Titel: | Darstellung haltbarer Labflüssigkeiten; von Dr. F. Soxhlet. |
Autor: | F. Soxhlet |
Fundstelle: | Band 228, Jahrgang 1878, S. 341 |
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Darstellung haltbarer Labflüssigkeiten; von Dr.
F. Soxhlet.
Soxhlet, über Darstellung haltbarer Labflüssigkeiten.
Dem Bedürfniſs der Molkereipraxis wird durch die bis jetzt im Handel erscheinenden
Labflüssigkeiten noch lange nicht Genüge geleistet. Der Umstand, daſs zur Zeit
brauchbare Labflüssigkeiten fast ausschlieſslich nur in Dänemark erzeugt werden,
sowie die Thatsache, daſs die Haltbarkeit und die Constanz der Wirkung bei allen
bisher bekannten Labessenzen keine ganz vollständige ist, läſst es begreifen, daſs
die Verwendung künstlicher Labflüssigkeiten nicht, wie es wünschenswerth ist, sich
verallgemeinert hat. Der allen Labessenzen anhaftende Fehler, nach längerer Zeit in
der Wirksamkeit mehr oder minder erheblich nachzulassen, bedingt öfteren Bezug in
kleineren Mengen, sonach Unbequemlichkeit bei der Beschaffung und Vertheuerung
derselben – zwei Factoren, die einer allgemeineren Verwendung nur abträglich sein
können. So z.B. kostet 1l der in der Praxis am
meisten verbreiteten Labessenz, der Hansen'schen, in
Wien (bei dem betreffenden Vertreter) 7,2 M., welcher enorme Preis sich für die Provinz noch um die
Transportkosten erhöht. Eine ausgedehntere Verwendung künstlicher Labessenzen ist
nur zu gewärtigen, wenn die Erzeugung derartiger Präparate verallgemeinert wird und
nicht die groſse Entfernung des Erzeugungsortes vom Verbrauchsorte den Bezug
derselben unbequem und kostspielig macht. Da ein Verfahren zur Darstellung kräftig
wirkender und haltbarer Labflüssigkeiten, wie z.B. der dänischen Präparate, bis
jetzt nirgends veröffentlicht wurde, so glaube ich durch Mittheilung meiner
diesbezüglichen Versuche und deren Resultate zur Darstellung derartiger
Labflüssigkeiten und damit auch zur häufigeren Verwendung derselben in der
milchwirtschaftlichen Praxis Veranlassung zu geben. Die Einfachheit der Darstellung
wird es überdies für gröſsere Molkereien vortheilhaft erscheinen lassen, den Bedarf
an Labessenz durch eigene Erzeugung zu decken und dadurch die Betriebskosten
alljährlich um eine erkleckliche Summe zu mindern.
Als Material für die Darstellung des Käselabs können, wie bekannt, nur die vierten
Magen jugendlicher Wiederkäuer in Betracht kommen. Es enthält zwar, wie ich entgegen
der Angabe Anderer gefunden habe, auch der Labmagen erwachsener alter Rinder
ziemlich reichliche Mengen fertig gebildeten Labfermentes; jedoch steht der
Benutzung solcher entgegen, daſs sie relativ arm an diesem Ferment sind, und daſs
sie anderer Verwendungsarten wegen zu höheren Preisen verkauft werden. Ebenso
unberücksichtigt lasse ich die Magen von jungen Schafen oder Ziegen, weil dieselben
nicht zu jeder Zeit und in genügender Menge zu haben sind. Für die Gewinnung
concentrirter Labflüssigkeiten eignen sich nur getrocknete Kälbermagen – am
zweckmäſsigsten solche, die aufgeblasen und an der Luft möglichst rasch getrocknet
sind. Die kleinen Magen möglichst junger Thiere sind die relativ fermentreicheren.
