der für
nasse Collodionplatten erforderlichen Zeit. Je trüber der Himmel, je schlechter das
Licht ist, um so mehr tritt die höhere Empfindlichkeit der trockenen Gelatine im
Vergleich mit den nassen Collodionplatten hervor. Bromsilber-Gelatine zeigt eine
bedeutend gröſsere Empfindlichkeit für die grünen, gelben und rothen Strahlen des
Spectrums als gewöhnliches Jodbrom-Collodion.Die Empfindlichkeit reicht bei lange digerirter Gelatine-Emulsion vom
Ultraviolett bis ins Ultraroth (vgl. Monckhoven,
Bulletin de l'Association Belge de Photographie, 1879 Bd. 6 S.
18).
Die Entwicklung der Gelatineplatten geschieht mit dem Eisenoxalat- oder
Pyrogallus-Entwickler. Der erstere erfreut sich gegenwärtig einer groſsen
Beliebtheit; der alkalische Pyrogallus-Entwickler wird namentlich mit einem geringen
Glycerinzusatze häufig angewendet (vgl. 1880 235 376. 238 57).
Die Fixirung erfolgt in einer Lösung von unterschwefligsaurem Natron (1 : 5);
Cyankalium würde die Gelatineschicht zu sehr angreifen. Erst nach dem Fixiren ist es
möglich zu erkennen, ob das Negativ noch einer Verstärkung bedarf. Die bekannte
Verstärkung mittels Silbernitrat und angesäuerter Pyrogalluslösung ist bei
Gelatineplatten nicht mit Sicherheit anwendbar, so vortrefflich sie für
Collodionplatten ist; die veränderliche Natur der Gelatine gibt allzu leicht die
Veranlassung zu rothen Schleiern, welche das ganze Negativ bedecken. Man wendet mit
Vorliebe die Quecksilber-Verstärkung an. Englands
MethodePhotographic News, 1880 Bd. 24 S. 173 und
237. besteht darin, daſs das fixirte und gewaschene Negativ mit
einer Lösung von 1 Th. Quecksilberchlorid und 1 Th. Chlorammonium in 20 Th. Wasser
übergössen wird, wodurch das Negativ hellgrau wird, worauf es gewaschen und durch
Uebergieſsen mit verdünntem Ammoniak geschwärzt wird. – Die Edwards'sche VerstärkungPhotographic News. 1879 Bd. 23 S. 514. Photographische Mittheilungen, 1880 Bd. 16 S.
240. erfordert nur die Anwendung einer einzigen Flüssigkeit und
bringt den Vortheil mit sich, daſs die fixirten Negative nicht so sorgfältig vom
unterschwefligsauren Natron befreit zu werden brauchen als bei der vorigen Methode.
Man mischt eine Lösung von 4 Th. Quecksilberchlorid in 200 Th. Wasser mit einer
Lösung von 12 Th. Jodkalium in 60 Th. Wasser und fügt zu dieser Flüssigkeit eine
Lösung von 8 Th. unterschwefligsaures Natron in 60 Th. Wasser hinzu. Das damit
übergossene Negativ kräftigt sich rasch und nimmt eine braunschwarze Farbe an. Die
fertigen Negative werden gefirniſst (ähnlich wie Collodionnegative), weniger um sie
gegen mechanische Verletzungen zu schützen, als um zu verhindern, daſs beim Copiren
das Silbernitrat des Albuminpapieres in die Gelatineschicht gesaugt wird und diese
bräunt.
Wegen der groſsen Empfindlichkeit der Bromsilber-Gelatineplatten muſs bei allen
Operationen aktinisches Licht sorgfältig fern gehalten werden. Die beim nassen
Collodion-Verfahren eingebürgerten gelben Scheiben genügen in diesem Falle nicht;
man wendet allgemein dunkelrothe Gläser (Kupferoxydulglas) an.
Um die Unannehmlichkeit, bei schwachem rothen Licht arbeiten zu müssen, zu
beseitigen, schlug Abney vor, die Empfindlichkeit der
Gelatine für das rothe Ende des Spectrums durch künstliche Zusätze zu vermindern; er
erreicht dies durch einen Zusatz von ⅙ bis 1/24 Jodsilber zur Bromsilber-Emulsion.Photographic News, 1880 Bd. 24 S. 196. Photographische Correspondenz, 1880 Bd. 17 S.
85. Er empfiehlt 15 Th. Jodkalium, 120 Th. Bromammonium, 190 Th. Gelatine,
216 Th. Silbernitrat und 960 Th. Wasser. In der That ist die Jodbromsilber-Gelatine-Emulsion für gelbes und rothes
Licht sehr wenig empfindlich und zwar um so weniger, je mehr Jodsilber sie enthält,
und man kann in Folge dessen bei hellerem orangefarbigem Lichte operiren. Leider
aber wird durch den Zusatz von Jodsilber auch die Empfindlichkeit gegen weiſses
Licht herabgedrückt, was sich in der praktischen Photographie unangenehm bemerklich
macht.
