Titel: | Ueber Salpetersäureverluste bei der Fabrikation englischer Schwefelsäure; von W. Hasenbach. |
Fundstelle: | Band 214, Jahrgang 1874, Nr. XXXIII., S. 137 |
Download: | XML |
XXXIII.
Ueber Salpetersäureverluste bei der Fabrikation
englischer Schwefelsäure; von W.
Hasenbach.
Nach den Berichten der deutschen chemischen Gesellschaft,
1874 S. 678.
Hasenbach, über Salpetersäureverluste bei der Fabrikation engl.
Schwefelsäure.
Die Verlustquellen der Salpetersäure beim Kammerproceß sind wahrscheinlich dreierlei
Art. Ein Theil derselben wird von der Kammersäure zurückgehalten, ein Theil geht
in Folge mangelhafter Absorption im Gay-Lussac-Thurm oder fehlerhafter Leitung des Processes in die
Luft, und ein Theil wird wahrscheinlich zu Stickoxydul oder Stickstoff reducirt.
Der Verf. hat sich vorläufig nur mit dem in der Kammersäure absorbirten Theil
beschäftigt. Es handelt sich hierbei darum, eine genaue und nicht zu complicirte
Methode der Salpetersäurebestimmung in der Kammersäure zu finden. Zu diesem Zweck
glaubte der Verf. die Einwirkung von schwefelsaurem Ammon auf nitrose Schwefelsäure
verwenden zu können, wenn es gelang, die Natur dieser Verbindung festzustellen.
Eine Nitrose (Thurmsäure), die – nach Gerstenhöfer's Methode untersucht – einen Salpetersäuregehalt,
entsprechend 4,8 Proc. Natronsalpeter haben sollte, wurde mittels einer Pipette
unter eine Kalilauge von ca. 1,17 spec. Gewicht derart
geschichtet, daß die 1,7 schwere Säure sich auf dem Boden des Kolbens ansammelte.
Läßt man die Nitrose sehr langsam und vorsichtig ausfließen, so entwickelt sich bei
der Reaction keine Spur von Stickoxyd. In der erhaltenen Lösung sind die
Salpetersäureverbindungen der Nitrose jedenfalls als salpetrigsaures Kali enthalten,
und es läßt sich in ihr der Stickstoff nach der Methode von Siewert (Reduction mit Zinkstaub und Eisenfeile) sehr genau als Ammoniak
bestimmen.
In 10 K. C. dieser Nitrose wurden so gefunden: a) 0,10619
Grm. und b) 0,10620 Grm. Stickstoff – also in
zwei Bestimmungen nahezu gleiche Resultate.
Dieser Stickstoffgehalt entspricht bei einem spec. Gewicht der Nitrose von 1,7 einem
Gehalt von 3,78 Proc. Chilisalpeter; durch Titriren mit chromsaurem Kali wurden
gefunden 4,8 Proc.; also ist die Tabelle, welche Gerstenhöfer für die Werthbestimmung der Nitrose auf Grund dieser
Titrirung gibt, nicht richtig.
Nachdem auf diese Weise der Stickstoffgehalt der Nitrose festgestellt war, wurde
untersucht, in welcher Weise dieselbe sich mit schwefelsaurem Ammon zersetzt. 10 K.
C. der Nitrose wurden mit ganz reiner, namentlich nitrosefreier Schwefelsäure von
1,66 spec. Gewicht auf ca. 150 K. C. verdünnt, hierzu
ca. 6 Grm. reines schwefelsaures Ammon gegeben, der
Kolben luftdicht verschlossen, die Luft aus ihm durch Kohlensäure verdrängt, der
Kolben unter fortwährendem Einleiten von Kohlensäure erhitzt und das sich
entwickelnde Stickgas in einem Eudiometer mit Kalilauge aufgefangen. Es wurden
0,248528 Grm. Stickstoff erhalten.
In der nitrosen Thurmsäure können die Stickstoffverbindungen entweder als
Untersalpetersäure oder als salpetrige Säure oder als ein Gemenge von beiden Verbindungen
enthalten sein. Im ersten Fall müßte die Umsetzung stattfinden nach der
Gleichung:
3 NO₂ + 4 NH₃ = 6 H₂O + 7 N (3 NO₄ + 4 NH₃ =
12 HO + 7 N);
im zweiten Fall nach der Gleichung:
N₂O₃ + 2 NH₃ = 3 H₂O + 4 N (NO₃ + NH₃ = 3
HO + 2 N).
Im ersten Fall müßten also 3/7 der bei der Zersetzung mit schwefelsaurem Ammon
gefundenen Stickstoffmenge, im zweiten Fall die Hälfte derselben, dem Stickstoff
entsprechen, welcher in der nitrosen Säure enthalten ist.
Gefunden wurde nun durch directe Bestimmung 0,10619 Grm. Stickstoff durch Zersetzen
mit schwefelsaurem Ammon 0,248528 Grm. Stickstoff; 3/7 hiervon gibt die Zahl
0,106512.
Eine zweite Nitrose, in derselben Weise untersucht, ergab direct bestimmten
Stickstoff 0,0950 Grm., durch Zersetzen mit schwefelsaurem Ammon 0,21628 Grm.; 3/7
hiervon gibt 0,09272 Grm. Stickstoff.