Frische Magen sind zur Darstellung concentrirter Labessenzen ganz unbrauchbar, weil
die Schleimhaut sich mit zu groſsen Wassermengen ansaugt; man erhält eine dicke
Gallerte, die nur geringe Mengen filtrirender Flüssigkeit gibt. Durch das
Eintrocknen verliert die Schleimhaut, wie fast alle quellungsfähigen Substanzen, zum
groſsen Theil die Fähigkeit, wieder Wasser einzulagern. Diese Fähigkeit nimmt noch
mehr ab bei längerer Aufbewahrung der getrockneten Magen und sind aus solchen
gewonnene Auszüge deshalb schleimärmer. Die Extracte sind aber auch dunkler gefärbt,
weil bei der Aufbewahrung die getrockneten Magen in schwachem Grade einer Art
Vermoderung unterliegen. Concentrirte Auszüge von Kälbermagen, die nur 14 Tage lang
aufbewahrt waren, sind ganz hellgelb, solche von 6 bis 8 Monate lang gelagerten
dunkelbraun gefärbt. Da auf die Brauchbarkeit der Labessenz die Farbe keinen
Einfluſs hat, so empfiehlt sich der angeführten Vortheile halber die Verwendung von
wenigstens 3 Monate lang aufbewahrter Kälbermagen. Den faltenlosen Theil des Magens,
das sich, verjüngende Ende desselben von der eingeschnürten Stelle an, die
Portio pylorica, schneidet man zweckmäſsiger Weise weg
und benutzt ihn nicht mit zur Extraction, weil er ungemein fermentarm nnd
schleimreich ist.
Zur Extraction des Labfermentes verwendete man bisher in der Praxis und bei Versuchen
über die Natur des Labfermentes Wasser oder saure Flüssigkeiten, letztere mit und
ohne Kochsalzzusatz, in der Praxis gewöhnlich saure Molken, verdünnten Essig,
Citronensaft und ähnliche schwach saure Flüssigkeiten, denen man der Conservirung
wegen Kochsalz oder Gewürze oder beides zusetzte. Bei wissenschaftlichen Versuchen
benutzte man 0,1 bis 0,2 proc. Salzsäure oder Glycerin; letzteres gibt zu schwach
wirkende Extracte, kann auch wegen des hohen Preises für die Praxis nicht in
Betracht kommen. Thatsache ist es, daſs saure Flüssigkeiten fermentreichere Auszüge
geben als Wasser. Es gilt dies aber nur insofern, als saure Flüssigkeiten das in der
Magenschleimhaut anwesende Labferment rascher extrahiren. Nach meinen Versuchen
hatten mit 0,1 bis 0,2 proc. Salzsäure dargestellte Labauszüge ungefähr die doppelte
Stärke als wässerige, wenn ich die Extractionsflüssigkeiten 2 Tage lang einwirken
lieſs. Verlängerte ich jedoch die Extractionsdauer auf 8 Tage, indem ich die
Fäulniſs der Flüssigkeiten durch geringe Beigabe von Thymol, einem gegen das
Labferment vollständig indifferenten Antisepticum, verhinderte, so hatten alle 3
Auszüge nach bewirkter Neutralisation gleiche Stärke. Schneller findet die
Extraction des Labfermentes durch Wasser statt, wenn man dieselbe bei gelinder Wärme
vornimmt, etwa bei 30 bis 35°. Solcher Art bereitete Labauszüge sind ebenso
fermentreich oder noch fermentreicher als mit verdünnten Säuren bei gewöhnlicher
Temperatur und gleich langer Einwirkung hergestellte.
Mit verdünnten Säuren lassen sich nach meinen zahlreichen Versuchen nie so
concentrirte Flüssigkeiten gewinnen, wie sie jetzt von der Praxis verlangt und von
den dänischen Fabriken auch geliefert werden. Nimmt man das Verhältniſs von
Kälbermagen und Extractflüssigkeiten so eng, daſs sich der Berechnung nach eine so
kräftig wirkende Flüssigkeit, wie etwa die Hansen'sche,
ergeben müſste, so bekommt man eine Gallerte, von der sich nur schwer eine geringe
Flüssigkeitsmenge abfiltriren läſst. Ich habe durch Anwendung verdünnter Säuren
Extracte erhalten, die höchstens wie 1 : 3000 wirkten, obwohl ich mit den
verschiedensten Säuren, als Salz-, Phosphor-, Essig-, Oxal- und Borsäure, in den
Concentrationen von 1, 2, 3 und 5 : 1000 arbeitete. Ebenso ungünstige Resultate
erhielt ich, als ich die Extraction mit 0,1 bis 0,3 proc. Salicyl- und
Benzoesäure-Lösungen vornahm, gleichzeitig mit der Absicht, die antiseptische
Eigenschaft dieser Körper für die Haltbarmachung der Auszüge mit zu benutzen. Die
Haltbarkeit war allerdings eine sehr zufrieden stellende, d.h. es trat bei den
Auszügen mit 0,3 Proc. Säure auch nach einem Jahre nicht die Spur einer Fäulniſs ein; aber die
Wirksamkeit der Lablösungen hatte nach kurzer Zeit sehr erheblich abgenommen und war
nach 2 Monaten unter die Hälfte der anfänglichen gesunken, so daſs ich schon aus
diesem Grunde von einer weiteren Verwendung dieser Mittel absehen muſste.
