Titel: | Neuerungen in der Spiritusfabrikation. |
Fundstelle: | Band 232, Jahrgang 1879, S. 243 |
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Neuerungen in der
Spiritusfabrikation.
Mit Abbildungen auf Tafel 24.
(Fortsetzung des Berichtes S. 137 dieses
Bandes.)
Ueber Neuerungen in der Spiritusfabrikation.
Maischapparat von Gebrüder Sachsenberg in Roſslau (* D.
R. P. Nr. 3699 vom 30. Mai 1878). Auf dem Boden des mit einem Kühlmantel B (Fig. 1 Taf.
24) versehenen cylindrischen Vormaischbottigs A ist
mittels dreier Füſse der ebenfalls mit Kühlmantel B1 umgebene Cylinder C
aufgeschraubt. Derselbe trägt die ringförmige Mahlscheibe a, über welcher der höher oder niedriger zu stellende Läufer b etwa 300 Umdrehungen macht. Durch die gleichzeitig
bewegte Schraube d wird das Maischgut gehoben und der
Mahlvorrichtung zugeführt. Das erforderliche Kühlwasser tritt durch die Oeffnung f ein und flieſst durch das Rohr g wieder ab.
Mais- und Kartoffel-Zerkleinerungsmaschine von W. Kränsel in
Schleppanowitz (* D. R. P. Nr. 3701 vom 1. Juni 1878). Der Patentinhaber
bringt, ähnlich wie H. Schmidt (* 1879 231 335), an die Mündung des Henze'schen Dämpfers eine
Zerkleinerungsvorrichtung an, die jedoch durch Maschinenkraft in Bewegung gesetzt
wird. Dieselbe besteht aus dem kegelförmigen Mantel a
(Fig. 2 Taf. 24), welcher gleich dem Reiber b
mit feinen Riefen versehen ist. Auſserdem befinden sich in dem an der Welle d befestigten Reiber noch sechs 25mm tiefe und 40mm breite schraubenförmige Riefen. Die aus dem Dämpfer durch die Oeffnung
e eintretenden Kartoffeln werden in diese Riefen
eingeblasen, von dem 200 bis 250 Umdrehungen machenden Reiber erfaſst und
zerkleinert. Zur Reinigung des Apparates wird der Conus f abgeschraubt. Steine u. dgl. sollen angeblich keine Störungen
veranlassen.
Zerkleinerungsapparat von C. Weichhardt in Berlin (* D.
R. P. Nr. 3488 vom 11. Mai 1878). In dem guſseisernen zweitheiligen Gehäuse a (Fig. 3 bis
5 Taf. 24) sitzt – ähnlich wie beim Carr'schen Desintegrator – eine mit
concentrischen Stiften besetzte Scheibe, deren Achse c
in einer Hülse gelagert ist und durch eine Schraube x
festgehalten wird. Eine zweite gleichfalls mit concentrischen Stiften versehene
Scheibe wird mittels der Welle b so in Umdrehung
versetzt, daſs die Stifte beider Scheiben dicht an einander vorbeistreifen. Die
gedämpften Kartoffeln oder Maiskörner treten durch das Rohr d (Fig. 5) in
den Apparat, werden von dem ersten rotirenden Stiftenkranze erfaſst, gegen die
festsitzenden Stifte geschleudert, worauf sie der zweite rotirende Stiftenkranz
erfaſst u.s.f., so daſs die Masse zerkleinert schlieſslich aus der Oeffnung e heraustritt und in den Vormaischbottig zurückflieſst.
Soll die Maische nach vollendeter Verzuckerung aus dem Vormaischbottig
herausgeschafft werden, so löst man die Schraube x, so daſs die zweite
Scheibe mit rotirt und der Apparat nun als Centrifugalpumpe wirkt. Die Oeffnung f dient zur Reinigung.
Ausblaseventil für Dampffässer von Gebrüder Avenarius in
Berlin (* D. R. P. Nr. 3827 vom 4. Juli 1878). Das mittels Schrauben C (Fig. 6 Taf.
24) direct an der Flansche des Dampffasses (vgl. * 1879 231 168. 332) befestigte Ventil soll beim Ausblasen der gedämpften
Cerealien und Kartoffeln dieselben völlig zerkleinern. Zu diesem Zweck berühren sich
der Ventilsitz A und der Kegel B, beide aus Phosphorbronze hergestellt, in einer mehrfach gebrochenen
Fläche. Dem Ventil ist ein so groſser Hub gegeben, daſs etwaige Verstopfungen leicht
beseitigt werden können.
