Titel: | Darstellung von Soda aus Sulfat mittels Kalk und Schwefel; von F. Gutzkow in San Francisco. |
Autor: | F. Gutzkow |
Fundstelle: | Band 236, Jahrgang 1880, S. 149 |
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Darstellung von Soda aus Sulfat mittels Kalk und
Schwefel; von F. Gutzkow in San Francisco.
Gutzkow's Darstellung von Soda aus Sulfat.
Zu den Eigenthümlichkeiten der californischen Industrie gehört die seit vielen Jahren
unverhältniſsmäſsig stark betriebene Fabrikation von Salpetersäure, welche in
groſser Menge zur Affinage an der hiesigen Münze und zur Erzeugung von Nitroglycerin
verwendet wird. Das dabei abfallende schwefelsaure Natron benutzte man bisher zur
Auffüllung von Baugründen. Beiläufig bemerkt, sind dazu hier schon viel werthvollere
und noch ungeeignetere Dinge verwendet worden, wie mancher europäische Importeur,
der in den „Goldjahren“ mithalf, einer Bevölkerung von hunderttausend
Menschen den Bedarf einer Nation zuzuführen, mit einem Seufzer bestätigen wird. Vor
einigen Jahren sendete eine englische Firma, welche von der Werthlosigkeit des
Natriumsulfats gehört hatte, einen sachkundigen Mann aus, um zu untersuchen, ob die
Anlage einer Sodafabrik sich lohnen würde. Nach einigen Erkundigungen über die
hiesigen Preise von Kohle, Kalkstein u.s.w. kehrte derselbe aber voll Schauder nach
England zurück. Die Errichtung einer Papierfabrik, welche künstliches Calciumsulfat
als „Füllstoffe“ verwenden wollte, auch einer Lauge von kaustischer Soda
bedurfte, gab mir Veranlassung, eine Verwerthung jenes schwefelsauren Natrons durch
Darstellung von Soda zu versuchen.
Nach diesem Verfahren (Nordamerikanisches Patent Nr. 198 293 vom 18. December 1877)
wird eine Lösung von Natronsulfat mit Calciumsulfit versetzt, dann schweflige Säure
eingeleitet. Es bildet sich lösliches Calciumbisulfit, das sich in Calciumsulfat und
Natriumbisulfit umsetzt. Beide werden durch Filtration getrennt und der Gyps mit
heiſsem Wasser ausgewaschen. Nach dem Patente sollte die Natriumbisulfitlösung durch
Kochen wenigstens theilweise zu einer Natriumsulfitlösung umgewandelt und die
entwickelte schweflige Säure im Proceſs verwerthet werden. Doch kam ich davon wegen
der lästigen
Inkrustationen von Calciumsulfit und der Langwierigkeit der Operation bald ab und
versetzte die Natriumbisulfitlösung direct mit Kalkmilch. Es bildet sich eine Lösung
von kaustischer Soda, die noch gewisse Mengen von Natriumsulfit und Natriumsulfat
enthält und auf gewöhnliche Weise eingedampft wird, und Calciumsulfit; letzteres
kehrt, nachdem die anhängende kaustische Lauge abgesaugt ist, wieder in den Proceſs
zurück.
Es waren die beiden Fragen zu lösen: Bis zu welchem Grade kann man: 1) das
Natriumsulfat durch Kalk und schweflige Säure in Natriumsulfit umsetzen und 2) das
Natriumsulfit durch Kalk kausticiren?
Zur Beantwortung der ersten Frage kann man entweder eine klare Lösung von
Calciumbisulfit bilden und diese mit Natrium sulfat versetzen, oder den Kalk sofort
in die Lösung des Natriumsulfates einführen und dann schweflige Säure einleiten.
In einer Flasche wurden 5g Kalk
in 50cc heiſsem Wasser gelöscht, 100cc Wasser noch zugefügt und nach dem Erkalten
schweflige Säure bis zur völligen Lösung eingeleitet. Hierauf wurden 20g Glaubersalz in die Flasche gebracht, letztere
verkorkt und bis zur Lösung des Salzes geschüttelt. Es fand sich in 10cc des Filtrates:
Calciumsulfat
0,039g
Calciumbisulfit
0,232
Natriumbisulfit
0,671
Natriumsulfat
0,000
Schweflige Säure
0,087
–––––
1,029g.