Was nun die in der Praxis am häufigsten angewendete Extractionsflüssigkeit, die
Kochsalzlösung betrifft, so ergaben meine Versuche, daſs so concentrirte
Kochsalzlösungen, wie sie gewöhnlich empfohlen und angewendet werden, nur sehr
langsam und ungenügend das Labferment zu extrahiren vermögen. Fermentreiche und
filtrirbare Labflüssigkeiten, die nicht etwa Theile der Magenschleimhaut mechanisch
vertheilt enthalten, lassen sich durch concentrirte Kochsalzlösungen nicht
herstellen. Man erhält durch einfache Digestion getrockneter Kälbermagen mit
gesättigter Kochsalzlösung bei gewöhnlicher Temperatur zwar sehr gut filtrirende
Extracte, die aber ungemein fermentarm sind und bald wieder trübe werden. Eine Reihe
von mir angestellter Versuche mit Kochsalzlösungen von 2 bis 26 Proc. stellte fest,
daſs Kochsalzlösungen mit 3 bis 6 Proc., Kochsalz die
fermentreichsten Labauszüge geben. Nur mit solchen lassen sich
hochconcentrirte Labflüssigkeiten herstellen. Auszüge, bereitet mit 5proc.
Kochsalzlösung, wirkten nach 24stündiger Digestion dreimal so stark, als unter sonst
gleichen Bedingungen hergestellte wässerige Extracte, während concentrirte
Kochsalzlösungen kaum halb so starke Auszüge gaben als reines Wasser. Die
Eigenschaft der verdünnten Kochsalzlösungen, das Labferment rasches als reines oder
angesäuertes Wasser in Lösung zu bringen, wird darauf zurückgeführt werden können,
daſs, wie Graham angibt, das Kochsalz, als sehr leicht
diffusible Substanz, sich selbst in einer steifen Gallerte so rasch verbreitet wie
in reinem Wasser, und daſs dadurch wahrscheinlich ein regerer Flüssigkeitswechsel in
der Drüsen führenden Schleimhaut eingeführt wird.
Organische Säuren, wie Essig-, Milch- oder Citronensäure, wirken in gleicher Weise
nur, wenn sie in gröſserer Menge angewendet werden. Kochsalzlösungen in Verbindung
mit organischen Säuren sind nach meinen Erfahrungen keine besseren
Extractionsflüssigkeiten als Kochsalzlösungen für sich. Es ist deshalb zum mindesten
überflüssig, anstatt einer wässerigen Kochsalzlösung eine Auflösung von Kochsalz in
Molken, Serum von aufgekochter saurer Buttermilch, verdünntem Essig oder
Citronensaft zu nehmen. Man bringt ganz zwecklos durch diese Flüssigkeiten gährungs-
und fäulniſsfähige Stoffe in den Labauszug. 5proc. Lösungen von schwefelsaurem
Natron oder Kali geben bei gleich langer Digestionsdauer weniger kräftige
Labextracte als gleich concentrirte Kochsalzlösungen. Chlorkalium verhält sich dem
Kochsalz fast gleich; die fällende Wirkung überschüssig zugesetzter Mengen ist
jedoch viel geringer als beim Kochsalz, ebenso die fäulniſswidrige Wirkung
desselben.
Je nach Beschaffenheit der Kälbermagen geben 60 bis 80g derselben (2 bis 3 Stück ohne den faltenlosen Theil), 5 Tage lang bei
gewöhnlicher Temperatur mit 1l 5proc.
Kochsalzlösung ausgezogen, Lösungen, von denen ein Raumtheil 10000 Raumtheile
frischer ganzer Milch in 40 Minuten und bei 35° dick legt, oder wie ich mich der
Kürze halber immer ausdrücken werde, die eine Wirkung von 1 : 10000 zeigen.