Leistungsfähigkeit der neuen Dämpfapparate. Unter
Mitwirkung von M. Delbrück hat M. MärckerLandwirthschaftliche Jahrbucher, Supplement 1877
S. 217 bis 350. Zeitschrift für
Spiritusindustrie, 1878 S. 93. besonders werthvolle
Versuche über die Vorzüge der neuen Dämpfer dem alten Verfahren gegenüber
ausgeführt, denen wir Folgendes entnehmen.
Das Stärkemehl der frischen Kartoffel schwimmt als Zellinhalt in einer wässerigen
Flüssigkeit, wie auf Taf. 24 der 400fach vergröſserte Querschnitt Fig. 7 einen
Kartoffel zeigt. Die aus Pectin-ähnlichen Stoffen bestehende Intercellularsubstanz,
welche die einzelnen Zellen verbindet, ist im kalten Wasser unlöslich, wird beim
Kochen schwer, beim Erhitzen unter Hochdruck leicht in lösliche Stoffe übergeführt.
Fig. 8 zeigt Zellen einer Kartoffel, welche ¼ Stunde lang mit Wasser
gekocht war. Die Stärkemehlkörner haben bereits einen Theil des wässerigen
Zellinhaltes aufgesaugt und in Folge dessen ihr Volum vergröſsert. Beim längeren
Erhitzen erfüllen sie dann als gleichförmige Masse die einzelnen Zellen, die durch
mehr oder weniger vollständigere Lösung der Intercellularsubstanz gröſstentheils von
einander getrennt werden, wie Fig. 9 und
15 zeigen; erstere stellt die Zellen einer Kartoffel dar, welche nach
altem Verfahren im offenen Fasse gedämpft, dann durch Walzen gequetscht war bei
400facher, letztere dieselben bei 150facher Vergröſserung. Fig. 10
zeigt bei 400facher Vergröſserung die Zellen einer bei 3at Druck gedämpften Kartoffel; die Stärkemehlkörner sind vollständig
gequollen, die Intercellularsubstanz ist sehr vollkommen gelöst, die Zellen hängen
noch an einander, werden aber beim Quetschen durch Walzen, wie Fig. 11
zeigt, leicht von einander gerissen, wenn auch nicht alle gesprengt.
Wenn auch schon in dieser Form die Stärke der Einwirkung der Diastase viel leichter
zugänglich ist als ohne Anwendung von Druck, so ist doch die Zerkleinerung eine
ungleich vollkommenere, wenn während des Dämpfens mechanische Hilfsmittel angewendet
werden. So z.B. zeigt Fig. 12 die
Zellen von Kartoffeln, welche im Hollefreund'schen Apparate (* 879 231 165) bei 3at
gedämpft waren, nachdem das Rührwerk 20 Minuten gearbeitet hatte, Fig. 13
eine Probe derselben Kartoffeln nach dem Evacuiren des Apparates, ebenfalls bei
400facher, Fig. 14
desgleichen bei 150facher Vergröſserung. Ob die vollständigere Zerkleinerung der
letzteren Proben dem Evacuiren oder der längeren Thätigkeit des Rührwerkes
zuzuschreiben ist, läſst Märcker unentschieden, betont
aber, daſs eine so feine Zerkleinerung überflüssig sei, da die Kartoffelmasse aus
dem Bohm'schen Apparate (* 1879 231 167. 232 137) ohne Evacuiren, welche der
Fig. 12 entspricht, ebenso leicht verzuckert wird als die Masse aus dem
Hollefreund'schen Apparat. Kartoffelmasse aus dem
Henze'schen Dämpfer (* 1879 231 168) zeigt die Zellen zwar getrennt, aber nur zum Theil gesprengt.
Zur Entscheidung der Frage, ob bei dem Erhitzen auf hohe Temperatur eine Zerstörung
von gährungsfähiger Substanz stattfindet, wurde eine im Hollefreund'schen Apparate 1½ Stunden bei 2at Druck gedämpfte Kartoffelmasse untersucht. Dieselbe enthielt in 100
Theilen berechnet nach dem Stärkegehalt:
Trockengehalt
19,50
Darin Starkemehl loslich und unloslich
15,44
In Wasser waren loslich
9,90
Davon Mineralstoffe
0,73
Proteinstoffe
0,86
Zucker
1,96
Losliche Stärke (oder Dextrin)
4,73
Sonstige Stoffe (Pectin, Pilanzensaure)
1,62
–––––
9,90.