Es ist also hiermit bewiesen, daß die in der Thurmsäure enthaltene
Stickstoffverbindung (eine Lösung der bekannten Kammerkrystalle) Untersalpetersäure
und nicht salpetrige Säure, wie meistens angenommen wird, enthält.
Zur Bestimmung der Stickstoffverbindungen in der Kammersäure war die Zersetzung mit
schwefelsaurem Ammon ohne Weiteres nicht anwendbar. Es ist sehr wohl denkbar, daß
die bedeutend schwächere Kammersäure (spec. Gewicht von 1,54) die
Stickstoffverbindungen in einer anderen Form enthält, vielleicht gar nicht als
constante chemische Verbindung, sondern nur mechanisch beigemengt, zumal ihr bei der
jetzt noch meist üblichen Zersetzung der Nitrose durch Dampf und Wasser eine Säure
zugeführt wird, welche die Salpeterverbindungen nicht mehr als Untersalpetersäure
enthält, wie die oft blaue Farbe des zersetzten Nitrose-Ablaufes beweist. Es
mußte daher erst die Natur der in der Kammersäure enthaltenen Stickstoffverbindungen
festgestellt werden.
Zur directen Bestimmung des Stickstoffes in der Kammersäure ist Siewert's Methode nicht mehr anwendbar, da man zu große Mengen in Arbeit
nehmen müßte; ebenso wollte es nicht gelingen, die Salpeterverbindungen nach deren
Ueberführen in Salpetersäure (durch chromsaures Kali) durch Destillation einer
größeren Menge von Kammersäure zu concentriren.
Nach Weber reducirt schweflige Säure die
Stickstoffverbindungen nitroser Schwefelsäure zu Stickoxyd, aus dessen Menge sich
der Stickstoffgehalt einer solchen Säure bestimmen lassen mußte. Um diese Methode zu
prüfen, wurden 10 K. C. der Nitrose, welche 0,10619 Grm. Stickstoff in dieser Menge
enthält, mit reiner Schwefelsäure von 1,66 spec. Gewicht auf ca. 100 K. C. verdünnt, die Luft aus dem Kolben durch Kohlensäure
verdrängt, schweflige Säure durchgeleitet, die abziehenden Gase über eine Schicht
glühender Kupferdrehspäne geleitet und über Kalilauge aufgefangen. Erhalten wurden
0,10964 Grm. Stickstoff. Die Methode ist also anwendbar.
Zu bemerken ist übrigens, daß die Nitrose durch schweflige Säure zwar vollkommen
denitrirt wird, die Reduction der Salpeterverbindungen dagegen
nicht blos bis zu Stickoxyd, sondern zuweilen bis zur Bildung von Stickoxydul
geht. Diese für die Schwefelsäurefabrikation in letzter Zeit so wichtig
gewordene Reaction bedarf indessen noch einer genaueren UntersuchungVergl. dies Journal, Bd. CCXIII, erstes und zweites Septemberheft 1874, S.
411 und 506.D. Red. v. D. p. J.; bei einigen vorläufigen Versuchen wurde sowohl Stickoxyd wie Stickoxydul
erhalten, ohne daß indessen festgestellt wurde, unter welchen Verhältnissen das eine
oder das andere hauptsächlich auftritt.
Zur directen Bestimmung des Stickstoffes in der Kammersäure wurden 400 K. C. Säure
verwendet, und die Salpeterverbindungen in ihr durch schweflige Säure reducirt.
Gefunden wurden 0,0444 Grm. Stickstoff. Die Zersetzung der Nitrose erfolgt bei
gewöhnlicher Temperatur, wird aber durch Erwärmen sehr beschleunigt.
Mit schwefelsaurem Ammon zersetzt, gaben 400 K. C. dieser Kammersäure 0,09409 Grm.
Stickstoff; 3/7 hiervon gibt 0,0403 Grm. Durch Zersetzung mit schwefliger Säure
gefunden 0,0445.
Also sind auch in dieser Kammersäure die Stickstoffverbindungen in der Form von
Untersalpetersäure enthalten.
Dasselbe Resultat wurde bei drei anderen in gleicher Weise untersuchten Kammersäuren
gefunden; eine Reihe längere Zeit fortgesetzter Bestimmungen wird lehren, ob
dasselbe für alle Verhältnisse des Kammerganges Giltigkeit hat.
Kammersäure, deren Stickstoff man durch Zersetzen mit schwefelsaurem Ammon bestimmen
will, muß mit dem gleichen Volumen reiner Schwefelsäure von 1,85 spec. Gewicht
versetzt werden, da sonst schon Zersetzung bei gewöhnlicher Temperatur, während man
die Luft aus dem Apparat durch Kohlensäure verdrängt, stattfindet.
0,0445 Grm. Stickstoff in 400 K. C. Kammersäure entsprechen ca. 16,9 Grm. Chilisalpeter pro Kubikfuß
dieser Säure. Nimmt man diesen Gehalt als Durchschnittsgehalt, so repräsentirt er bei einer Production von
60000 Ctr. 66grädiger Schwefelsäure ein Quantum von ca.
38 Ctr. Chilisalpeter, d. i. ungefähr 6 Proc. des Salpeters, welcher zur Fabrikation
dieser Säuremenge verbraucht wird.