Titel: | Mörtel-Steinmassen. |
Fundstelle: | Band 228, Jahrgang 1878, S. 183 |
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Mörtel-Steinmassen.
Zernikow's Mörtel-Steinmassen.
Das Kaiserliche Patentamt hat an Dr. Zernikow
zu Oderberg i. d. Mark auf ein Verfahren zur Herstellung künstlicher Steine durch Kochen von
Mörtelmischungen das Patent Nr. 502 vom 2. Juli 1877 ab ertheilt.
Die Grundbestandtheile der Steinmasse, Sand und gelöschter Kalk, haben sich schon
seit Jahrhunderten den atmosphärischen Einflüssen gegenüber bewährt, und wenn durch
das Kochen in Dampfkesseln, wie der Patentnehmer behauptet und die Proben zu
beweisen scheinen, eine Verbindung von Kieselerde und Kalk entsteht, scheint die
patentirte Steinmasse ein durch Wasserdampf künstlich versteinerter Mörtel zu sein,
dessen Härte durch Aufnahme von Kohlensäure aus der Luft immer mehr zunimmt. Die
Probestücke zeigen durchaus die Härte guter natürlicher
Sandsteine; sie sind jetzt über 1 Jahr alt und früher offenbar weicher
gewesen, da ihre Härte, nach der Patentbeschreibung, kurz nach dem Gusse, nur so
gering gewesen ist, daſs dieselben noch mit dem Messer schneidbar waren. Risse und
Sprünge sind nirgends bemerkbar, können auch wohl in späterer Zeit kaum erwartet
werden, da die Verbindung von Kalk und Sand unter Einwirkung von heiſsem Wasser nur
bei so geringen Hitzegraden (zwischen 120 bis 150°) erfolgt ist, daſs eine Reduction
des Kalkhydrates in freien Aetzkalk, der allein ein „Treiben“ veranlassen
könnte, nicht hat stattfinden können.
Was die Herstellungskosten betrifft, so wird der Preis der
Rohmaterialien – 80 bis 90 Proc. Sand und 10 bis 20 Proc. gelöschter Kalk – für die
meisten Fälle in der Verwendung kaum höher zu veranschlagen sein, als die
Thonlieferung für die Ziegelsteinfabrikation. Die Zeitdauer der Erhitzung ist in
beiden Fällen fast dieselbe, während der Erhitzungsgrad für Ziegel bis zum
Weiſsglühen, für Mörtelstein aber nur bis 150° geht. Der Brennmaterialienverbrauch
wird daher, für die Gewichtseinheit berechnet, bei dem neuen Kunststein kleiner sein
als für Ziegel.
In der Patentbeschreibung wird empfohlen, zur Herstellung aller
Bauglieder von prismatischer Form, als da sind: Bahn- und Gitterschwellen, gerade
Treppenstufen, Sockel-, Brust- und Hauptgesimse, Thür- und Fenstereinfassungen,
Verdachungen u.a., die Masse in der Consistenz des steifen Thones zu verwenden und
ähnlich wie bei der Maschinen-Ziegelfabrikation mittels Pressen durch ein passendes
Mundstück zu drücken. Das Fabrikat soll als Ersatz für Sandstein-Werkstücke, sowie
für Gyps- und Cement-Guſswaaren in der Bautechnik verwendet werden, und, da der neue
Mörtelstein gleich wetterbeständig in der Luft wie im Wasser ist, auch vom Froste
nicht angegriffen wird, so würde er die Gebirgssandstein-Werkstücke wegen der
Billigkeit des Preises, die Gypsornamente wegen der Härte und Wetterbeständigkeit
und die Cementguſswaaren wegen der Sicherheit gegen Risse und Sprünge
übertreffen.
Das specifische Gewicht des neuen Kunststeines schwankt in der
Probestücken zwischen 1,3 bis 1,6 und ist daher dem specifischen Gewicht gut
ausgebrannter Ziegelsteine etwa gleich zu erachten. Alle Fabrikationskosten
zusammengenommen, würden 100k der geformten Steine
von prismatischem Querschnitt, in beliebig groſsen Volum hergestellt, etwa 2 M.
kosten. Wegen der groſsen Billigkeit des neuen Mörtelsteines kann daher in der
Bautechnik das Ziel verfolgt werden, alle Gesimse u. dgl. selbst bei den
gewöhnlichen Wohnhäusern aus Mörtelstein herzustellen, so daſs den Maurern auf der
Baustelle nur die Arbeiten des vollen Mauerwerkes auszuführen blieben.