Die hauptsächlichste, durch das Dämpfen bei höherer Temperatur hervorgebrachte
Veränderung besteht somit darin, daſs gewisse Mengen von Stärkemehl löslich geworden
sind; denn während rohe Kartoffeln weder lösliche Stärke, noch Dextrin enthielten,
waren in den gedämpften Kartoffeln der vorstehenden Analyse 4,73 Proc. lösliche
Stärke oder Dextrin enthalten. Wenn auſserdem eine nachtheilige Zersetzung durch
Zerstörung von gährungsfähigem Material eingetreten wäre, so würde sich dieselbe
aller Wahrscheinlichkeit nach durch eine Vermehrung der in Wasser löslichen,
nichtzuckerartigen Verbindungen (Karamelisirung) angezeigt haben. Abgesehen davon,
daſs eine solche an einer Braunfärbung des Wasserextractes zu erkennen gewesen wäre
– welche in dem vorliegenden Falle nicht stattgefunden hatte – war aber eine
wesentliche Vermehrung derartiger Stoffe ausgeschlossen, weil von denselben nur 1,62
Proc. vorhanden waren, eine Menge, wie sie in normalen eingedämpften Kartoffeln auch
vorkommt. Die Frage, ob bei der höheren Temperatur Stoffe gelöst oder gebildet
werden, welche das gährungsfähige Material vermehren, ist noch unentschieden.
Besonders wichtig sind die Versuche über die Aufschlieſsung des Stärkemehles der
Maischmaterialien nach den verschiedenen Verfahren. Zunächst ergaben 15
Einzelversuche in 6 verschiedenen Brennereien, daſs nach dem alten Verfahren bei Anwendung guter
Kartoffeln bei guter Aufschlieſsung bis zu 5, bei mittlerer 7,5 und bei schlechter
bis zu 10 Procent der Gesammtstärke unaufgeschlossen bleiben.
Nach dem Hollefreund'schen Verfahren blieben bei 18
Versuchen in 5 verschiedenen Brennereien von normalen Kartoffeln 2,7 bis 4,1, im
Mittel 3,3 Procent der Gesammtstärke unaufgeschlossen, bei trockenfaulen Kartoffeln
6,1 bis 8,3, im Mittel 7,1. Nach Bohm wurden unter
Anwendung gesunder Kartoffeln 3,5 bis 4,5, im Mittel 3,9 und nach Henze 3,1 bis 6,0, im Mittel 4,6 Procent der
Gesammtstärke nicht aufgeschlossen. Mit dem Apparat von Ellenberger (* 1879 231 334) blieben
unaufgeschlossen von guten Kartoffeln 2,73, von trockenfaulen 3,33 Procent der
Gesammtstärke; für schlechte Kartoffeln sind demnach derartige Mahlvorrichtungen
besonders wirksam, auch wenn sie nach dem Dämpfen verwendet werden. Da eine
Nachaufschlieſsung während der Gährung nicht stattfindet, sondern die Stärkemengen,
welche beim Vormaischproceſs nicht aufgeschlossen wurden, für die Alkoholgewinnung
verloren sind, so ergibt sich eine Ersparniſs bei Ausübung der neuen Verfahren gegen
das alte Verfahren bei:
gutem
mittlerem
schlechtem
Betrieb des alten Verfahrens
Hollefreund
1,7
4,2
6,7 Proc.
Bohm
1,1
3,6
6,1
Henze
0,4
2,9
5,4
EllenbergerNach den Versuchen von Delbrück blieben
im Mittel nur 1,83 Procent des eingemaischten Stärkemehles
unaufgeschlossen.
3,2
5,7
8,2.
Bei Versuchen mit geschrotenem Mais blieben im Hollefreund'schen Apparat 8,5 bis 9,1 Proc. Gesammtstärke
unaufgeschlossen, mit dem Apparat von Lwowski (* 1879
231 335) 4,58 und von Ellenberger 5,58 Proc. Nach neueren Versuchen allerdings erreichte der Ellenberger'sche Apparat entschieden nicht mehr als der
Hollefreund'sche, ja er blieb sogar hinter
denselben um ein ganz Geringes zurück, so daſs daraus zur Lösung der Stärke im Mais
die Anwendung von mechanischen Zerkleinerungsvorrichtungen unnöthig ist; hier ist
der einfachste Hochdruckapparat der beste, und dies ist ohne Zweifel der Henze'sche Apparat mit den kleinen Abänderungen, welche
zur Verarbeitung von Mais nothwendig sind.