Da das in 0g,671
Natriumbisulfit enthaltene Natron mit 0g,282
Schwefelsäure verbunden gewesen und davon noch 0g,023 (in 0g,039 Calciumsulfat) in Lösung
geblieben war, so hatten sich 100 – 8,15 = 91,85 Proc. der Schwefelsäure im Gyps
abgeschieden; denn 0,282 : 0,023 = 100 : 8,15.
Auf ähnliche Weise wurden ferner 5g Kalk in 50g heiſsem Wasser gelöscht
und mit 60cc Lösung, enthaltend 20g Glaubersalz, versetzt und nach Erkalten
schweflige Säure eingeleitet. Es fand sich in 10cc
des Filtrates:
Calciumsulfat
0,039g
Calciumbisulfit
0,345
Natriumbisulfit
1,095
Natriumsulfat
0,000
Schweflige Säure
0,108
–––––
1,587g.
Hier war die Menge der Schwefelsäure, welche 1,095
Natriumbisulfit entspricht, 0g,745, der Rückhalt
in den 0,039 Calciumsulfat 0g,023, das Ausbringen
also 96,92 Proc., denn 0,745 : 0,023 = 100 : 3,08.
Man sieht hieraus, daſs die Löslichkeit des Calciumsulfates der Umsetzung die Grenze
zieht, und daſs das Ausbringen um so vollständiger ist, je concentrirter die Lösung,
also je weniger Calciumsulfat gelöst bleiben kann. Die Löslichkeit des letzteren in
Lösungen, wie die hier in Frage kommenden, fand ich ziemlich constant = 4g im Liter, also beträchtlicher als in reinem
Wasser. Bei längerem Stehen schied sich dann noch mehr Gyps aus. Wegen dieses
Grundes, und weil sich
eine einigermaſsen gesättigte Lösung von Calciumbisulfit nur schwierig durch die
Verbrennungsgase des Schwefels darstellen läſst, wurde ausschlieſslich die zweite
Methode angewendet, d.h. Calciumsulfit mit Natriumsulfat gemischt und dann erst
schweflige Säure eingeleitet.
In dem später zu beschreibenden Apparate, der mit 800l Flüssigkeit arbeitete, und wo keine so völlige Sättigung mit schwefliger
Säure gegeben wurde wie in den vorigen Versuchen, erhielt man beispielsweise
folgende Resultate. In 10cc waren enthalten:
Calciumsulfat
0,039
0,039
0,039g
Calciumbisulfit
0,177
0,144
0,118
Natriumbisulfit
0,600
1,406
1,348
Natriumsulfat
0,000
0,014
0,069
Schweflige Säure
0,009
0,000
0,028
–––––––––––––––––––––
0,825
1,603
1,602g
Ausbringen
90,90
94,76
89,79 Proc.
Bei längerem Stehen hätten zweifelsohne in den beiden letzten
Versuchen das überschüssige Calciumbisulfit auf das rückständige Natriumsulfat
reagirt; die Resultate hätten dann 96,37 bezieh. 96,44 Proc. Ausbringen ergeben. Die
Umwandlung des Natriumsulfates in Natriumsulfit kann also als völlig befriedigend
gelten. Man könnte sie absolut nennen, wenn nicht bei der nachfolgenden Kausticirung
der gelöste Gyps eine Rückbildung von Natriumsulfat veranlaſste.
Die zweite Frage betrifft den Grad der Kausticität, den man durch Behandlung solcher
Lösungen von Natriumbisulfit mit Kalkmilch erlangen kann. Wie beim Kausticiren von
Natriumcarbonat ist auch hier die gröſsere oder geringere Verdünnung der Lösung
entscheidend. Aus einer gröſsen Anzahl von Untersuchungen gebe ich hier nur einige
Resultate:
Aus einer Lösung von Natriumsulfit wurden im Laboratorium
kausticirt bei einem Gehalte im Liter von:
100
80
72
54
40
25g Natron
–––––––––––––––––––––––––––––––––––––
40
52
54
56
67
77 Procent,
ferner bei einem
Versuche im Groſsen mit etwa 100l Flüssigkeit:
30
21
16
14g
Nation
––––––––––––––––––––––––––––
75
80
84
87
Procent.