Verwendet man die durchgeseihte oder besser filtrirte Flüssigkeit zur nochmaligen
Extraction einer neuen Portion Kälbermagen (60 bis 90g für 1l Filtrat), so erhält man doppelt
so starke und bei dreimaliger Wiederholung dreifach so starke Labextracte.
Wie aus dem bisher Mitgetheilten hervorgeht, beruht das ganze Geheimniſs, sehr
kräftig wirkende Labflüssigkeiten darzustellen, in der Verwendung verdünnter, etwa
5proc. Kochsalzlösungen als Extractionsflüssigkeit. Lösungen mit so geringem
Kochsalzgehalt enthalten aber zu wenig des fäulniſswidrig wirkenden Kochsalzes, um
die Fäulniſs der mit diesen bereiteten Labflüssigkeiten zu verhindern. Da eine
Vergröſserung des Kochsalzgehaltes bis zur Fäulniſsunfähigkeit der Labauszüge nach
dem Gesagten ebenfalls unthunlich ist, so muſs man sich, um die Fäulniſs derselben
zu verhindern, nach anderen geeigneten Zusätzen umsehen. Ich habe nun die meisten
fäulniſswidrigen Mittel, sofern sie nicht durch Gesundheitsschädlichkeit
(Metallsalze), üblen Geruch (Carbolsäure) von vornherein ausgeschlossen waren, auf
ihre Verwendbarkeit zur Conservirung der Labflüssigkeiten geprüft.
Salicylsäure und Benzoesäure, zwei für andere Zwecke sehr werthvolle Antiseptika,
eignen sich für die Conservirung der Labflüssigkeiten nicht, weil sie schon nach
kurzer Zeit, wie schon erwähnt wurde, den gröſseren Theil des in der Lösung
enthaltenen Fermentes unwirksam machen. Ebenso unbrauchbar ist das xanthogensaure
Kali.
Dagegen kann das Thymol als gut geeignetes Mittel zur Conservirung der
Labflüssigkeiten bezeichnet werden. Erforderlich ist ein Gehalt von ungefähr 0,3
Proc. an Thymol, d.h. die Lablösung muſs mit Thymol vollständig gesättigt sein.
Solche Lösungen halten sich in offenen Gefäſsen Wochen, verschlossen Monate lang. Ob
ihr starker Thymiangeruch für die Erzeugung feiner Käse von störendem Einfluſs sein
könnte, scheint fraglich. Versetzt man Milch mit einer Thymol-Labflüssigkeit in dem
Verhältniſs von 1 : 10000, so ist an der Milch ein Geruch nach Thymol nicht
wahrzunehmen; enthält doch 1l Milch dann nur 0mg,3 Thymol; ich lasse es aber dahingestellt, ob
nicht dem Käse dadurch ein fremdartiger Beigeschmack ertheilt werden könnte, der
Feinschmeckern doch bemerklich sein möchte. Aus diesem Grunde würde ich mich auch
nicht für die Verwendung des noch weit intensiver und unangenehmer riechenden
Nelkenöles erklären, das z.B. in reckt kräftiger Dosis dem Meyer und Henkels'schen Lab zugesetzt ist.
Für das beste Conservirungsmittel der Labflüssigkeiten halte ich dermalen die Borsäure; dieselbe
ist geruch- und in verdünnter Lösung auch geschmacklos und verhindert, bis zur
Sättigung in die Lablösung eingetragen, jede Zersetzung und Fäulniſs vollständig.
Derartige Labflüssigkeiten können Monate lang in unverschlossenen Gefäſsen
aufbewahrt werden, ohne daſs eine Spur von Fäulniſs oder Schimmelbildung auftritt.
In dieser Beziehung übertrifft sie alle übrigen von mir u.a. angewendeten
conservirenden Zusätze bedeutend. Die Borsäure-Labessenz braucht nicht an kühlen und
dunklen Orten in gut verschlossenen Flaschen aufbewahrt zu werden; sie kann in jedem
Locale in lose verschlossenen Flaschen oder nur bedeckten Gefäſsen stehen. Die
Borsäure, als schwache Säure, in mancher Beziehung der Kohlensäure ähnlich wirkend,
fällt das Lab aus Kochsalzlösungen nicht wie andere Mineralsäuren. Die Extracte
filtriren verhältniſsmäſsig gut und noch besser, wenn man nach beendigter Extraction
den Kochsalzgehalt auf 10 Proc. erhöht.