Bezüglich der Vergährbarkeit der Maischen ergab sich aus den Versuchen, daſs die
Erhaltung der verzuckernden Kraft der Diastase während der Gährung eine
Grundbedingung für den vollständigen Verlauf der Gährung und für die Erreichung
befriedigender Alkoholerträge ist; jeder die Diastasewirkung störende Eingriff muſs
sorgfältig im Betriebe vermieden werden:
Gesammtvergahrung
Dextrin vergohren
Diastase
nicht getödtet
90,2 Proc.
62,5 Proc.
„
durch Aufkochen getodtet
76,7
10,3
„
„ Milchsäure „
73,8
0
Enthält 1l Flüssigkeit mehr als 6g Milchsäure (oder 3° Oxymeter nach Lüdersdorff), so wirkt sie nachtheilig auf den
vollständigen Verlauf der Gährung. Der Grund einer solchen Milchsäurebildung liegt
meist in der Anwendung zu hoher Temperaturen (17 bis 19°) beim Anstellen der
Maische, sowie in mangelhafter Reinlichkeit.
Folgende Zusammenstellung gibt einen Ueberblick über 26 Versuche in verschiedenen
Brennereien zur Feststellung, wie groſse Mengen des eingemaischten Materials bei den
verschiedenen Verfahren unvergohren bleiben. Danach ergeben sich für das alte
Verfahren im Mittel 18,7 Proc. Stärke, für Hollefreund
6,9, für Bohm 7,2 und für Henze 7,0 Proc. Der Ellenberger'sche Apparat
gab 4,6 bis 6,6 Proc. unvergohrene Stärke.
Brennereien
Starke ein-gemaischt
Volum derMaische
Starke auf100l Maische
Unvergohr.Starke
Unvergohr.Starke
Reinlichkeits-coefficient
1k Starke
gibtAlkohol
k
l
k
k
Proc.
Literproc.
Altes Verf
Nedlitz I „ II „
IIIHohenziatzMockern
691,7676,2643,7622,6582,8
36423502359132693255
19,019,317,919,017,9
138,4 93,5 90,8111,5161,6
20,013,814,117,927,9
64,273,678,296,386,3
34,943,045,352,440,5
Hollefreund
Trotha I „ II „ IIIZabitz I „ II
(Mais)Salzmunde I „ II „
IIITrotha I, 8. Jan. 1873 „ II, 8. Jan. 1873 „ III,
10. Nov. 1873 „ März 1874 „ (Mais) „ (Mais und
Kartoffeln)
684,8697,3568,0689,7658,3710,3603,8659,2823,5909,0582,5787,0693,4788,2
38643866335637403906395839143885396841073360394140994047
17,718,016,918,416,917,915,417,020,822,117,320,016,919,5
44,9 45,3 44,4 56,6 59,4 46,2 39,3 41,4 64,6 69,9 28,1 49,2 49,4 43,9
6,6 6,5 7,8 8,2 9,0 6,5 6,5 6,3 7,8 7,7 4,8 6,1 7,1 5,6
87,787,787,774,281,772,475,374,876,173,674,0–97,982,2
53,755,053,147,548,145,248,948,846,946,549,9–58,850,8
Bohm
KleinhofKotschauBelgershain
332,2313,7592,8
210519803509
15,815,916,9
26,6 28,5 26,3
8,0 9,1 4,4
83,481,687,4
53,050,757,8
Henze
OtterwischEmerslebenRoderhof
342,1628,8757,2
185034433737
18,518,320,3
32,1 32,2 49,9
9,4 5,1 6,6
77,373,882,3
47,847,350,1
Bezüglich der Reinlichkeit der Gährung ist daran zu erinnern, daſs zunächst eine
gewisse Menge der eingemaischten Stärke ungelöst und unaufgeschlossen zurückbleibt,
ein anderer Theil sich der Gährung entzieht. Denkt man sich nun die Gährung ohne
jede Störung und Verluste verlaufend, so müſste aus dieser vergohrenen Stärke-
(bezieh. Zucker-) Menge die theoretische Alkoholausbeute erhalten werden. Dies geschieht aber
nicht, sondern je nach der Art des Betriebes erhält man hierbei einen von der
theoretischen Ausbeute mehr oder weniger entfernten wirklichen Ertrag. Unter
Reinlichkeitsziffer der Gährung versteht nun Märcker
die Zahl, welche ausdrückt, wie viel Procente des der Gährung anheimgefallenen
Materials wirklich in der Richtung der reinen alkoholischen Gährung zersetzt wurden.
