Titel: | Ueber den Kesselstein verhindernde Mittel und die Methoden des Weichmachens des Wassers; von Joh. Stingl. |
Autor: | Johann Stingl |
Fundstelle: | Band 209, Jahrgang 1873, Nr. XXIX., S. 175 |
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XXIX.
Ueber den Kesselstein verhindernde Mittel und die
Methoden des Weichmachens des Wassers; von Joh. Stingl.
Mit Abbildungen auf Tab.
III.
Stingl, über den Kesselstein verhindernde Mittel und die Methoden
des Weichmachens des Wassers.
In demselben Maaße als die Industrie sich hebt und die Schienenstränge immer weitere
und weitere Ländergebiete an einander ketten, wächst auch die Anzahl und Bedeutung
der Dampfkessel und Locomotiven.
Der größte Feind dieser für den Gesammtfortschritt der Menschheit so wichtigen
Kraft-Erzeuger ist ein schlechtes, sogenanntes hartes Speisewasser, und zwar ist es eine der sonst
vorzüglichsten Eigenschaften des Wassers, nämlich sein allgemeines Lösungsvermögen
für gasförmige, flüssige und feste Körper, welche demselben sowohl für die Zwecke
der Kesselspeisung als auch für mehrere Industriezweige,
wie Bleichereien, Färbereien, Wäschereien u.s.w. eine so
schädliche Wirkung ertheilt.
Unter den vielen Körpern welche das Wasser während seines Kreislaufes durch die
Atmosphäre, durch die fruchtbare Ackerkrume oder durch den kahlen Steinboden,
– durch die feinen Ritzen und Spalten der Erdkruste – löst, sind von
den gasförmigen Körpern besonders Kohlensäure
und Schwefelwasserstoff, und von den festen Körpern der kohlensaure Kalk, die kohlensaure Magnesia, der schwefelsaure
Kalk (Gyps), das Chlormagnesium und saure
schwefelsaure Metallsalze welche häufig in Grubenwässern enthalten sind,
jene schädlichen Bestandtheile, die dessen Härte bedingen und am häufigsten beim
Verdampfen des Wassers Veranlassung zur Bildung der so schädlichen Kesselsteine geben. Chlormagnesium, dessen Lösung sich
beim Verdampfen zum Theil in Salzsäure und in das in
Wasser unlösliche basische Chlormagnesium zerlegt, bedingt hierdurch das
Angegriffenwerden des Kesselbleches. Denselben nachtheiligen Einfluß üben saure Grubenwässer und Schwefelwasserstoff.Privoznik, im polytechn. Journal, 1873 S. 132 und 320.
Am häufigsten bilden sich aber Kesselsteine in Folge eines Gehaltes des Speisewassers
an kohlensaurem Kalke, an kohlensaurer Magnesia und an Gyps, welche erstere zwei
Körper bekanntlich in der im Wasser enthaltenen Kohlensäure als
doppelt-kohlensaure Salze gelöst sind. Diese beiden Körper fallen als
einfach-kohlensaure Salze in Form eines weißen Niederschlages heraus, sobald
das Wasser anhaltend zum Sieden erhitzt wird, indem
hierbei jenes Kohlensäurequantum mit den Wasserdämpfen gasförmig entweicht, das den
kohlensauren Kalk und die kohlensaure Magnesia löslich machte.
Mit dem Gyps hat es eine andere Bewandtniß.
Besonders zwei Ursachen tragen zu dessen Ausscheidung im Kessel bei. Einmal ist
derselbe in Wasser schwer löslich und es muß daher beim Verdampfen des Wassers
endlich ein Zeitpunkt eintreten, wo die Menge des Gypses im Kesselwasser so
angereichert ist, daß derselbe sich ausscheidet; dazu kommt dann noch, daß bei höherem Drucke diese Abscheidung viel früher erfolgt, als
den gewöhnlichen Verhältnissen entspricht, wie die Untersuchungen Cousté's über die Kesselspeisung mit Meereswasser
zeigen. Nach denselben tritt unter gewöhnlichen Umständen die oben erwähnte
Gypsabscheidung ein, wenn das Wasser eine Dichte von 13° Baumé
erreicht. Bei erhöhtem Drucke aber erfolgt dieselbe für je 1/5 Atmosphäre um
1° Baumé früher, als den normalen Verhältnissen entspricht.