Für diese Bestimmungen wurde im Laboratorium beispielsweise folgendermaſsen
verfahren:
Es wurde 1g,25 Kalk in 6cc heiſsem Wasser gelöscht, 28cc kaltes Wasser zugefügt, dann 20cc einer Lösung mit 0,165 Natron als 0,378
Natriumsulfat mit 0,213 Schwefelsäure und 1,385 Natron als 2,815 Natriumsulfit,
entspricht 1,787 Schwefelsäure. Nach einigen Stunden filtrirt, fand sich, nach
Oxydation mittels Chlor im Filtrat 0,618 Schwefelsäure, im Filterrückstand 1,354
Schwefelsäure: 0,618 – 0,213 = 0,405, also 1,354 : 0,405 = 77 : 23.
Es waren also 77 Procent des Natriumsulfits kausticirt. Dabei war
im Liter der Mischung etwa 25g Natron als Sulfit
vorhanden.
Man kann nur annähernde Resultate erwarten. Abgesehen davon, daſs sich jedes
Stückchen Kalk verschieden löscht, d.h. mehr oder weniger Wasser verdampft, so würde
in obigem Beispiele das Ausbringen etwas höher gewesen sein, wenn man anfangs nur 10cc der Sulfitlösung zugefügt hätte und erst später
den Rest.
Aus obigen Tabellen ergibt sich, daſs das Natriumsulfit eine stärkere Verdünnung
erfordert als das Carbonat. Uebrigens ist auch bei diesem, im Groſsen wenigstens,
das Ausbringen an kaustischer Soda durchaus nicht vollständig. G. E. Davis gibt in Chemical
News, 1875 Bd. 32 S. 188 die Analyse einer bei nur 130 Twaddle kausticirten
Lauge, in welcher sich im Liter neben 50g,40
Natriumhydrat 7g,84 Carbonat vorfand, also nur 90
Proc. kausticirt war. Beim Carbonat wie beim Sulfit ist die Ursache der
unvollkommenen Kausticirung natürlich nur darin zu suchen, daſs beide von
kaustischer Soda, je nach deren Concentration wieder zersetzt werden. Frisch
gebildetem Calciumsulfit kann eine concentrirte Lösung von kaustischer Soda die
schweflige Säure beinahe vollständig entziehen.
Vor dem Kausticiren von Natriumcarbonat hat das von Sulfit den groſsen Vorzug, daſs
keine Erhitzung nöthig ist, um die Calciumverbindung zum Absetzen zu bringen. Das
Calciumsulfit setzt sich auch kalt gefällt sehr bald als schweres krystallinisches
Pulver zu Boden. Durch Kochen erhielt ich nur dann ein höheres Ausbringen, wenn
damit eine Verdünnung durch eingeblasenen Dampf oder „ergänztes“ Wasser
verbunden war.
Der schon erwähnte gröſsere Apparat hatte die folgende Einrichtung: In einem mit Blei
gefütterten Gefäſs stellte man sich aus dem Sulfat, wie es aus den Retorten kam, in
denen aus Chilisalpeter und Schwefelsäure Salpetersäure entwickelt wurde, eine kalt
gesättigte Lösung dar (von 18 bis 20° B.). Dieses Sulfat enthielt, mit Ausnahme von
gelegentlich vorkommendem unzersetztem Salpeter, nur Spuren fremder Salze, da die
Hauptverunreinigung des Rohsalpeters, Kochsalz, in der Retorte gröſstentheils
zerstört war, dagegen eine sehr beträchtliche Menge freier Schwefelsäure, im
Durchschnitt etwa 15 Proc. SO3, auſserdem etwa 0,5
Proc. Eisenoxyd. Von dieser Lösung lieſs man ein gewisses Volumen in sehr kleinem
Strom auf den Boden eines hölzernen Fasses, des Umsetzungsgefäſses, flieſsen, in
welchem sich schwefligsaurer Kalk, in Wasser suspendirt, befindet. Bei fortwährendem
Rühren wird die entwickelte schweflige Säure fast vollständig absorbirt und für die
im Vorhergehenden erläuterte Umsetzung verwendet.Wenn man die zur Verwandlung des gesammten Natrons in Natriumbisulfat nöthige
Menge verdünnter Schwefelsäure der obigen Sulfatlösung zufügt, oder von der
möglichst heiſs bereiteten gesättigten Sulfatlösung nach Auskrystallisiren
des Glaubersalzes nur die Mutterlauge verwendet, kann man die Umsetzung in
Sulfit auch ohne Einblasen von schwefliger Säure genügend vollständig und in
kurzer Zeit bewirken. Vorausgesetzt ist dabei genügende Menge von
Calciumsulfit und äuſserst langsames Einflieſsen der Sulfatlösung am Boden
des Gefäſses.Zur Vollendung der Reaction wird dann schweflige Säure eingeleitet, die
in einem kleinen Schwefelofen durch Verbrennung von Rohschwefel (von Japan kommend)
erzeugt wurde. Hierzu bediente ich mich eines Dampfstromes von 4at Ueberdruck, der aus einer Düsenöffnung von 6mm,5 in eine 20mm entfernte Röhre von 13mm Durchmesser
strömte und dabei seitlich den Luftstrom mitriſs.