Auch die Borsäure-Labflüssigkeit zeigt, wie alle bis jetzt bekannten und im Handel
befindlichen Labflüssigkeiten, die unerwünschte Eigenschaft, nach einiger Zeit in
ihrer Wirksamkeit nachzulassen. Dieses Zurückgehen in der Wirksamkeit ist jedoch
kein gleichmäſsig weiter-schreitendes, sondern tritt nur in erheblicherem Maſse kurz
nach der Darstellung ein. Gewöhnlich bleibt längstens 2 Monate nach der Darstellung
die Wirksamkeit eine nahezu constante, oder ist doch ein weiteres unbedeutendes
Zurückgehen nach längerer Zeit für die Praxis belanglos. Durch letzteres Verhalten
läſst sich der erwähnte Uebelstand genügend paralysiren. Das Zurückgehen findet in
höherem Maſse bei kräftiger als bei schwächer wirkenden Extracten statt, weshalb es
sich empfiehlt, nicht viel stärker als 1 : 18000 wirkende Essenzen herzustellen. Für
diese kann nach meinen Erfahrungen gelten, daſs sie innerhalb 2 Monate und zwar
anfangs schneller, später langsamer, ungefähr 30 Proc. an wirksamem Ferment
einbüſsen, von da an aber für 8 Monat – weiter reichen meine Beobachtungen nicht –
in ihrer Wirksamkeit constant bleiben. Bei der Erzeugung für den Verkauf würde sich
daraus die Regel ergeben, nur 2 Monate alte Präparate abzugeben, da nur für solche
garantirt werden kann, daſs sie die zur Zeit der Abgabe ermittelte Stärke für
längere Dauer beibehalten. Bei Erzeugung für den eigenen Bedarf wäre bei Verwendung
frisch erzeugter Präparate höchstens alle 14 Tage eine Prüfung der Flüssigkeit
vorzunehmen, wenn man darauf Gewicht legt, daſs die Gerinnungsdauer nicht um 10 bis
15 Minuten länger ausfällt, als man beabsichtigte.
Die Vorschrift zur Bereitung einer Borsäure-Labflüssigkeit mit einer constanten
Wirksamkeit von 1 : 10000 würde sich nach dem Mitgetheilten, wie folgt, ergeben:
Getrocknete Kälbermagen, womöglich wenigstens 3 Monate lang aufbewahrt, von denen
man den faltenlosen Theil weggeschnitten, werden in ungefähr 1cm im Quadrat groſse Stückchen zerschnitten. Zur
Extraction nimmt man auf je 100g Kälbermagen 1l Wasser, 50g
gewöhnliches Kochsalz und 40g Borsäure, schüttelt
gut um und läſst bei gewöhnlicher Zimmertemperatur die Extraction vor sich gehen,
die man alle Tage durch öfteres Umschütteln unterstützt. Nach dieser Zeit erhöht man
den Kochsalzgehalt der Flüssigkeit durch Zugabe weiterer 50g Kochsalz auf ungefähr 10 Proc. und filtrirt
durch groſse doppelte Faltenfilter aus dem Filtrirpapier; dies geht ziemlich
langsam. Durch ein Filter (ganze Bogengröſse) filtrirt in 2 Tagen 1l. Mehr als 1l,5
durch ein Filter zu filtriren, ist wegen eintretender Verstopfung nicht gut
thunlich. In der Regel bekommt man von 1l
verwendeten Wassers 800cc Filtrat, das anfänglich
eine Wirksamkeit von 1 : 18000 zeigt. Rechnet man nach meinen Erfahrungen 30 Proc.
Verlust an wirksamem Ferment bis zum Eintritt der Wirksamkeitsconstanz, so wären die
800cc Filtrat durch Zugieſsen von 200cc mit Borsäure gesättigter 10proc. Kochsalzlösung
auf 1l zu ergänzen, um eine Labflüssigkeit zu
erhalten, die nach zweimonatlicher Lagerung ziemlich genau die Wirkung von 1 : 10000
zeigt. Die Herstellungskosten belaufen sich für 1l, wie folgt:
3 bis 3½ Kälbermagen zu 20 Pf
63 bis
70 Pf.
50g Borsäure
10 "
Kochsalz und Filtrirpapier
5 "
––––––––––––
Im Ganzen
75 bis
85 Pf.
Bei Benutzung der Borsäure-Labessenz muſs sich selbstverständlich die ganze Borsäure
in den Molken befinden; dem Käse können höchstens jeder Nachweisung sich entziehende
Spuren anhaften. Die Molken können auf jede beliebige Weise benutzt werden, da eine
Million Theile Molken nur 4 Theile der ohnedies ganz unschädlichen Borsäure
enthalten.