Die Menge von Kesselstein, welche ein an obigen Salzen reiches Wasser im Dampfkessel
absetzt, ist oft sehr bedeutend und dessen Beschaffenheit verschieden. Im
Allgemeinen läßt sich wohl annehmen, daß ein größerer Gypsgehalt des Wassers die
Bildung fester Kesselsteine veranlaßt, obschon auch häufig sehr feste Ablagerungen
im Kessel erfolgen, wenn
das Wasser verhältnißmäßig arm an Gyps ist, aber viel kohlensauren Kalk neben
bedeutenderen Mengen kohlensaurer Magnesia enthält.
Um über die Menge von Kesselstein, welche sich aus manchen Speisewässern absetzt,
einen Begriff zu bekommen, seyen hier einige concrete Beispiele angeführt, in
welchen Wässer berücksichtigt werden, die factisch zur Speisung von Locomotiven und
Stabilkesseln verwendet werden.
Das Wasser der Station Wien am Südbahnhofe enthält, bevor es einer Reinigung
unterworfen wurde (was jetzt, wie wir in der Folge sehen werden, geschieht) in 1
Kubikmeter:Man s. polytechn. Journal, 1872, Bd. CCVI S. 304.
kohlensauren Kalk:
275,10 Theile
kohlensaure Magnesia:
165,62 „
schwefelsauren Kalk:
89,971 „
Nehmen wir nun an, eine Personenzug-Locomotive mit zwei gekuppelten
Treibachsen, die pro Stunde beiläufig 3,48 Kubikmeter
Wasser verdampft, machte einen Turnus von 6 Stunden und wurde während dieser Zeit
mit obigem Wasser gespeist, so mußte sich innerhalb dieses Zeitraumes, wenn wir nur
die kohlensauren Erdalkalisalze berücksichtigen, eine Kesselstein-Menge von
20 Zollpfund bilden, wovon ein geringer Theil pulverförmig bleibt und beim Waschen
entfernt werden kann; der größte Theil aber haftet in Folge des Gypsgehaltes, der
obige Gewichtsmenge vermehrt, fest an den Siederöhren; hierdurch häuft die Kruste
sich immer mehr an, und liefert endlich eine Incrustation, welche die Rohre
vollständig aneinanderkittet. Noch greller sind die Verhältnisse bei
Lastzugmaschinen. So lieferte eine solche Locomotive mit 3 Treibachsen, welche pro Stunde 4,75 Kubikmeter Wasser verdampft, unter den
vorhin angegebenen Bedingungen eine Kesselstein-Menge von 27 Zollpfund.
Das Wasser der Station Wien der Staatsbahn enthält in 1 Kubikmeter:Man s. polytechn. Journal, 1872, Bd. CCVI S. 304.
kohlensauren Kalk:
277,90 Theile
kohlensaure Magnesia:
105,12 „
schwefelsauren Kalk:
86,14 „
Dieses Wasser gibt daher in einer Lastzugmaschine mit 3 Treibachsen unter den früher
erwähnten Verhältnissen eine Kesselstein-Menge von mindestens 22
Zollpfund.
Nicht viel günstiger gestalten sich die Verhältnisse bei den Stabilkesseln, da
dieselben nicht so oft wie die Locomotive gereinigt werden.
Eine Stabilmaschine in der Werkstätte der Südbahn, die mit dem früher erwähnten
Wasser gespeist werden muß, verdampft pro Stunde 1
Kubikmeter Wasser. Die Arbeitsdauer beträgt 10 Stunden. Mithin verdampft ein solcher
Kessel täglich 10 Kubikmeter Wasser. Die Kessel mußten früher alle 6 Wochen geputzt
werden. Während dieser Zeit wurden daher 360 Kubikmeter Wasser verdampft. Dieses
Wasserquantum liefert aber eine Kesselsteinmenge von mindestens 3 Ctr. 37 Pfd.
Wenn man solche Mengen von Kesselstein berücksichtigt, so läßt sich leicht ermessen,
welche Nachtheile dieselben auf die Kesselwände, auf den Brennmaterialverbrauch und
auf die Reinigung der Kessel mit sich bringen, abgesehen von der Gefahr der
plötzlichen Zerstörung eines mit Kesselstein-Ablagerungen überladenen
Kessels.