Der kleine billige Apparat war aus messingnen Röhren zusammengeschraubt, widerstand
völlig genügend der Einwirkung der schwefligen Säure und erzielte bei geschlossener
Verbindung mit dem Schwefelofen ein Vacuum von 450mm Quecksilber. Der Zug war ausreichend, um unter einem hydraulischen
Widerstände von 1m Wasserhöhe stündlich 4k,5 Schwefel lebhaft zu verbrennen. Das
schwefligsaure Gas trat vom Ofen durch eine eiserne Röhrenleitung von 50mm in eine Bleiröhre, welche durch den Deckel
eines geräumigen Fasses unter einen vielfach durchlöcherten „falschen“ Boden
reichte. Dieses Waschgefäſs hielt 120mm Wasser,
das sich bei eingetretener Erhitzung leicht erneuern lieſs, und erfüllte völlig
seinen Zweck, die Dämpfe zu kühlen und mitgerissenen Schwefel zurückzuhalten. Aus
ihm trat das gekühlte schwefligsaure Gas in das erwähnte Umsetzungsgefäſs durch
einen Gummischlauch, der in eine dünnwandige Bleiröhre von 65mm mündete. Letztere war durch ein Loch im Deckel
eingehängt, durch Flansche und Gummiring getragen und gedichtet, am untern Ende mit
zahlreichen Oeffnungen von 5mm versehen und
reichte bis beinahe zum Boden des Fasses. Eine zweite ganz gleiche Bleiröhre mit
eigenem Gummischlauch konnte durch ein zweites Loch im Deckel eingehängt werden,
wenn die erste wegen Verstopfung der Oeffnungen ausgewechselt werden muſste. Dies
lieſs sich mit dieser Einrichtung in wenigen Secunden bewerkstelligen.Im Groſsen lieſsen sich solche Verstopfungen durch kurzes Einblasen von
gepreſster Luft beseitigen.Das Umsetzungsgefäſs war ein
dickwandiger Bottich von 1200mm Durchmesser, der
750mm hoch gefüllt wurde. Der obere Rand war
so ausgeschnitten, daſs ein starker Deckel eingelegt werden konnte. Durch seine
Mitte ging in messingner Führung eine hölzerne verticale Welle mit horizontalem
Rührer. In Ermanglung von bequemer Maschinenkraft verlängerte ich diese Welle durch
das Dach (bei der terassenförmigen Anlage des Apparates kam das Umsetzungsgefäſs
ziemlich hoch zu stehen), versah sie mit einer Art horizontalem Windrad und lieſs
dieses durch den gegen die Schaufeln blasenden gemischten Dampf- und Luftstrom der
Saugpumpe umdrehen. Der Deckel lieſs sich bei dem im Innern des Bottichs
herrschenden Vacuum durch Glaserkitt (die Oeffnungen in demselben durch
Gummiplatten) mit Leichtigkeit dicht halten und brauchte während der ganzen Campagne
niemals abgenommen zu werden.