Die Differenz gegen 100 ergibt die Mengen, welche eine anderweitige Zersetzung
erfuhren. Hierbei ist angenommen, daſs die Zersetzung nach der Gleichung C6H10O5 + H2O = 2C2H6O + 2CO2 verläuft. 1k
Stärkemehl würde nach dieser Gleichung 71,7 Literprocent Alkohol geben müssen,
welches dem Reinlichkeitscoëfficienten von 100 entsprechen würde. Erhielt man von
1k vergohrenen Stärkemehles nur 60
Literprocent Alkohol, so würde die Reinlichkeitsziffer der Gährung 83,7 gewesen
sein.
Die Reinlichkeitsziffer der Gährung wird dadurch erniedrigt, daſs Hefe unter
Sauerstoffaufnahme einen Theil des Zuckers direct zu Kohlensäure oxydirt, daſs
während der Gährung Alkohol verdunstet, daſs die Hefe einen gewissen Theil Zucker
für sich in Anspruch nimmt, sowie durch Nebengährungen. Bedeutend können die
Verluste durch Milchsäuregährung werden. So enthielten z.B. die 36421 Maische des erwähnten ersten Versuches in
Nedlitz nach der Vergährung nicht weniger als 38k,2 Milchsäure, was unter der Annahme, daſs 1 Th. Zucker nach der Gleichung
C6H12O6 = 2C3H6O3 1 Th. Milchsäure
entspricht, 5,5 Proc. Verlust an gährungsfähigem Material ergibt. Der Verlust durch
Essigsäuregährung betrug in zwei Versuchen 2,25 und 3,16 Proc. der Alkoholausbeute.
Die Gröſse des Verlustes durch Bildung von Aldehyd und Fuselöl konnte noch nicht
festgestellt werden. Berücksichtigt man nur die Versuche mit Kartoffeln, so erhält
man als Reinlichkeitsziffer für das alte Verfahren 79,7, für Hollefreund 78,9, für Bohm 84,1 und für Henze 77,8, so daſs also 20 Proc. des Gährungsmaterials
in anderer Richtung als zu Alkohol zersetzt wurde. Erheblich günstiger stellten sich
die neueren Versuche, welche im Hollefreund 89,9 und
für Ellenberger 90,4 ergaben. Jedenfalls sind die
Verluste, welche durch Nebengährungen, Oxydation von Zucker und durch directe
Alkoholverdunstung entstehen, sehr bedeutend und gröſser als alle übrigen Verluste
in der Spiritusfabrikation. Zur Verminderung derselben müſste zunächst die
Säurebildung möglichst eingeschränkt werden, was vielleicht durch Reinzüchtung von
Hefe und durch Luftabschluſs erreichbar ist. Auch Versuche über die Gröſse der
Verdunstung wären wünschenswerth.
Bekanntlich gibt 1k Stärkemehl theoretisch 71,7
Literprocent Alkohol; da jedoch nach Pasteur nur 94
Procent dieser Menge in Rechnung gezogen werden können, so ergeben sich als
erreichbarer Maximalertrag nur 67,4 Literprocent für 1k Stärke. Die Zusammenstellung der Tabelle S. 247 gibt aber im Mittel nur
45,3 Proc. für das alte
Verfahren, 48,4 für Henze, 50,5 für Hollefreund und 53,8 für Bohm, so daſs die neueren Verfahren etwa 10 Proc. mehr liefern als das
alte.
Von 100 Theilen gährungsfähigem Material gehen demnach bei der Spiritusfabrikation
verloren:
Altes Verf.