Fast ebenso gute Dienste wie die Borsäure leistet der Alkohol; in dem einen steht er
jedoch der Borsäure nach, daſs die mit Alkohol versetzten Labflüssigkeiten immer in
wohl verschlossenen Flaschen aufbewahrt werden müssen. Im anderen Falle bilden sich
nach einigen Wochen an der Flüssigkeitsoberfläche Mykoderma-Häute, es tritt
Essigsäurebildung und später Fäulniſs ein.
Eine genaue Prüfung des bereiteten Labs, sei dasselbe für den Handel oder den eigenen
Gebrauch bestimmt, ist selbstverständlich von Wichtigkeit. Da man derartige
Prüfungen, besonders wenn sie öfters vorkommen, nur mit kleineren Milchmengen
ausführen will, so muſs man, wenn im Kleinen dasselbe Verhältniſs von Lab zu Milch
eingehalten werden soll wie beim eigentlichen Käsungsproceſs, dafür Sorge tragen,
daſs die Milch während der ganzen Zeit des Coagulirungsversuches die gewünschte
Temperatur constant beibehält. Man kann die umständliche Operation der Anwendung
eines Wasserbades mit constanter Temperatur umgehen, wenn man die Gerinnungsdauer
durch Anwendung einer
entsprechend gröſseren Labmenge verkürzt und so viel Milch zu dem Versuch nimmt,
daſs die während des Versuches eintretende Abkühlung nur von zu vernachlässigendem
Einfluſs ist.
Aus der Gerinnungsdauer kann man bei Verwendung gröſserer Labmengen die Wirkung
kleinerer Labmengen direct ermitteln; denn die Gerinnungszeiten sind bei gleicher
Temperatur den auf einen Theil Lab entfallenden Milchquantitäten direct
proportional. Von mehreren bei verschiedenen Temperaturen angestellten
Versuchsreihen, aus denen diese Gesetzmäſsigkeit hervorgeht, füge ich hier die bei
35° ausgeführte bei. Von einer Borsäure-Labflüssigkeit, die genau wie 1 : 10000
wirkte, wurden je 10, 20, 50 und 100cc auf 1l verdünnt und davon sehr genau gemessene Mengen
verschiedenen Portionen Milch zugesetzt, die auf 35° erwärmt war und während des
ganzen Versuches im Wasserbade constant auf dieser Temperatur erhalten wurde.
Verdunnungs-grad der
Lab-flussigkeit
VerwendeteverdünnteLabflüssig-keit
Entsprechendursprüng-licher
Lab-flüssigkeit
AngewendeteMilchmenge
Verhaltniſsvon Lab zurMilch
Gerinnungs-Dauer
cc
cc
cc
cc
Min.
Sec.
10
2
0,02
200
1 : 10000
40
–
10 10 10 10 10 20 20 50100100
auf 1l
2233323223
0,020,020,030,030,030,040,060,100,200,30
180160210180150160180200200150
1 : 9000 1 : 8000 1 : 7000 1 : 6000 1
: 5000 1 : 4000 1 : 3000 1 : 2000 1 :
1000 1 : 500
363228242016128 4 2
–30–30–30–1510 6
Aus dieser Tabelle ist ersichtlich, daſs man durch Bestimmung der Gerinnungsdauer bei
Anwendung einer zehnfach gröſseren Labmenge, als man bei der Käseerzeugung zu nehmen
beabsichtigt, in ganz kurzer Zeit, wenigen Minuten, und mit ausreichender
Genauigkeit die Gerinnungsdauer für den eigentlichen Käsungsvorgang ermitteln kann.