Ich verweilte bei diesen Einzelheiten etwas länger, weil die Einführung des
schwefligsauren Gases und namentlich die Verstopfung der natürlich möglichst kleinen
Ausströmöffnungen, welche alle paar Stunden eintrat, die einzige, aber eine
Hauptschwierigkeit des Processes ausmachte. Mit den beschriebenen Einrichtungen
konnte ich die Ueberwachung des Apparates, wie überhaupt sämmtliche Operationen,
einem gewöhnlichen Arbeiter anvertrauen. Derselbe regulirte den Gang im
Umsetzungsbottich durch ein darin angebrachtes Quecksilbermanometer sowie durch ein
Wassermanometer im Waschgefäſs. Ein Steigen des Quecksilbers deutete auf Verstopfung
in der durchlöcherten Bleiröhre und nöthige Auswechslung derselben, ein Steigen des
Wassermanometers auf eine übrigens nur selten vorkommende und leicht beseitigte
Verstopfung in der vom Schwefelofen kommenden eisernen Röhrenleitung. Die beendigte
Umsetzung bestimmte ich anfangs durch Titriren mit einer Normal-Chlorbariumlösung;
später genügte die ungefähre Menge des Niederschlages von Calciumsulfit beim Kochen
einer durch Absetzen geklärten Probe und noch später der mehr oder weniger intensive
Geruch nach schwefliger Säure. Das Natriumsulfit absorbirt schweflige Säure so
lebhaft, daſs es schon der Umwandlung in Natriumbisulfit nahe ist, ehe es einen
Geruch nach schwefliger Säure ausstöſst, den eine in Gerüchen nicht verwöhnte
chemische Nase „kräftig“ nennen würde. Hier rührte der intensive Geruch von
Calciumbisulfit her, das erst dann in Lösung beharren konnte, wenn der
Natriumsulfatgehalt sehr stark reducirt war.
Aus dem Umsetzungsbottich lieſs man den Inhalt auf ein Filter laufen, einen offenen,
hölzernen Bottich von 1m,5 Durchmesser und 600mm Höhe, in dessen mittlerer Höhe ein sehr kräftig
unterstützter, durchlöcherter, „falscher“ Boden, mit Baumwolltuch bedeckt,
das man rings am Rande mit dem Meisel wohl eingestoſsen hatte, die Filtrirfläche
bildete. Die untere Hälfte des Filtrirgefäſses diente zur Ansammlung des Filtrates,
ein Hahn im Boden zum Abflieſsen und ein zweiter, dicht unter dem Filtrirboden, zur
Verbindung mit der Vacuumpumpe. Das Vacuum wurde dadurch hervorgebracht, daſs man
den Dampf, der zur Erhitzung des Aussüſswassers diente, nicht direct in ein
durchlöchertes Bleirohr strömen, sondern ihn erst als Dampfstrahl wirken lieſs,
welcher, ganz wie oben beschrieben, seitlich Luft mit ansaugte. Ein Bleirohr
vermittelte die Verbindung der Saugröhre mit dem Filtrirraum. Es lieſs sich in
diesem kleinen Apparate, den ich schon seit 12 Jahren vielfach für Filtrationen
anwende, ohne allen Kostenaufwand ein Vacuum von etwa 350mm herstellen, bei dem die Filtration und
Aussüſsung des Gypses schnell von statten ging. Eine Schwierigkeit zeigte sich nur
bei Anwendung einer gewissen Sorte Aetzkalk, von welchem sich im Laufe des Processes
gelatinöse Kieselsäure ausschied. Nach beendigtem Aussüſsen, das natürlich nie ganz
vollständig ausgeführt werden konnte, wurde der ziemlich trocken gewordene und eben
noch in der Hand ballende Gyps in Fässer gestampft und ohne weiteres an die Papierfabrik abgegeben.
Die Filtration unter Vacuum hat den groſsen Vorzug, daſs sich die filtrirte Substanz
immer glatt vom Filter abnehmen läſst. Das Filtertuch bleibt dann immer reinlich und
brauchbar für eine neue Operation zurück.
Das Filtrat mit den stärksten Aussüſswassern (die schwächeren wurden übergebraucht)
gelangte dann in eine eiserne Pfanne. Hier wurde sie mit stets frisch durch
Eintragen in das 6 fache Gewicht kochenden Wassers aus abgewogenem Kalk bereiteter
Kalkmilch versetzt. Diese Kausticirung war eine sehr einfache und sichere Operation,
die weder viel Ueberschuſs an Kalk, noch Erhitzung, noch längere Zeit zum Absitzen
erforderte. Nach dem Gewicht des verwendeten Kalkes, der sich im vorliegenden Falle
wieder nach dem Fassungsraum der verfügbaren eisernen Pfanne und der zum Kausticiren
gewählten Verdünnung von 30g Natron im Liter (= 75
Proc. Kausticität) richtete, waren sämmtliche Dimensionen berechnet und bestimmte
sich das Volumen der zu jeder Operation zu verwendenden Sulfatlösung.