Man war daher stets darauf bedacht und arbeitete mit allen Kräften dahin, die
schädlichen Einflüsse des Kesselsteines zu beheben oder die Bildung desselben ganz
hintanzuhalten. Dieß suchte man auf die verschiedenste Art und Weise zu erreichen:
durch eigenthümlich construirte Apparate in oder an den
Kesseln, durch sogenannte Kesselsteinhindernde Mittel
oder dadurch, daß man Condensationswasser zur
Kesselspeisung benutzte.
Von den vielen Apparaten, die zu diesem Zwecke in der Praxis zur Anwendung kamen und
meistens den Namen des Erfinders tragen, seyen erwähnt: der Haswell, Schau, Schäffer und Budenberg, Forster, Maier, Schön, Popper, BäkerBaker und in neuester Zeit der Friedmann'sche
Apparat. Die meisten dieser Apparate gründen ihre Berechtigung auf die früher
erwähnte Eigenschaft der in Wasser gelösten doppelt-kohlensauren Salze
– beim Erhitzen nämlich einen Theil Kohlensäure abzugeben und als
einfach-kohlensaure Salze in unlöslichem Zustande niederzufallen. Hierzu muß
bemerkt werden, daß nur dann der erwähnte Vorgang vollständig eintritt, wenn das
Wasser bis zum heftigen Sieden erhitzt wird und daß
hingegen in dem Falle, wo die Erwärmung desselben auf nur 80–90° C.
sich steigert, was meistens in den erwähnten Apparaten geschieht, höchstens die Hälfte der kohlensauren Erdalkalisalze gefällt wird. Der
Rest davon bildet dann um so festere Kesselsteine, indem an seiner Bildung
verhältnißmäßig mehr kohlensaure Magnesia theilnimmt, weil dieselbe bei einer
Erwärmung auf nur 90° C. noch weniger gut gefällt wird als der kohlensaure
Kalk.
Ein anderer Theil der Apparate basirt sich auf die angeblich im Kessel stattfindende
Strömung und Wallung des verdampfenden Wassers. Wer jedoch einmal beobachtet
hat, wie sich ein an kohlensauren Erdalkalisalzen reiches Wasser beim Kochen in
einem Glaskolben verhält, wird bemerkt haben, wie sich ein Theil der kohlensauren
Salze pulverförmig abscheidet und das Wasser trübt.
Der bei weitem größte Theil derselben bildet aber an den Wänden und am Boden des
Kolbens eine fest haftende Kruste, zu deren Entfernung
man oft verdünnte Salzsäure verwenden muß.
Was hier im Kleinen stattfindet, geschieht im Großen im Dampfkessel. Ein kleiner
Theil der inkrustirenden Bestandtheile des Wassers und zwar der weniger schädliche,
wird als pulveriger Niederschlag mit dem Wasser dessen Bewegungen theilen; der
andere Theil aber wird fest an den Kesselwänden oder Siederöhren haften und findet
noch als besseres Bindemittel den Gyps, auf den alle erwähnten
Apparate ohne Wirkung sind.
Aus den angegebenen Gründen lassen diese Apparate bei ihrer Anwendung viel zu
wünschen übrig, ja versagen in vielen Fällen gänzlich, wenn das Wasser reich an inkrustirenden Bestandtheilen ist.
Nicht viel günstigere Resultate erzielte man bisher mit den sogenannten Kesselstein
hindernden Mitteln.
Dieselben lassen sich nach C. Bischof
Polytechn. Journal, 1860, Bd. CLVI S. 236. in drei Kategorien theilen:
1) in chemisch-wirkende, wie Soda, ein Gemenge von
Soda und Wasserglas (holländische Composition), Salmiak, überhaupt
Ammoniakverbindungen, Aetzkalk, Chlorbaryum, alkalische Laugen, Erhitzen des Wassers
auf mindestens 150° C. u.s.w.;
2) in mechanisch-wirkende, d.h. in solche welche
neben der untergeordneten chemischen Wirkung eine pulverförmige Gestalt des
Kesselsteines bedingen sollen; hierher gehören: Melassen, überhaupt schleimige
Stoffe, Stärke, Kartoffeln, Thon, Bergseife, Sägespäne, gerbstoffhaltige Körper wie
Lohe u.s.w.;
3) in solche welche das Festhaften des Kesselsteines an den Wänden verhindern sollen,
wie Talg, Graphit, Kohle, Gemenge von diesen Stoffen, Kieselsteine u.s.w.