Hollefreund
Bohm
Henze
Durch mangelhafte Aufschlieſsung
7,5
3,3
3,9
4,6
Es bleiben unvergohren
11,5
6,9
7,2
7,0
––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
19,0
10,2
11,1
11,6
Es vergähren somit
81,0
89,8
88,9
88,4
Hiervon gehen durch Nebengäh- rungen. Verdunstung
u.s.w. verloren
16,4
18,9
14,1
19,6
––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Gesammtverlust
35,4
29,1
25,2
31,2
Im Mittel 28,5 Proc.
Die Ausbeute, nach dem alten Verfahren = 100 gesetzt, wird somit nach den neuen
Verfahren 110,7.
Dieser gröſseren Alkoholausbeute der neuen Verfahren stehen allerdings die höheren
Anlage- und Betriebskosten gegenüber. So erforderte z.B. der Hollefreund'sche Apparat in der Brennerei Trotha 24 Proc. Kohle mehr als
das alte Verfahren, der Henze'sche Dämpfer nach W. Rimpau 23 Proc. Der Holländer des Ellenberger'schen Apparates gebrauchte bei einer
Verarbeitung von 2500 bis 3000k Kartoffelmaischung
die volle Kraft einer Maschine von 10e. In den
meisten Fällen dürften daher die Apparate vorzuziehen sein, welche keine oder doch
nur geringe Maschinenkraft erfordern.
A. v. KrzyzanowskiZeitschrift für Spiritusindustrie, 1878 S.
98. hat mit der Lwowski'schen
Maischmühle in Verbindung mit dem Henze'schen Dämpfer
folgende Resultate erhalten:
Nummer
1
2
3
4
5
6
Zahl der Maischen
69
60
30
93
62
31
Kartoffeln für jede Maische
k
2350
2350
2400
2400
2400
2400
Stärkegehalt derselben
Proc.
20,4
20,4
20,4
21,0
21,0
21,0
Grünmalz zur Verzuckerung
k
140,0
140,0
140,0
122,5
122,5
100,0
Stärkegehalt desselben
Proc.
40,0
40,0
40,0
40,0
40,0
40,0
Grünmalz zur Hefe
k
50,0
50,0
16,5
16,5
16,5
16,5
Stärkegehalt desselben
Proc.
26,0
26,0
26,0
26,0
26,0
26,0
Eingemaischte Stärke
k
37840
49401
50526
51549
Maischraum
l
211741
276186
285469
286408
Alkoholertrag
Literproc.
2184102
2863299
2919244
3076549
„
Vol.-Proc.
10,3
10,4
10,2
10,7
Für 1k Stärke
gewonnen
Literpr.
57,7
58,0
57,8
59,7
Stärke für 100l
Maischraum
k
17,9
17,9
17,7
18,0
Unaufgeschlossene Stärke
Proc.
2,6
2,7
3,7
2,2
In Nr. 6 (December 1877) waren theilweise trockenfaule
Kartoffeln verwendet. Es wird noch hervorgehoben, daſs ein Verbrühen des Malzes nur
bei Fahrlässigkeit eintreten kann und daſs 1l
Maische nach der Vergährung nur 1g Milchsäure
enthielt.
M. DelbrückZeitschrift für Spiritusindustrie, 1878 S.
133. berichtet über Versuche mit dem Paucksch'schen Maischapparat (* S. 64 d. Bd.): danach ergaben 4 Maischen
folgendes Resultat:
Kartoffel
Kartoffel
Mais
Roggen
k
Proc.
k
Proc.
k
Proc.
k
Proc.
UnaufgeschlossenZu Alkohol
gewordenUnvergohrenUnbestimmbar
12,2428,0 58,6 80,8
2,173,810,113,9
13,60480,80 51,40 77,12
2,2 77,2 8,2 12,4
31,05461,20 52,90 51,32
5,2 77,3 8,9 8,6
27,1378,6 63,7 50,9
5,2 72,7 12,3 9,8
Zusammen
579,6
99,9
622,92
100,0
596,47
100,0
520,3
100,0
Verglichen mit den Versuchen von Märcker blieben von der
Gesammtstärke unaufgeschlossen:
Mais ungeschrotenmit
Hochdrucknach Marcker
Hollefreund7,5
Henze5,9
Ellenberger5,6
Lwowski4,6
Paucksch5,35 Proc.
Roggennach Delbruck
AltesVerfahren13,1
Henzenach Avenarius6,3
Henze mitZusatz von SO37,3
Paucksch5,35 Proc.
Danach empfehlen sich die neueren Apparate namentlich auch für
Roggen.