Nach dem Abziehen der wasserhellen kaustischen Lösung in die eiserne Abdampfpfanne
wurde der rückständige Brei von Calciumsulfit, gemischt mit überschüssigem
Calciumhydrat, auf einen dem beschriebenen ganz ähnlichen, aber von Eisen
construirten Filtrirapparat geworfen, die kaustische Lauge mittels Vacuum abgesaugt
und der Filtrirrückstand ohne weiteres Aussüſsen in den Umsetzungsbottich
zurückgebracht.
Eine nicht zu vernachlässigende Rolle spielte die geringe Menge Eisenoxyd im Sulfat.
Dieses löste sich als Sulfit mit intensiv rothbrauner Farbe auf, welche aber schon
an der Luft und sofort beim Aussüſsen des Gypses mit heiſsem Wasser verschwand. Beim
Kausticiren mischte sich die wieder gefällte Eisenverbindung mit dem Calciumsulfit
und kehrte in den Proceſs zurück. Es muſste deshalb von Zeit zu Zeit entfernt
werden. Dies geschah dadurch, daſs man das Calciumsulfit vor dem Einbringen der
Sulfatlösung alle Woche einmal mit verdünnter Schwefelsäure versetzte, einige Male
mit reichlichem Wasser decantirte und dieses Waschwasser fortlaufen lieſs.
Beim Eindampfen blieb die kaustische Lauge klar bis zu 36° B.; dann beginnt die
Ausscheidung der Salze. Sie hielt dann im Liter 246g Natron, davon 163g,5 als Hydrat und
82g,5 als Sulfat, Sulfit, Nitrat, Chlorid.
Unterschweflige und Schwefel-Verbindungen kamen nicht vor. Eine Durchschnittsprobe
der beim weitern Eindampfen ausgefischten Salze gab nach dem Trocknen:
Unlösliches
1,53
Natriumsulfat
63,40
Natriumsulfit
12,98
Natriumhydrat
6,25
Wasser und Unbestimmtes
15,84
––––––
100,00.
Beim Eindampfen und namentlich beim Trocknen hatte sich also
das Sulfit gröſstentheils wieder oxydirt.Bei der Verarbeitung so reinen Sulfates, wie das vorliegende, dürfte trotz
der unvollkommenen Kausticirung die Menge der ausgefischten Salze die bei
der Kausticirung von Leblanc-Soda erhaltene nicht so sehr überschreiten. Die
oben erwähnte, von G. E. Davis analysirte Lauge
hält auch nur 80 Procent des Gesammtnatrons als Hydrat
gelöst.
Beim Verdampfen zur Trockne zeigte sich kein Unterschied von den gewöhnlich bei der
Darstellung des kaustischen Natrons beobachteten Erscheinungen. Nur brachte der
schlieſslich zum Vorschein kommende Salpetergehalt (das Natriumnitrat im Sulfat
passirte unzersetzt durch sämmtliche Operationen) leicht eine grünliche Miſsfärbung,
die sich durch Zubringen frischer Lauge zerstören lieſs, aber es doch räthlich
machte, die Concentration nicht zu hoch zu treiben. Uebrigens wurde die Lauge nur
versuchsweise in festes „Caustic“ verdampft und
für gewöhnlich nur zu einer Concentration von 40° B. gebracht.
Betreffs des Materialienverbrauches kann man aus den S. 150 angegebenen Analysen der
im Groſsen erhaltenen Sulfitlösungen einen Rückschluſs machen. In der vorletzten
z.B. findet sich auf 0g,465 Natron 1g,047 schweflige Säure, von welcher theoretisch
0g,877 (die Hälfte der an Kalk und 7/4 der an Natron
gebundenen) durch Kalk zu fällen sind, d. i. auf 100 Natron 165 Aetzkalk.
Ferner wurden von obigen 1g,047 schwefliger Säure
im Umsetzungsbottich 0g,523 absorbirt, also auf
100 Natron 112,5 SO2. In dem 15 Proc. SO3 haltenden Rohsulfat finden sich auf 100 Natron 40
SO3, welche in besprochener Weise 32 SO2 liefern. Aus einer andern Quelle, hier also durch
40,25 Schwefel, muſs man die fehlenden 80,5 SO2
ziehen. An Natriumsulfat findet theoretisch kein nennenswerther Verlust statt, wenn
die gefischten Salze in den Proceſs zurückkehren.
