Titel: | Das elektrische Gyroskop von G. M. Hopkins. |
Fundstelle: | Band 231, Jahrgang 1879, S. 516 |
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Das elektrische Gyroskop von G. M. Hopkins.
Mit Abbildungen auf Tafel 46.
Hopkins' elektrisches Gyroskop.
Obgleich das Gyroskop (vgl. *S. 237 d. Bd.) längst und jetzt
allgemein bekannt und gegenwärtig sogar ein Spielzeug der Kinderstube ist, so bleibt
es dennoch stets ein interessantes physikalisches Experiment; auch wird es, nicht
mit Unrecht, das „mechanische Paradoxon“ genannt, denn indem es einestheils
den Gesetzen der Schwere unterworfen, scheint es anderntheils wieder vollständig
davon unabhängig zu sein. Seit den Versuchen von Bohnenberger, Fessel, Poggendorff, Foucault u.a. hat neuerdings G. M. Hopkins das Gyroskop zu verbessern gesucht und
ist darüber etwa Nachstehendes bekannt geworden. Bei Bohnenberger's Maschinchen, dem Fessel'schen
Rotationsapparate, sowie Foucault's Gyroskop wird der
zu bewegende Theil mit einer Schnur in Drehung gesetzt, und wenn auch diese bei
richtiger Construction der Apparate und gewandter Handhabung eine ziemliche Weile
andauert, so ist diese Zeit dennoch viel zu kurz, um genaue wissenschaftliche
Beobachtungen anstellen zu können. Hopkins hat diesen
Uebelstand erkannt und ein Gyroskop construirt, welches, indem er die Elektricität
als treibende Kraft benutzte, beliebig lange in Drehung erhalten werden kann.
Die in Fig. 1 Taf. 46 skizzirte Einrichtung ist ziemlich einfach. Auf einer
Grundplatte g und zwischen den Schenkeln eines
gewöhnlichen Elektromagnetes M ist eine Achse a angebracht, welche an dem einen Ende eine
Messingscheibe S mit starkem Schwungkranze trägt. An
dieser Scheibe ist seitwärts ein Stück weiches Eisen e
als Anker des Elektromagnetes befestigt, welches ganz nahe an den Kernen vorbei
gleiten kann, ohne dieselben zu berühren. An der Achse selbst sitzt noch ein
Gyrotrop w, auf welchem eine isolirte Feder i schleift, die an der Grundplatte g befestigt ist. Das Gyrotrop hat die Einrichtung, daſs
es den galvanischen Strom zweimal bei jeder Umdrehung des Rades und gerade dann
unterbricht, wenn der Anker der Scheibe die Kerne des Elektromagnetes eben erreicht hat. Das
Beharrungsvermögen der Scheibe führt den Anker an den Polen vorbei in die bald
darauf neu entstehende magnetische Wirkungsphäre der nächsten Pole u.s.w. Auf der
hinteren Seite der Grundplatte g ist ferner ein kurzer
Stiel h mit der Pfanne p
angebracht, welcher dazu dient, das Gyroskop auf eine Spitze x aufzusetzen. Den die Stahlspitze x
tragenden Eisenstab umschlieſst ein kleines, mit Quecksilber angefülltes Gefäſs y aus Horngummi. Der galvanische Strom geht von dem
isolirten eisernen Pfännchen p durch einen Draht an die
eine Spule des Elektromagnetes, von der andern an den Stromunterbrecher, von da über
die schleifende Feder, wo ein feiner, leicht beweglicher Draht in Windungen zum
Quecksilber des isolirten Gefäſses y führt; ein zweiter
gleichfalls in das Quecksilber eintauchender Draht reicht zu einer Verbindungsklemme
A. Der eiserne Stab des Ständers steht in leitender
Verbindung mit einer zweiten Klemme B und durch die
Spitze x in metallischer Berührung mit dem Pfännchen
p. Es muſs alles darauf eingerichtet sein, dem
Gyroskop die freie Bewegung nach jeder Richtung auf der Spitze des Ständers zu
ermöglichen.
Schaltet man 2 bis 4 Bunsen'sche Elemente zwischen den Klemmen A und B ein, setzt das
Gyroskop auf die Spitze des Ständers und gibt der Scheibe einen Anstoſs, so wird
dieselbe durch die Wirkung der Elektromagnete in sehr schnelle Drehung versetzt und
verharrt in diesem Zustande, so lange die Batterie geschlossen bleibt. Der ganze
schwere Apparat wird nun frei und wagrecht auf der Spitze des Ständers schweben,
ohne herabzufallen. Allmälig beginnt das Gyroskop aber auf der Ständerspitze x noch eine zweite Drehung zu beschreiben, und zwar
nach der Richtung, in welcher der untere Theil der Schwungscheibe sich dreht.
