Titel: Eine Versündigung gegen die mechanische Wärmetheorie.
Autor: G. Schmidt
Fundstelle: Band 232, Jahrgang 1879, S. 374
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Eine Versündigung gegen die mechanische Wärmetheorie. Mit Abbildungen. J. F. Klein und G. Schmidt, zur mechanischen Wärmetheorie. J. F. Klein (Journal of the Franklin Institute, 1879 Bd. 107 S. 145, stellt den Satz auf (S. 158): „Der Maximalwirkungsgrad eines umkehrbaren Processes ist gleich jenem irgend eines anderen umkehrbaren Processes zwischen gleichen Temperaturgrenzen.“ (The maximum efficiency of one kind of reversible heat engine is equal to that of any other having the same range of temperature.) Der Fehler in dem übrigens unklar geschriebenen Aufsatz liegt in der ganz ungerechtfertigten Annahme, daſs die Wärmemenge Q, welche bei geringerer als der Maximaltemperatur t1 abgegeben wurde, mit jener Wärmenge, welche bei höherer als der Minimaltemperatur t0 von den gedachten Wärmereservoirs aufgenommen wurde, selbstverständlich gleich sei, was natürlich nicht der Fall ist. Wir begnügen uns zwei Processe A und B anzuführen, bei welchen eine gleiche Wärmemenge in Arbeit umgesetzt wird, bei gleichen Temperaturgrenzen t0=0 und t1=200°, und wobei der eine Proceſs A nur einen Wirkungsgrad von 4,56 Proc. hat, während der Carnot'sche Kreisproceſs B den Wirkungsgrad η=T1T0T1=473273473=200473=42,28 Proc. aufweist.
[Fig. 1., Bd. 232, S. 375]
In Fig. 1 sei A = 1 2 3 4 der eine, B = 3 5 6 7 der andere Proceſs, beide liegend zwischen den Isothermen 3 5 und 1 7 6; die Curven 3 7 und 5 6 seien adiabatische Linien, und die Processe werden mit 1k atmosphärischer Luft vorgenommen. Den Zuständen 1 bis 7 sollen folgende der Zustandsgleichung pvT=B=29,27 und dem Werthe ϰ=Cc=1,41 entsprechende Werthe von p, v, T zukommen:
Zustand pk auf 1qm v cbm T° 1 10333 0,7733 273 2 14119 0,7733 373 3 14119 0,9806 473 4 10333 0,9806     346,18 5 12635 1,0958 473 6     1908,4 4,1871 273 7     2133,6 3,7485 273.
Werden die Warmecapacitaten C und c entsprechend der Gleichung Cc=AB=BJ mit C=0,2375 und c=0,1684 angenommen, so folgt:
c Auf dem Wege 1 2 zugefuhrte Warmemenge q1 = 100  c = 16,84 Auf dem Wege 2 3 zugefuhrt q2 = 100 C = 23,75 –––––––––– Zusammen q1 + q2 = 40,59 –––––––––– Auf dem Wege 3 4 abgeleitet q3 = 126,82 c = 21,36 4 1      „ q4 =  73,18 C = 17,38 –––––––––– Zusammen q3 + q4 = 38,74 Also in Arbeit umgesetzt q1 + q2q3q4 =   1,85.
Sämmtliche zugeführte Wärmemenge q1+q2 ist hier bei geringerer Temperatur als T1=473(t1=200) zugeführt, und sämmtliche abgeleitete Wärmemenge q3+q4 ist bei höherer Temperatur als T0=273(t0=0) abgeleitet worden; jene Groſsen, welche Klein mit Q1 und Q0 bezeichnet, d.h. die mit 200° zugeführte und die mit 0° abgeführte Wärmemenge, sind hier beide = 0, also die Groſse Q1Q0 keineswegs äquivalent mit der Arbeit: W=(p2p1)(v4v1)=784mk,8=1,85J, d.h. es ist zwar W=J(q1+q2q3q4), nicht aber W=J(Q1Q0), wie Klein a. a. O. S. 152 schreibt und als selbstverständlich ansieht. Der Wirkungsgrad bei dem Proceſs 1 2 3 4 ist: η=1,8540,59=0,0456. Dagegen ist bei dem Carnot'schen Proceſs 3 5 6 7 die auf dem Wege 3 5 zugeführte Wärmemenge:
Q1=ABT1 log nat v5v3= 0,0691×473×0,13406=4,38 und die auf dem Wege 6 7 abgeleitete Wärmemenge: Q0=ABT0 log nat v6v7= 0,0691×273×0,13406=2,53 ––––– Q1Q0=1,85.