Was die chemisch-wirkenden Mittel anbelangt, so ist erwiesen, daß einige
derselben, in richtiger Menge auf das geeignete Wasser angewendet, die nachtheiligen Wirkungen
des Kesselsteines zum Theil beheben, indem dieselben theilweise aus den in dem
Wasser enthaltenen schwerlöslichen Salzen leichter lösliche bilden, zum Theil aber
bewirken daß die sich
absetzenden Niederschläge im amorphen, pulverförmigen Zustande erhalten werden.
Allein trotzdem wollen die meisten Kesselbesitzer, und nicht mit Unrecht, von den
verschiedenen Kesselstein-hindernden chemischen Mitteln, welche so häufig als
vorzüglich wirkend angepriesen werden, nichts wissen, da diese Mittel in vielen
Fällen nicht nur nicht wirken, sondern das Kesselwasser noch mehr verunreinigen und
oft größere Kesselstein-Ablagerungen bewirken, als ohne sie entstanden wären.
Manche derselben können für ein bestimmtes Wasser von sehr guter Wirkung seyn,
allein daraus folgt noch nicht, daß ein solches Mittel dann für alle harten Wässer nach einer bestimmten Schablone
verwendet werden kann, wenn man die verschiedene Natur der Wässer in Bezug auf ihre
verunreinigenden, die Härte bedingenden Salze berücksichtigt.
Dazu kommt noch, daß man, um die wirkende Substanz zu verdecken, die
verschiedenartigsten Verunreinigungen darunter mischt, welche dann nur zur
Verschlechterung des Wassers beitragen.
Unter den vielen chemischen Mitteln sind besonders das kohlensaure Natron (Soda), zuerst von Kuhlmann
und dann von Fresenius vorgeschlagen, ferner die
sogenannte holländische Komposition, ein Gemenge von Soda
und Natronwasserglas, zuerst von Buff und Versmann
Polytechn. Journal, 1859, Bd. CLII S. 189. angegeben, und endlich Chlorbaryum jene
Substanzen, die auf das Kesselwasser günstig einwirken, wenn sie in der richtigen
Menge angewendet werden und der Natur des Wassers entsprechen. Jene Geheimmittel,
die sich noch der Gunst mancher Kesselbesitzer erfreuen, enthalten eine oder mehrere
dieser Substanzen als Hauptingredienz, vermischt mit Sägespänen, Kohlenpulver, Lohe
und dergleichen Verunreinigungen.
Die Wirkung der Soda besteht darin, daß dieselbe einestheils den kohlensauren Kalk
und die kohlensaure Magnesia fällt, indem sie den doppelt-kohlensauren Salzen
Kohlensäure entzieht, wodurch sie selbst vorübergehend zu
doppelt-kohlensaurem Natron wird, das aber beim Erhitzen wieder seine
Kohlensäure verliert und in einfach-kohlensaures Natron übergeht, welches auf
eine neue Menge doppel-kohlensaurer Salze in der erwähnten Weise einwirkt.
Anderntheils setzt sich ein Theil des kohlensauren Natrons mit dem schwefelsauren
Kalke in der Art um, daß sich kohlensaurer Kalk und schwefelsaures Natron
bilden.
Im Allgemeinen läßt sich mithin die Wirkung der Soda auf ein Wasser dahin erklären,
daß sie alle Kalksalze, weniger günstig die Magnesiasalze, als kohlensaure Salze fällt,
welche dann keinen festen Kesselstein bilden.
Die Soda muß immer im Ueberschusse im Kesselwasser enthalten sein.