Der Kohlenaufwand zur Verdampfung der kaustischen Lauge berechnet sich, wie folgt:
Bei einem Verhältniſs von 30g Natron im Liter und
75 procentigem Kausticiren kommt auf 1l 29g Natriumhydrat oder 7l,240 auf 211g Natriumhydrat (der, wie
angegeben, in 1l der 36° B. Lauge enthaltenen
Menge). Daraus ergibt sich, daſs auf 100 Natriumhydrat etwa 2900 Wasser zu
verdampfen sind.
An Ausbeute erhält man aus 100 Natron im Sulfat, bei etwa 95 Proc. Reduction im
Umsetzungsbottich und 75 Procent von diesen 95 beim Kausticiren, 71 Natron = 92
Natriumhydrat in der 36° B. starken Lauge. An Sodarückstand aus 165 Kalk und der 100
Natron entsprechenden freien und gebundenen SO3 275
CaSO4, gemischt mit 111 CaSO3, wenn man von dem starken Ueberschuſs an
Calciumsulfit nichts zurückhalten will, und mit Berücksichtigung des chemisch
gebundenen Wassers 491 der als „Füllstoff“ abgegebenen Mischung. In der
Praxis und in runden Ziffern brauchte man auf 100 Natriumhydrat in der 36° B. Lauge: 200
Rohsulfat, 200 Aetzkalk, 400 Kohle und 100 Schwefel, welcher letztere bei Anbringung
eines zweiten Umsetzungsbottichs beträchtlich hätte verringert werden können, und
erhielt 400 trocknen Gyps.
Es kann mir nicht einfallen, so spät in diesem Jahrhundert den Leblanc-Proceſs durch
ein Verfahren ersetzen zu wollen, bei welchem man von Natriumsulfat ausgeht. Zu der
Anwendbarkeit des Kalk-Schwefel-Processes ist eine reichliche und billige Quelle von
schwefligsaurem Gas erforderlich. Nur der Umstand, daſs dieses so vielfach bei
chemischen und metallurgischen Operationen in verdünntem Zustande als lästiges und
werthloses Nebenproduct abfällt, veranlaſst mich zu der Veröffentlichung eines auf
abnormen commerciellen VerhältnissenSo kostet z.B. in San Francisco recht guter Rohschwefel kaum das doppelte von
guter englischer Steinkohle.basirten Verfahrens. Einer etwaigen
Benutzung desselben in Europa steht übrigens meinerseits kein Patent im Wege.
Kostenfreies schwefligsaures Gas vorausgesetzt, kann aber der Proceſs, abgesehen von
der Verwendbarkeit des als schön weiſses Calciumsulfat abfallenden
„Sodarückstandes“, recht gut mit der gebräuchlichen Herstellung von
kaustischem Natron aus Carbonat, das nach Leblanc
erzeugt wurde, in Vergleich gebracht werden.
Ich lege eine Selbstkostenberechnung für „Caustic“ von 60°, welche J. Morrison
in der Chemical News, 1875 Bd. 31 S. 150 gibt, zu
Grunde. Danach braucht man am Tyne für 1 Tonne = 20 Centner „Caustic“ (= 15,5 Ctr. Natronhydrat), 37 Ctr. „Salt Cake“, 22 Kalkstein, 11 Aetzkalk und 130 Ctr. Kohle, wovon 3
Tons Kohle im Sodaofen, 2 unter den „Boat pans“, 1 Ton beim Kausticiren und ½ Ton für den Dampfkessel
verbrannt werden. Bringt man von dem Kohlenverbrauch 40 Ctr. in Abrechnung für
Dampfkessel und Fertigmachen des „Caustic“, so gebraucht man für 100 Natriumhydrat beim
Kausticiren:
Nach meinemProceſs
NachLeblanc
Rohsulfat
200
239 zu
3 s
3 d
der
Ctr.
Kalk
200
71
1
0
„
„
Kalkstein
–
142
0
4
„
„
Kohle
400
581
0
4
„
„
Bei dem Kalk-Schwefel-Proceſs hat man dabei noch den groſsen
Vortheil einer viel reinem Lauge, die von den im Sodaofen sich bildenden
Verunreinigungen und namentlich von Natriumsulfid völlig frei ist. Ob, wie ich
glaube, auch beträchtlich an Arbeit gespart wird, darüber mag sich der Leser selbst
ein Urtheil bilden.
