Titel: | Ueber die directe Bestimmung des Intensitätsgrades explosiver Mischungen und die Anwendung dieser Methode auf das Schiesspulver; von Chabrier. |
Fundstelle: | Band 214, Jahrgang 1874, Nr. LXIV., S. 250 |
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LXIV.
Ueber die directe Bestimmung des
Intensitätsgrades explosiver Mischungen und die Anwendung dieser Methode auf das
Schiesspulver; von Chabrier.
Chabrier, über directe Bestimmung des Intensitätsgrades explosiver
Mischungen etc.
Verfasser hat durch zahlreiche ballistische Versuche nachgewiesen, daß die Ansichten
über den Grad der Wirksamkeit der gebräuchlichen Zerkleinerungsmittel und über die
specifischen
Eigenschaften, welche sie dem Schießpulver mittheilen können, größtentheils
unbegründet sind. Man glaubt nämlich gewöhnlich, daß das in Stampfmühlen fabricirte Kanonenpulver aus Gründen, die übrigens nicht
näher erörtert werden, rücksichtlich der Conservirung der Geschütze specielle
Vortheile besitze, welche dasselbe insbesondere für den Schuß mit
Bronze-Kanonen empfehlen und ihm dem in Walzmühlen
fabricirten Pulver gegenüber den Vorzug geben. Man schreibt zugleich dem Zerpulvern
in Walzmühlen eine langsame und unbestimmt progressive Wirkung zu, welche in
gewissen Fällen Veranlassung gäbe, diese Operation über drei und selbst vier Stunden
hinaus zu verlängern. Endlich gibt man ziemlich allgemein die Möglichkeit zu, das
Zermalmen durch Walzwerke dadurch abzukürzen, daß man die Materialien einer
vorgängigen Zerkleinerung in Pulverisirtrommeln
unterwirft, in welchen sie mit kleinen Bronzekugeln der Rotation ausgesetzt werden.
Verf. hat nachgewiesen, daß diese Ansichten entweder ungenau sind, oder auf eine
falsche Auslegung der Resultate sich stützen.
Zu seinen Untersuchungen über diesen Gegenstand benützte Verf. die Wirkungen, welche
die Verbrennung der explosiven Körper auf gewissen Reagenspapieren hervorbringt.
Insbesondere bediente er sich zur Prüfung der Pulvergattungen eines mit Jodstärke
gefärbten Papieres. Die Blätter des Reagenspapieres werden leicht angefeuchtet und
mit den Rändern auf Glasplatten von denselben Dimensionen geleimt. Der correcten
Vergleichung wegen müssen die der Probe unterworfenen Pulversorten die gleiche
Zusammensetzung und ihre Körner die gleiche Dicke, womöglich auch die gleiche
Dichtigkeit haben; kurz sie dürfen sich nur durch die Art der Pulverisirung
unterscheiden.
Man streut auf das vorher getrocknete Papier das Pulver in Form eines regelmäßigen
Streifens oder eines Kreises und zwar so, daß es eine gleichmäßige Schicht mit nebeneinander, nicht übereinander gelagerten Körnern bildet. Das Gewicht des für diesen Zweck
angewendeten Pulvers beträgt gewöhnlich 1/2 Grm. Man entzündet hierauf das Pulver
und untersucht die durch seine Verbrennung hinterlassene Spur. Diese Spur, welche
mit der Beschaffenheit und dem Zustande des sie erzeugenden Pulvers sich ändert, hat
mit einem Pulver gleicher Art, welches auf gleiche Weise zerkleinert wurde, immer
das gleiche Aussehen, und ist somit charakteristisch für dieses bestimmte Pulver.
Mit großer Genauigkeit läßt sich auf diese Weise der mehr oder weniger vorgerückte
Pulverisations- und Mengungszustand der betreffenden Materialien
erkennen.