Sind in einem Wasser bedeutendere Mengen von Magnesiasalzen enthalten, so empfiehlt
sich statt des kohlensauren Natrons allein, ein Gemenge von Soda und Wasserglas
(holländische Composition), da das Wasserglas alle Magnesiasalze als kieselsaure
Magnesia fällt, wie zuerst Van der Corput zeigtePolytechn. Journal, 1859, Bd. CLIII S. 390.. Ueber die Wirkung dieses Mittels äußert sich A. W. Hofmann sehr günstig.R. Wagner's Jahresbericht der chemischen
Technologie für 1859, S. 472. Man soll einem Hektoliter Wasser für je 1° Härte 3 Gramme calcinirte
Soda und eine 3 Gramme Kieselsäure enthaltende Menge kieselsaures Natron für jeden
Gramm Magnesia zusetzen.
Chlorbaryum reagirt nur auf die schwefelsauren Salze, also hauptsächlich auf den Gyps
und die schwefelsaure Magnesia; es bildet sich der spec. schwere fein pulverige
schwefelsaure Baryt, und Chlorcalcium resp. Chlormagnesium bleiben in Lösung.
Ein Gemenge von Soda und Aetznatron, dadurch erhalten daß man der Sodalösung eine
entsprechende Menge Aetzkalk zusetzt und den kohlensauren Kalk absetzen läßt, wirkt
ähnlich wie die holländische Composition.
Trotzdem aber, daß die erwähnten Mittel auf die in dem Wasser enthaltenen schädlichen
Kalk- und Magnesiasalze in der Art einwirken, daß der Aggregatzustand des
fallenden Kesselsteines eine leichtere Entfernung desselben ermöglicht, muß doch
bedacht werden, daß der Niederschlag im Kessel erfolgt.
Nun liegt aber die Gefahr sehr nahe, daß durch ungenügenden Zusatz von Soda oder
Chlorbaryum, welche Mittel immer im Ueberschuß vorhanden seyn müssen, dennoch
Gypsabscheidung erfolgt, wodurch dann gefährliche Kesselsteine entstehen
können.Man s. Varrentrapp in Wagner's Jahresbericht der chemischen Technologie für 1866, S.
497. Zudem haben solche mit Salzlösungen geschwängerte Wässer häufig
Siede-Verzug und „spucken.“
Aus allen diesen Gründen muß erklärt werden, daß der einzig richtige Weg zur
Reinigung des harten Wassers der ist, dasselbe vor seiner Verwendung, sey es nun als Speisewasser oder
zu sonst einem industriellen Zwecke, mit den entsprechenden
chemisch-wirkenden Agentien in der richtigen Menge
zu versetzen und den hierbei entstehenden Niederschlag auf geeignete Weise aus dem
Wasser zu entfernen, bevor solches seiner Verwendung zugeführt wird.
Dieser angedeutete Weg wurde zuerst in England in größerem Maaßstabe nach der
bekannten Methode von Clark ausgeführt. Das chemische
Agens hierbei ist Kalkmilch, deren Kalkhydrat dem doppelt-kohlensauren Kalk
und der doppelt-kohlensauren Magnesia einen Theil Kohlensäure entzieht und
dieselben als einfach-kohlensaure Salze fällt, wie oben angegeben wurde.
Dieser Niederschlag wird dann auf die Art entfernt, daß man denselben in großen
Reservoiren absetzen läßt. Hierzu ist ein Zeitraum von mindestens 8 Stunden nöthig, wenn man nicht einen Kalk-Ueberschuß zur Fällung verwendet, weil sich
der kohlensaure Kalk in letzterem Falle groß-flockig abscheidet und rasch
setzt. Auf dieser Eigenschaft basirt ja auch die Art der Anwendung des Kalkes nach
Clark, indem man zuerst bloß 3/4 des gesammten
Wassers mit 7/8 der nöthigen Kalkmenge versetzt – durch welchen Kunstgriff
man im Anfange einen Kalküberschuß in das Wasser bringt. Erst nach einiger Zeit
setzt man dann den Rest des Wassers und der Kalkmilch also den kleineren Theil
– zu, dessen Niederschlag mit den größeren Flocken der früheren Fällung zu
Boden gerissen wird.
Die dabei zur Fällung nöthige Kalkmenge wird, wie auf Grund einer Härtebestimmung des
Wassers, mittelst Seifenlösung berechnet.