Bei dem sehr starken Verbrauch und hohen Preise von gebranntem Gyps in Californien
machte ich Versuche, welche noch nicht abgeschlossen sind, das abfallende
Calciumsulfat dafür zu verwerthen. Dies ist nicht gerade leicht. Es handelt sich
dabei nicht so sehr darum, einen brauchbaren Stuccaturgyps zu liefern, als ein Product, das alle
Eigenthümlichkeiten der Sorte hat, an welche sich die Arbeiter einmal gewöhnt haben.
Zum Brennen verwendete ich eine verticale, continuirlich arbeitende Retorte, 2m,4 hoch, 1m,2
lang und 100mm weit (sich nach unten etwas
erweiternd). Sie war aus 50mm dicken, feuerfesten
Platten construirt und ruhte auf zwei guſseisernen Trägern, war also oben und unten
offen. Unten wurde der Gyps durch einen Vorrath schon gebrannten Gypses, von dem man
periodisch abschaufelte, getragen. Oben blieb die Retorte offen und wurde mit dem
nassen Gyps beschickt, der in faustgroſsen Klumpen eingeworfen wurde und beim
Brennen diese Gestalt behielt. Um die erwähnten Platten strichen Verbrennungsgase in
geeigneter Weise. Der ApparatNord amerikanisches Patent Nr. 181 333. Der Apparat war ursprünglich, mit
einigen Modificationen, zur Destillation von Quecksilbererz unter
Luftzutritt bestimmt.gab gar keine Schwierigkeiten und hatte den
Vortheil, daſs ein Luftstrom von unten nach oben ziehend die Verdampfung
erleichterte und das Todtbrennen erschwerte. Das Garbrennen erkannte man daran, daſs
die Klumpen bei leisem Druck der Hand in das feinste Pulver zerfielen, ebenso
augenblicklich beim Einbringen in Wasser. Von der Notwendigkeit, solchen gebrannten
Gyps zu mahlen und sieben, konnte gar nicht die Rede sein.
Mit dem in der oben beschriebenen Weise fabricirten Gyps lieſs sich wenig anfangen,
da er nach dem Brennen, mit Wasser gemischt, zu schnell anzog. Ein viel besseres
Resultat erhielt ich jedoch, wenn ich anstatt des sauren Sulfates ein neutrales
anwendete, z.B. das aus der heiſsen Lösung krystallisirende Glaubersalz. Das sich im
Umsetzungsbottich bildende Calciumsulfat behielt dann den körnigen Charakter des
Sulfites, setzte sich schnell in Wasser ab und lieſs sich vortrefflich filtriren.
Bei 180° gebrannt, lieſs sich eine Probe von 10g, mit 8cc Wasser angemacht, gieſsen,
setzte sich in 10 Minuten und gab einen eben so harten Guſs als käuflicher
Modellirgyps unter denselben Umständen. Nur lieſsen sich die Gypsgieſser leicht
durch das leichte, voluminöse Ansehen des Gypses täuschen und nahmen zu groſse
Wasser mengen zur Mischung. Es ist aber bei der Darstellung solchen körnigen Gypses
zu rathen, in der Sulfatlösung vor dem Gebrauche das in ihr enthaltene Eisen durch
Kalkmilch auszufällen, weil er leicht sonst einen Stich ins Gelbliche annimmt. Auch
die Umsetzung des Sulfates in Sulfit geht mit neutralem Sulfat viel besser von
statten und die Röhrenöffnungen verstopfen sich weniger leicht, häufig gar nicht. Da
dieser körnige Gyps aber als „Füllstoff“ für Papier dem andern nachsteht, so
fabricirte ich ihn nur versuchsweise. Daſs sich das im Gyps enthaltene Sulfit beim
Brennen in Sulfat verwandelt, ist leicht erklärlich.
Von der Anlage einer Fabrik, die ich nach Beendigung meiner Experimente vorhatte,
nahm ich vorderhand Abstand, weil eine groſse Zeitungsdruckerei, welche aus der
mehrfach erwähnten Papierfabrik ihr Papier bezog, sich beschwerte, daſs dasselbe
ihre Lettern verschmiere, und sich kalkige Papierzusätze verbat. Ich habe nie
erfahren können, ob der Fehler in meinem „Füllstoff“, an der Druckerei, oder
an der Papierfabrik lag, glaube aber, daſs die letztere sich eifrig bemüht hatte,
ihr Papier ausschlieſslich aus „Füllstoff“ herzustellen.