Die von einigen Seiten vorgeschlagenen Jodbromchlorsilber-EmulsionenBarker, Photographic News, 1880 Bd. 24 S.
285 u.a. muſs ich als unpraktische Gemische
bezeichnen.
Die Anwendung des Bromsilber-Gelatine-Verfahrens
erstreckt sich auf alle Zweige der Photographie. Bei Aufnahmen im Freien
(Landschaften u. dgl.) hat dasselbe alle anderen Trockenverfahren verdrängt;
Momentaufnahmen im wahrsten Sinne des Wortes sind nichts weniger als Seltenheiten
mehr. Die Hauptschwierigkeit besteht nur darin, die richtige Expositionszeit zu
treffen, weil Bruchtheile einer Secunde schon eine Ueberexposition zur Folge haben
können.Es wäre von höchster Wichtigkeit, einen Momentverschluſs für die
photographischen Objective zu construiren, der die Abmessung der
Expositionszeit nach Bruchtheilen einer Secunde vorzunehmen gestattet; die
Lösung dieser Aufgabe wurde mehrfach versucht, ohne daſs bis heute ein
zufriedenstellendes Resultat erzielt worden wäre. Im Atelier zu
Porträt-Aufnahmen aber werden Gelatineplatten nur ausnahmsweise verwendet; daselbst
herrscht im Allgemeinen noch das altgewohnte und allbekannte nasse
Collodionverfahren, hauptsächlich deshalb, weil das Entwickeln, Verstärken und
Fixiren der Gelatineplatten bedeutend mehr Zeit in Anspruch nimmt als bei
Collodionplatten.
Gelatine-Emulsion auf Papier wird nicht nur im negativen
Proceſs an Stelle der schweren transportablen Glasplatten zu Landschaftsaufnahmen
benutzt, sondern auch im positiven Copirproceſs. Exponirt tfian ein derartiges
Papier unter einem Negativ 30 bis 60 Secunden dem Lichte einer Gasflamme und
entwickelt das Bild dann mit Eisenoxalat, so erhält man schöne ausgearbeitete Copien
von blauschwarzer Farbe. Morgan und Comp. in Greenwich
behaupten, auf diese Weise bei Gaslicht in 5 Minuten 50 Abdrücke auf Papier machen
zu können.Photographic News, 1880 Bd. 24 S.
318.
Durch die Vermehrung der Leuchtkraft des Gaslichtes wurde es möglich, mittels der
Gelatineplatten sogar Porträte bei Gaslicht zu eräugen.
Laws in Newcastle hat in seinem Atelier eine
Wigham'sche Lampe
(angeblich mit einer Leuchtkraft von 1250 Kerzen) aufgestellt, deren Helligkeit er
durch einen Reflector vermehrt. Ein blauer Glasschirm schützt die Person vor der
Hitze und dem allzu grellen Lichte; die Belichtung dauert nur 7 bis 12
Secunden.Photographie News, 1880 Bd. 24 S.
338.
Schlieſslich führe ich noch einige Mittel an, um aus einer alten verdorbenen
Gelatine-Emulsion das Silber wieder zu gewinnen. Man
kocht dieselbe mit ⅓ bis ⅙ Vol. starker Natron- oder Kalilauge und etwas
Stärkezucker durch kurze Zeit. Die Gelatine wird dünnflüssig und setzt das
gröſstentheils zu Metall reducirte Bromsilber ab. Diese Methode gab ich im Februar
1880 an.Photographische Notizen, 1880 Bd. 16 S.
41. Kurze Zeit darauf veröffentlichte AbneyThe practical working qf the gelatine emulsion
process, 1880 S. 77. eine ähnliche Vorschrift,
ohne dabei den Traubenzucker zu verwenden. Auch durch Digestion mit Salzsäure oder
Salpetersäure kann die Gelatine zerstört, das sedimentirte Bromsilber durch
Decantiren getrennt und eingeschmolzen werden.
Literatur des Bromsilber-Gelatine-Verfahrens: Monckhoven: Sur le procédé au gélatino-bromure d'argent
(Gand 1879). – Monckhoven: Du gélatino-bromure d'argent
in seinem Traité général de photographie (Gand 1880);
deutsche Ausgabe Anleitung zur Photographie mit
Bromsilber-Gelatine (Wien 1880). – Odagir: Le
procédé au gélatino-bromure (Paris 1877). – Chardon: Photographie par émulsion sensible. Bromure d'argent et gélatine
(Paris 1880). – Abney: Emulsion processes in
Photography (London 1878). – Abney: The practical
working of the gelatine emulsion process (London 1880). – Burgess: The Argentic Gelatino-Bromide Worker's Guide
(Greenwich 1880). – Eder: Theorie und Praxis der
Photographie mit Bromsilber-Emulsionen (Wien 1880).