Gegen diese Methode wird mit Recht eingewendet, daß dieselbe bei einem größeren
Bedarf von Wasser unverhältnißmäßig große Absetz-Reservoirs verlangt, also
Raum- und Geldverschwendung. Ferner ist die Berechnung des zur Fällung
nöthigen Kalkquantums auf Grund einer bloßen Härtebestimmung immer eine ungenaue. Ein Kalküberschuß im Kesselwasser bildet aber
ebenfalls feste Kesselsteine.Man s. polytechn. Journal, 1872, Bd. CCVI S. 304.
Um nun die Reservoire und das langwierige Absetzenlassen zu umgehen, versuchte zuerst
H. Wagner in ParisPolytechn. Journal, 1862, Bd. CLXIV S. 253; Wagner's Jahresbericht der chemischen Technologie für 1862, S.
536. den durch Erhitzen des Wassers auf 80° C. (mittelst abgehenden
Dampfes) entstandenen Niederschlag durch Filtration zu entfernen. Seine Filtermasse
war Galletseide. Daß diese für einen größeren Betrieb kein geeignetes Filtermaterial
ist, braucht wohl nicht erst erwähnt zu werden.
Es wurden dann als Filtermassen Schwämme, präparirte Scherwolle (Bernard's Patent) u.s.w. verwendet; aber alle diese
Mittel bewährten sich nicht, wenn in dem Wasser der
Niederschlag von kohlensaurem Kalk und kohlensaurer Magnesia suspendirt
war, da derselbe an der Oberfläche der filtrirenden Masse so dicht sich absetzte, daß kein Wasser
mehr durchging, wie zahlreiche mißglückte Versuche bewiesen, welche in Wien die
Südbahngesellschaft durchführte. Endlich gelang es Hrn. J. A. Bérénger, Inspector obiger Gesellschaft, höchst einfache und
praktische Filter zu construiren, deren filtrirende Masse aus gewöhnlichen
Hobelspänen und Kohks-Abfällen besteht. Diese
Filter liefern nicht nur das Wasser krystallhell, sondern sie arbeiten auch längere
Zeit, manche mehrere Monate, ohne gereinigt zu werden, wie das in der Gasfabrik vor
der Favoritenlinie in Wien der Fall ist. Dazu kommt noch, daß das Filtermaterial
leicht zu haben und nicht kostspielig ist.
Nachdem somit die Schwierigkeit der Filtrirung behoben war, führte die
Südbahn-Gesellschaft, auf ihrer Station Wien, die Hrn. J. A. Bérénger patentirte Methode des Weichmachens des Wassers durch.
Diese Methode besteht nun im Wesentlichen in Folgendem:
Das zu präparirende Wasser – komme es nun aus einem Brunnen, aus einem Flusse,
aus einer Leitung oder einem höher gelegenen Reservoir, – wird in einen
vollkommen geschlossenen Recipienten A (Mischgefäß, Mélangeur genannt) (Fig. 1) geleitet. Dieß
geschieht durch das Rohr B, welches bei C sich in eine Art Brause erweitert. Da dieser Apparat
vorher mit Luft gefüllt war, so wirkt er in der Folge gleichzeitig als Windkessel
und trägt zu diesem Behufe am obersten Ende ein Manometer M.
Vor dem Eintritte des Wassers nach A erfolgt durch eine
Pumpe die Einspritzung des betreffenden Reagens d, also
in unserem Falle entweder Kalkwasser, oder Kalkwasser und Chlorbaryum, kurz solcher
Mittel, die der Natur des Wassers entsprechen.
Diese chemisch wirkenden Mittel werden in Bottichen in Lösung gebracht. Das Kalkwasser wird auf folgende Art bereitet.
In dem Bottich A, Fig. 2, wird der gelöschte
Kalk von einem Arbeiter tüchtig mit Wasser, welches durch das Rohr F zufließt, unter einander gemischt. Wenn das Ungelöste
nach einiger Zeit abgesetzt ist, läßt man durch den Trichter B und das Rohr C die klare Kalklösung, von der
Oberfläche weg, in den größeren gedeckten Bottich D
abfließen, wo die vollständige Klärung erfolgt. Aus demselben entnimmt die Pumpe das
gesättigte klare Kalkwasser durch die Röhre E. H dient
zur Entfernung der ungelösten Bestandtheile des Kalkes.