Die producirte Arbeit w=J(Q1Q0) ist also = W, aber der Wirkungsgrad η hat hierbei das Maximum, welches bei den Temperaturgrenzen T1, T0 möglich ist: η=T1T0T1=200473=0,4228. Der Satz, daſs jeder andere umkehrbare Proceſs zwischen den Temperaturgrenzen T1, T0 einen geringeren Wirkungsgrad hat als der Carnot'sche Proceſs, läſst sich am leichtesten mit Hilfe des, wie es scheint, sehr wenig bekannt gewordenen Belpaire'schen Diagrammes1) nachweisen. Als Coordinaten in diesem Diagramm werden nicht v und p, sondern die Entropie φ=dQT und die absolute Temperatur T aufgetragen. Bekanntlich ist für trockene Dämpfe und permanente Gase im Zustande p, v, T, verglichen mit dem Zustand p0, v0, T0:  φ=c log nat(pvϰp0v0ϰ), wobei für die trockenen Dämpfe AB=c(ϰ1) ist, giltig für die Zustandsgleichung pv=B(TΘ), Θ=DBvϰ1, wofür die variable Wärmecapacität: C=ϰc(TΘTϰΘ) wird, und wobei T=275+t statt 273+t zu setzen ist. Für nassen Dampf mit der specifischen Dampfmenge x ist die Entropie φ=τ+rxT, wobei τ=dqT die Entropie der Flüssigkeit von der absoluten Temperatur T bedeutet, verglichen gegen Flüssigkeit von 0°. Mit diesen Coordinaten φ und T wird der von einer geschlossenen Curve begrenzte Flächeninhalt =Tdφ wegen dφ=dQT offenbar = Q.
[Fig. 2., Bd. 232, S. 376]
Wird also ein Proceſs I = ABCD (Fig. 2) durch zwei Isothermen AB und CD und zwei andere Curven BC und DA begrenzt und sind OF=φ1, OG=φ2 die äuſsersten Werthe der Entropie, welche durch die Tangenten MF und NG bestimmt sind, so ist:
die zugeführte Wärmemenge Q1=FMABNG die abgeleitete Wärmemenge Q0=FMDCNG die in Arbeit umgesetzte Wärme Q1Q0=MABNCDM=WJ
und für einen Carnot'schen Proceſs II von gleicher Arbeitsentwicklung w=W erhält man ein Rechteck HJKL, begrenzt von denselben zwei Isothermen HJ und KL sowie von der adiabatischen Linie JK bei der Expansion, wo T1 auf T0 fällt, sowie von der adiabatischen Linie LH bei der Compression, wo T0 wieder auf T1 ansteigt. Da bei beiden Processen die Arbeiten gleich angenommen werden, so muſs der Mittelwerth der Horizontalen in der Fläche 1=MABNCDM gleich der Horizontalen HJ sein. Sobald also der Proceſs I Horizontale enthält, welche kleiner als HJ sind, so muſs er auch solche enthalten, welche gröſser als HJ sind, d.h. FG muſs > HJ sein. Hieraus folgt mit Gewiſsheit, daſs die abgeleitete Wärmemenge Q0=FMDCNG gröſser ist, als PLKQ beim Carnot'schen Proceſs H; folglich muſs auch die zugeleitete Wärmemenge Q1 bei gleichem Werth von Q1Q0=WJ gröſser sein als beim Carnot'schen Proceſs, was zu beweisen war. G. Schmidt.