Verlängert man jedoch den Stiel und bringt ein Gegengewicht an, damit der Apparat
balancirt werde, so verharrt das Gyroskop in der ihm anfänglich gegebenen Stellung;
vergröſsert man das Gegengewicht zum Apparat, so bewegt sich das Gyroskop im Kreise
nach der Richtung hin, in welcher der obere Theil der Scheibe sich dreht.
Die verschiedenen Gesetze über die Drehung freier Achsen finden durch das Hopkins'sche Gyroskop ihre volle Bestätigung; auch
lassen sich alle bekannten Versuche darüber mit der gröſsten Bequemlichkeit
wiederholen. Was aber das Gyroskop in weit höherem Maſse interessant macht, sind die
neuen Versuche, welche Hopkins mit demselben
anstellte.
Kurz nachdem Foucault durch seine
berühmten Pendelversuche die tägliche Drehung der Erde sichtbar gemacht hatte,
bemühte er sich, dasselbe durch die Drehung freier Achsen zu erreichen und erfand
dazu sein Gyroskop. Da er aber nicht im Stande war, der Scheibe des Apparates eine
genügend lange Drehbewegung zu ertheilen, so scheinen die Versuche ungenügend
ausgefallen zu sein. Hopkins hat diese Versuche wieder
aufgenommen und löste die Aufgabe in gelungener Weise, indem er die Elektricität als
treibende Kraft dem Gyroskop hinzu gesellte. Das von Hopkins hierzu construirte Gyroskop ist dem oben beschriebenen im Principe
ganz ähnlich, nur ist es dem Zwecke besser angepaſst.
In einem viereckigen Rahmen r (Fig. 2 Taf.
46), dessen zwei senkrechte Seiten die Grundplatten zweier Hufeisen-Elektromagnete
bilden und dessen obere und untere Seiten aus Messingplatten bestehen, dreht sich
eine Messingscheibe S zwischen zwei Elektromagneten m. An jeder Seite der Messingscheibe, rechtwinklig sich
kreuzend, sind zwei Anker a aus weichem Eisen
angebracht, welche an den Kernen der Elektromagnete vorbei gleiten können, ohne sie
zu berühren. Jeder der beiden Elektromagnete hat seinen besonderen
Stromunterbrecher, welcher, wie oben beschrieben, an jedem Ende der Achse der
Scheibe befestigt ist. Die Magnetisirungsspiralen werden so gegen einander
geschaltet, daſs die Elektromagnete sich mit entgegengesetzten Polen einander
gegenüber liegen, das Ganze also astatisch ist. Unten am Rahmen, genau die
Drehungsebene der Scheibe angebend, ist isolirt ein Zeiger angebracht, welcher über
einer Gradeintheilung spielt. Der Rahmen hat auf der oberen und unteren Seite je
eine sorgfältig gearbeitete Stahlspitze; die untere ist durch Ebonit gegen den
Rahmen isolirt. Zur Aufnahme des ganzen Apparates dient ein auf einer Grundplatte
angebrachtes kleines Pfännchen p mit einem Achat in der
Mitte und ein Ständer mit übergreifendem Arme. Die elektrische Verbindung ist
folgende: Von einer Klemme A führt ein Draht zu dem
kleinen Pfännchen p, worin ein Tropfen Quecksilber die
metallische Verbindung mit der unteren Spitze des Rahmens herstellt; von da führen
zwei Drähte zu den beiden Stromunterbrechern, an denen die einen Enden der
Magnetisirungsspulen befestigt sind, während die anderen Enden derselben mit dem
Rahmen verbunden werden. Die obere Spitze des Rahmens vermittelt die leitende
Verbindung mit dem Ständer, welcher mit einer zweiten Klemme B in Verbindung steht.
Der Apparat wird so aufgestellt, daſs die Drehebene der Scheibe mit dem Meridian
zusammenfällt, und vortheilhaft durch eine Glasglocke gegen Luftzug abgeschlossen.
Verbindet man jetzt die beiden Klemmen mit 4 bis 6 Bunsen'schen Elementen, so wird
die Scheibe sehr bald in auſserordentlich schnelle Drehung versetzt; gleichzeitig
bemerkt man aber auch, wie der Zeiger des Rahmens über der Gradeintheilung von Ost
nach West sich fortbewegt. In Wirklichkeit verharrt der Apparat mit dem Zeiger in
der zuerst angenommenen Drehungsebene der Scheibe unverrückbar, oder nahezu so,
während die Erde mit der Gradeintheilung sich unter ihm von West nach Ost dreht. Es
bleibt sich vollkommen gleich, ob der Zeiger nach Süd oder Nord weist, stets ist
seine scheinbare Wanderung von Ost nach West gerichtet, ein sicherer Beweis, daſs
nicht der Zeiger, sondern die Erde sich bewegt. (Nach dem Scientific
American, 1878 Bd. 38 S. 335 und Bd. 39 S. 1.)