Bei kurzer Gerinnungsdauer erfolgt der Uebergang aus dem flüssigen Zustand in den
gallertartigen verhältniſsmäſsig sehr rasch, so daſs man den Anfang des
Geronnenseins auf einige Secunden genau bestimmen kann, und zwar wähle man sich als
Endreaction die Erscheinung, daſs beim Neigen des Gefäſses (Flasche) sich an der
Oberfläche eine eben deutlich merkbare Kante bildet. Als Anfang der Gerinnungsdauer
galt bei mir der Moment, in welchem ich die Flüssigkeit, nachdem die Lablösung aus
einer Pipette zugelaufen war, umschüttelte. Wählt man für die Vergleichung der
Labstärke die von mir angenommenen Ausgangspunkte, die Temperatur von 35° und die
Gerinnungsdauer von
40 Minuten, und nennt man, wie ich es hier schon mehrfach gethan habe, das
Verhältniſs der Labmenge, welche unter den angegebenen Umständen die Gerinnung
veranlagst, zum gerinnenden Milchquantum kurzweg „die Wirkung“ der
Labflüssigkeit, so läſst sich aus einem beliebigen, aber bekannten Verhältniſs von
Lab zu Milch, wenn die Gerinnungsdauer bekannt ist, die Wirkung der Labflüssigkeit
berechnen.
Hätte z.B. 1 Vol.-Th. einer Labflüssigkeit 1700 Vol.-Tli. Milch
bei 35° in 9½ Minuten gedickt, so würde 1 Th. dieser Labessenz in 40 Minuten 7158
Th. dicken (nach dem Ansatz 9,5 : 1700 = 40 : x); die
„Wirkung“ wäre rund 1 : 7200. Oder man hätte eine durch den Handel
bezogene Labflüssigkeit, die laut Angabe 8000 Th. Milch bei 35° in 30 Minuten dick
legen sollte, von geringerer Wirksamkeit bei der ersten Verwendung zur Käseerzeugung
befunden, indem z.B. 380l Milch bei der
angegebenen Temperatur nicht durch 47cc,5 Lab in
30, sondern erst in 38 Minuten dick gelegt wurden. Ist es nun für die Erzeugung
einer bestimmten Käsesorte gerade von Belang, daſs die Gerinnungszeit nicht über 30
Minuten betrage, so wird man nach Obigem leicht berechnen können, wie viel Lab man
das nächste Mal zu dieser Milchmenge wird nehmen müssen, damit die Gerinnungszeit
genau 30 Minuten betrage, nämlich (38 × 47,5) : 30 = 60cc,2.
Hiernach läſst sich nun die Labprüfung derart vereinfachen, daſs man 1l Milch in einer etwa 1l,5 fassenden gewöhnlichen Wasserflasche in
passender Weise auf 35° oder eine andere Temperatur, wie sie eben beim eigentlichen
Käsungsproceſs eingehalten werden soll, erwärmt, 1cc der zu prüfenden Labflüssigkeit hinzusetzt, sofort umschüttelt, die
Zeit nach der Taschenuhr auf einige Secunden genau notirt und die Flasche bei
gewöhnlicher Zimmertemperatur hinstellt. Von Zeit zu Zeit neigt man die Flasche und
notirt als Ende der Gerinnungsdauer die Zeit, zu welcher sich beim Neigen an der
Oberfläche der gallertartig gewordenen Masse eine Kante bemerklich macht. Die
Gerinnung wird, wenn man derartige Labessenzen, wie sie jetzt im Handel erscheinen,
bereitet, in 3 bis 5 Minuten eingetreten sein. Die gefundene Gerinnungsdauer mal 10
gibt die Gerinnungszeit für das Verhältniſs von 1 : 10000. Die Temperatur der Milch
sinkt während des Versuches um höchstens 0,5°; in einem von mir angestellten
Versuche sank die Temperatur von 1l Milch von 35°
(bei 21° Zimmertemperatur) nach 5 Minuten um 0,3°. Als selbstverständlich kann
gelten, daſs man nur Milch von gleicher Beschaffenheit vergleicht, d.h. ganze Milch
mit ganzer, abgerahmte mit abgerahmter, oder richtiger Milch, die annähernd gleiche
Zeit gestanden, also ziemlich gleichen Säuregrad hat. Zu meinen Versuchen benutzte
ich immer frisch gemolkene Milch. (Im Auszuge aus einem vom Verfasser gef.
eingesendeten Sonderabdruck aus der Milchzeitung,
1877.)
Laboratorium der chemischen Versuchsstation in
Wien.