Unmittelbar nach der Entzündung fällt der hinterlassene Abdruck nicht sehr in die
Augen; er erlangt aber rasch ein um so netteres Aussehen, je wirksamer das Pulver
zerkleinert worden war. Man bemerkt zunächst an der Stelle des Pulvers und in der
unmittelbaren Umgebung desselben schwarze Flecke – denjenigen ziemlich
ähnlich, welche Pulverkörner, auf dem Papier zerdrückt, hervorbringen würden. Diese
Flecke sind um so gedrängter, zahlreicher und zugleich dünner, je besser die
Pulverisirung und je inniger die Mengung. War dagegen die Pulverisirung
unvollkommen, so kommen die Flecke spärlicher vor, sie liegen weiter auseinander,
erscheinen außerdem stärker aufgetragen und rußartig. Von dieser mit schwarzen
Punkten besäeten Stelle aus erstrecken sich schwarze mehr oder weniger ansehnliche
Ausläufer nach verschiedenen Richtungen. Diese Striche, welche von Zerstreuung der
in den ersten Momenten der Entzündung nicht verbrannten Körner herrühren, treten um
so spärlicher auf, je weiter die Zerpulverung vorgeschritten war. Endlich heben sich
diese schwarzen Abdrücke von einem mitten auf dem bläulichen Papier gebildeten
großen weißen Flecken ab. Die Intensität und Nettigkeit dieses weißen Grundes sind das
hervorragendste Kennzeichen der in Rede stehenden Reaction; seine Farbe ist um so
glanzloser und seine Ausdehnung um so größer, je besser das Pulver zerrieben war.
Bei minder vollständiger Zerpulverung verschwimmen die Ränder der weißen Aureole in
röthliche Nüancen. Man bemerkt außerdem auf dem pyrographischen Bilde unvollkommener
Pulvergattungen weiße Tüpfelchen, die sich außerhalb des zusammenhängenden weißen
Grundes verbreiten. Diese Tüpfelchen, welche von Potaschekügelchen herrühren und
sich unter dem Einflusse der atmosphärischen Feuchtigkeit vergrößern, sind um so
zahlreicher und in einem um so größeren Umkreis verbreitet, je weniger vollständig
die Substanz zerpulvert war; sie fehlen bei hinreichender Zerkleinerung beinahe
ganz.
Bei der Verbrennung gewisser grob fabricirter Pulversorten beobachtet man ferner als
Rückstand kleine runde, gewöhnlich schwarze oder graue Körner, welche aus
geschmolzenem mit salpetrigsaurem Kali gemengtem Salpeter bestehen und theilweise
mit dem Staube unverbrannter Kohle bedeckt sind. Das Erscheinen dieser Körner ist
das sichere Kennzeichen einer sehr unvollkommenen Pulverisation. Endlich sieht man
in einigen Fällen, z.B. bei groben Sprengpulvern, welche eine starke Dosis Schwefel
enthalten, die schwarzen Flecken mit gelblichen Säumen eingefaßt.
Mit Hilfe der in Rede stehenden Methode ist es dem Verf. gelungen, die sehr kurze
Zeit, welche die Zerkleinerung in Pulverwalzmühlen bei Anfertigung des gewöhnlichen
Kanonenpulvers in Anspruch nimmt, bis auf wenige Minuten genau zu bestimmen, die
Geschwindigkeit zu beobachten, womit die unter den Läufern der Walzmühle
pulverisirte Substanz während der ersten Stunde von Moment zu Moment sich
modificirt, die rasche Verminderung dieser Wirkung nach der ersten Stunde zu
verfolgen, und den Moment, wo sie unmerklich wird, zu constatiren. Endlich hat Verf.
den Beweis geliefert, daß das Zerkleinern in Pulverisirtrommeln, so lange es auch
fortgesetzt werden mag, nie die Wirksamkeit des raschen Zermalmens in Walzmühlen
erreichen kann. Es sei nur noch hinzugefügt, daß die Genauigkeit der soeben
aufgezählten Resultate durch die gewöhnlichen Pulverproben vollständig bestätigt
worden ist. (Comptes
rendus, 1874 t. LXXVIII p. 1138.)
P.