Märcker hat bereits nachgewiesen, daſs in den
Hochdruckapparaten ein Theil der Stärke in lösliche Form übergeführt wird. Nach den
Versuchen von M. StumpfZeitschrift für Spiritusindustrie, 1878 S.
259. genügt schon eine Erhitzung von 3 Stunden auf 2 bis 2at,5 Druck um einen Stärkekleister aus 1 Th.
Stärke und 2 Th. Wasser vollkommen zu verflüssigen. Nach erfolgter Abkühlung zeigt
sich der charakteristisch elastische Zustand des Stärkekleisters nicht wieder,
sondern es scheidet sich Stärke in krystallinischen Körnern aus, über welchen eine
klare Flüssigkeit steht. Die gedämpften Stoffe sollten demnach möglichst schnell auf
Maischtemperatur abgekühlt und sofort mit Verzuckerungsmalz gründlich vermaischt
werden, bevor sich die lösliche Stärke wieder ausscheidet.
Bei Anwendung von 3,5 bis 4at,5 wird bereits ein
Theil der Stärke in Zucker verwandelt. Diese theilweise Invertirung der Stärke,
welche allerdings die spätere Arbeit der Diastase wesentlich erleichtern muſs,
erscheint trotzdem für die Praxis bedenklich, da zu leicht Karamelisirung eintritt.
Dies ist besonders beim Dämpfen von ungeschrotenem Getreide der Fall, welches einen
Zusatz von 100l Wasser für 100k Getreide erfordert. So zeigte sich z.B. in einer
Brennerei, welche Chlormagnesium-haltiges Wasser beim Dämpfen verwendete, daſs schon
bei Anwendung von 3at starke Karamelbildung der
Roggenstärke eintrat. DelbrückZeitschrift für Spiritusindustrie, 1878 S. 159
und 162. meint, daſs diese schädliche Wirkung des Chlormagnesiums
möglicherweise auf eine Dissociation desselben bei höherer Temperatur zurückzuführen
ist, so daſs wir es demnach mit der Wirkung freier Salzsäure auf Stärkemehl, statt
mit der Wirkung neutralen Wassers zu thun haben.
Weitere Versuche zeigten, daſs auch schlechte Kartoffeln bei genügend hoher
Temperatur sehr gut aufgeschlossen werden. Die unbequeme Erscheinung, daſs stark
faule Kartoffeln im Dämpfer nicht weich werden wollen, erklärt sich einfach daraus,
daſs die weiche Kartoffelmasse sich fest zusammensetzt und so die Einwirkung des
Dampfes auf einzelne Theile verhindert. Für diese sind daher Dämpfer mit Rührwerk
oder mit besserer Vertheilung des Dampfes (vgl. 1879 231
168) vorzuziehen. Ungeschrotenes Getreide wird bei 130° leicht und völlig
aufgeschlossen., namentlich wenn dem Maischwasser 0,2 Proc. Schwefelsäure zugesetzt
werden. In jedem Fall verhielten sich die durch Hochdruck aus Stärke erhaltenen
löslichen Stoffe gegen Diastase genau wie das ursprüngliche Stärkemehl.
Aus allen bisherigen Versuchen und Beobachtungen geht demnach hervor, daſs bei gut
gedämpften Kartoffeln, Roggen oder Mais eine nachfolgende Zerkleinerung durch
besondere Maschinen (Ellenberger u.s.w.) nicht
erforderlich ist. Es ist nur darauf zu sehen, daſs für je 100k Roggen oder Mais 100 bis 120l Wasser zugefügt werden, daſs das Dämpfen
zunächst 1 bis 2 Stunden bei geöffnetem Luftventil geschieht, so daſs die Masse
durch den eintretenden Dampf in eine gleichmäſsige Bewegung kommt; hat der Dämpfer
einen gröſseren Inhalt als 3cbm, so empfiehlt sich
die Anwendung eines Rührers. Nun wird noch etwa 2 Stunden lang ein Druck von 2,5 bis
3at gegeben und dann bei vollem Druck
ausgeblasen. Die Zerkleinerung der herausgeschleuderten Körner wird eine
vollständige, wenn in der Mündung Vorrichtungen angebracht sind, wie sie z.B. Leinhaas, H. Schmidt (* 1879 231 335) und Avenarius (S. 244 d. Bd.)
angegeben haben.