Nachdem nun die betreffenden Lösungen der Reagentien mit dem Wasser vermischt sind,
erfolgt die Fällung der schädlichen Salze in dem Mischgefäß (mélangeur), dessen Einrichtung und Raumverhältnisse derart sind,
daß hierzu die nöthige Zeitdauer ermöglicht ist.
Aus diesem Gefäß gelangt das Wasser, welches den Niederschlag suspendirt enthält, auf
die Filter, deren Zahl je nach der Menge des zu präparirenden Wassers verschieden
groß ist. Die Einrichtung der Filter ergibt sich aus Fig. 3.
Das Filter A besteht aus Eisenblech oder Gußeisen. Der
sphärische Deckel B aus Gußeisen ist luftdicht auf eine
am oberen Ende des cylinderförmigen Theiles des Filters angenietete Kehlrinne g durch einige Schrauben aufgesetzt und kann leicht
entfernt werden, wenn die Filter gereinigt werden sollen. Zu diesem Behufe wird das
Rohrende von C entfernt, die Schrauben gelüftet und
mittelst eines kleinen Flaschenzuges der Deckel gehoben und so dem Arbeiter die
Möglichkeit gegeben das Filter zu entleeren. Die filtrirende Masse: Hobelspäne und
Kohksabfälle aus Gasfabriken, werden nun auf folgende Art in das Filter
gebracht:
In einem geringen Abstand vom Boden des Filters befindet sich ein Rahmen a, der ein Rohrgeflecht trägt. Auf dieses werden etwas
größere, gut durch Absieben gereinigte Hobelspäne fest eingedrückt. Auf diese
Schichte wird ein ähnlicher Rahmen b wie früher gelegt.
Um diesen Rahmen fest zu drücken, damit beim Filtriren das Wasser nicht zwischen der
Wand des Filters und der Filtermasse durchdringt, was ein Heben und Auflockern der
filtrirenden Schicht zur Folge hat, wird auf denselben ein federndes Holzband c gelegt. Dasselbe besteht aus einem 8–9 Zoll
breiten und 1 1/2 Zoll dicken Pfosten, welcher zu 2/3 auf seiner breiten Seite
eingesägt ist und hierdurch biegsam wird. Dieses Band legt sich, wenn es naß wird,
so fest an die Filterwand, daß der darunter liegende Rahmen vollkommen befestigt
ist. Der übrige Theil des Filters wird nun ganz mit einem Gemenge von Hobelspänen
und Kohks-Abfällen angefüllt. Die ganze Masse wird hierauf sehr fest getreten
und mit dem Deckel abgeschlossen. An den Filtern sind ferner am oberen Deckel bei
e und am unteren bei d
Probirhähne angebracht, um den Gang des ganzen Apparates genau controlliren zu
können. Die Höhe dieser Filter beträgt gewöhnlich 1 Meter, der Durchmesser ebenfalls
1 Meter.
Handelt es sich darum, größere Quantitäten Wasser bloß zu filtriren, so wählt Bérénger statt der cylindrischen Form die
conische und gibt den Filtern größere Dimensionen und zwar 1 1/2 Meter Höhe und 2
Meter Durchmesser.
Alle Röhren und Apparate sind derart construirt, daß man dieselben leicht
auseinandernehmen und sie vollständig reinigen kann.
Soll das Wasser durch zwei chemisch wirkende Mittel gereinigt werden, welche nicht
gleichzeitig angewendet werden sollen, z.B. mit Kalkwasser und mit Soda, so kann dieß
leicht auf die Art geschehen, daß zwei Mischgefäße (Mélangeurs) nach einander verwendet werden. Bevor das Wasser in den
ersten Mischer strömt, wird ihm die Kalklösung
eingespritzt. Bei seinem Austritte aus demselben erhält es durch eine zweite Pumpe
die Sodalösung, worauf es in den zweiten Mélangeur gelangt und, nachdem hier der Gyps gefällt ist, erst auf
die Filter kommt.
Die Skizze Fig.
4 bringt den ganzen Apparat zur näheren Anschauung. Dieselbe ist
gleichzeitig ein Beispiel einer Anlage für eine Eisenbahn-Wasserstation.
Das aus der Bezugsquelle aufgesaugte Wasser wird durch die Pumpe P, welche von der Dampfmaschine (oder durch eine
Transmission N) getrieben wird, in den Mélangeur M gedrückt. An der Kolbenstange
befindet sich ein Querstück, welches eine zweite Pumpe P' von vorher bestimmtem Durchmesser in Bewegung setzt; diese Pumpe saugt
die entsprechende Menge Kalkwasser aus dem Reservoir K
und drückt es von hier bis b, wo es mit dem Wasser im
Steigrohr S zusammentrifft. Die beiden Flüssigkeiten
gelangen in den Mélangeur M, wo die
entsprechenden Reactionen auf einander erfolgen. Hierauf kommt die Flüssigkeit sammt
dem entstandenen Niederschlag in den zweiten Mélangeur
M₁, wenn das Wasser, seines Gypsgehaltes wegen, noch mit Soda
präparirt werden soll, was durch die Pumpe P'' und bei
c geschieht. Aus M'
gelangt das präparirte Wasser auf die Filter F und von
diesen durch das Steigrohr T in ein höher gelegenes
Reservoir K, von wo das klare, von seinen schädlichen
Kalk- und Magnesiasalzen befreite Wasser seiner Verwendung zugeführt werden
kann.
Zu dieser Methode ist ferner zu bemerken, daß durch eine einfache Titrirung des zu
präparirenden Wassers mittelst einer vorher genau auf eine Normalsäure gestellten
Kalklösung es leicht ist, die zur Fällung des kohlensauren Kalkes und der
kohlensauren Magnesia in einem bestimmten Wasserquantum, nothwendige Kalkmenge genau
zu bestimmen.Man s. polytechn. Journal, 1872, Bd. CCVI S. 304.
Ebenso kann die Wassermenge gefunden werden, welche nothwendig ist, um das erwähnte
Kalkquantum zu lösen. Nach diesen zwei Daten läßt sich dann der Kalkwasserzusatz
durch die Größe des Hubes der Pumpe (oder durch die Schnelligkeit der
aufeinanderfolgenden Hübe) genau reguliren. Die Einrichtung der Filter ist ferner
der Art, daß mit Hülfe von Curcuma-Papier der geringste Kalküberschuß
nachgewiesen werden kann. Der Probehahn d (Fig. 2)
gestattet präparirtes Wasser zur Prüfung dem Filter zu entnehmen. Um zu sehen, ob
eine genügende Menge
Kalkwasser durch die Pumpe eingespritzt wird, läßt man durch d in ein Glas filtrirtes Wasser fließen und versetzt dasselbe mit reinem
Kalkwasser. Entsteht dadurch eine Trübung, so war zu wenig Kalkwasser vorhanden und
muß der Gang der Pumpe etwas beschleunigt oder der Hub derselben vergrößert
werden.
Durch diese Proben, welche leicht und schnell ausführbar sind, hat man den richtigen
Gang des erwähnten Apparates vollkommen in seiner Hand.
Diese Methode der Reinigung des Wassers ist derzeit in S
größeren Etablissements eingeführt, und zwar: in den Eisenbahnstationen Wien und
Mödling, in der Maschinenwerkstätte der Südbahn in Wien,Man s. des Verfassers Bericht im polytechn. Journal, 1871, Bd. CCII S.
364. in der Gasfabrik vor der Favoritenlinie, in der Filzfabrik der Gebrüder Böhm in Wien, in der Jute-Spinnerei in Floridsdorf
bei Wien, in der Fabrik des Hrn. Giradelli in Trieft und
in der großen Färberei der Firma Hübner in Moskau.
Die Resultate, welche diese Methode liefert, sind zufriedenstellend und es verdient
dieselbe in weiteren Fachkreisen bekannt zu werden.
Auch auf der Wiener Weltausstellung ist Bérénger's Apparat von der k. k. Südbahn-Gesellschaft
ausgestellt und wird durch denselben mittelst Kalkwasser das Speisewasser für die im
Betriebe stehenden Kessel der Firma G. Sigl in Wien,
Wiener Neustadt und Berlin gereinigt.
Wien, den 13. Juli 1873.
Laboratorium des Prof. Dr. A. Baueran der technischen
Hochschule.